Parlamentskorrespondenz Nr. 966 vom 05.12.2007

Vorlagen aus dem Justizbereich passieren den Nationalrat

Strafrechtsänderungsgesetz, SMG-Novelle, EO-Novelle, BRÄG 2008

Wien (PK) – Die Abgeordneten nahmen sodann Vorlagen aus dem Justizausschuss in Verhandlung: Änderung des Strafgesetzbuches, ein Strafrechtsänderungsgesetz 2008, die Suchtmittelgesetz-Novelle 2007 und G- Anträge zur bedingten Entlassung.

Abgeordneter Dr. ZINGGL (G) zeigte sich in Summe mit der Verbesserung des Strafrechts zufrieden, die diesbezügliche Reform sei zeitgemäß, auch wenn dies rechtsgerichtete Kreise anders sehen mögen. Konkret brachte er einen Entschließungsantrag betreffend Erbringung gemeinnütziger Leistungen ein.

Abgeordneter Dr. JAROLIM (S) würdigte die vernünftige Strafrechtspolitik, welche die Grundlage dieser Vorlagen sei, die großen Sachverstand unter Beweis stellten und entsprechende Verbesserungen nach sich ziehen werden. Bei dieser Gelegenheit votierte er dafür, die Frage des Jugendgerichtshofs wieder zu thematisieren und setzte sich sodann mit Aspekten der Suchtgiftkriminalität auseinander, dabei auch auf den Grundsatz "Therapie statt Strafe" verweisend. Insgesamt sei man auf dem richtigen Weg, unterstrich der Redner.

Abgeordneter STRACHE (F) beleuchtete die Thematik aus der Sicht der Opfer und der Bevölkerung. Man müsse Opferhilfe und Bevölkerungsschutz in den Mittelpunkt stellen, es könne Therapie nicht die Strafe ersetzen, vielmehr müsse es heißen: Therapie trotz Strafe. Somit gehe man mit diesen Vorlagen in die falsche Richtung, ein grundlegendes Umdenken tue daher not. Man dürfe der rasant steigenden Kriminalität nicht dadurch begegnen, dass man die Haftrahmen senke, meinte der Redner und trat für eine entschlossene Bekämpfung der Kriminalität in Österreich ein, dabei auch auf den Anteil von Ausländern an den straffällig Gewordenen verweisend. Seine Partei habe jedenfalls ein anderes Sicherheitskonzept als die Regierungsparteien.

Abgeordneter Mag. DONNERBAUER (V) meinte, seine Partei garantiere die Sicherheit dieses Landes, und dem diene auch das hier vorgelegte Paket. Er erläuterte die Intentionen dieser Vorlagen und empfahl ihre Annahme. Seine Partei werde auch weiterhin den Weg der Mitte in der Sicherheitspolitik gehen, denn dieser sei der Weg der Sicherheit.

Abgeordneter WESTENTHALER (B) sagte, wenn man diesem Paket zustimme, könne man die entsprechenden Vorlagen nicht genau gelesen haben. Nehme man diesen Entwurf an, dann danke man als Sicherheitspartei ab, erklärte der Redner an die Adresse der ÖVP. Seine Fraktion übernehme jedenfalls nicht die Verantwortung, wenn ein vorzeitig Entlassener hernach wieder eine Straftat begehe. Man dürfe hier kein Auge zudrücken und Straftäter freilassen, vielmehr müsse die Bevölkerung vor solchen Kriminellen geschützt werden, weshalb seine Fraktion dieses Paket samt und sonders ablehne. Die Regierung müsse von einer solchen Politik ablassen, forderte der Redner abschließend.

Abgeordneter PENDL (S) wies die Kritik seines Vorredners als unzutreffend zurück. Vielmehr sei die Resozialisierung eine der wichtigsten Aufgaben, um Menschen, die ihre Strafe verbüßt hätten, wieder auf das Leben in Freiheit vorzubereiten. Bei der Ministerin bedankte er sich für ihr Engagement auf diesem Gebiet. Das Paket weise in die richtige Richtung, es sei daher zu begrüßen. Konkret brachte er einen S-V-Abänderungsantrag betreffend Befragung von Zeugen mittels Videoaufzeichnung und einen S-V-F-B-Abänderungsantrag betreffend Freiheitsstrafe für Stimmenkauf ein.

