Parlamentskorrespondenz Nr. 978 vom 07.12.2007

Polizeiliche Vorbereitungen für eine Europameisterschaft

Nationalrat beschließt Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz

Wien (PK) – Sicherheitsthemen , bei vielen RednerInnen im inhaltlichen Zusammenhang mit der EURO 2008, standen am Schluss der letzten Debatte des Nationalrats im Jahr 2007. Auf der Tagesordnung standen eine Regierungsvorlage für ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Grenzkontrollgesetz und das Polizeikooperationsgesetz geändert werden, sowie eine Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz.

Abgeordneter Dr. PILZ (G) kritisierte die Absicht der Regierungsparteien, der Polizei zu erlauben, Handys mit IMSI-Catchern abzuhören und Internet-Recherchen ohne richterlichen Befehl durchzuführen. Das seien Fragen, die für ein Parlament eminent wichtig seien. Abgeordnete der Regierungsparteien verhielten sich aber wie "Stimmvieh". Es sei nicht mehr möglich, wichtige Themen in Ruhe zu beraten, weil Ausschüsse nicht einmal einberufen würden, um Anträge zu behandeln. Mit IMSI-Catchern können Gespräche ohne richterliche Kontrolle abgehört werden, was mit sicherheitspolitischen Notwendigkeiten begründet werde. Diese Sicherheitspolitik erinnere an die DDR, sagte Abgeordneter Pilz und bedauerte, dass das Parlament wie eine "Volkskammer" zustimme. Was  hier vorliege sei eines der schlechtesten Gesetze, das diesem Haus je vorgelegt worden sei. "Es ist eines Parlaments unwürdig", zeigte sich Abgeordneter Pilz überzeugt. 

Abgeordneter PARNIGONI (S) wies die Behauptung als tatsächlich unwahr zurück, Handys könnten ohne richterliche Genehmigung abgehört werden.

Abgeordneter KÖSSL (V) stimmte Abgeordnetem Parnigoni zu und sprach von einer Fehlinterpretation der vorliegenden Gesetzesänderung durch Abgeordneten Pilz. In einem Abänderungsantrag der Regierungsparteien zum Sicherheitspolizeigesetz geh es vielmehr darum, den Empfehlungen des Datenschutzrates Rechnung zu tragen, erläuterte Kößl. Ein Mehr an Datenschutz und ein Mehr an Kontrolle sei der zentrale Inhalt dieses Abänderungsantrages.

Abgeordneter STRACHE (F) wandte sich gegen die Ausweitung der Überwachungsmöglichkeiten von Mobiltelefonen und zitierte in diesem Zusammenhang die Bedenken der ARGE Daten. Dieses Gesetz öffne Tür und Tor für den Missbrauch. Es gehe nicht an, dem Staatsbürger Rechte zu nehmen - etwa das Recht auf Volksabstimmung -, per Abänderungsantragen im Ausschuss aber ohne Diskussion mit der Opposition Beschlüsse im Plenum herbeizuführen. Das sei ein fahrlässiger Umgang mit den Rechten der Bürger, mit der Demokratie und mit dem Parlamentarismus. "Das geht in Richtung George Orwell", sagte der FPÖ-Klubobmann.

Der Innenminister sei zwar nicht imstande, Spitzenrepräsentanten der Republik vor dem Kontakt mit Terrorverdächtigen zu schützen, er setze aber eine Handy-Ortung durch. Fahrlässig sei auch Platters Vorbereitung der EURO 2008. Viel zu wenige Exekutivbeamte seien für die Fan-Betreuung abgestellt, kritisierte Strache, der vor der Gefahr warnte, die von gewalttätigen Hooligans für Bürger und Exekutivbeamte ausgehe. Dabei bemängelte der FPÖ-Klubobmann auch die unzulängliche Ausrüstung der Exekutivbeamten. Nicht einmal genügend Erste-Hilfe-Pakete seien vorhanden. "Österreich braucht eine andere Sicherheitspolitik", schloss Strache.

In einer tatsächlichen Berichtigung stellte Abgeordneter Mag. MAIER (S) fest, dass es falsch sei, dass dieses Gesetz erlaube, ohne richterlichen Befehl Telefone abzuhören. Durch den Einsatz des Rechtsschutzbeauftragten wurde ein Beitrag für mehr Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit geleistet.

