Parlamentskorrespondenz Nr. 924 vom 28.11.2007

Verfassungsausschuss: Grünes Licht für Bundeshaushaltsreform

Kompetenzen des Parlaments werden gestärkt

Wien (PK) – Die in Aussicht genommene umfassende Reform des Haushaltsrechts in Österreich nähert sich der Zielgeraden. Heute gab der Verfassungsausschuss des Nationalrats mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP grünes Licht für die verfassungsgesetzlichen Teile des Reformpakets. Große Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf wurden nicht vorgenommen, lediglich in Bezug auf bestimmte Budgetüberschreitungsermächtigungen empfiehlt der Ausschuss geringfügige Adaptierungen. Die Zielrichtung des Gesetzentwurfes wurde von allen Abgeordneten einhellig begrüßt. Die Opposition ortete jedoch noch gravierende Schwachstellen, die ihr eine Zustimmung zur Vorlage nicht möglich machten.

Staatssekretär Christoph Matznetter unterstrich, dass durch die Haushaltsreform das Parlament gestärkt werde. Morgen, Donnerstag, wird sich der Budgetausschuss des Nationalrats mit der Reform befassen, gibt auch er seine Zustimmung, könnte das Reformpaket noch heuer vom Nationalrat beschlossen werden.

Ziel der Haushaltsrechtsreform sind eine verbesserte Haushaltsplanung und –steuerung sowie eine Steigerung der Effektivität und der Effizienz der Mittelverwendung. In diesem Sinn werden neue Instrumentarien für eine verpflichtende mittelfristige Budgetplanung eingeführt, die Grundsätze und die Zielbestimmungen der Haushaltsführung des Bundes neu gefasst sowie das System der Rücklagenbildung geändert. Gleichzeitig wird ein stärkerer Fokus auf eine geschlechtergerechte Verteilung der Budgetmittel gelegt. De facto wird der parlamentarische Budgetprozess künftig in zwei Teile gesplittet: einem verbindlichen Finanzrahmen im Frühjahr mit strikten Ausgabenobergrenzen für einzelne Politikbereiche – z.B. Recht und Sicherheit oder Bildung – wird jeweils im Herbst ein detailliertes Budget folgen.

In Kraft treten sollen die neuen Haushaltsrechtsbestimmungen in zwei Etappen 2009 und 2013.

Opposition ortet trotz positiver Bewertung Schwachstellen

Abgeordneter Bruno Rossmann (G) sah in der Reform eine große Chance für ein besseres Budgetmanagement. Dennoch weist der vorliegende Gesetzentwurf seiner Auffassung nach noch markante Schwachstellen auf. So scheint ihm die vorgenommene Zielbestimmung zu unpräzise, denn der Terminus "nachhaltig geordnete Haushalte" sei unter Ökonomen umstritten. Tatsächlich habe man auch nie einen ausgeglichenen Haushalt über den Konjunkturzyklus gehabt, weshalb Rossmann dafür eintrat, die Schuldenquote als eine relevante Zielgröße für die Nachhaltigkeit der Finanzpolitik festzulegen. Auch müsse man den Begriff des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts präzisieren, sagte Rossmann. Er sprach sich auch dafür aus, die Evaluierung explizit im Verfassungstext zu verankern, die Erwähnung in den Erläuterungen ist ihm zu wenig. Im Rahmen einer mittelfristigen Budgetplanung haben ihm zufolge Doppelbudgets nichts verloren, weshalb diese aus dem Text ersatzlos gestrichen werden sollten. Rossmann bedauerte auch, dass die Grundsätze nur für den Bund gelten, nicht aber auch für Länder und Gemeinden. Er sah dabei keinen Eingriff in die Autonomie dieser Gebietskörperschaften, zumal diese bei der Umsetzung frei sein sollten. Gleiche Grundsätze für alle würden aber die Koordination der Budgetpolitik von Bund, Ländern und Gemeinden erleichtern. Rossmann legte zu diesen Punkten einen Abänderungsantrag vor, der jedoch nicht die erforderliche Mehrheit fand.

Als weiteren Kritikpunkt führte er die zentrale Personalplanung durch den Bund an. Darüber hinaus befürchtete er eine Vermischung von Strategie und Festlegung von Obergrenzen durch den künftigen zweiteiligen Budgetprozess, was dazu führen könnte, dass der Focus zu sehr auf die Obergrenze gelegt werde, wobei die Beachtung aktueller wirtschaftlicher Prozesse zu kurz kommen könnte.

Mit den von seinem Vorredner artikulierten Bedenken stimmte Abgeordneter Josef Bucher (B) weitgehend überein. Auch er meinte, der Begriff gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht lasse einen zu großen parteipolitischen Interpretationsspielraum offen. Ähnlich wie Rossmann argumentierte er in Bezug auf die Schuldenquote, da der Konjunkturzyklus nur schwer definierbar sei. Er ging auch mit der Forderung konform, Länder und Gemeinden sollten die budgetären Grundsätze des Bundes übernehmen, wandte sich jedoch gegen eine gesetzliche Verpflichtung. Der föderalistische Gedanke lege nahe, es Ländern und Gemeinden zu überlassen, ob sie sich den Grundsätzen unterwerfen.

