Parlamentskorrespondenz Nr. 108 vom 05.02.2008

Turbulente Sitzung des Innenausschusses

Herwig Haidinger als Auskunftsperson vor dem Ausschuss

Wien (PK) – Relativ turbulent verlief heute eine Sitzung des Innenausschusses. An der Spitze der Tagesordnung der von mehreren Unterbrechungen gekennzeichneten Sitzung stand eine aktuelle Aussprache. Auf Antrag von G-Abgeordnetem Peter Pilz, dem sich die Oppositionsabgeordneten Barbara Rosenkranz (F) und Peter Westenthaler (B) anschlossen und mit Zustimmung der SPÖ-Fraktion wurde Herwig Haidinger, derzeit Leiter des Bundeskriminalamtes (dessen Vertrag nicht verlängert wurde), als Auskunftsperson (gemäß § 40 Geschäftsordnung) vor den parlamentarischen Innenausschuss geladen. Ausschlaggebend für die Zustimmung der Sozialdemokraten war u.a. die Behauptung des Abgeordneten Pilz, Haidinger habe über Wunsch der Ressortleitung jene Unterlagen, die dem Banken-Untersuchungsausschuss zu übermitteln waren, zuerst an den Klub der ÖVP übermitteln müssen. Parnigoni sprach die Vermutung aus, dass "gefilterte" Unterlagen an den Untersuchungsausschuss weitergeleitet wurden. Zu so schweren Anschuldigungen, wie von Pilz erhoben, sei Haidinger zu hören.

Abgeordneter Peter Pilz (G) verwies auf Art. 20 Abs. 3 B-VG bezüglich Amtsverschwiegenheit, und meinte, keiner der im Art. 20 Abs. 3 angeführten sechs Punkte komme zum Tragen. Daher ersuchte er den Innenminister, bekanntzugeben, ob auch er diese Ansicht vertrete, weil Dr. Haidinger aus Gründen der Amtsverschwiegenheit kein Nachteil aus seiner Auskunft gegenüber dem Ausschuss erwachsen solle.

Innenminister Günther Platter stellte klar, er entbinde Dr. Haidinger für diese Ausschusssitzung von der Amtsverschwiegenheit.

Abgeordneter Peter Pilz (G) zitierte aus einem Mail vom 12. Juli 2007 – Absender Haidinger – an das Büro für Interne Angelegenheiten im Innenministerium, an Matthias Wechner, Kabinett des Bundesministers, und Erik Buxbaum, Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, wonach er, Haidinger, von der Ressortleitung angewiesen wurde, über Geldflüsse von der BAWAG oder vom ÖGB an die SPÖ, welche aufgrund der Ermittlungshandlungen durch das Bundeskriminalamt hervorkämen, sofort zu berichten und Unterlagen dazu zu übermitteln. Weiter hätte er über Wunsch der Ressortleitung jene Unterlagen, die aufgrund einer Anforderung durch den Banken-Untersuchungsausschuss dorthin zu übermitteln waren, vorher an den Klub der ÖVP übermitteln sollen. Weder telefonische Wünsche hätten an seiner ablehnenden Haltung etwas geändert, noch hätte ein persönliches Gespräch ihn dazu bewegen können. Er habe dies für rechtswidrig gehalten und habe seine Meinung wiederholt zum Ausdruck gebracht. Das habe in der Ressortleitung "höchste Erregung" verursacht.

Konkrete Fragen des Abgeordneten Dr. Pilz an Haidinger: Ist Ihnen dieses Mail bekannt und sind Sie der Verfasser? Können Sie über die im Mail geschilderten Vorgänge Genaueres berichten? Wer waren die Personen in der Ressortleitung bzw. im Kabinett des Bundesministers betreffend die Vorfälle vor der Nationalratswahl und hinsichtlich des Vorfalles, die Akten des Untersuchungsausschusses zuerst dem ÖVP-Klub zuzuleiten? Wen hat die Ablehnung der Wünsche "in höchste Erregung" versetzt?

