Parlamentskorrespondenz Nr. 133 vom 14.02.2008

Grüne orten politischen Missbrauch des Innenministeriums

Dringliche Anfrage an Innenminister Platter im Bundesrat

Wien (PK) – Die Sicherheitsdebatte im Bundesrat anhand der Sicherheitsberichte 2005 und 2006 wurde am Nachmittag zur Debatte einer Dringlichen Anfrage der Grünen unterbrochen. Auch dabei ging es um Fragen des Innenressorts, betraf die Dringliche doch einen von den Grünen vermuteten Missbrauch des Innenministeriums für parteipolitische Zwecke.

Bundesrat SCHENNACH (G) rekapitulierte in seiner Begründung der Dringlichen Anfrage den bisherigen Verlauf der Ereignisse rund um die Aussagen Haidingers und verwies auf eine Aussage des ehemaligen RH-Präsidenten, welcher die Tragweite dieser Vorkommnisse betont habe. Die Bevölkerung erwarte, dass die Vorwürfe entsprechend aufgeklärt würden, dies umso mehr, als sie von einer untadeligen Person erhoben wurden, die zu Recht als hervorragender Beamter gilt.

Es läge eine ganze Reihe von Vorwürfen auf dem Tisch, die alle nachvollziehbar seien, und umso nötiger sei es, hier vollständige Aufklärung zu leisten, meinte der Redner, der die einzelnen Vorwürfe sodann nochmals wiederholte, dabei insbesondere auf die Fragenkomplexe BAWAG und Kampusch eingehend.

Es sei dies ein Skandal im Dunstkreis der ÖVP, und dieser müsse restlos aufgeklärt werden, betonte der Redner. Daran führe kein Weg mehr vorbei, schloss Schennach, der zuletzt auch das Verhalten des Ministers in der Causa Zogaj scharf kritisierte. Die diesbezüglich erhobenen Vorwürfe seien gleichfalls untersuchenswert, so der Redner. Eine "Dringliche Anfrage" sei ein wichtiges Instrument der Opposition, doch ein ebenso wichtiges Instrument sei ein Untersuchungsausschuss, an dem hier kein Weg mehr vorbeiführe. Die ÖVP wäre gut beraten, den Weg dorthin nicht zu blockieren.

Innenminister PLATTER informierte die Bundesräte einleitend über die Einrichtung einer unabhängigen und weisungsfreien Ermittlungskommission unter dem Vorsitz des ehemaligen Verfassungsgerichthofspräsidenten Ludwig Adamovich, die alle offenen Fragen bei den Ermittlungen im Fall Natascha Kampusch aufklären soll. Auf Grund einer Prioritätenliste, die Adamovich in Aussicht gestellt habe, werde es möglich sein, Zwischenberichte vorzulegen und den Abgeordneten im Innenausschuss des Nationalrats am 26. Februar bereits erste Auskünfte zu geben.

Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Fall BAWAG werden von der Staatsanwaltschaft aufgeklärt, teilte der Minister mit. Das Büro für interne Angelegenheiten sei weisungsfrei gestellt und könne allen Vorwürfen nachgehen, betonte der Innenminister. Es sei ihm sehr wichtig, dass diese Antikorruptionseinheit funktioniere, da er die feste Absicht habe, den sehr guten internationalen Rang Österreichs beim Kampf gegen die Korruption noch weiter zu verbessern.

Auf die insgesamt 18 an ihn gerichteten Detailfragen eingehend, wies Minister Platter aus Gründen der Fairness zunächst den Eindruck zurück, bei den Anschuldigungen Haidingers handle es sich um Fakten. Alles müsse geprüft werden, daher gelte nach wie vor die Unschuldsvermutung.

Informationen über die Ermittlungen im Fall BAWAG seien, wie bei allen großen Kriminalfällen üblich, wöchentlich in Form standardisierter Berichte an die Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit und an das Ministerbüro gegangen. 

Zu einer Beurteilung der aktuellen Vorwürfe sei er, solange die Staatsanwaltschaft ermittle, nicht befugt, sagte der Innenminister. Auch hinsichtlich der Behauptungen Haidingers gegenüber dem ehemaligen Kabinettchef Ita stellte der Minister fest, es handle sich um Behauptungen, und forderte die Bundesräte auf, die Ergebnisse der Justizermittlungen abzuwarten. Akten zum Fall BAWAG, die an das Parlament gesandt wurden, seien über die Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit ausschließlich an die Parlamentsdirektion gegangen, nicht an den ÖVP-Klub, unterstrich Platter.

