Parlamentskorrespondenz Nr. 972 vom 06.12.2007

Große Haushaltsreform in Dritter Lesung einstimmig angenommen

Aber Kritik an der Zurückhaltung der Bundesländer

Wien (PK) – Der Debatte über ein neues Haushaltsrecht des Bundes – dem nächsten Punkt der Tagesordnung – waren intensive Beratungen im Finanzausschuss und im Verfassungsausschuss vorangegangen. Die beiden Vorlagen – die erste zur Änderung der Verfassung, die zweite zur Änderung des Bundeshaushaltsgesetzes - wurde heute in Dritter Lesung einstimmig angenommen.

Abgeordneter GRADAUER (F) hielt fest, die vorliegende Reform des Haushaltsrechts gehe aus Sicht der FPÖ in die richtige Richtung. So hob er etwa den verbindlichen Budgetrahmen als positiv hervor. Seiner Ansicht nach sollte es damit möglich sein, ein weiteres Ansteigen der Staatsschulden zu stoppen bzw. Schulden abzubauen.

Gradauer zufolge hat es seit Gründung der Zweiten Republik nur in einem einzigen Jahr einen positiven Staatshaushalt gegeben. Inzwischen würden allein die Zinsen für die Schulden 7,5 Mrd. € betragen. Auch 2007 und 2008 würden neue Schulden gemacht. Ein von Gradauer namens der FPÖ eingebrachter Entschließungsantrag zielt auf eine strikte Limitierung der Abgabenquote bei maximal 39 % ab.

Abgeordneter AUER (V) bekräftigte, mit der Reform des Haushaltsrechts werde ein großer Schritt in die "europäische Premiumliga" gemacht. Das Haushaltsrecht orientiere sich künftig an den Prinzipien der Nachhaltigkeit, der Mehrjährigkeit, der Flexibilität und der Transparenz, skizzierte er. Gleichzeitig erwartet er sich eine bessere Planbarkeit durch die Ausgabenobergrenzen in fünf Rubriken. Wichtig werde sein, dass das Parlament die Umsetzung der Reform "lebt", sagte Auer, und vom derzeitigen Budgetritual wegkomme. Auch der Erfolg bzw. Misserfolg eines Budgets müsse mehr in das Zentrum gerückt werden.

Abgeordneter BUCHER (B) signalisierte die Zustimmung des BZÖ zur Bundeshaushaltsrechtsreform. Seiner Meinung nach werden die neuen Bestimmungen den Anforderungen leistungsorientierten und modernen Wirtschaftens gerecht. Auch die neuen Haushaltsregeln sind für ihn ein großer Schritt nach vorne. Bucher hofft, wie er sagte, dass sich auch die Länder und Gemeinden trotz derzeit noch bestehender Vorbehalte von der Reform überzeugen lassen. Änderungen urgierte Bucher bei der Einhebung der Kommunalabgabe, um einen besseren Ausgleich zwischen den einzelnen Gemeinden zu ermöglichen.

Abgeordneter KRAINER (S) wies darauf hin, dass die Bundeshaushaltsrechtsreform eine mittelfristig verbindliche Budgetplanung und einen fixen Ausgabendeckel bringe, wobei die einzelnen Ministerien innerhalb des Ausgabendeckels mehr Flexibilität erhielten. Ebenso seien mehr Transparenz und eine bessere Einbindung des Parlaments vorgesehen. In einer zweiten Stufe werde es dann, so Krainer, darum gehen, einen stärkeren Fokus auf die Wirkung der Budgetausgaben zu richten. Unter anderem sei eine geschlechtergerechte Haushaltspolitik gefordert. In Richtung Abgeordnetem Gradauer hielt Krainer fest, unter Bruno Kreisky habe es fünf Mal ein Nulldefizit gegeben.

Abgeordneter Mag. ROSSMANN (G) begrüßte die Reform des Bundeshaushaltsrechts ausdrücklich. Sie bietet seiner Auffassung nach eine große Chance für ein neues öffentliches Finanzmanagement. Allerdings wird ihm zufolge viel davon abhängen, inwieweit die neuen Bestimmungen von den Akteuren mit Leben erfüllt werden. Österreich sei international Nachzügler auf diesem Gebiet, sagte Rossmann.

Um aus seiner Sicht einige gravierende Schwächen des Reformpakets zu beseitigen, brachte Rossmann zu beiden vorliegenden Gesetzentwürfen einen Abänderungsantrag ein. Unter anderem sprach er sich dafür aus, bei den Staatszielbestimmungen weniger auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht und einen ausgeglichenen Haushalt über den Konjunkturzyklus abzustellen, sondern das Ziel einer stabilen Schuldenquote in den Mittelpunkt zu rücken. Zudem bedauerte er, dass die neuen Bestimmungen nicht auch für Länder und Gemeinden gelten. Hier wird seiner Meinung nach eine "Jahrhundertchance" vertan. Skeptisch äußerte sich Rossmann schließlich zum zweiteiligen Budgetprozess und zur Möglichkeit der Erstellung von Doppelbudgets.

