Parlamentskorrespondenz Nr. 234 vom 13.03.2008

Einstimmiger NR-Beschluss zur mietrechtlichen Inflationslinderung

Debatte über das Erdgaspipelineprojekt Nabucco

Wien (PK) - Gegen Ende der Tagesordnung wurden Wirtschaftsvorlagen in Verhandlung genommen: die Änderung des Erdöl-Bevorratungs- und Meldegesetzes 1982 und ein BG betreffend die Sicherstellung der Realisierung des Erdgaspipelineprojekts "Nabucco".

Abgeordnete Dr. LICHTENECKER (G) fragte nach richtigen Wegen bei der Erhöhung der Versorgungssicherheit bei Energie und meldete in der Diskussion über die Öko-Bilanz von Biotreibstoffen Skepsis an, weil ein immer größerer Teil dieser Treibstoffe aus Rohstoffen erzeugt werde, die von weither importiert werden. Die Erdgaspipeline "Nabucco" aus der Türkei soll die Importabhängigkeit von Russland vermindern. Es stelle sich aber die Frage, ob Europa 5 Mrd. € in eine Leitung für eine endliche fossile Ressource investieren soll. Ihre Präferenz lautet auf Investitionen in die Entwicklung erneuerbarer Energietechnologien und in die Steigerung der Energieeffizienz, sagte Abgeordnete Lichtenecker.

Abgeordneter Dr. MITTERLEHNER (V) erklärte die Änderung des Erdöl-Bevorratungsgesetzes mit der Notwendigkeit, die vorgeschriebenen Lagerkapazitäten mit steigendem Bedarf zu erhöhen und Biokraftstoffe in die Bevorratung einzubeziehen. Das "Nabucco"-Projekt halte er für sinnvoll, auch wenn die Kosten mit 5 Mrd. € relativ hoch seien. Mehr Wettbewerb bei der Versorgung werde die Versorgungssicherheit erhöhen, zeigte sich der Abgeordnete überzeugt.

Abgeordneter THEMESSL (F) bekräftigte die Auffassung seiner Fraktion, dass Erdöl-Bevorratung nur sinnvoll sei, wenn sie in Österreich und nicht in ausländischen Vorratslagern durchgeführt werde. Außerdem würde es eine Treibstoffbevorratung in Österreich erlauben, kurzfristigen Preiserhöhungen, etwas zu Beginn der Reisesaison, gegenzusteuern. Beim Projekt "Nabucco" befürchtet der Abgeordnete eine zunehmende Abhängigkeit von der Türkei.

Abgeordneter Dr. BAUER (S) machte darauf aufmerksam, dass die Hälfte der Energie, die in Europa verbraucht werde, importiert wird. In diesem Zusammenhang erinnerte Bauer an die langen und guten Beziehungen zwischen der OMV und Gazprom. Angesichts steigernden Energieverbrauchs sei eine zweite Pipeline sinnvoll. "Nabucco" zu bauen, bedeute nicht, auf erneuerbare Energieträger zu verzichten oder Investitionen in die Energieeffizienz zu vernachlässigen. Es gehe aber darum, die Position der OMV zu stärken und die Versorgungssicherheit zu erhöhen. Letztlich laute die Frage, ob vorhandenes Gas nach China oder nach Europa fließe.

Abgeordneter DI KLEMENT (F) präsentierte Daten, aus denen hervorging, dass Investitionen in erneuerbare Energieträger und in höhere Energieeffizienz jene Menge Energie einsparen könne, die "Nabucco" zusätzlich nach Europa transportieren könnte. Dazu komme, dass Russland in diese neue Leitung einspeisen wolle, womit das Argument einer verminderten Abhängigkeit von Russland entfalle. Außerdem kritisierte Klement, dass die OMV an "Nabucco" verdiene, der Steuerzahler aber die Klimaschutzzertifikate bezahlen müsse. Die Pipeline "Nabucco" heiße nur "Freiheitspipeline", in Wahrheit vergrößere sie aber die Abhängigkeit Österreichs.

