Parlamentskorrespondenz Nr. 59 vom 25.01.2008

Hauptausschuss: Keine Volksbefragung zum EU-Vertrag

Diskussion über Staudammprojekte in der Türkei

Wien (PK) –  Im   Hauptausschuss des Nationalrats wurde heute auch über die Notwendigkeit einer Volksbefragung über den EU-Reformvertrag (Vertrag von Lissabon) diskutiert. Grundlage dafür war ein Antrag des BZÖ auf Durchführung einer solchen Volksbefragung. Dieser wurde schließlich mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP vertagt.

Weiters befassten sich die Ausschussmitglieder mit dem Verkauf von Schloss Mattighofen an die Stadtgemeinde Mattighofen sowie mit dem Verkauf der Liegenschaft "Teilfläche der Hessen Kaserne, Wels" an die Firma Sport-Eybl & Sports Experts. Beide Veräußerungen wurden einstimmig bewilligt.

Der Bericht des Finanzministers über die Ausfuhrförderung im dritten Quartal 2007 wurde mit SPÖ-ÖVP-BZÖ-Mehrheit zur Kenntnis genommen und gab Anlass zu einer ausführlichen Debatte über Staudammprojekte in der Türkei.

Einstimmig passierte die Verlängerung der Entsendung von bis zu zwei Angehörigen des Bundesheeres als militärische Experten im Rahmen der Politischen Mission der UNO in Nepal (UNMIN) den Ausschuss.

Heftige Diskussion um Volksbefragung über EU-Reformvertrag

Der Antrag des BZÖ, über den EU-Reformvertrag, eine Volksbefragung gemäß Art. 49b Bundes-Verfassungsgesetz abzuhalten, gab einmal mehr Anlass zu einer Debatte über den Einsatz eines Mittels der direkten Demokratie in dieser Frage. Klubobmann Peter Westenthaler (B) argumentierte, der EU-Reformvertrag unterscheidende sich nur marginal vom ursprünglichen Verfassungsentwurf. Mehr als 70 % der ÖsterreicherInnen würden sich für die Durchführung einer Volksabstimmung aussprechen, nur 14 % würden die Meinung der Regierungsparteien teilen, wonach das Parlament über den EU-Reformvertrag entscheiden soll. Auch 25 NGOs und zahlreiche JournalistInnen träten für die Abhaltung eines Plebiszits ein. Es wäre erforderlich, der Bevölkerung noch vor dem Ratifizierungsprozess zumindest im Wege einer bundesweiten Volksbefragung die Möglichkeit zu geben, ihrem Willen Ausdruck zu verleihen.

Abgeordnete Elisabeth Grossmann (S) hielt dem entgegen, dass 182 von 183 Abgeordneten dem ursprünglichen Verfassungsvertrag bereits einmal zugestimmt hätten, und zwar mit gutem Grund, wie sie sagte. Der nunmehrige Reformvertrag gehe viel weniger weit als der Verfassungsvertrag und stärke die nationale Souveränität, insbesondere die nationalen Parlamente. Es wäre daher unlogisch, vom bewährten Prinzip der repräsentativen Demokratie abzugehen, bemerkte sie und appellierte, keine Ängste zu schüren und Abstand von den Polemiken zu nehmen. Ähnlich äußerte sich Klubobmann Josef Cap (S), der darauf hinwies, dass man sich für den Ratifizierungsprozess im Parlament zwei Monate Zeit nehme und man damit ausreichend Gelegenheit für eine tiefgreifende Auseinandersetzung habe. Mit dem Reformvertrag würden die Spielregeln für die EU der 27 geschaffen, darüber hinaus gebe es die Grundrechte-Charta, die auch soziale Grundrechte enthalte. Ein Plebiszit sei daher substanziell nicht begründbar.

Ginge es nach den Grünen, so wäre eine europaweite Volksabstimmung an einem Tag das richtige Instrument. Dies sei aber nicht möglich, bedauerte Abgeordnete Ulrike Lunacek (G). Eine nationale Volksabstimmung oder –volksbefragung halte sie für den falschen Weg, weil im Zuge dessen nicht die Inhalte des Vertrags im Vordergrund stünden, sondern die Kommunikation von lediglich negativen Themen.

Während Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch (F) zwar eine Volksbefragung für ein untaugliches Mittel hielt, sprach er sich dezidiert für eine Volksabstimmung nach Beendigung des Ratifizierungsprozesses aus. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an die Haltung der EU in Fragen des Universitätszugangs, der Atomkraft und der Gentechnik.

Abgeordneter Wolfgang Großruck (V) brachte schließlich einen Antrag auf Vertagung des Antrags ein. Die drei Oppositionsparteien sprachen sich vehement dagegen aus und befürworteten eine Abstimmung über den BZÖ-Antrag.

Der Vertagungsantrag wurde schließlich mit den Stimmen der beiden Regierungsparteien SPÖ und ÖVP mehrheitlich angenommen.

Verkauf von Schloss Mattighofen

Der Hauptausschuss genehmigte sodann einstimmig den Verkauf von Schloss Mattighofen an die Stadtgemeinde Mattighofen sowie der bundeseigenen Liegenschaft "Teilfläche der Hessen Kaserne, Wels" an die Firma Sport-Eybl & Sports Experts.

Auf die Fragen der Abgeordneten Alexander Van der Bellen und Ulrike Lunacek (beide G) und des Abgeordneten Peter Westenthaler (B) wies Staatssekretär Christoph Matznetter auf die Schwierigkeiten beim Verkauf von Bundesheerkasernen hin. Für den Bund sei es nicht leicht, so Matznetter, entsprechende Käufer zu finden.