Auch die Frage der Verhinderung einer Evaluierung der Ermittlungsfehler im Fall Kampusch sei von der Evaluierungskommission zu beurteilen. Dabei gab der Minister zu bedenken, es sei immer leicht, einen Kriminalfall "von hinten zu lesen", wenn der Täter bekannt sei. Bei den Ermittlungen habe die Polizei aber tausenden Hinweisen nachzugehen. Es sei international üblich, dass Evaluierungen erst dann durchgeführt werden, wenn alle Ermittlungen beendet und der Akt geschlossen sei, erfuhren die Bundesräte vom Minister.

Die Behauptung Haidingers, Innenministerin Prokop habe angewiesen, den Wiener Polizeihundeführer im Fall Kampusch nicht zu befragen, um einen Polizeiskandal vor der Nationalratswahl zu verhindern, wies Minister Platter als völlig falsch zurück. Auch habe dieser Hundeführer nichts über einen Hang Prikopils zu Kindern oder über Waffen in dessen Haus mitgeteilt, sagte der Minister.

Zum Besuch von BIA-Beamten bei der Schwiegermutter Franz Vranitzkys stellte der Minister klar, dass BIA-Ermittlungen außerhalb des Ressorts ausschließlich im Auftrag der Staatsanwaltschaft durchgeführt werden. Dieser Auftrag habe gelautet, so schnell und so diskret wie möglich Kontakt zum ehemaligen Bundeskanzler herzustellen; die BIA habe diesen Auftrag der Staatsanwaltschaft nicht ablehnen können, betonte der Minister, denn die Staatsanwaltschaft habe das Recht, sich bei Ermittlungen jeder Ermittlungsbehörde zu bedienen.

Minister Platter wandte sich dagegen, das Innenressort und seine großartigen Mitarbeiter in einen Sog von Vorwürfen hineinzuziehen.  "Sie leisten tagtäglich hervorragende Arbeit für die Sicherheit des Landes, sie haben es nicht verdient, dass ihr Einsatz in ein schlechtes Licht gerückt wird", sagte der Minister.   

Man habe in der gestrigen Präsidiale des Nationalrates den richtigen Weg eingeschlagen. Alle Fakten sollen auf den Tisch kommen, erst dann könne die politische Verantwortung geklärt werden, bloße Behauptungen oder Vorverurteilungen reichten dazu nicht aus, sagte Innenminister Platter abschließend.

Bundesrätin MÜHLWERTH (A) zeigte sich unzufrieden mit den Antworten des Bundesministers, nach denen sie sich "so gescheit fühlt wie zuvor". Es reiche nicht aus zu sagen, es gebe nur Behauptungen und die Staatsanwaltschaft prüfe ohnedies. Immerhin wolle der Minister das BIA nun auf eine gesetzliche Grundlage stellen, nachdem er dies bisher nicht für notwendig gehalten habe. Eine Aufklärung darüber, ob das Bundesministerium Behörden für parteipolitische Zwecke missbraucht habe, werde die Adamovich-Kommission nicht aufklären können, meinte die Bundesrätin, die sich an die Visa-Affäre erinnert fühlte, bei der es zunächst auch geheißen habe: alles nur Vorwürfe und Behauptungen, ehe man doch Kontakte von Beschuldigen mit der organisierten Kriminalität einräumen musste. Ihre Hoffnung gelte der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, da nur dieser im Stande sei, die politische Verantwortung aufzuklären, schloss Bundesrätin Mühlwerth.

Bundesrat KONECNY (S) warf dem Innenminister vor, den Bundesräten mit seinen oft vagen Antworten nur wenig Gelegenheit gegeben zu haben, die Sachverhalte aufzuklären, die sie aufklären wollen. Konkret habe der Innenminister etwa nichts dazu beigetragen, um aufzuklären, was mit der Kreditkarte des ehemaligen Kabinettchefs Ita passiert sei, klagte der Bundesrat und äußerte die Befürchtung, dass sich daran nichts ändern werde. Die SPÖ werde in ihrer nächsten Klubsitzung entscheiden, ob es einen Untersuchungsausschuss geben soll oder nicht. Dabei werden die SP-Bundesräte ihre Abgeordnetenkollegen jedenfalls darüber informieren, wie der Innenminister die an ihn gerichteten dringlichen Fragen beantwortet habe, schloss Konecny.