Bundesminister Dr. BARTENSTEIN sah die Lösung der Energieprobleme der Zukunft sowohl in Investitionen in erneuerbare Energieträger als auch in einer Steigerung der Energieeffizienz und in der Diversifizierung der Bezugsquellen. Daher zählt "Nabucco" zu den prioritären Energieprojekten der Europäischen Union. Um die Pipeline mit Gas zu füllen, seien Vereinbarungen mit Aserbaidschan und Baku nötig. Nach einer Lösung der Atomprobleme mit dem Iran könnte "Nabucco" auch mit iranischem Gas gefüllt werden. "Nabucco" sei das fortgeschrittenste Pipeline-Projekt, für ihn aber kein Gegenprojekt zu russischen Pipelineprojekten. Für ihn spräche nichts dagegen, South-Stream-Gas über den europäischen Teil von "Nabucco" nach Mittel- und Westeuropa weiter zu transportieren.

Abgeordneter SCHALLE (B) unterstrich die Bedeutung des "Nabucco"-Projekts für Österreich und Europa. Es sei dringend notwendig, die Abhängigkeit von Russland mengen- und preismäßig zu verringern. Abgeordneter Schalle rechnet überdies mit politischen Veränderungen im Iran, die es möglich machen werden, die großen Erdgasreserven des Iran für Europa nutzbar zu machen. Verhindern will der Redner, dass sich Gazprom an "Nabucco" beteilige und damit Einfluss auf den Preis des in dieser Pipeline transportierten Gases gewinne. Angesichts der stark steigenden Benzinpreise forderte Schalle eine stärkere Benzinpreiskontrolle. Und einmal mehr brach der Abgeordnete eine Lanze für Investitionen in alternative Energieerzeugungssysteme.

Wenn man sich von der Abhängigkeit von Russland in Sachen Erdgas lösen will, dann frage er sich, ob die "Nabucco"-Pipeline die richtige Antwort ist, meinte Abgeordneter HOFER (F). Denn damit mache man sich wieder von Staaten abhängig, die nicht gerade eine Garantie für Zuverlässigkeit sind. Man sollte daher den Mut haben, einen neuen Weg zu gehen, schlug Hofer vor, indem man die heimischen, erneuerbaren Ressourcen fördert, eine Sanierungsoffensive startet und in den weiteren Ausbau der Wasserkraft, der Photovoltaik, der Geothermie und der Windkraft investiert.

Der Hauptgrund für die Änderung des Erdöl-Bevorratungsgesetzes liegt darin, dass in Hinkunft zu den vorgesehenen Pflichtreserven in der Höhe von 25 % der Verbrauchsmenge des Vorjahres auch Erdölmischkomponenten und Biokraftstoffe miteingerechnet werden, erläuterte Abgeordneter GLASER (V). Persönlich glaube er, dass "wir 'Nabucco' brauchen werden", auch wenn es nur eine Übergangslösung ist. Glaser war der Ansicht, dass die in Österreich benötigte Energie möglichst autonom und regional produziert werden sollte.

Abgeordnete BAYR (S) wies ebenso wie ihr Vorredner darauf hin, dass in Zukunft auch agrarische Treibstoffe in die Berechnung der Bevorratungsmengen miteinfließen. Man sollte sich jedoch genau die Vor- und Nachteile bei der Produktion von Biotreibstoffen anschauen, forderte sie. So sei etwa Indonesien mittlerweile zum drittgrößten CO2-Emittenten nach den USA und China geworden, weil unendlich große Torfflächen abgebrannt werden, um dann dort Palmöl produzieren zu können. Das Ergebnis ist, dass ein Liter dieses Palmöls schließlich zehnmal soviel CO2 bindet wie ein Liter Erdöl. Auf EU-Ebene sollte sich Österreich daher für ein Nachhaltigkeitssiegel in diesem Bereich einsetzen.

Abgeordneter Dr. MAIER (V) befasste sich mit der Preisentwicklung im Energiebereich und bei den Gebühren. Wenn man von einer durchschnittlichen Familie ausgeht, dann könne man sagen, dass sie gegenüber dem Jahr 2001 um 724 Euro mehr an Gebühren zahlen muss. Dies entspreche einer Erhöhung um 20,3 %, die diese Familie an die Wiener Stadtregierung abführen muss.

