Parlamentskorrespondenz Nr. 77 vom 30.01.2008

Alibihandlung oder Schritt in die richtige Richtung?

Nationalrat beschließt Ökologisierungsgesetz und Ökostrom-Novelle

Wien (PK) – Zwei Vorlagen aus dem Finanzausschuss, beide mit Umweltrelevanz, standen nach dem Pflegethema auf der Tagesordnung der 46. Sitzung des Nationalrats: das Ökologisierungsgesetz 2007 und die Ökostromgesetz-Novelle 2008. Abgeordneter Mag. ROSSMANN (G) sah in der Ökologisierung der NOVA grundsätzlich eine gute Idee, kritisierte aber, dass das System, auf das sich die Regierungsparteien letztlich geeinigt hatten, keinerlei Lenkungseffekte bringe. Man habe einen mächtigen Kniefall vor den Kfz-Händlern und der Autolobby gemacht, das Gesetz sei eine bloße Alibihandlung. Im Einzelnen bemängelte Rossmann die darin enthaltene Malus-Schwelle als zu hoch, um den CO2-Ausstoß substanziell zu senken. Auch würden seiner Meinung nach die Strukturschwächen der NOVA – niedriger Steuersatz, Deckelung – erhalten bleiben. Von einem ökologischen Meilenstein könne keine Rede sein, vielmehr sei die neue NOVA eine politische Einladung zum Kauf von "Dreckschleudern", sagte Rossmann. Der Erhöhung der Pendlerpauschale wiederum konnte der Redner verteilungspolitisch positive Effekte abgewinnen, er kritisierte aber, dass damit an der Grundsatzproblematik der ökologisch ineffizienten Förderung nichts geändert werde.

Abgeordneter Dr. SCHÜSSEL (V) begrüßte die Neuregelung der NOVA als Schritt in die richtige Richtung und sah darin eine Balance zwischen der Bedachtnahme auf die Wettbewerbsinteressen der Wirtschaft, die Arbeitsplätze und die ökologischen Notwendigkeiten. Klar war für Schüssel allerdings, dass die CO2-Problematik nur dann gelöst werden könne, wenn auch die außereuropäischen Staaten Taten setzen. Mit Nachdruck bekannte sich Schüssel zur erneuerbaren Energie, warnte aber, mit den Biotreibstoffen sei der Stein der Weisen noch nicht gefunden. Wichtig sein es, nach ethisch-ökologischen Kriterien eine Nachhaltigkeitsprüfung vorzunehmen.

Abgeordneter THEMESSL (F) warf der Regierung vor, "wieder einmal" die Autofahrer zu belasten. Nach der Erhöhung der Mineralölsteuer gehe das Abkassieren nun mit dem Bonus-Malus-System bei der NOVA "munter" weiter. Er kritisierte vor allem, in erster Linie würden Familienautos besteuert, ohne dass davon eine nachhaltige Senkung des CO2-Ausstoßes zu erwarten sei. In einem Entschließungsantrag forderte Themessl für PKW mit einem Durchschnittsverbrauch von 5 l (ab 2013 4 l) den Entfall der Versicherungssteuer und der NOVA.

Abgeordneter KRAINER (S) begrüßte die Regelung bezüglich der Pendlerpauschale als im Interesse der sozial Schwachen gelegen, schloss aber weitere Verbesserungen hinsichtlich sozialer Treffsicherheit nicht aus. Den Lenkungseffekt bei der NOVA erklärte Krainer mit dem Hinweis, dass entsprechende Mehreinnahmen für Klimaschutzmaßnahmen zu verwenden seien.

Abgeordneter BUCHER (B) unterstützte die Pendlerpauschale ebenso wie das Ökostromgesetz, hätte aber eine Indexierung des Ökostromtarifes gewünscht. Auf die Ablehnung Buchers stieß hingegen die Neuregelung der NOVA, wobei er bemerkte, die Autofahrer würden ohnehin schon sehr stark belastet, der Klimaschutzeffekt sei zudem fraglich. In einem Entschließungsantrag forderte er Anstrengungen der Bundesregierung auf EU-Ebene, damit der Schadstoffausstoß neuer Fahrzeuge auf das technisch mögliche Mindestmaß gesenkt wird.