Bundesrat Mag. HIMMER (V) wies den Versuch des Bundesrates Schennach zurück, die ÖVP zu skandalisieren und erinnerte ihn daran, wie oft Behauptungen des Dr. Pilz nicht bewiesen werden konnten. Für ihn sei Ludwig Adamovich jedenfalls wesentlich glaubwürdiger als Peter Pilz.

Für ihn gebe es keinen Beweis dafür, dass die beiden Beamten des BIA, die bei der Schwiegermutter Franz Vranitzkys dessen Telefonnummer ermittelten, etwas anderes wollten als nach einer Möglichkeit zu suchen, Kontakt mit dem ehemaligen Bundeskanzler aufzunehmen, um Fragen im Fall BAWAG zu klären. Alles andere seien unbewiesene Behauptungen. Das Recht der Opposition, parlamentarische Kontrollinstrumente in Anspruch zu nehmen sei unbestritten, die Opposition müsse sich aber schon auch fragen lassen, ob sie sich in ihrer Auseinandersetzung mit der Regierung auf bislang unbewiesene Behauptungen stützen oder sich doch auch mit Fakten befassen wolle.

In Beantwortung von Fragen des Bundesrats Todt gab Bundesminister PLATTER in einer weiteren Wortmeldung Auskunft über die Tätigkeit von Bernhard Treibenreif und Andreas Pilsl im Kabinett von Ministerin Prokop und betonte einmal mehr die Unschuldsvermutung, solange die Anschuldigungen nicht aufgeklärt seien. Treibenreif sei nach einem Ausschreibungsverfahren Kommandant der "Cobra" geworden, wobei für ihn gesprochen habe, dass er bereits Stellvertretender Kommandant war. Für Pilsl habe bei der Ausschreibung des oberösterreichischen Polizeikommandanten gesprochen, dass er bereits Stellvertreter war.    

Bundesrätin KERSCHBAUM (G) warf Innenminister Platter vor, die an ihn gerichteten Fragen teilweise unbeantwortet gelassen zu haben. Es reiche nicht aus, wenn sich ein Minister angesichts schwerer Vorwürfe gegen seine Beamten darauf beschränke, auf die Einrichtung einer Evaluierungskommission zu verweisen oder zu sagen, die Staatsanwaltschaft ermittle. Auch reiche es nicht aus, auf die guten Leistungen der Polizei zu verweisen, wenn der Innenminister gefragt werde, was er zu tun gedenke, um das beschädigte Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Institutionen wieder herzustellen.

Gegenüber Bundesrat Himmer machte Kerschbaum auf den seltsamen Eindruck aufmerksam, den es hinterlasse, wenn man höre, zwei BIA-Beamte hätten eine Dame im Altersheim aufgesucht, um die Telefonnummer einer staatsbekannten Person zu ermitteln.

Abschließend fragte die Bundesrätin, wie es möglich sei, dass die ÖVP-Niederösterreich im Falle eines Abschiebeverfahrens kriminalpolizeiliche Daten erhalten habe.

Bundesrat BADER (V) hielt es für erforderlich, die ungeheuerlichen Anschuldigungen schonungslos aufzuklären. Sein Vertrauen gelte dabei den Justizbbehörden und der Evaluierungskommission. Der Opposition und der SPÖ warf der Redner vor, gar kein Interesse an den Antworten des Innenministers zu haben, weil es ihnen nur um die "politische Show" gehe. Auch die Vorwürfe an die Adresse des BIA seien politisch motiviert, wobei Bader auf die bevorstehende Wahl in Niederösterreich hinwies. Landeshauptmann Pröll habe im genannten Asylfall keine Details bekannt gemacht, stellte der Bundesrat fest und verwahrte sich auch gegen pietätlose Vorverurteilungen der verstorbenen Innenministerin Prokop.

Bundesrat BREINER (G) zeigte sich verwundert von der Haltung, die Innenminister Platter angesichts des Vorwurfes einnehme, hohe Beamte seines Ressorts hätten ihr Amt für parteipolitische Zwecke missbraucht. Da es bei der Klärung dieser Frage um politische Vorwürfe gehe, könne nur ein Untersuchungsausschuss zur Aufklärung beitragen. Es sollte auch im Interesse der ÖVP sein, die Anschuldigungen parlamentarisch zu untersuchen. Schließlich gehe es auch darum, möglicherweise unschuldige Beamte zu schützen.

(Schluss Dringliche/Forts. BR)


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