Abgeordneter Dr. STUMMVOLL (V) pflichtete seinem Vorredner bei, wonach die zweite Etappe der Haushaltsreform ungleich schwieriger werde als die erste. Er machte aber geltend, dass die neuen Bestimmungen umfassend vorberaten worden seien. Politiker und Experten hätten drei Jahre lang "viel Arbeitszeit und Hirnschmalz" in die Materie investiert, bekräftigte er. Stummvoll erwartet sich von der Reform sowohl mehr Budgetdisziplin als auch mehr Flexibilität.

Abgeordneter Dr. WITTMANN (S) betonte, die vorliegende Haushaltsrechtsreform zeige, dass man bei der Staatsreform auf einem guten Weg sei. Die im Österreich-Konvent diskutierten Punkte würden Punkt für Punkt konsequent abgearbeitet, konstatierte er. Zu Abgeordnetem Rossmann merkte Wittmann an, die Zielsetzung eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und nachhaltig geordneter öffentlicher Haushalte hätte nach wie vor ihre Berechtigung, es wäre "fatal", sie aus der Verfassung herauszunehmen. Besonders begrüßte er, dass Bund, Länder und Gemeinden in der Haushaltsführung künftig die tatsächliche Gleichstellung von Männern und Frauen anzustreben haben.

Abgeordneter Mag. KOGLER (G) hielt Finanzminister Molterer zugute, sich wohltuend von seinem Vorgänger abzuheben und sachlichen Diskussion zugänglich zu sein. "Mehr als ein Wermutstropfen" ist für ihn allerdings, dass die Länder bei der Haushaltsrechtsreform "nicht mitziehen". Er fürchtete eine Prolongierung des Reformstaus und gab zu bedenken, dass die Länder Budgetdisziplin noch in einem viel höheren Ausmaß notwendig hätten als der Bund. Mittelfristig werde kein Weg an einer sparsamen und effizienten Budgeterstellung vorbeiführen, prophezeite er.

Finanzminister Mag. MOLTERER führte aus, der Nationalrat fasse heute einen der weitreichendsten Beschlüsse im Bereich des Haushaltsrechts in der Zweiten Republik. Er zeigte sich über die voraussichtlich einstimmige Beschlussfassung des Reformpakets erfreut und machte darauf aufmerksam, dass die Qualität der öffentlichen Finanzen generell ein immer wichtigerer Standortfaktor werde.

Molterer zufolge wird die erste Etappe der Haushaltsrechtsreform die einfachere sein, auch wenn die verpflichtende mehrjährige Budgetplanung eine große Herausforderung sei. "Noch ein bisschen spannender" werde es aber dann, wenn genau geprüft werden solle, welche Wirkung jeder eingesetzte "Steuereuro" habe. Vielleicht gelinge es durch die Haushaltsreform auch, von den "Schwarz-Weiß"-Budgetdebatten im Parlament wegzukommen, hoffte der Minister.

Abgeordneter Dr. SONNBERGER (V) äußerte großes Lob für Finanzminister Molterer und verwies darauf, dass dieser nach dem "ambitionierten Doppelbudget" und einem "gerechten Finanzausgleich" ein neues, modernes Haushaltsrecht vorgelegt habe. Ein sorgsamer Umgang mit Steuermitteln sei nicht immer populär, aber notwendig, meinte er. Die vorgesehene Reform ermögliche Ministern einerseits mehr Spielraum und Gestaltungsmöglichkeiten, andererseits sei aber mehr Budgetdisziplin gefordert.

Abgeordneter Dr. BAUER (S) wies auf die langen Verhandlungen zur Bundeshaushaltsrechtsreform hin. Er verknüpfte mit der Reform die Hoffnung, dass die parlamentarischen Budgetverhandlungen künftig völlig anders ablaufen werden als bisher. Bauer wertete es als Ungleichgewicht, tagelang über ein Budget zu verhandeln, den Bundesrechnungsabschluss, der Auskunft über den Erfolg bzw. Misserfolg eines Budgets gebe, hingegen "in nur 15 Minuten" abzuhandeln. In Richtung FPÖ hielt Bauer fest, die Abgabenquote allein sei nicht ausschlaggebend, vielmehr hänge es davon ab, welche öffentlichen Leistungen mit Steuereinnahmen getätigt würden.

Abgeordnete LENTSCH (V) erklärte, die Haushaltsrechtsreform sei der dritte große Wurf von Finanzminister Molterer. Sie qualifizierte es als positiv, dass man mit der Reform von starren Budgets weg und hin zu Ausgabenobergrenzen gehe. Damit sollte ihrer Meinung nach auch die Untugend der Vergangenheit angehören, ab Oktober noch schnell Geld auszugeben, nur um das Budget auszuschöpfen. Als besonders erfreulich hob Lentsch die Verankerung des Prinzips "Gender Budgeting" im Haushaltsrecht hervor.