Europa werde sicher noch die nächsten zwei Jahrzehnte vom Gas abhängig sein, erklärte Abgeordneter MARIZZI (S), und es sei daher dringend notwendig, sowohl auf nationaler Ebene als auch auf EU-Ebene alternative Energieformen zu entwickeln. Er wundere sich daher schon, wenn dann von manchen Seiten ein Stopp beim Ausbau der Wasserkraft gefordert wird. Die SPÖ unterstütze "Nabucco", trete aber gleichzeitig für den Ausbau der heimischen Energieressourcen ein.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll eine geeignete Rechtsgrundlage geschaffen werden, mit welcher die Realisierung des Erdgaspipelineprojekts "Nabucco" gewährleistet werden kann, konstatierte Abgeordneter STEINDL (V). Ebenso wie seine Vorredner sei er der Auffassung, dass eine Diversifizierung das Gebot der Stunde ist. Schließlich brachte er noch einen S-V-Abänderungsantrag zum Erdöl-Bevorratungsgesetz ein.

Abgeordneter Mag. KUZDAS (S) befasste sich mit dem "Nabucco"-Projekt, das natürlich kein Schlag gegen die Alternativenergien ist. Es gehe um kein Entweder-Oder, sondern um ein Sowohl-Als auch. Hinsichtlich des Klimaschutzes müsse man sich ganz genau anschauen, welche Maßnahmen nachhaltig wirken, gab Kuzdas zu bedenken.

Die Energieversorgung in Europa müsse unter einem ganzheitlichen Gesichtspunkt betrachtet werden, meinte Abgeordneter HÖRL (V), dies fange nämlich bei der Wärmedämmung an und höre bei der Öl- und Gasversorgung auf.

Auch Abgeordnete Mag. TRUNK (S) sprach sich für ein umfassendes Energiekonzept aus, das sowohl die "Nabucco"-Pipeline als auch die Förderung der Alternativenergien miteinschließt.

Das "Nabucco"-Projekt diene vor allem der Energiesicherheit in Europa, führte auch Abgeordneter DI AUER (V) aus. Im Grunde handle es sich dabei um eine Zwischenlösung, weil gleichzeitig ganz stark in die erneuerbaren Energieformen investiert werden soll.

Abgeordneter RIEPL (S) fasste die Haltung seiner Fraktion zum "Nabucco"-Projekt noch einmal zusammen.

Bei der Diskussion über das "Nabucco"-Projekt werde gerne verschwiegen, dass iranische Gasfelder erschlossen werden sollen, informierte Abgeordneter Mag. KOGLER (G). Angesichts der aktuellen politischen Situation frage er sich, wie dadurch die Versorgungssicherheit dramatisch steigen soll. Es liege daher auf der Hand, dass dadurch neue Probleme entstehen können. Außerdem befürchtete er, dass durch das Legen der Erdgasleitungen die Chancen für erneuerbare Energieformen zurückgedrängt werden.

Bei der Abstimmung wurde zunächst das Erdöl-Bevorratungs- und Meldegesetz in der Fassung eines S-V-Abänderungsantrages mehrheitlich angenommen; mehrheitliche Zustimmung fand auch der Gesetzentwurf betreffend die Sicherstellung der Realisierung des Erdgaspipelineprojekts "Nabucco".

Durch das Mietrechtliche Inflationslinderungsgesetz (MILG) werden ca. 650.000 Mieterinnen und Mieter in Österreich um ca. 35 Millionen Euro entlastet, informierte Abgeordneter Dr. SONNBERGER (V), ab 1. April 2008 werden die Mieten nicht um 3,6 %, sondern um 2,14 % angehoben. Das entspricht einer Einsparung von 100 Euro im Jahr, wenn man von einer Wohnungsmiete von 600 Euro ausgeht. Weiters verringern sich die Mietkosten von 300.000 Wohnungen nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz. Überdies sollen die Maklerprovisionen von maximal drei Bruttomieten auf maximal zwei Bruttomieten mit voraussichtlicher Wirksamkeit ab 1.7.2008 gesenkt werden.

Abgeordnete Mag. BECHER (S) freute sich darüber, dass heute ein erster wichtiger Schritt zur Linderung der Inflation im Mietenbereich einstimmig beschlossen werden kann. Sie wies darauf hin, dass laut einer aktuellen Studie vor allem die Kosten für Haushaltsenergie überdurchschnittlich gestiegen sind.

Es sei schon seit langem klar, dass es im Bereich der Wohnkosten und Mieten ein Problem gebe, meinte Abgeordneter Mag. STEINHAUSER (G). Nun werde kurz vor zwölf ein Gesetz beschlossen, das den "Wohnkosten-Tsunami" abschwächen soll. Er erinnerte daran, dass zahlreiche Liberalisierungen im Mietrecht in den letzten zehn bis 15 Jahren dazu geführt haben, dass es einer Kostenexplosion gekommen ist. Seit 2001 sind nämlich die Mieten um über 27 % gestiegen, die Löhne jedoch nur halb so stark. Steinhauser bedauerte, dass auf die 400.000 "Kategoriemieter" vergessen wurde. Er würde sich zudem wünschen, dass im Mietrechtsgesetz ökologische Elemente eingebaut werden, wie etwa die Begünstigung der thermischen Sanierung.