Abgeordneter Mag. STEINHAUSER (G) meinte, mit dem eben eingebrachten Antrag zum Stimmenkauf erfülle man nicht die Vorgaben der UN-Konvention. Man müsse den gleichen Maßstab an die Abgeordneten anlegen wie bei den Beamten und den Privaten, sagte der Redner und brachte einen diesbezüglichen Abänderungsantrag seiner Fraktion ein. Das vorliegende Paket selbst fand hingegen die Zustimmung des Mandatars, wenngleich er auf einige Punkte verwies, in denen er sich eine noch bessere Lösung gewünscht hätte.

Abgeordnete FRANZ (V) erläuterte die mit dem Paket verbundenen Intentionen und trat für die Annahme der Vorlagen ein, sodann auf Aspekte der Bewährungshilfe eingehend.

Abgeordneter Dr. FICHTENBAUER (F) trat für eine zentrale EU-Hafteinrichtung ein, in denen ausländische Häftlinge, die nicht EU-Bürger seien, ihre Haft verbüßen sollten. Es sollten daher auf EU-Ebene Gefängnisse eingerichtet werden, meinte der Redner.

Abgeordnete ABLINGER (S) erwartete sich vom Haftentlassungspaket eine bessere Reintegration und insgesamt mehr Sicherheit, bemerkte aber an die Adresse der Freiheitlichen gerichtet, den populistischen Forderungen nach "law and order" werde damit wohl nicht Rechnung getragen werden.

Abgeordneter Mag. DARMANN (B) wandte sich gegen die vorzeitige Haftentlassung von ausländischen Tätern bei vorzeitiger Rückkehr in ihre Heimat und sah darin eine Verfassungswidrigkeit, zumal, wie er argumentierte, österreichische Häftlinge diese Möglichkeit nicht hätten. Überdies sei die Regelung eine Einladung an Ausländer, in Österreich kriminell zu werden, das gesamte Paket werde letztlich auf dem Rücken der Sicherheit der Österreicher ausgetragen, resümierte Darmann.

Abgeordnete Mag. HAKL (V) deponierte ihre Bedenken gegen die Novelle des Suchtgiftgesetzes und kritisierte insbesondere jene Bestimmung, wonach der Besitz der so genannten Grenzmenge zulässig ist. In der Praxis könne mit dieser Grenzmenge auch gehandelt werden, warnte sie und kündigte an, sich bei der Abstimmung ihrer Stimme zu enthalten.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) beklagte hingegen, im Suchtgiftgesetz komme die Sichtweise des Drogensüchtigen als Kranker zu wenig zum Durchbruch, Therapiewillige würden nach wie vor "wie Terroristen" behandelt.

Abgeordneter Mag. MAIER (S) begrüßte die Regelungen zur Bekämpfung der Internet-Kriminalität, warnte aber vor einer drastischen Zunahme des Problems, die in Zukunft noch schärfere Maßnahmen notwendig machen werde. Nach Meinung Maiers sollte deshalb schon bald über eine verschuldensunabhängige Erfolgshaftung bei Datendiebstahl diskutiert werden.

Abgeordneter Dr. HAIMBUCHNER (F) qualifizierte das Haftentlassungspaket als weitere Aufweichung des Strafvollzuges, wobei er vor allem kritisierte, die Opfer würden in der gesamten Strafrechtsdiskussion zu kurz kommen. Die FPÖ werde jedenfalls dafür sorgen, dass Straftäter auch weiterhin im Gefängnis bleiben, kündigte er an.

Abgeordneter PRASSL (V) bekannte sich mit Nachdruck zum Prinzip "Therapie statt Strafe" im Suchtmittelgesetz.

Abgeordnete STEIBL (V) rief zu mehr Drogenprävention auf und betonte, dies sei eine gesellschaftliche Aufgabe, die Eltern dürften dabei in ihrer Erziehungsarbeit nicht allein gelassen werden.

Justizministerin Dr. BERGER sah in der Sicherheit den gemeinsamen Nenner aller vorliegenden Bestimmungen und hob dabei insbesondere die Einführung einer gesetzlichen Grundlage für gemeinnützige Leistungen anstelle von Ersatzfreiheitsstrafen, die Schaffung der Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft sowie strengere Strafen bei Drogenhandel hervor.

Bei der Abstimmung wurde das Strafrechtsänderungsgesetz in der Fassung des S-V-Abänderungsantrages in 3. Lesung mehrheitlich angenommen.