Ausfuhrförderung – Diskussion um Projekte in der Türkei

Schließlich stand der Bericht des Finanzministers über die im 3.Quartal 2007 übernommenen Haftungen, Haftungsinanspruchnahmen und Rückflüsse aus Haftungsinanspruchnahmen auf der Tagesordnung, der mit S-V-B-Mehrheit angenommen wurde.

Der vorliegende Bericht gab Anlass für eine grundlegende Diskussion um das Staudammprojekt Ilisu sowie um die Projekte in Gürsögüt und Kargi, die seitens der Grünen heftig kritisiert wurden. Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) machte einmal mehr auf die erheblichen ökologischen Auswirkungen der Projekte aufmerksam und hinterfragte, warum die beiden Staudammprojekte Gürsögüt und Kargi nicht nach den neuen von der OECD beschlossenen Vorgaben geprüft werden.

Dazu meinte Staatssekretär Christoph Matznetter, die beiden Vorhaben seien vor den neuen OECD-Richtlinien geplant worden. Die Bundesregierung sei bemüht, bei ihren Entscheidungen hohe Anforderungen zu stellen, er warnte aber aus rechtsstaatlichen Gründen davor, die Bedingungen im Nachhinein zu ändern. Das Ministerium müsse auch das Spannungsfeld zu den im Wettbewerb befindlichen Firmen berücksichtigen. Dem konnte Abgeordnete Lunacek zwar in rechtlicher Hinsicht zustimmen, politisch sind jedoch für sie die beiden Projekte nicht akzeptabel, da diese über die ökologischen Bedenken hinaus im kurdischen Gebiet realisiert werden sollen mit dem Ziel, die dortige Bevölkerung abzusiedeln.

Was den Staudamm Ilisu betrifft, so sprachen sich Abgeordnete Ulrike Lunacek sowie die Dritte Präsidentin des Nationalrates, Eva Glawischnig-Piesczek (beide G) für den Rückzug aus dem Projekt aus. Derzeit würde die dortige Bevölkerung zu inakzeptablen Bedingungen abgesiedelt, bzw. vertrieben. Es gäbe nicht die im Vorfeld zugesagten Entschädigungsleistungen und diejenigen, die sich dagegen wehrten, würden verhaftet, so wie der Dorfvorsteher von Ilisu, der einen dramatischen Brief verfasst habe.

Dazu hielt Staatssekretär Matznetter fest, dass erst im Dezember 2007 die Vertragsverhandlungen abgeschlossen werden konnten und die Bundesregierung selbstverständlich auf die vereinbarten Standards drängen werde. Wie ernst man die Probleme nehme, beweise die Tatsache, dass noch im Dezember eine Expertenkommission nach Ilisu gesandt worden ist, um sich an Ort und Stelle ein authentisches Bild machen zu können. Mehr könne man vorerst nicht tun, alles andere liefe auf einseitige wirtschaftliche Sanktionen hinaus, und das stünde nicht im Einklang mit der Neutralität. Die von den G-Abgeordneten genannten Verhaftungen seien eine politische Frage, die bei den Verhandlungen im Zuge des Beitrittsprozesses bewertet werden müssen, meinte der Staatssekretär. Zusätzlich informierte er, dass bislang noch keine Haftungsansuchen eingereicht und damit auch noch keine Garantien übernommen worden seien. Mit denjenigen Bauvorhaben, die in den Rahmen des Ausfuhrförderungsgesetzes fallen, sei jedenfalls noch nicht begonnen worden.

Laut vorliegendem Bericht wurden zwischen dem 1. Juli und 30. September 2007 23 Garantien übernommen, die im Einzelfall den Betrag von 7 Mill. € überstiegen haben. Als Abnehmerländer werden im Bericht angeführt: Algerien (1), Brasilien (1),  China (5), Indien (2), Iran (6), Korea Republik (1), Mexiko (1), Russland (4), Ungarn (1), und Vietnam (1).

Gegliedert nach Regionen beziffern sich die Haftungsstände über 25 Mill. € per 30. Juni 2007 wie folgt (Beträge auf  Mill. € gerundet): Afrika – 809; Asien – 5.389; Amerika - 342 und Europa – 7.584.

Der Haftungsrahmen von 35.000 Mill. € wurde zum Quartalsultimo mit 34.737 Mill. € ausgenützt, davon entfielen 2.166 Mill. € auf Umschuldungskredite. Neuzusagen gab es in der Höhe von 2.289 Mill. €.

Un-Einsatz in Nepal wird verlängert

Am Ende der Sitzung des Hauptausschusses genehmigten die Fraktionen einstimmig die Fortsetzung des Auslandseinsatzes von zwei Angehörigen des Bundesheeres als militärische Experten und bis zu weitere fünf Angehörige des Bundesheeres oder sonstige Personen für vorbereitende unterstützende Tätigkeiten im Rahmen der politischen Mission der UNO in Nepal (UNMIN) bis zum 31.August 2008.

Die Mission hat den Auftrag, das "Umfassende Friedensabkommen" zwischen der Regierung Nepals und der kommunistischen Partei Nepals sowie das "Abkommen zur Überwachung der Verwaltung von Waffen und bewaffnetem Personal" zu beobachten und die Durchführung von Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung zu unterstützen. Wie dem Antrag der Außenministerin zu entnehmen ist, hat sich die Lage in Nepal positiv entwickelt, es sei aber auch zu Verzögerungen gekommen. So hätten die Wahlen, die nunmehr für den 12. April 2008 geplant sind, zwei Mal verschoben werden müssen. (Schluss)