Parlamentskorrespondenz Nr. 169 vom 29.02.2008

Justizausschuss vor dem Hintergrund laufender Verfahren

Staatsanwälte Pleischl und Gildemeister als Auskunftspersonen

Wien (PK) – Vor dem Hintergrund laufender Verfahren – etwa des BAWAG-Prozesses – fand heute die Sitzung des Justizausschusses statt. Um die Öffentlichkeit, einschließlich Bild- und Tonaufnahmen, zu ermöglichen, sah die Tagesordnung den Bericht des Justizministeriums betreffend die Jahresvorschau 2007 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2007 sowie des operativen Achtzehnmonatsprogramms des deutschen, portugiesischen und slowenischen Ratsvorsitzes vor; da dieser Bericht im Ausschuss enderledigt werden soll, ist dieser Teil der Sitzung öffentlich. Der Bericht wurde bei der Abstimmung am Schluss der Sitzung vom Ausschuss einstimmig zur Kenntnis genommen und gilt damit als erledigt.

Vor Eintritt in die Tagesordnung und Zulassung der Öffentlichkeit debattierte der Ausschuss Fragen der Geschäftsordnung. Der Ausschussobmann, VP-Abgeordneter Heribert Donnerbauer, teilte mit, dass Staatsanwalt Georg Krakow nicht als Auskunftsperson zur Verfügung stehe, weil er bei einer Verhandlung im BAWAG-Prozess engagiert sei; als Auskunftspersonen stünden damit der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Werner Pleischl, und Staatsanwalt Peter Gildemeister zur Verfügung. Abgeordneter Johannes Jarolim (S) stellte den Antrag, die beiden Staatsanwälte nicht nur als Auskunftspersonen, sondern auch als Experten zu laden. Er zog, als vor allem ÖVP-Abgeordneter Helmut Kukacka seine Ablehnung dieses Anliegens bekundete, seinen Antrag zurück.

Ein zweites Thema bei dieser Geschäftsordndungs-Debatte war die Amtsverschwiegenheit. Abgeordneter Kukacka (V) argumentierte, es wäre unfair, wenn im Justizausschuss die Amtsverschwiegenheit nicht aufgehoben würde, während sie im Innenausschuss aufgehoben worden sei. Abgeordneter Gernot Darmann (B) wollte wissen, wie die Vereinbarung der Koalitionsfraktionen genau gelautet habe; denn werde die Amtsverschwiegenheit nicht aufgehoben, sei die Ladung der Staatanwälte sinnlos. Er sprach sich daher für die Aufhebung aus. Abgeordneter Jarolim (S) plädierte dafür, geltende rechtsstaatliche Regeln nicht außer acht zu lassen. Abgeordneter Peter Pilz (G) vertrat die Ansicht, dass Fragen zu formalen Aspekten auch bei laufenden Verfahren zulässig seien. Justizministerin Maria Berger wies darauf hin, das vom Gesetz her eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht im Hinblick auf laufende Verfahren und das Recht der Beschuldigten auf ein faires Verfahren gar nicht möglich sei. Erfolge diese Entbindung nicht, replizierte Abgeordneter Kukacka (V), würde damit der Ausschuss ad absurdum geführt – und wo bleibe dann das Recht auf ein faires Verfahren bei jenen Personen, die von Ex-BK-Chef Haidinger beschuldigt würden?

Schließlich beschloss der Ausschuss, die Staatsanwälte Pleischl und Gildemeister als Auskunftspersonen zu hören.

In der ersten Fragerunde wies Abgeordneter Jarolim (S) zunächst darauf hin, dass sich die Staatsanwälte strafbar machten, würden sie Inhalte aus laufenden Verfahren preisgeben. An Justizministerin Maria Berger richtete er eine Frage im Zusammenhang mit der Weisungs-Unabhängigkeit der Sonderstaatsanwaltschaft zur Bekämpfung der Korruption.

