Parlamentskorrespondenz Nr. 202 vom 06.03.2008

Kompetenzerweiterung der Pflegekräfte auf nächste Woche vertagt

Änderungen im Hebammen- und Zahnärztegesetz einstimmig angenommen

Wien (PK) – Mit einer längeren Geschäftsordnungsdebatte begann die heutige Sitzung des Gesundheitsausschusses. Es war nämlich zunächst geplant, die gestern im Ministerrat beschlossene Einigung über die Kompetenzerweiterung der Pflegekräfte in der 24-Stunden-Betreuung, die dem Ausschuss als Entwurf (zu 435 d.B.) vorlag, zu verhandeln und zur Abstimmung zu bringen. Da der Entwurf erst heute morgen an alle Klubs versandt wurde, einigten sich schließlich die fünf Parteien darauf, diesen Punkt zu vertagen und nächste Woche, noch vor der NR-Sitzung am Donnerstag, einen Gesundheitsausschuss einzuberufen.

SPÖ schließt sich der Kritik der Opposition an der Vorgangsweise an

Bevor sich die Abgeordneten mit der Regierungsvorlage für ein Gesundheitsberufe-Rechtsänderungsgesetz befassten, meldete sich die Abgeordnete Ursula Haubner (B) zur Geschäftsordnung und beantragte die Absetzung des ersten Punktes von der Tagesordnung. Sie wies darauf hin, dass sie die neue Vorlage erste heute Morgen erhalten habe und es nicht möglich sei, sich in dieser kurzen Zeit seriös mit der Materie zu befassen. Auch bezweifelte sie, dass eine Abänderung der Vorlage unter Berufung auf Paragraph 25 der Geschäftsordnung rechtlich möglich sei, zumal vier weitere Gesetze hinzugekommen seien.

Dieser Auffassung schloss sich auch Abgeordneter Kurt Grünewald (G) an. Es sei ein Affront gegenüber den Parlamentariern, wenn erwartet werde, eine so wichtige Materie beim Frühstück begutachten zu können. Seine Fraktionskollegin Sabine Mandak machte darauf aufmerksam, dass insgesamt 67 Begutachtungen zum Entwurf eingebracht wurden und man nicht wissen konnte, was nun in die Regierungsvorlage aufgenommen wird. Auch G-Abgeordnete Theresia Haidlmayr sah sich außerstande, 200 Seiten in nur eineinhalb Stunden parallel zu lesen. Sie schlug daher vor, am nächsten Mittwoch einen weiteren Gesundheitsausschuss einzuberufen.

Abgeordneter Herbert Kickl (F) bezeichnete die Vorgangsweise als inakzeptabel und beantragte die Absetzung von der Tagesordnung.

Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) betonte zunächst, dass sich das Ergebnis bezüglich der Erweiterung der Kompetenzen der Pflegekräfte sehen lassen könne. Als Souverän habe man jedoch die Verantwortung, die Vorlagen gründlich und ausführlich zu diskutieren, gerade wenn es um eine so heikle und wichtige Materie wie die Pflege kranker und bedürftiger Menschen gehe. Aus diesem Grund stelle sie daher einen Vertagungsantrag.

Abgeordneter Erwin Rasinger (V) gab zu bedenken, dass die Materie aufgrund der Fristsetzung unter hohem Druck verhandelt wurde und die Ministerin alles dafür getan habe, dass nach langen Gesprächen eine Einigung zustande kam. Dies führte dann dazu, dass die abgeänderte Regierungsvorlage erst heute den Abgeordneten übermittelt werden konnte. Als Zeichen des guten Willens bot er schließlich im Namen seiner Fraktion an, dem Vertagungsantrag zuzustimmen. Da der Entschließungsantrag des Nationalrats eine Lösung des Problems bis spätestens 1. April verlange, hoffe er, dass die Vorlage nächste Woche im Nationalrat beschlossen werden könne, um die jahrelange Rechtsunsicherheit in diesem Bereich endlich zu beseitigen.