Der Abänderungsantrag blieb ebenso wie der Entschließungsantrag der Grünen in der Minderheit. Das Suchtmittelgesetz wurde in 3. Lesung ebenfalls mehrheitlich angenommen. Mit Stimmenmehrheit nahm das Plenum auch die unter diesem Punkt verhandelten Berichte des Justizausschusses zur Kenntnis.

In der Debatte über das Strafprozessreformbegleitgesetz II und die Änderung des Außenhandelsgesetzes beklagte Abgeordneter Mag. STEINHAUSER (G), dass es nicht zur Schaffung einer weisungsfreien Korruptionsstaatsanwaltschaft gekommen ist, und stellte fest, damit sei einem wesentlichen Erfordernis des internationalen Übereinkommens nicht Rechnung getragen worden. Das Beispiel Italiens zeige, dass der Schutz vor Einflussnahme nur dann gegeben ist, wenn eine Staatsanwaltschaft personell und organisatorisch unabhängig ist, betonte er.

Abgeordnete STADLBAUER (S) sprach von der größten Reform der Staatsanwaltschaft seit 1873 und hob vor allem die Pflicht zur Offenlegung ministerieller Weisungen hervor. Dadurch könne jeder Anschein politischer Einflussnahmen auf die Staatsanwaltschaft vermieden werden, meinte sie.

Abgeordneter Mag. DARMANN (B) unterstützte die Einrichtung einer Korruptionsstaatsanwaltschaft und begrüßte überdies die Reform der Staatsanwaltschaft, wobei er die Transparenz bei den ministeriellen Weisungen als besonders positiv hervorhob.

Abgeordneter Mag. DONNERBAUER (V) brachte einen S-V-Abänderungsantrag zur Berichtigung von Redaktionsversehen ein.

Abgeordneter Dr. FICHTENBAUER (F) kündigte die Zustimmung seiner Fraktion an und äußerte seine Zufriedenheit darüber, dass es nicht zu einer weisungsfreien Staatsanwaltschaft gekommen sei.

Justizministerin Dr. BERGER wies darauf hin, dass in diesen Tagen ein umfassendes Paket für die Staatsanwaltschaft beschlossen werde. Unter anderem hob sie die neue Rolle der Staatsanwaltschaft als Leiter des Vorverfahrens, die geänderte dienstrechtliche Stellung der Staatsanwälte und die Verankerung der Staatsanwaltschaft in der Bundesverfassung hervor und machte darauf aufmerksam, dass die Staatsanwaltschaft auch organisationsrechtlich mehr Unabhängigkeit erhalte.

Die Vorarbeiten in Bezug auf die neue Rolle der Staatsanwaltschaft sind Berger zufolge auf gutem Weg. Der Start am 1. Jänner werde gut gelingen, zeigte sie sich überzeugt. Unter anderem verwies die Ministerin auf die Aufnahme 120 neuer Staatsanwälte, durchgeführte Schulungen und die Einrichtung der erforderlichen Schnittstellen.

Das Strafprozessreformbegleitgesetz II wurde in ditter Lesung unter Berücksichtigung des V-S-Abänderungsantrages mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit verabschiedet. Die Änderung des Außenhandelsgesetzes billigten die Abgeordneten einstimmig.

In der weiteren Debatte erläuterte Abgeordnete Mag. BECHER (S), mit der vorliegenden Exekutionsordnungs-Novelle werde vor allem das Exekutionsverfahren modernisiert. Insbesondere würden die gesetzlichen Voraussetzungen für Versteigerungen im Internet geschaffen. Hauptziel sei es, einen möglichst hohen Erlös bei Zwangsversteigerungen zu erzielen, der dem Schuldner zugute kommen solle.

Abgeordneter Mag. IKRATH (V) begrüßte die seiner Meinung nach "gescheite" Neuregelung des Exekutionsverfahrens. Kein Verständnis zeigte er hingegen dafür, dass freiwillige Versteigerungen von Immobilien in Österreich nach wie vor nur unter zwingender Mitwirkung der Gerichte möglich seien. Er mahnte eine zeitgemäße Regelung ein.

Abgeordneter Mag. STEINHAUSER (G) machte geltend, dass durch die Exekutionsordnungs-Novelle der Gläubigerschutz ausgebaut werde. So würden beispielsweise zwecklose Exekutionen durch eine Sperrfrist verhindert. Generell sprach sich Steinhauser für eine umfassende Änderung der Exekutionsordnung aus.

Die Exekutionsordnungs-Novelle 2008 wurde vom Nationalrat einstimmig beschlossen.