Abgeordneter Pilz (G) zeigte sich erfreut, dass nun auch offenbar die ÖVP für einen Untersuchungsausschuss sei, weil dort keine Amtsverschwiegenheit gegeben sei und zudem Akten vorgelegt werden müssten. Pilz stellte zunächst eine Serie von Fragen im Zusammenhang mit der Anzeige Haidingers: Habe es schon vorher Hinweise in Richtung der späteren Vorwürfe gegeben, warum wurde mit der Causa Staatsanwalt Krakow und nicht ein anderer betraut, gebe es ein Strafverfahren im Zusammenhang mit ähnlichen Vorfällen im Finanzministerium, gebe es ein Verfahren wegen Datenmissbrauchs und Veröffentlichung von Akteninhalten im letzten Wahlkampf und, wenn ja, gegen bekannte oder gegen unbekannte Täter, habe es ähnliche Vorfälle auch im Justizressort gegeben, zumal seinerzeit von einem diesbezüglichen "Wettlauf" zwischen dem Innen- und dem Justizressort die Rede gewesen sei. Eine weitere Serie von Fragen betraf die Veröffentlichung von EKIS-Daten durch Innenminister Platter und Beamte seines Ressorts im Zusammenhang mit den Fällen Zogaj und Zekaj sowie die so genannte Spitzelaffäre des Jahres 2000.

Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F) zeigte Verständnis für den Standpunkt der Justizministerin in punkto Amtsverschwiegenheit und wandte sich gegen die von Abgeordnetem Pilz vorgenommene "Generalabrechnung". Er fragte nach Maßnahmen, um die Weitergabe von Akteninhalten zu unterbinden und relevierte zwei konkrete Fälle von Mord bzw. Morddrohung in der Vergangenheit, die eingestellt worden seien. Diese Einstellung sei im Zusammenhang mit der Tätigkeit "unqualifizierter Polizeiorgane" zu sehen, sagte der Abgeordnete und fragte nach Maßnahmen im Sinn einer Qualitätskontrolle.

Abgeordneter Darmann (B) fragte ebenfalls nach "Lecks" im Bereich des Justizressorts und nach dem Stand der diesbezüglichen Ermittlungen. Außerdem wollte er Einzelheiten über die weitere Vorgangsweise der Sonderkommission für das Büro für interne Angelegenheiten (BIA) im Innenministerium sowie über die von Ex-BK-Chef Haidinger erhobenen Vorwürfe wissen.

Der Leiter der OStA Wien, Werner Pleischl, stellte fest, dass vor der Anzeige durch Haidinger im Jahr 2007 der Staatsanwaltschaft diesbezüglich nichts bekannt gewesen sei. Staatsanwalt Krakow sei vom Leiter der Staatsanwaltschaft Wien vermutlich entsprechend der Geschäftsverteilung und wegen des Zusammenhangs mit dem BAWAG-Verfahren auch mit dieser weiteren Causa betraut worden. Der Missbrauch von Daten, der von Haidinger angezeigt worden sei, sei Gegenstand der strafrechtlichen Beurteilung. Auf mehrere Fragen des Abgeordneten Pilz zu antworten verbiete die Amtsverschwiegenheit, sagte Pleischl weiter, mit dem Fragenkomplex Zogaj sei er, Pleischl nicht befasst, die so genannte Spitzelaffäre habe vor seinem Amtsantritt stattgefunden.

Im Zusammenhang mit der Anzeige durch Haidinger warte der Staatsanwalt ab, ob sich im Zuge des BAWAG-Verfahrens Ansatzpunkte ergeben. Bezüglich der Veröffentlichung interner Protokolle der Staatsanwaltschaft sei ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Täter eingeleitet worden, das voraussichtlich an eine andere Oberstaatsanwaltschaft delegiert würde. Die angesprochenen Verfahren der Vergangenheit seien ihm nicht geläufig, zumal er dabei nicht operativ tätig sei. Die Ermittlungen im Zusammenhang mit dem BIA würden von Hofrat Marent mit zwei Gruppen in engem Konnex mit den Anordnungen der Staatsanwaltschaft geführt; Marent unterstünde keinen Weisungen.

Staatsanwalt Peter Gildemeister beschrieb die bisherige Vorgangsweise im Zusammenhang mit der Sonderkommission Marent. Zu den Veröffentlichungen von Akteninhalten in der Zeitschrift NEWS sagte Gildemeister, er sei in dieser Causa nicht mit Ermittlungshandlungen befasst, weil er selbst grundsätzlich zum Kreis möglicher Verdächtiger zähle.

Justizministerin Maria Berger erinnerte zunächst daran, dass die Weisungsfreistellung der Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft von der ÖVP nicht gewünscht worden sei, dass aber das gesamte Weisungsrecht neu gestaltet werde. So seien dann Weisungen schriftlich festzuhalten und in einem Bericht an den Nationalrat öffentlich zu machen. In der Sache Haidinger skizzierte die Ministerin den Weg nach: Haidinger habe sich zunächst an die Besetzungskommission und dann an das BIA gewandt, von dort sei die Sache dann an die Staatsanwaltschaft gegangen; dies in der Zeit, als die Hauptverhandlung im BAWAG-Verfahren begonnen habe. Da es sich ausschließlich um Fakten im Zusammenhang mit der Causa BAWAG gehandelt habe, sei es naheliegend gewesen, Staatsanwalt Krakow auch damit zu betrauen.

