Parlamentskorrespondenz Nr. 901 vom 23.11.2007

Ausführliche Debatte über den Gesundheitsbericht 2006 im Ausschuss

Kdolsky nimmt Klarstellungen bezüglich der HPV-Impfung vor

Wien (PK) – Mit einer umfangreichen Tagesordnung befassten sich heute die Mitglieder des Gesundheitsausschusses, wobei Ministerin Andrea Kdolsky den Abgeordneten Rede und Antworten stand. Gleich der erste Punkt auf der Agenda, der Gesundheitsbericht 2006, war Ausgangspunkt für eine ausführliche und breite Debatte über zahlreiche Themen des Ressorts, z.B. die Schwerpunkte im Präventivbereich, die mögliche Ausweitung des Impfprogramms, der Zugang zu psychotherapeutischer Behandlung und die Anschaffung von Grippeschutzmasken. In weiterer Folge behandelte der Ausschuss die geplanten Änderungen im Tierschutzgesetz, den Tierschutzbericht, das Veterinärrechtsänderungsgesetz, die Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei der Gewinnung, Verarbeitung und Lagerung von Zellen und Geweben, das Gesundheitstelematikgesetz, die 15a-Vereinbarung über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens sowie zahlreiche Oppositionsanträge.

Gesundheitsbericht wird einstimmig zur Kenntnis genommen

Alle drei Jahre wird dem Ersuchen des Nationalrates entsprechend ein Gesundheitsbericht vorgelegt. Dieser Bericht, der sich auf die Jahre 2002 bis 2004 bezieht, bietet einen umfassenden Überblick über das österreichische Gesundheitswesen. Die Inhalte reichen von gesundheitspolitischen Leitlinien, dem Gesundheitszustand der Bevölkerung, über Gesundheitsausgaben, die rechtliche Grundlagen, die Versorgungsbereiche bis zur Ausbildung und Ausbildungsreform in den Gesundheitsberufen.

Abgeordnete Ursula Haubner (B) wies darauf hin, dass die häufigsten Todesursachen auf Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems sowie auf Krebserkrankungen zurückzuführen sind. Sie wollte daher wissen, ob in diesen Bereichen Schwerpunkte von Seiten des Ressorts gesetzt werden. Außerdem fragte sie die Ministerin, ob die Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs ins reguläre Impfprogramm aufgenommen werden soll und welche frauenspezifischen Maßnahmen ergriffen wurden.

Abgeordneter Kurt Grünewald (G) sah den Bericht als wichtige Grundlage, bedauerte allerdings, dass er doch auf relativ alte Daten zurückgreife. Ein Manko sei auch, dass der Bereich Armut und Gesundheit kaum behandelt wird, obwohl klar sei, dass gerade ärmere Menschen ein vielfach erhöhtes Krankheitsrisiko haben. Für unerträglich halte er den Zustand, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen um Unterstützung "betteln" müssen, da der Zugang zur Psychotherapie nach wie vor sehr eingeschränkt sei. Trotz einer Ausweitung des Angebots, werden nämlich nur 0,4 % der Bevölkerung erreicht, zeigte Grünewald auf. Massive Lücken ortete er auch noch im Rehabilitationsbereich sowie in der Palliativmedizin und im Hospizwesen, wo fast nur karitative Einrichtungen tätig sind; diese Behandlungsformen müssten endlich in die Kataloge der Krankenkassen aufgenommen werden.

Auch Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) lobte grundsätzlich den Bericht, wobei ihr allerdings die Festschreibung von Zielen fehle. Dies betreffe auch das Kapitel Tabakkonsum, in dem man zusätzlich auf die Schädlichkeit des Passivrauchens hinweisen hätte sollen. Was den Ausbildungsbereich angeht, so warte man auf Anpassungen und Reformen bei einigen Berufsgruppen wie den Hebammen und den Kardiotechnikern.

Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenwein (B) schloss sich ihrer Vorrednerin hinsichtlich des Fehlens von Zielen im Bericht an. Überdies wurde auf die Bereiche Ernährung, Diabetes, Essstörungen bei Jugendlichen und Fettsucht nicht eingegangen, bemängelte sie.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (G) ortete dringenden Handlungsbedarf beim Zugang zu Rehabilitationsmaßnahmen; so hätten etwa Zivilbehinderte keinen Anspruch darauf. Ein großes Anliegen war ihr abermals der barrierefreie Zugang zu Arztpraxen, der noch immer nicht flächendeckend gewährleistet sei. Haidlmayr sprach schließlich noch den Ankauf von 10 Millionen Grippeschutzmasken an; diese Aktion war ihrer Meinung nach ein "Rohrkrepierer".