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (F) erklärte, Haidinger habe gegenüber der APA gesagt, "es habe eine Reihe von Wünschen und Anliegen von ÖVP-Ministern gegeben". Es sei um die Causa BAWAG und um "andere Fälle" gegangen. – Welche Wünsche und Anliegen von welchen Ministern waren es und was waren "die anderen Fälle"?

Abgeordneter Peter Westenthaler (B) meinte, Korruption bestehe darin, dass man für eine (Nicht)Handlung einen geldwerten oder sonstigen persönlichen Vorteil in Aussicht gestellt bekommt. Kennen Sie Fälle von solchen korrumpierten Kollegen? Laut der heutigen Zeitung "Österreich" wollte Haidinger einen Korruptionsverdacht nicht zudecken, sondern hat ihn zur Untersuchung weitergeleitet. – Um welchen Korruptionsverdacht hat es sich gehandelt?

Abgeordneter Helmut Kukacka (V) wollte von Haidinger wissen, welchen Weg dieses Mail gegangen sein könnte, sodass Pilz, der nicht in den Besitz dieser Unterlage hätte kommen dürfen, diese Unterlage erhalten hat. Hat er es von Ihnen? Könnte es eine andere undichte Stelle im Innenministerium gegeben haben? Warum ist dieses Mail erst im Juli 2007 von Ihnen geschrieben worden, wo doch die geschilderten Vorfälle bereits in der Zeit März bis September 2006 vorgekommen sind? Warum haben Sie sich ein Jahr lang Zeit gelassen, das entsprechend anzuzeigen? Hängt das mit Ihrer Nicht-Bestellung zum Leiter des Bundeskriminalamtes zusammen? Immerhin haben Sie schon viel früher vom Minister erfahren, dass sie voraussichtlich nicht mehr bestellt werden. Von wem in der Ressortleitung haben Sie diese Aufträge erhalten? Waren das Weisungen oder nur informelle Gespräche? – So lauteten die konkreten Fragen des V-Abgeordneten. Die Justizministerin fragte er, seit wann sie von diesen Anschuldigungen wisse. Wurde von der Staatsanwaltschaft darüber berichtet? Hat es Einvernahmen gegeben? Ist der Minister oder sind Mitglieder seines Kabinetts von diesem Mail informiert worden?

Abgeordneter Johann Maier (S) stellte folgende Fragen: Wie oft haben Sie Aufträge von der Ressortleitung erhalten, Geldflüsse von der BAWAG oder dem ÖGB an die SPÖ zu ermitteln? Von wem haben Sie die Aufträge erhalten? Welche Informationen haben Sie an welche Personen in der Ressortleitung übermittelt? Gibt es sonstige Personen im Bundeskriminalamt, die nach Ihrem Wissensstand von der Ressortleitung Aufträge erhalten haben? Welche Aufträge gab es nach Ihrem Informationsstand seitens der Ressortleitung an das Büro für innere Angelegenheiten?

Herwig Haidinger bestätigte, dass das von Pilz angesprochene Mail von ihm verfasst wurde. Wie es in die Hände des Abgeordneten Pilz gekommen sei, wisse er jedoch nicht. Es sei richtig, dass er von der damaligen Ressortleitung angewiesen wurde, Geldflüsse von der BAWAG oder vom ÖGB an die SPÖ, welche aufgrund von Ermittlungshandlungen durch das BKA hervorkamen, sofort zu berichten und Unterlagen dazu zu übermitteln. Diese Aufträge seien von zwei Mitarbeitern im Kabinett der Bundesministerin Liese Prokop gekommen, und zwar von Bernhard Treibenreif und Andreas Pilsl. Die Anweisung, die Ermittlungshandlungen in diesen Angelegenheiten vor der Nationalratswahl zu beschleunigen, sei auch aus diesem Bereich gekommen. Was die Bekanntgabe von Namen und Ladungsterminen von bekannten Persönlichkeiten betrifft, also wer wann einvernommen wird, wurden diese Informationen entweder von den Pressereferenten oder von Treibenreif und Pilsl angefordert. Auftragsgemäß habe er auch Daten über Geldflüsse an die Ressortleitung übermittelt, einige Tage später habe man dies dann in den Medien nachlesen können.