Abgeordnete Dr. HLAVAC (S) begrüßte insbesondere die Festlegung des Gender-Budgetings, wodurch Maßnahmen des Budgets dahingehend überprüft werden, wie sie sich auf Männer und Frauen auswirken. In Wien werde diese Form der Budgetierung seit 2006 praktiziert, sagte Hlavac.

Abgeordneter Dr. SCHELLING (V) hob hervor, das Gesetz zwinge den Staat, Planung in den Haushalt zu bringen, dennoch aber so viel an Flexibilität zuzulassen, dass auf Konjunkturschwankungen reagiert werden könne. Durch das neue Bundeshaushaltsrecht werde auch der Parlamentarismus gestärkt, da das Hohe Haus in Zukunft die Strategie festlegen werde. Als Wermutstropfen empfand Schelling die Tatsache, dass die Parameter für die zweite Umsetzungsphase noch sehr nebulos sind und dass die vollständige Implementierung erst ab 2013 erfolgt. Ihm fehlten auch Anreize für die Länder, den neuen Spielregeln beizutreten.

Abgeordnete HAGENHOFER (S) meinte, durch den Einzug des modernen Finanzmanagements werde es einen Kulturwandel für PolitikerInnen und Verwaltung geben. Auch sie hielt es für unbedingt erforderlich, dass Länder und Gemeinden nachziehen. Große Vorteile der Neuregelung sah sie in der leichteren Lesbarkeit, in der höheren Transparenz, in der besseren Nachvollziehbarkeit und in der Rücklagefähigkeit ersparten Geldes.

Abgeordnete TAMANDL (V) begrüßte ebenfalls das Gender-Budgeting, hielt aber gleichzeitig fest, dass es der Bundesregierung überlassen bleiben müsse, wie sie die Strategie durchführt. In Hinblick auf Wien merkte sie kritisch an, dass sich Gender-Budgeting nicht darin erübrige, explizit Frauenprojekte zu 100 % zu finanzieren.

Abgeordnete STADLER (V) zeigte sich überzeugt davon, dass das nun vorliegenden Bündel an Maßnahmen eine moderne und zielorientierte Budgetpolitik unterstützen wird. In den Staatshaushalt ziehe nun Modernität und Flexibilität ein, sagte sie.

Abgeordneter Mag. KUZDAS (S) wies auf die internationalen Empfehlungen hin, denen man nun mit dem Übergang von einer Input-Orientierung zu einer Wirkungsorientierung Rechnung trage. Das neue Bundeshaushaltsrecht bringe eine Chance für mehr Transparenz und bessere Kontrolle, bemerkte Kuzdas, und Doppelbudgets würden nur mehr eine Ausnahme darstellen. Grundsätzlich sprach sich der Abgeordnete für eine Reform der Budgetverhandlungen im Nationalrat aus und trat dafür ein, die Rechnungshofberichte ausführlicher zu diskutieren.

Abgeordneter ESSL (V) unterstrich die Ziele der derzeitigen Budgetpolitik, nämlich Stabilität, Sicherheit und Verlässlichkeit. Finanzminister Molterer könne mit dem rasch erstellten Doppelbudget, mit der Einigung über den Finanzausgleich, mit der Reform der Finanzmarktaufsicht und mit der Haushaltsreform eine stolze Bilanz vorlegen.

Abgeordneter PENDL (S) bezeichnete das Haushaltsrecht als eine der größten Reformen des österreichischen Parlamentarismus, weshalb Optimismus angesagt sei. In Richtung des Abgeordneten Rossmann stellte er einmal mehr dezidiert fest, er sei dagegen, Gemeinden zusammenzulegen.

Abgeordnete GRANDER (V) ging kurz auf die wichtigsten Punkte der Haushaltsreform ein, wie Ausgabenobergrenzen, Rücklagenbewirtschaftung, nachhaltige Haushalte und Flexibilisierung. Sie erhoffte sich dadurch eine höhere Motivation der MitarbeiterInnen.

Der Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage zur Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes und des Bundeshaushaltsgesetzes wurde in zweiter Lesung teils einstimmig, teils mit S-V-F-B-Mehrheit angenommen. In Dritter Lesung passierte die Vorlage den Nationalrat einstimmig. Der Zusatz- und Abänderungsantrag der Grünen erhielt nur die Unterstützung von Grünen und Freiheitlichen und blieb somit in der Minderheit.

Der Entschließungsantrag der Freiheitlichen betreffend Abgabenquote wurde von ÖVP, SPÖ, Grünen und BZÖ mehrheitlich abgelehnt.

Der Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage zur Änderung des Bundeshaushaltsgesetzes wurde in zweiter Lesung teils einstimmig, teils mit S-V-F-B-Mehrheit angenommen. In Dritter Lesung passierte die Vorlage den Nationalrat ebenfalls einstimmig. Der Zusatz- und Abänderungsantrag der Grünen erhielt nur die Unterstützung von Grünen und Freiheitlichen und wurde somit abgelehnt. Die dem Ausschussbericht angeschlossene Entschließung wurde mehrheitlich von SPÖ, ÖVP, Grünen und Freiheitlichen angenommen. (Schluss Haushaltsgesetz/Forts. FMA)