Abgeordnete Renate Csörgits (S) gab zu bedenken, dass in Österreich jährlich 180 Frauen an Gebärmutterhalskrebs sterben. Viele Experten befürworten eine Impfung gegen HPV-Viren (Humane Papillomaviren), da dadurch zahlreiche Krebsfälle verhindert werden könnten. Csörgits wollte die Position der Ministerin dazu hören und fragte zudem, ob eine Impfung gegen Pneumokokken in das Programm aufgenommen werden soll.

Auch Abgeordneter Kurt Grünewald (G) wies darauf hin, dass Papillomaviren für eine Mehrzahl der Gebärmutterhalskrebserkrankungen verantwortlich sind und eine Impfung zumindest 70 % der Fälle abdecken würde. Er halte sie daher für einen sinnvollen additiven Schutz. Was die Pneumokokken angeht, so können diese – im Gegensatz zu den Rotaviren – zu Todesfällen führen, gab er zu bedenken.

Abgeordneter Karlheinz Klement (F) war der Auffassung, dass im Fall der Vogelgrippe eine Hysterie bewusst aufgebaut wurde, damit einige Firmen gute Geschäfte machen. Weiters sprach er die schädlichen Auswirkungen von elektromagnetischer Strahlung an.

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (V) stellte gegenüber der Abgeordneten Belakowitsch-Jenewein fest, dass die Themen Diabetes und Adipositas Schwerpunkte während der österreichischen EU-Präsidentschaft waren und daher im nächsten Gesundheitsbericht ausführlich dargestellt werden. Sie verteidigte sodann den Ankauf von Grippeschutzmasken, den sie als frühere Ministerin zu verantworten hatte, und begründete dies mit den notwendigen Vorsorgemaßnahmen im Hinblick auf die Vogelgrippewarnungen. Es wurde in Österreich auch keine Hysterie aufgebaut, ganz im Gegenteil, betonte sie. Obwohl einige tote Vögel gefunden wurden, gab es keinen Einbruch des Geflügelmarktes wie etwa in Italien, wo tausende Betriebe in Konkurs gegangen sind.  

Was den Zugang zu psychotherapeutischer Behandlung angeht, so müsse trotz einiger Verbesserungen noch mehr getan werden, zumal Studien belegen, dass Psychotherapie mindestens genauso wirksam sei wie Psychopharmaka, für die große Summen ausgegeben werden.

Auch Abgeordneter Erwin Rasinger (V) zeigte sich froh darüber, dass er in seiner Ordination Grippeschutzmasken für den Notfall, der hoffentlich nie eintreten wird, zur Verfügung habe. Auch wenn Hysterie nicht angebracht sei, so dürfe man nicht vergessen, dass Anfang des Jahrhunderts mehr Menschen an der spanischen Grippe gestorben sind als im ersten Weltkrieg. Insgesamt zeichne der Bericht ein sehr gutes Bild des österreichischen Gesundheitssystems, ein Wermutstropfen sei für ihn jedoch die hohe Rate an alkoholkranken Menschen.

Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) wies darauf hin, dass auf den Grippeschutzmasken darauf hingewiesen wird, dass sie nicht gegen Viren wirksam sind und dass sie zudem im Jahr 2009 ablaufen.

Abgeordnete Petra Bayr (S) sprach eine mögliche Ausweitung der Mutter-Kinder-Pass-Untersuchungen sowie Präventivmaßnahmen im Bereich Genitalverstümmelung von Mädchen an.