Novellierung des Hebammen- und Zahnärtzegesetzes

Einstimmig angenommen wurde sodann die Novellierung des Hebammen- und Zahnärztegesetzes. Bundesministerin Andrea Kdolsky wies darauf hin, dass die Änderungen einerseits die Registrierungsregelungen im Hebammengesetz betreffen; andererseits sollen unabhängige Verwaltungssenate der Länder als Berufungsinstanz für Entscheidungen betreffend die Aufnahme und Beendigung der Ausübung des zahnärztlichen Berufs und Hebammenberufs normiert werden. Was die von den Abgeordneten angesprochene Abgrenzungsproblematik zwischen Zahnärzten und Zahntechnikern betrifft, so wurden schon Gespräche mit den einzelnen Berufsvertretern geführt, die grundsätzlich einen Konsens ergeben hätten; nur Einzelpersonen hätten besondere Wünsche geäußert. Eine Vertreterin des Ressorts erklärte, dass die Rechtslage klar sei und von der österreichischen Zahnärztekammer nicht angezweifelt werde.

BZÖ für Ausdehnung der Hebammenberatung und –betreuung


In einem Entschließungsantrag des BZÖ wird die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend von Abgeordneter Ursula Haubner

ersucht, eine Hebammenberatung und -betreuung im Rahmen des Mutter-Kind-Pass-Programms vorzusehen, damit die Förderung und Erhaltung der Gesundheit von Mutter und Kind von der Schwangerschaft bis hin zu den ersten Lebensjahren des Kindes weiterentwickelt und gesichert werden. 15 bis 20 % der Frauen hätten aufgrund von psychosozialen Vorbelastungen, finanziellen, partnerschaftlichen oder seelischen Krisen nicht die Chance, das Ereignis der Geburt als beglückend erleben zu können. – Der von Abgeordneter Anna Höllerer (V) eingebrachte Vertagungsantrag wurde mit S-V-Mehrheit angenommen.

Viele Frauen wenden sich schon in einem sehr frühen Stadium der Schwangerschaft an Hebammen, meinte Abgeordnete Anna Höllerer (V), dieser Berufsstand gewinne immer mehr an Bedeutung. Inwieweit diverse Angebote in den Mutter-Kind-Pass inkludiert werden sollte, sei auch eine Frage der Finanzierbarkeit. – Abgeordneter Kurt Grünewald (G) sprach ebenso wie seine Klubkollegin Sabine Mandak von einem sehr unterstützenswerten Antrag. Mandak bedauerte, dass die Entwicklung immer mehr in Richtung medizinische Geburt gehe und dass den Hebammen und der natürlichen Geburt ein zu geringer Stellenwert eingeräumt werde. - Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) sprach sich für eine Vertagung des Antrags aus, zumal im Ministerium eine Expertengruppe eingesetzt sei, die sich mit diesem Thema befasse. – Abgeordneter Erwin Rasinger (V) gab zu bedenken, dass die Haftungsfrage genau geklärt werden müsse, um auszuschließen, dass eine mögliche Regelung zum Bumerang für die Hebammen werde. In diesem Zusammenhang wies er auf zwei OGH-Urteile hin, die seiner Meinung nach in Richtung "Amerikanisierung des Schadenersatzrechts" gehen. – Abgeordneter Johann Maier (S) sah einen großen Reformbedarf im Bereich der Medizinhaftung, die im Zuge der generellen Schadenersatzreform angegangen werden müsse.

Bundesministerin Andrea Kdolsky betonte die Bedeutung der Miteinbeziehung der Hebammen, die in vielen Spitälern jedoch schon Realität sei. Neben Spezialabteilungen, wo Frauen ab dem ersten Schwangerschaftstag von Hebammen betreut werden, gebe es auch Hebammensprechstunden in den Krankenhäusern. Was den Mutter-Kind-Pass betrifft, so laute der gesetzliche Auftrag, dass es sich dabei um ein medizinisches Vorsorgeprogramm handelt. Es sei Aufgabe der Länder und Versicherungsträger, entsprechende Hebammen-Beratungsangebote zu entwickeln und zur Verfügung zu stellen.

FPÖ: Finanzielle Abgeltung für Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen

Mit S-Mehrheit vertagt wurde sodann auch ein Entschließungsantrag der FPÖ, in dem die Freiheitlichen für eine Wiedereinführung der finanziellen Zuwendungen für die Erfüllung des Mutter-Kind-Passes und verpflichtende ärztliche Vorschuluntersuchungen eintreten.