In der Causa Kampusch sei nach dem Tod des Verdächtigen das Verfahren von der StA Wien eingestellt worden. In der "Vollanzeige" habe es weder Hinweise auf Ermittlungsfehler noch auf nicht erlaubte Evaluierung gegeben, aber auch habe es keine Hinweise auf Mittäter. Daher sei das Verfahren eingestellt worden.

Zu den Vorwürfen gegen den früheren Finanzminister Grasser sei ein Verfahren anhängig, sagte die Justizministerin weiter. Auch gegen einen Mitarbeiter des Kabinetts der früheren Justizministerin sei ein Verfahren anhängig, ebenfalls in der Caus Zogaj. Interventionen seitens der ÖVP habe es bei ihr nicht gegeben; in der so genannten Spitzelaffäre habe es weder nachträgliche Ermittlungen gegeben, noch gebe es entsprechende Vorhaben.

Gegen die missbräuchliche Weitergabe von Kopien gäbe es in ihrem Ressort Vorkehrungen, Missbrauch könne aber nicht vollständig ausgeschlossen werden. Es sei aber dafür gesorgt worden, dass sofort Anzeige erstattet worden sei, sagte die Ministerin. Zu den beiden alten Fällen informierte sie den Ausschuss, dass in einem Fall das Verfahren wieder aufgenommen worden sei, im anderen würden Informationen eingeholt.

In weiteren Fragenrunden brachten die Abgeordneten Helmut Kukacka (V), Gernot Darmann (B) und Peter Pilz (G) die aktuellen BAWAG-Ermittlungen nach der Auffindung neuer Unterlagen über Geldflüsse von der BAWAG an die SPÖ zur Sprache. Kukacka wollte wissen, warum es erst jetzt zu einer Hausdurchsuchung bei Walter Flöttl gekommen sei und ob man sicher gehen könne, dass bei Elsner bereits alles untersucht sei. Pilz wiederum bemerkte zum Verdacht der illegalen Parteienfinanzierung, es stelle sich die Frage, welcher strafrechtlich relevante Tatbestand eigentlich vorliege. SPÖ und ÖVP hätten jedenfalls jahrzehntelang dafür gesorgt, dass im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten illegale Parteienfinanzierung nicht strafbar ist.

Pilz forderte ebenso wie sein Fraktionskollege Abgeordneter Albert Steinhauser auch Aufklärung im so genannten "Spitzelskandal" des Justizministeriums aus der Zeit der schwarz-blauen Regierung, wobei beide der FPÖ Vertuschung vorwarfen. Gegenstand weiterer Untersuchungen müsste nach Ansicht der Grünen auch der Vorwurf von illegalen EKIS-Abfragen durch die ÖVP Niederösterreich sein. Überhaupt meinte Pilz, ein Untersuchungsausschuss richte sich nicht gegen eine bestimmte Partei, sondern habe vielmehr die Aufgabe, sämtliche Vorwürfe aufzuklären, und zwar unabhängig davon, gegen welche Partei sie erhoben werden.

Abgeordneter Manfred Haimbuchner (F) wies den Vorwurf der Vertuschung scharf zurück und konfrontierte die Grünen mit einer Aussage ihrer niederösterreichischen Spitzenkandidatin Petrovic, die zugegeben hatte, Asylwerber versteckt zu haben. Der FP-Abgeordnete sah darin eine Verstoß gegen das Fremdenpolizeigesetz.

Die Abgeordneten Johann Maier und Gisela Wurm (beide S) zogen aus den aktuellen Debatten den Schluss, dass eine Behördenreform mit einer klaren Regelung des Weisungsrechts ebenso notwendig sei wie eine genaue gesetzliche Determinierung der Tätigkeit des BIA. Wurm forderte zudem mit Nachdruck die Weisungsfreiheit für die geplante Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft.