Abgeordneter DI KLEMENT (F) begrüßte die Gesetzesvorlage, die einen Schritt in die richtige Richtung darstelle. Es könne aber nur ein erster Schritt sein, da die Einsparungen für die Mieter sehr bescheiden ausfallen. Erfreulich sei daher die Ankündigung, dass die Maklergebühren, die europaweit die höchsten sind, gesenkt werden sollen. Weiters müsse man sich aber auch die Preissteigerungen in anderen Bereichen anschauen, wie etwa beim Treibstoff, der Energie, der Müllabfuhr oder den Kanalgebühren, wo vor allem die "roten Gemeinden" und insbesondere Wien die Preistreiber Nummer 1 waren.

Abgeordneter SCHALLE (B) signalisierte die Zustimmung seiner Fraktion zu dieser Vorlage, da sie den Ärmsten zugute komme. Man dürfe dabei aber nicht übersehen, dass hier Bürger auf Kosten anderer Bürger entlastet würden. Die eigentlichen Preistreiber seien nämlich die Betriebskosten, und hier müsse man ansetzen, um zu einer wirklich gerechten sozialen Aufteilung zu gelangen. Er brachte einen Entschließungsantrag betreffend geeignete Maßnahmen zum Stopp der Preistreiber im Wohnbau ein.

Bundesministerin Dr. BERGER erläuterte die Inhalte der Vorlage und ging dabei auf die diesbezüglichen Details ein. Sie zeigte sich erfreut darüber, dass es gelungen sei, die Mieter spürbar zu entlasten. Zudem bedankte sich die Ministerin bei allen Beteiligten für die Kooperation, sodass es gelungen sei, diese Materie so schnell über die Bühne zu bringen, und kündigte ein Paket zum Mietrecht für den Herbst an.

Abgeordnete Mag. AUBAUER (V) meinte, die Inflation sei derzeit "ein Hammer", weshalb man sich freuen könne, dass die Regierung entsprechende Maßnahmen gegen die Teuerung setze, wobei die Bremse gegen die Erhöhung der Wohnkosten von besonderer Wichtigkeit sei.

Abgeordneter MAYER (S) gratulierte der Ministerin, dass es gelungen sei, einen ersten Schritt zur Eindämmung der Lebenskosten zu setzen, wobei gerade die Entwicklung der Wohnkosten besondere Aufmerksamkeit verdiene.

Abgeordneter SIEBER (V) hielt die geplante Maßnahme gleichfalls für wichtig und zeigte sich zufrieden mit den Inhalten der Vorlage, die eine spürbare Entlastung für die Mieter bringen werde.

Abgeordneter MUCHITSCH (S) sprach von einer "tollen Sache", die der Ministerin hier gelungen sei. Dies sei ein wichtiger Schritt im Interesse der Mieter, der damit eingeschlagene Weg sollte entsprechend fortgesetzt werden.

Zustimmung zur in Rede stehenden Vorlage kam schließlich auch von den Abgeordneten FREUND, Dr. SCHELLING, HÖRL, ESSL und PRASSL (alle V). Das Wohnrecht sei eines der elementarsten Rechte der Bürger, hier akzeptable Bedingungen zu schaffen, sei Aufgabe der Politik, und mit der gegenständlichen Regelung sei ein wichtiger Mosaikstein im Interesse der Mieter geschaffen worden, zumal davon 650.000 Menschen profitieren würden, und wer schnell helfe, helfe doppelt, so der Tenor der V-Mandatare.

Am Ende der Debatte sprach sich auch Abgeordneter SCHEIBNER (B) für die Annahme der Vorlage aus, um sich sodann mit der Wiener Stadtverwaltung auseinanderzusetzen.

Die Vorlage wurde einstimmig angenommen, der B-Antrag verfiel der Ablehnung.

Im Anschluss an die Sitzung fand eine weitere (54.) Sitzung des Nationalrates statt, in der in der Geschäftsordnung vorgesehene Mitteilungen und Zuweisungen erfolgten. (Schluss)


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