Abgeordnete Ursula Haubner (B) unterstützte die Intention des Antrags, vor allem was die ärztlichen Untersuchungen im Vorschulalter angeht. – Auch Abgeordnete Sabine Mandak (G) äußerte sich positiv. Sie tue sich jedoch mit dem Text des Antrags ein wenig schwer, da er vor allem auf die Problemfamilien abziele. Missbrauch und Gewalt gegenüber Kindern kommen in allen Gesellschaftsschichten vor, betonte Mandak. – Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) sprach sich für weitere Gespräche zwischen Bund und Ländern in dieser Frage aus. Eine Möglichkeit wäre es zum Beispiel, dass schon beim ersten Kontakt der Kinder mit der Schule – dies ist in Wien schon ab einem Alter von 4,5 Jahren der Fall – der Schularzt aktiv wird. – Abgeordnete Barbara Riener (V) trat dafür ein, dass die Diskussion auf eine breitere Basis gestellt wird und sich nicht nur auf den Mutter-Kind-Pass beschränken soll.

Grüne fordern Präventions- und Gesundheitsförderungsgesetz - vertagt

Das Institut für Höhere Studien (IHS) hat in einem Forschungsbericht zum "Ökonomischen Nutzen betrieblicher Gesundheitsförderung" dargelegt, dass durch Prävention volkswirtschaftliche Einsparungen von über 3,6 Mrd. € jährlich erzielbar sind, heißt es in einem vom Abgeordneten Kurt Grünewald (G) eingebrachten Entschließungsantrag. Da der Bereich der Prävention zurzeit unkoordiniert und nur punktuell organisiert sei, sei eine bundesweite gesetzliche Grundlage für Prävention und Gesundheitsförderung dringend notwendig, so der Abgeordnete. Ein entsprechender Entwurf sollte nach Ansicht der Grünen bis spätestens 31.12.2008 – der Abgeordnete beantragte diese Fristverlängerung - dem Nationalrat vorgelegt werden.

Abgeordnete Beate Schasching (S) unterstützte inhaltlich den Antrag und verwies darauf, dass ein Gesundheitsförderungsgesetz Teil des Regierungsübereinkommens sei. Da sich Arbeitsgruppen mit dieser Problematik beschäftigen und davon auszugehen sei, dass es bis Jahresende eine Vorlage gibt, stellte sie einen Vertagungsantrag.

Abgeordneter Johann Maier (S) meinte, wenn man schon über ein Präventionsgesetz spricht, dann sollte man sich auch mit den Fragen der Produktsicherheit (etwa von Kinderspielzeug oder von Feuerwerkskörpern) befassen.

Auch Abgeordnete Ursula Haubner (B) trat dafür ein, rasch ein konkretes Präventions- und Gesundheitsförderungspaket zu beschließen, denn 1 € in die Prävention erspare 3 € bei der Reparaturmedizin.

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (V) unterstrich gleichfalls, dass laut Regierungsübereinkommen ein Gesundheitsförderungsgesetz zu schaffen sei, das bestimmte Intentionen verfolge.

Bundesministerin Andrea Kdolsky wies darauf hin, dass das Ressort in drei Säulen, Gesunde Schule, Gesundheitsförderung und Gesundheit im Alter, klare Strategien verfolge. Das Problem bei der Gesundheitsförderung und Prävention bestehe darin, dass es zwischen dem Bund, den Ländern und Gemeinden sowie anderen Organisationen keine Koordinierung gebe und auch keine Verpflichtung der Länder und anderer Einrichtungen bestehe, sich diesen Strategien unterzuordnen. Daher bleibe nur die Möglichkeit, die Gesamtstrategie mit anderen Ressorts, der Sozialversicherung, dem Hauptverband und weiteren Einrichtungen zu koordinieren und diese zur Zusammenarbeit zu motivieren. Die Präventionslandkarte werde einen Überblick über die laufenden Projekte bringen.

Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) warf ein, im Regierungsübereinkommen sei keine Projektsammlung, sondern ein Gesetz festgeschrieben.

Es wurde mit den Stimmen der beiden Regierungsparteien ein Vertagungsbeschluss gefasst. (Schluss)