Abgeordneter PARNIGONI (S) brachte zunächst einen S-V-Abänderungsantrag zum Sicherheitspolizeigesetz ein. Mit diesen Maßnahmen, wodurch u.a. gewaltbereite Fußballfans aus dem Verkehr gezogen werden können, sollen garantieren, dass die EURO 2008 friedlich abläuft. Außerdem enthält das Gesetz noch die

die Sexualstraftäterdatei, die Wegweisedatei sowie verbesserte Datenschutzbestimmungen. Was die Frage der Standortfeststellung von Handybenutzern betrifft, so sei dies nur dann möglich, wenn die Gesundheit oder das Leben eines Menschen in Gefahr ist, z.B. wenn jemand einen Bergunfall hatte oder einen Selbstmord ankündigt.

In einer tatsächlichen Berichtigung stellte Abgeordneter Dr. PILZ (G) gegenüber seinem Vorredner fest, es sei unrichtig, dass Oppositionsabgeordnete daran schuld seien, dass keine Sitzung des Innenausschusses zustande kam. Seit März bemühten sich die Mandatare der Opposition darum, einen Innenausschuss einzuberufen. Der Vorsitzende habe sich aber nicht entsprechend bemüht und keinen Termin zustande gebracht. Auch der dann festgesetzte 21. November kam aufgrund eines Streits zwischen den Regierungsparteien und der Unfähigkeit des Ausschussvorsitzenden nicht zustande.

Abgeordnete Mag. WEINZINGER (G) kritisierte, dass ein sehr wichtiger Bereich im Gesetz fehle, nämlich der Schutz von Frauen vor Gewalt. Es sei eine Tatsache, dass vor Abtreibungskliniken in Österreich täglich Psychoterror auf Frauen in Notsituationen ausgeübt werde, und zwar von einer Handvoll militanter Aktivisten, die international organisiert werden. Wieder einmal sei es jedoch nicht gelungen, Schutzzonen im Gesetz zu etablieren.

Das BZÖ sei immer dafür eingetreten, dass die Exekutive die besten, wirkungsvollsten und modernsten Instrumente zur Fahndung zur Verfügung gestellt bekommt, erklärte Abgeordneter Ing. WESTENTHALER (B). Deswegen sei er grundsätzlich nicht gegen den vorliegenden Entwurf. Kritik übte er jedoch an der Vorgangsweise, da die Abgeordneten ständig mit kurzfristigen Abänderungsanträgen überhäuft werden und keine Diskussion zugelassen wird. Was die EURO 2008 angeht, so sei er überzeugt davon, dass die österreichische Exekutive das Problem des Hooliganismus sehr gut im Griff haben werde; sie brauche keine Ratschläge vom Klubobmann Strache.

Bundesminister PLATTER fragte sich, von welchem Land der Abgeordnete Strache eigentlich gesprochen habe. Österreich stehe laut einer internationalen Bewertung weltweit an erster Stelle im Bereich der Sicherheit, betonte der Innenminister. Seit 2005 ist das Sicherheitskonzept für die Fußballeuropameisterschaft fertig, dies werde nun ständig evaluiert und es wurde ihm auch ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt. Er sei daher überzeugt davon, dass die Exekutive alles großartig meistern wird. Damit die Ausrüstung auf dem modernsten Stand ist, wurden jetzt noch 7,2 Mill. € für diesen Bereich frei gegeben. Entscheidend sei natürlich die internationale Kooperation, weshalb gerade ein Abkommen mit allen betroffenen Ländern unterzeichnet wird. Weitere Maßnahmen betreffen die Fanbegleitung, die Teilnahme von szenekundigen Beamten aus den einzelnen Ländern, vor allem aus Deutschland, oder die Möglichkeit zur präventiven Festnahme wie in der BRD und in der Schweiz. Was die Freigabe von Telefonstandortdaten betrifft, so diene diese Maßnahme dazu, etwa vermissten Personen oder Menschen, die sich in Gefahr befinden, zu helfen. Die Angst vor Missbrauch sei daher völlig unbegründet, da es sich um einen klar eingeschränkten kleinen Personenkreis handelt. Außerdem sei der Rechtsschutzbeauftragte eingebunden, unterstrich der Innenminister.