Justizministerin Maria Berger meinte zur aktuellen Wendung im BAWAG-Fall, die neuen Unterlagen "werden ihren Weg gehen". Die Staatsanwaltschaft werde objektiv und unbeeinflusst prüfen, wie sie dies auch bisher getan habe. Im Übrigen äußerte die Ministerin den Eindruck, der Verlauf des BAWAG-Verfahrens habe ein sehr gutes Bild der österreichischen Justiz ergeben. Was eine mögliche strafrechtliche Relevanz von Geldflüssen von der BAWAG an die SPÖ betrifft, erklärte Berger, vorstellbar wäre der Verdacht des Tatbestands der Untreue.

Vom Abgeordneten Helmut Kukacka (V) auf unterschiedliche Aussagen Herwig Haidingers angesprochen, betonte die Ministerin, sie wolle keinerlei Äußerungen tätigen, die auf eine Beurteilung der Aussagen Haidingers hinauslaufen.

In den abschließenden Fragerunden wurde Bundesministerin Berger abermals seitens der ÖVP (Abgeordnete Astrid Stadler und Karin Hakl) scharf kritisiert, dass sie die Amtsverschwiegenheit nicht aufgehoben hat. Bundesministerin Berger stellte daraufhin nochmals fest, die Staatsanwaltschaft habe in einem laufenden Verfahren eine Entscheidung vorzubereiten und die Interessen der Parteien zu beachten. Das BIA sei dem gegenüber seit 19. Februar nicht mehr führend im Verfahren tätig. Sie wies auch den Verdacht auf versuchte Intervention durch ihren Kabinettschef beim Vorsitzenden der Sonderkommission, Adamovich, zurück. In diesem Gespräch sei es allein darum gegangen, Überschneidungen und Unstimmigkeiten zu vermeiden, zumal es in der Causa Kampusch-Ermittlungen strafrechtlich relevante Fakten geben könnte. Es sei in dem Telefonat klargestellt worden, dass seitens der Kommission keine formellen Ermittlungen geführt werden. Auf die Frage der Abgeordneten Karin Hakl sowie des Ausschussvorsitzenden Heribert Donnerbauer (beide V), ob denn ein Untersuchungsausschuss die Arbeit der Staatsanwaltschaft behindern könnte, wies die Ministerin darauf hin, dass es im Untersuchungsausschuss um politisch relevante Aspekte gehe, und diese könnten von der Justiz nicht abgedeckt werden. Die Justiz hingegen habe die Aufgabe, strafrechtliche Aspekte zu untersuchen.

Auf die Frage des Abgeordneten Albert Steinhauser (G), ob es in Bezug auf die Vorwürfe Haidingers nicht schon im Juli 2007 einen Bericht hätte geben müssen und den Vorwurf der Abgeordneten Astrid Stadler (V), die Ermittlungen in der Causa BAWAG seien schleppend verlaufen, bekräftigte der Leiter der OStA Wien, Werner Pleischl, im Juli 2007 sei ein einziges Faktum bekannt gewesen, das die BAWAG betrifft. Alle anderen Fakten seien erst am 4. Februar an die Öffentlichkeit gelangt. Er habe zwar oft mit Staatsanwalt Krakow telefoniert, und zwar zu dessen Unterstützung, dabei habe es jedoch keine Interventionsversuche gegeben. Staatsanwalt Peter Gildemeister konkretisierte ergänzend den zeitlichen Ablauf und sagte, am 4. Februar habe Dr. Haidinger erstmals in der Öffentlichkeit die Vorwürfe erhoben, am 7. Februar sei ihm der Akt übertragen worden. Am 8. Februar habe er Haidinger bereits einvernommen, am 20. Februar sei die Sonderkommission eingesetzt worden, und mit dieser habe es am 26. und 28. Februar Gespräche gegeben.

Abgeordnete Beatrix Karl (V) vertrat die Auffassung, dass im Fall der Kampusch-Ermittlungen der Vorwurf der Vertuschung nicht an Innenminister Platter gerichtet werden müsse, sondern eher an die Staatsanwaltschaft, zumal diese im September 2006 von den nicht weiter verfolgten Hinweisen des Hundeführers informiert gewesen sei und eine Anzeige vorgelegen sei. Dem hielt die Ministerin entgegen, in dieser Anzeige sei es nicht um Ermittlungsfehler gegangen, sondern um eine Vollanzeige in der Hauptsache Priklopil. Das sei im Zwischenbericht der Sonderkommission etwas missverständlich dargestellt. Auch Oberstaatsanwalt Pleischl stellte fest, aus den Unterlagen, die der Staatsanwalt bekommen habe, habe sich unmittelbar kein Verdacht einer strafrechtlichen Handlung ergeben, möglicherweise aber einer Evaluierungsnotwendigkeit. (Schluss)