Bezüglich der Frage, wer den Auftrag erteilt hat, die Unterlagen aus dem BKA noch bevor sie an den Untersuchungsausschuss gehen, an den ÖVP-Klub zu übermitteln, wies Haidinger darauf hin, dass dieser von Kabinettschef Philipp Ita kam. Er habe ihm geantwortet: "Wie stellst du dir das vor, das muss ich prüfen." Eine Woche später habe er Ita im Rahmen einer Pressekonferenz mit Prokop getroffen, wo er wieder von Ita in dieser Causa angesprochen wurde. Er habe gesagt, er finde dazu keine Rechtsgrundlage und werde das nicht tun. Ita habe ihn darauf angeschrien, und er sei einfach weggegangen. Eine Aussage darüber habe er auch schon bei der BIA gemacht, er wurde niederschriftlich dazu einvernommen.

Bezüglich der Einbindung der BIA in die Causa Geldtransfer an Franz Vranitzky sei er verärgert gewesen, weil dies eigentlich Aufgabe der Sonderkommission BAWAG gewesen wäre und auch nicht abgesprochen war.

Im Herbst 2005 sei ihm vom damaligen Leiter der Abteilung 1.1 im Innenressort, Mag. Michael Kloibmüller, mitgeteilt worden, dass sein Vertrag nicht verlängert werde, wenn die ÖVP den Minister stellt. Im Gegenzug habe man ihm aber angeboten, dass er sich um eine freie Planstelle auf der Managementebene Bereichsleiter bewerben könne. Als Grund dafür wurde angegeben, dass man mit ihm unzufrieden sei und dass er zu viel mit der SPÖ kooperieren würde. Mit Entschiedenheit wies Haidinger zudem den Vorwurf zurück, dass er jetzt nur aussagen würde, um Rache zu üben.

Auf die Frage von Abgeordneter Barbara Rosenkranz, ob es noch weitere Fälle gegeben habe, berichtete Haidinger vom Fall Natascha Kampusch. Er habe seit langer Zeit versucht, eine Evaluierung dieses Falles durchzuführen, um die schlimmen Ermittlungsfehler, die dabei passiert seien, intern aufzuarbeiten, um sie in Zukunft zu vermeiden. Nach dem Auftauchen von Natascha Kampusch habe er erfahren, dass es zwei Hinweise auf den Täter gegeben habe, wobei der zweite nicht bearbeitet wurde und von einem Wiener Polizeihundeführer stammte. Nachdem er diese Person niederschriftlich zu seinen Angaben befragen wollte, habe er die Weisung von der Ressortleitung erhalten, und zwar von Bernhard Treibenreif, das nicht zu tun. Die Ministerin wolle nicht, dass diese Person jetzt vernommen werde, weil "dann diese Sache bekannt werden würde" und "wir keinen Polizeiskandal vor der Nationalratswahl wollen".

Angesprochen auf weitere Vorwürfe wies Haidinger darauf hin, dass Kabinettschef Ita alkoholisiert mit dem Auto gefahren sei und einen Unfall verursacht habe. Viele im Ressort hätten davon gewusst. Ihm sei schließlich diese Sache von Doris Ita erzählt worden, und er habe den Sachverhalt an die BIA weitergeleitet. Er habe auch den Unfallakt angefordert und gleich gemerkt, dass etwas nicht stimme. In dem Unfallbericht sei gestanden, dass der Lenker von einem anderen Fahrzeug abgedrängt wurde und deshalb an den Masten gefahren ist. Der BIA-Chef habe ihm gesagt, dass auch er den Akt schon einmal angefordert und wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs ermittelt habe.