Abgeordnete ROSENKRANZ (F) bedauerte, dass wichtige und heikle Gesetze nicht im Ausschuss diskutiert, sondern in drei Tagen durchgepeitscht werden. Es sei klar, dass die Exekutive moderne Instrumentarien brauche, räumte Rosenkranz ein, aber es gehe nicht an, wenn die notwendigen technischen Neuerungen als Vorwand genommen werden, um ganz andere Dinge mit hineinzuverpacken. Während uns die "organisierte Kriminalität aus dem zusammengebrochenen Ostblock überrennt" und die Grenzen noch weiter geöffnet werden, werden die österreichischen Staatsbürger noch strenger überwacht; dies ist sicher nicht der Weg, den die FPÖ gehen will.

Abgeordneter MAYERHOFER (F) gab zu bedenken, dass viele Polizisten dem Innenminister nicht mehr vertrauen. Es werde nämlich vergessen, dass während der EURO auch das normale Tagesgeschäft erledigt werden muss. Deshalb könne man nicht sagen, dass alle 27.000 Polizisten in den Stadien sitzen. Außerdem mangle es an moderner Ausstattung. 

Abgeordnete HEINISCH-HOSEK (S) kam auf die Sexualstraftäterdatei zu sprechen, die nun mit vorliegenden Gesetz komme. Bezüglich der Einrichtung von bundesweiten Schutzzonen sei eine Lösung derzeit nicht in Sicht, aber sie wurde in der 29. Ministerratssitzung in einer Protokollanmerkung mit einer Frist von einem halben Jahr festgeschrieben. Auch ihre Fraktionskollegin Mag. STADLBAUER begrüßte die Annäherung der ÖVP beim Thema Schutzzonen. Den Frauen, die sich in einer Ausnahmesituation befinden, müsse ein ungehinderter Zugang zu Kliniken und Ärzten ermöglicht werden.

Die V-Abgeordneten FREUND und HAUBNER thematisierten die sicherheitspolizeilichen Vorbereitungen auf die EURO 2008, die eine große Herausforderung für die Exekutivbeamten darstellen. Deshalb müssen ihnen auch die notwendigen Instrumente in die Hand gegeben werden. Die Überwachung von Handys werde auch in Zukunft nur mit richterlichem Beschluss möglich sein.

Abgeordneter Ing. KAPELLER (V) war der Auffassung, dass die FPÖ als Sicherheitspartei gescheitert ist. Es sei nicht richtig, dass für die EURO 2008 nur 4.600 Beamte zur Verfügung stehen, alle 27.000 Polizisten und Polizistinnen werden im Dienst sein. Auch die Ausrüstung befinde sich auf dem neuesten Stand, es gebe modernste Uniformen und Fahrzeuge.

In einer tatsächlichen Berichtigung erklärte Abgeordneter Strache (F), dass er nicht gesagt habe, es seien nur 4.600 Beamte im Dienst. Richtig sei, dass er gesagt hat, 4.600 Beamte werden für den Bereich Fanbetreuung abgestellt, und das seien im internationalen Vergleich um über 1.300 Beamte zu wenig.

Abgeordnete Mag. HAKL (V) unterstrich noch einmal, dass kein Zugriff auf Emails oder Chatdaten in irgendeiner Form gewährt wird.

Er fürchte sich nicht vor der Europameisterschaft, sondern nur von der Sicherheitspolitik des BZÖ, entgegnete Abgeordneter STRACHE (F). 

Die Änderungen des Sicherheitspolizeigesetzes, des Grenzkontrollgesetzes und des Polizeikooperationsgesetzes wurden in der Fassung eines S-V-Zusatz- bzw. Abänderungsantrages wurden im Rahmen einer getrennten Abstimmung jeweils mehrheitlich angenommen.

Das Sicherheitspolizeigesetz wurde in der Fassung eines S-V-Abänderungsantrags wurde ebenfalls mehrheitlich angenommen.

Nach Beendigung der 42. Sitzung fand noch eine weitere (43.) Sitzung des Nationalrates statt, welche geschäftsordnungsmäßigen Mitteilungen und Zuweisungen diente. (Schluss)