Bundesminister Dr. BARTENSTEIN begründete den Handlungsbedarf in Sachen Ökostromgesetz mit den starken Rohstoffpreissteigerungen und sah in der vorliegenden Novelle auch eine Hilfe für die Erzeuger von Photovoltaikanlagen.

Abgeordneter Dr. STUMMVOLL (V) betrachtete die Maßnahmen des Ökostromgesetzes vor allem unter dem Blickwinkel des Klimaschutzes, plädierte in diesem Zusammenhang für eine ausgewogene Balance zwischen Ökologie und Ökonomie und warnte vor einer Vertreibung des österreichischen Industrie durch überzogene Schritte. Klar war für den Redner, dass der Schlüssel der Ökologisierung nur im Bereich der technischen Innovation liegen kann.

In einem V-S-Entschließungsantrag forderte Stummvoll eine rasche und unbürokratische Hilfe für die Opfer des Orkans "Paula".

Abgeordnete Dr. MOSER (G) meinte, die Industrie hätte bereits ihren Anteil an den Klimaschutzmaßnahmen geleistet, das Problem sei aber vielmehr der Verkehr. Die Rednerin kritisierte in diesem Zusammenhang die Neuregelung der NOVA als "Hohn" in Sachen Klimaschutz und vermisste vor allem eine stärkere Belastung der "Benzinsäufer" und der schadstoffintensiven Autos. Beim Pendlerverkehr forderte sie in einem Entschließungsantrag eine ökologisch vorteilhafte und sozial gerechte Revision der Pendlerförderung , die insbesondere auch Angebote in Richtung öffentlicher Verkehr und Fahrgemeinschaften enthält.

Abgeordneter Dr. BAUER (S) interpretierte das Ökostromgesetz als Hilfe für die Betriebe und erwartete sich von der heutigen Novelle Schlüsse für eine kommende große Ökostromgesetznovelle.

Abgeordneter WEINZINGER (F) beklagte, die Autofahrer seien das erste Opfer des CO2-Dogmas und verlangte in einem Abänderungsantrag eine Ausnahme für Heeresfahrzeuge von der NOVA.

Staatssekretär Dr. MATZNETTER replizierte auf den F-Antrag, es tue dem Bundesheer auch nicht schlecht, bei der Anschaffung seiner Fahrzeuge auf den Verbrauch zu achten. Allgemein meinte er, es sei aufgrund dieser Novelle mit 20 bis 25 % an Bonus-Fahrzeugen zu rechnen. Die Regelung bei der Pendlerpauschale hielt er für sozial gerechtfertigt, da sie, wie er betonte, vor allem sozial Schwachen zugute komme, die für die Fahrt zum Arbeitsplatz auf das Auto nicht verzichten können.

Abgeordneter KOPF (V) erklärte, durch die Novelle zum Ökostromgesetz reagiere das Parlament auf Probleme, die durch die gestiegenen Rohstoffpreise bei der Erzeugung von Alternativenergie entstanden sind, und rette damit zahlreiche Ökostromanlagen vor dem sicheren Ruin.

Abgeordnete Dr. LICHTENECKER (G) warf ein, es sei bizarr, wenn die Regierung jetzt den Retter der Ökostromanlagen spiele, nachdem sie der Branche durch die letzte Novelle "den Todesstoß" versetzt hatte. Sie kündigte aber ihre Zustimmung zu der Vorlage an, da, wie sie betonte, einem Teil der Erzeuger geholfen werde.

Abgeordnete BAYR (S) forderte in einem S-V-Entschließungsantrag die Regierung u.a. dazu auf, die Mehreinnahmen aus der NOVA für Klimaschutzmaßnahmen zu verwenden.