Justizministerin Maria Berger stellte zunächst fest, dass sie von den Vorfällen, um die es geht, aus den Medien erfahren habe. Im Juni 2007 habe der für das BAWAG-Verfahren zuständige Staatsanwalt dieses Mail und Unterlagen von der BIA erhalten. Er habe keinen dringenden Handlungsbedarf gesehen und die Unterlagen in das BAWAG-Tagebuch eingelegt. Jetzt lägen neue Unterlagen bei der Staatsanwaltschaft Wien, es werde ermittelt, informierte Berger, damit handle es sich um ein anhängiges Verfahren.

Innenminister Günther Platter bat zunächst um Verständnis dafür, dass er die Vorwürfe und Gerüchte nicht kommentieren könne, da sie nicht seine Amtszeit betreffen. Sehr wesentlich sei ihm aber die Feststellung, dass sofort nach Auftauchen der Vorwürfe rund um die BAWAG die BIA eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft durchgeführt hat. Weiters habe der Generaldirektor aufgrund bestimmter Medienberichte in der letzten Woche die BIA ersucht, entsprechende Erhebungen durchzuführen. Die Staatsanwaltschaft habe zudem den Auftrag an die BIA erteilt, Direktor Haidinger einzuvernehmen.

Herwig Haidinger ging sodann noch auf Fragen von Pilz bezüglich der Verbindung von Horngacher zum Kabinett der Innenministerin ein. Es habe immer wieder Gerüchte gegeben, dass eine Persönlichkeit der Polizei Wien sehr enge Beziehungen zum Kabinett habe bzw. dieses von ihm abhängig sei. Er wurde zudem von Kabinettschef Philipp Ita ersucht, die Ermittlungsführung in der Causa BAWAG nicht dem BKA zu überantworten, sondern sie nach Wien zu geben. Er habe dies zweimal abgelehnt, aber auch keine Weisung erhalten.

Auf Anfrage des Abgeordneten Kai Jan Krainer (S) wurde sodann jenes E-Mail, auf welches sich die Auskunftsperson bezogen hatte, von selbiger dem Ausschuss zur Verfügung gestellt und zur Verteilung gebracht. Die Auskunftsperson bestätigte Krainer, dass sie die besagten Unterlagen zum Banken-Untersuchungsausschuss weisungsgemäß dem Kabinett des BMI zugeleitet hatte. Auf eine Frage des F-Abgeordneten Harald Vilimsky erklärte Haidinger, es habe keine direkte Einflussnahme durch den Bundesminister gegeben.

Bundesminister Platter erklärte, sein Ressort sei umgehend allen Begebenheiten nachgegangen und habe dies untersucht. Die Ausführungen des Bundesministers wurden durch einen Vertreter des Büros für Interne Angelegenheiten (BIA), Martin Kreutner, in der Folge konkretisiert. So meinte Kreutner, es habe keine polizeilichen Ermittlungen gegeben, die nicht im Auftrage der Staatsanwaltschaft durchgeführt worden wären. Diesbezüglich gebe es aber neue Aufträge, die Ermittlungen liefen also weiter, das Verfahren sei seitens der Staatsanwaltschaft nicht eingestellt worden.

Im Anschluss an die Aktuelle Aussprache nahm der Ausschuss einstimmig zur Kenntnis, dass die Sicherheitsberichte für das Jahr 2005 und 2006 auf Antrag des BZÖ im Plenum behandelt werden sollen. Vertagt wurde schließlich ein S-Antrag. Geht es nach den Antragstellern Parnigoni und Maier, dann soll auch im Hinblick auf die EURO 2008 ein Sicherheitsdienstleistungsgesetz zum Zweck der Qualitätssicherung, der Organisation und der Tätigkeiten privater Sicherheitsdienste beschlossen werden. (Schluss)