Nächster Tagesordnungspunkt: Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008.

Abgeordneter Mag. DARMANN (B) wandte sich dagegen, Notaren die Verteidiger-Eigenschaft in der Strafverteidigung zu nehmen und brachte namens des BZÖ einen entsprechenden Abänderungsantrag zum Berufsrechts-Änderungsgesetz ein. Gemäß diesem Abänderungsantrag sollten Notare berechtigt sein, Parteien im Strafverfahren vor Verwaltungsbehörden, Finanzstrafbehörden und vor allen Gerichten wegen Straftaten zu verteidigen. Ein von Darmann eingebrachter Entschließungsantrag zielt auf die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der gerichtsmedizinischen Abteilung der Medizin-Uni Wien ab. Gerichtlich veranlasste Leichenöffnungen müssten konstendeckend möglich sein, bekräftigte er.

Abgeordneter Dr. WITTMANN (S) legte ebenfalls einen Abänderungsantrag zum Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008 vor. Damit werden unter anderem Adaptierungen hinsichtlich der Ergänzungsprüfungen für Rechtsanwälte und Notare vorgenommen und Redaktionsversehen beseitigt. Zum Gesetzentwurf an sich hielt er fest, dieser gewährleiste einheitliche Anforderungsprofile für alle freien Rechtsberufe. Sowohl für die Zulassung zum Notar als auch für die Zulassung zum Rechtsanwalt müssten im Wesentlichen sechs Rechtsbereiche abgeprüft werden.

Abgeordnete Dr. BRINEK (V) brachte einen Entschließungsantrag betreffend die Pauschalabgeltung für Ärzte nach den Tarifen des Gebührenanspruchsgesetzes ein. Die Justizministerin wird ersucht, die in § 43 des Gesetzes festgelegten Tarife zu evaluieren und Vorschläge zur Beseitigung möglicher Ungleichbehandlung von Sachverständigen vorzulegen. Ziel des Berufsrechts-Änderungsgesetzes ist es ihr zufolge, die Autonomie der Universitäten beizubehalten und gleichzeitig sicherzustellen, dass alle Jus-Studierende problemlos in freie Rechtsberufe einsteigen können.

Abgeordneter Mag. STEINHAUSER (G) äußerte Zweifel an der Sinnhaftigkeit der vorgesehenen Deckelung der Obduktionskosten und qualifizierte in diesem Sinn den von Abgeordneter Brinek eingebrachten Entschließungsantrag als positiv. Es müsse auch in Hinkunft gewährleistet sein, das strafrechtlich relevante Fakten von der Gerichtsmedizin aufgeklärt werden, unterstrich er.

Ein von Abgeordnetem Dr. HAIMBUCHNER (F) eingebrachter Abänderungsantrag hat zum Ziel, Jus-Studenten, die ein Doktorat machen, auch künftig Erleichterungen bei der Rechtsanwaltsprüfung zuzugestehen. Die Möglichkeit, einen Teile der mündlichen Rechtsanwaltsprüfung "abzuschichten", motiviere potentielle Kandidaten dazu, das Doktorat zu absolvieren, was in vielerlei Hinsicht zu begrüßen sei, argumentierte er. Seiner Ansicht nach geht es nicht an, die Anforderungen für gut ausgebildete Juristen ständig zu erhöhen.

Abgeordneter Dr. HUAINIGG (V) machte darauf aufmerksam, dass sich die Situation blinder Menschen in den letzten Jahren verbessert habe. Mittlerweile stünden Blinden fast alle Berufssparten offen, skizzierte er. Er begrüßte es in diesem Sinn ausdrücklich, dass Blinde in Zukunft rechtmäßige Unterschriften leisten dürften und keine Notariatsaktpflicht mehr bestehe.

Das Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008 wurde vom Nationalrat unter Berücksichtigung des V-S-Abänderungsantrages mehrheitlich verabschiedet. Die Abänderungsanträge des BZÖ und der FPÖ blieben in der Minderheit. Einhellige Zustimmung fand der S-V-Entschließungsantrag betreffend Pauschalabgeltung für Ärzte nach den Tarifen des Gebührenanspruchgesetzes; die dem Ausschussbericht beigefügte Entschließung nahmen die Abgeordneten mehrheitlich an. Der Entschließungsantrag des BZÖ betreffend Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Gerichtsmedizin der Medizin-Uni Wien verfiel der Ablehnung. (Fortsetzung/Bildungsdokumentation)