Abgeordneter DI KLEMENT (F) bemerkte, anstelle einer neuerlichen Novellierung des Ökostromgesetzes wäre es besser gewesen, das Gesetz über erneuerbare Energien aus Deutschland abzuschreiben.

Abgeordneter Auer (V) brach eine Lanze für erneuerbare Energie und bezeichnete das Ökostromgesetz als richtigen Schritt.

Abgeordneter DI PIRKLHUBER (G) warnte, mit der vorliegenden Einmalregelung seien die Probleme nicht gelöst, es habe nun vor allem um eine Änderung der Investitionsrahmenbedingungen und der Einspeisregelungen zu gehen.

Abgeordneter Mag. GASSNER (S) hielt fest, er unterstütze die Novellierung des Ökostromgesetzes, einige Dinge sind seiner Ansicht nach aber hinterfragenswert. Unter anderem stellt sich ihm zufolge die Frage, ob Betriebe, die durch höhere Rohstoffpreise in Not geraten, in jedem Fall automatisch höhere Förderungen erhalten sollen. Hier müsse man sich etwas überlegen, unterstrich Gassner.

Abgeordnete TAMANDL (V) begrüßte die vorgesehene zusätzliche Entlastung für Pendler. Für Kritik an dieser Maßnahme seitens der Grünen zeigte sie kein Verständnis. Viele könnten es sich nicht aussuchen, ob sie mit dem Auto zur Arbeit fahren oder nicht, betonte sie.

Abgeordnete HEINISCH-HOSEK (S) führte aus, die Begünstigung umweltfreundlicher Fahrzeuge sei ein erster wichtiger Schritt. Generell stellte sie die Vermutung in den Raum, dass Frauen eher kleinere und abgasärmere Autos kaufen, während Männer zu stärkeren Fahrzeugen greifen.

Abgeordneter SCHULTES (V) appellierte an die Konsumenten, trotz Förderaktionen für entschwefeltes Heizöl auf eine Holzpellets-Heizung umzusteigen. Man könne nie sagen, wie sich der Ölpreis entwickeln werde, sagte er. Verteidigt wurde von Schultes die höhere Förderung für Biogasanlagen, schließlich würden, wie er ausführte, auch die Erdgaspreise für die Konsumenten steigen, wenn der Rohstoff Erdgas teurer werde. 

Abgeordnete LENTSCH (V) wertete die Einführung des Bonus-Malus-Systems bei der Normverbrauchsabgabe als "logischen Schritt". Sie glaubt, dass sich dadurch das Kaufverhalten der AutofahrerInnen verändern wird und abgasärmere Fahrzeuge gekauft werden. Ausdrücklich begrüßt wurde von Lentsch auch die Entlastung für Pendler.

Abgeordneter Dr. MAIER (V) übte Kritik am Flug-Upgrading von Bundeskanzler Gusenbauer.

Das Ökologisierungsgesetz 2007 wurde vom Nationalrat mehrheitlich beschlossen, der Abänderungsantrag der FPÖ blieb in der Minderheit. Einstimmig verabschiedeten die Abgeordneten die Ökostromgesetz-Novelle 2008.

Angenommen wurden auch die beiden Entschließungsanträge der Koalitionsparteien betreffend rasche und unbürokratische Hilfe für die Opfer des Orkans "Paula" bzw. betreffend Verwendung der zusätzlichen Mittel aus der Spreizung der Mineralölsteuer. Der Entschließungsantrag der FPÖ betreffend steuerliche Entlastung verbrauchsarmer PKW, der Entschließungsantrag des BZÖ betreffend wirksame Reduzierung des CO2-Ausstoßes von Neuwagen durch Festlegung langfristig sinkender Emmissionsgrenzen und der Entschließungsantrag der Grünen betreffend ökologische und sozial gerechte Ausgestaltung der PendlerInnen-Förderung wurden hingegen abgelehnt.

(Schluss Ökologisierungsgesetz/Forts. NR)