Kdolsky gegen Aufnahme der HPV-Impfung ins Impfprogramm

Da es so viele Fehlinformationen bezüglich der HPV-Impfung gebe, nahm Bundesministerin Andrea Kdolsky zunächst einige Klarstellungen vor. Die Humanen Papillomaviren (HPV) bestehen aus mehr als 30 Stämmen, wovon zwei bis fünf für die Erkrankung an Gebärmutterhalskrebs – sowie an anderen Karzinomen - verantwortlich sein können. Grundsätzlich funktioniere die Prävention in diesem Sektor in Österreich sehr gut, aber jeder Todesfall sei natürlich einer zuviel. Es sei aber auch eine Tatsache, dass es keine Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs gebe, unterstrich sie. Es gebe nur eine Impfung gegen die HPV-Viren, die allerdings nur dann effizient ist, wenn sie vor dem ersten Geschlechtsverkehr verabreicht wird. Da allerdings noch keine Studie existiert, die die Auswirkungen dieser Impfung auf Kinder untersucht hat, lehne sie eine generelle Aufnahme ins Impfprogramm ab. Vor einigen Wochen sei zudem eine belgische Studie erschienen, die erstmals auf die Nebenwirkungen der Impfung hinweist. Sie habe allerdings nie gesagt, dass die Impfung schlecht sei und sie habe auch niemanden davon abgeraten, unterstrich Kdolsky.

Was die Pneumokokken betrifft, so betreffe diese Erkrankung zu 98 % Risikogruppen, eine flächendeckende Impfung sehr daher ihrer Meinung nach nicht angebracht. Bezüglich der Grippeschutzmasken stellte Kdolsky fest, dass es Warnungen von Seiten der WHO gegeben hat und gemäß dem Pandemieplan gehandelt wurde.

Die Ressortchefin war überzeugt davon, dass Österreich im Bereich der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen eine führende Rolle innerhalb Europas inne habe. Eine Unterkommission des Obersten Sanitätsrates beschäftige sich regelmäßig damit, ob Anpassungen erforderlich sind. Was die Genitalverstümmelung angeht, die auch strafrechtlich geahndet wird, so gebe es neben Aufklärungskampagnen für junge Mädchen auch spezielle Angebote in einigen Ambulanzen (z.B. Rudolfstiftung), wo auf eine interkulturelle Betreuung Wert gelegt werde. Man könnte sich jedoch überlegen, zusätzliche Untersuchungen in den Vorsorgepass für unter 18jährige aufzunehmen. Hinsichtlich des von Abgeordneter Haubner angesprochenen Anstiegs bei Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen, so nehme man dies sehr ernst und es wurde daher auch ein Schwerpunkt darauf gelegt. Ende 2008 soll auch ein eigener Ernährungsbericht vorgelegt werden. Ein Fokus werde auch auf die frauenspezifischen Krankheiten gelegt, z.B. Brustkrebs, wo die Mammographie-Untersuchung forciert werden soll. Kdolsky erinnerte zudem daran, dass der Fonds Gesundes Österreich eine große Konferenz zum Thema Armut und Gesundheit veranstaltet hat und dass die entsprechenden Konsequenzen aus den Ergebnissen gezogen werden sollen.

Kdolsky unterstützte das Anliegen einiger Abgeordneter, wonach ein besserer Zugang zur Psychotherapie ermöglicht werden soll. Da es sich in Österreich jedoch um ein solidarisch finanziertes Gesundheitssystem handle, soll auch nicht jede "Lifestyle-Psychotherapie" bezahlt werden, betonte die Ministerin. Bezüglich des Ausbaus des Palliativ- und Hospizwesens gab Kdolsky zu bedenken, dass es hier eine Ressortaufteilung zwischen ihr und Minister Buchinger gebe und zudem Länderkompetenzen betroffen sind.

Auf eine Frage des G-Abgeordneten Kurt Grünewald hin, teilte die Ministerin mit, dass im Ausbildungsbereich einige Änderungen vorbereitet werden, wobei eine große Novelle im Jahr 2008 in Begutachtung gehen soll. Kernstück des Entwurfs sei ein vierstufiges modulares System, das durchlässig sein soll und einige Berufsgruppen zusammenführt.

Zum Tabakgesetz führte die Bundesministerin aus, dass ihr besonders der Nichtraucherschutz, vor allen im öffentlichen Bereich, wo es auch um den Vorbildcharakter geht, am Herz liege. Erfreulich sei, dass sich immer mehr Unternehmen und Lokale freiwillig dazu verpflichten, ein Rauchverbot einzuführen.

Vor Eingang in die Tagesordnung wurde Abgeordneter Michael Ehmann (S) zum ersten Schriftführer gewählt. (Fortsetzung)