Abgeordneter Alois Gradauer (F) unterstützte ebenfalls die Aussagen Rossmanns, vor allem, was die Verpflichtung der Länder und Gemeinden betrifft, sich den Grundsätzen der Haushaltsführung des Bundes zu unterwerfen. Er konzentrierte sich dann auf die Problematik der außerbudgetären Schulden, durch die eine enorme Zinsenlast von 7,5 Mrd. € entstanden sei. In das neue Haushaltsrecht setzte er die Hoffnung, dass dieser Entwicklung entgegen gewirkt werde. Jedenfalls, so glaubte er, müsse es bei den ausführenden Organen zu einem Umdenken kommen, vor allem müsse den jährlichen Bestrebungen, sämtliche freien Mittel noch im Dezember auszugeben, ein Ende gesetzt werden. Trotz seiner grundsätzlich positiven Einschätzung ging ihm der Gesetzentwurf jedoch zu wenig weit.

SPÖ und ÖVP: Modernes, flexibles und transparentes Haushaltsrecht

Abgeordneter Peter Sonnberger (V) bezeichnete die vorliegende Reform als einen guten gesetzlichen Rahmen, der den Bundeshaushalt moderner, transparenter, flexibler, effizienter und aussagekräftiger gestalte. Er trage dazu bei, Budgetstabilität zu gewährleisten, und schaffe die Möglichkeit, durch Rücklagen antizyklische Maßnahmen setzen zu können. Dies alles müsse jedoch erst mit Leben erfüllt werden, merkte Sonnberger an und sprach die Hoffnung aus, dass Länder und Gemeinden dem Beispiel folgen werden.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) knüpfte daran an und betonte, es werde an den Abgeordneten selbst liegen, wie man mit diesem modernen Budgetrecht umgeht und wie man die Transparenz sicher stellt. Dazu bedürfe es noch einer ausführlichen Diskussion unter Einbeziehung aller Fraktionen, denn es bestehe die Chance, dass man mit dem gegenständlichen Gesetz an die Spitze Europas komme. Wesentliche Eckpunkte auf diesem Weg seien die mittelfristige Budgetplanung und der antizyklische Automatismus. Die Entscheidung, entsprechend der konjunkturellen Lage Maßnahmen zu setzen, müsse der Politik vorbehalten bleiben. Zu den Anmerkungen des Abgeordneten Gradauer hielt Krainer fest, es sei auch notwendig, zu berücksichtigen, wofür Schulden gemacht worden sind. Denn vielfach dienten sie wichtigen Investitionen, so wie im privaten Bereich. Sein Klubkollege Otto Pendl ergänzte aus seiner Sicht, er finde es schade, dass Länder und Gemeinden nicht eingebunden worden sind, denn vergleichen könne man nur Gleiches.

Staatssekretär Christoph Matznetter stimmte Abgeordnetem Rossmann zu, dass die Zielbestimmungen zu den schwierigsten Fragen gehört haben und merkte an, das vorliegende Ergebnis stelle eine Kompromissvariante dar. Er hielt ihm jedoch entgegen, dass man an den europäischen Wachstums- und Stabilitätspakt gebunden sei, der die Schuldenquote nicht anspricht. Eine nationale Änderung hält er daher für nicht möglich. Matznetter räumte aber ein, dass die Revision des Stabilitätspaktes im Jahr 2005 einen gewissen Wechsel vom pro-zyklischen zum antizyklischen Prinzip gebracht habe. Trotzdem blieb Abgeordneter Rossmann bei seiner Auffassung, es wäre sinnvoll, auf nationaler Ebene von der Schuldenquote auszugehen.

Matznetter verteidigte auch den Begriff des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, zumal das Gesetz einen Rahmen darstelle und eine unterschiedliche Ausrichtung möglich sein sollte. Er warnte aber davor, Länder und Gemeinden durch das Gesetz in die Pflicht zu nehmen, da ein Prozess, der freiwillig übernommen wird, auch anders in Angriff genommen werde. Andernfalls sähe er die Gefahr, dass wesentliche Bereiche durch Ausgliederung außerhalb der öffentlichen Gebarung von den Gebietskörperschaften gelenkt werden. Außerdem werde derzeit das System auf Bundesebene erst auf einer ersten Etappe verändert. Was die Personalplanung betrifft, so gehe es darum, öffentliche Bedienstete effizient einzusetzen, und das sei nur durch ein zentrales Steuerungselement möglich. Matznetter kündigte in diesem Zusammenhang eine eigene Personalagentur des Bundes an.

Durch die Hereinnahme variabler Formen werde es möglich sein, auf konjunkturelle Änderungen zu reagieren, so Matznetter weiter. Er bekräftigte, dass vor der zweiten Etappe eine Evaluierung durchgeführt werde, und dass die Regierung bemüht sei, in Zeiten guter Konjunktur Überschüsse zu erzielen. Bereits heuer habe man bei den Staatsschulden die 60 % des BIP unterschritten. Die Doppelbudgets werde es nur mehr in Sonderfällen geben.

Budgetrecht des Nationalrats wird gestärkt

Auf eine Anfrage des Abgeordneten Josef Cap (S) stellte Staatssekretär Matznetter fest, das neue Haushaltsrecht bringe eine deutliche Stärkung des Parlaments. So sei die mittelfristige Budgetplanung bisher Sache der Regierung gewesen, nun übernehme der Nationalrat die Steuerungsfunktion. Er habe damit die Möglichkeit, nicht nur fixe Positionen, sondern durch die Variabilität auch bestimmte Vorstellungen für die nächsten Jahre vorzuschreiben. Durch die Globalbudgets und die Rücklagenbildung würden jedoch auch die einzelnen Ressorts mehr an Autonomie gewinnen, was zu einer geringeren Bedeutung der einzelnen Budgetposten führe, räumte Matznetter abschließend ein. (Fortsetzung)