Parlamentskorrespondenz Nr. 255 vom 25.03.2008

Hauptausschuss: Parlament soll das letzte Wort zur EU-Reform haben

BZÖ-Antrag auf Volksbefragung mit S-V-G-Mehrheit abgelehnt

Wien (PK) -  Der Hauptausschuss hat in seiner heutigen Sitzung die am 25. Jänner vertagten Verhandlungen über den Antrag des BZÖ auf Abhaltung einer Volksbefragung über den EU-Reformvertrag (465/A[E]) fortgesetzt und die Vorlage nach einer lebhaften Debatte mit S-V-G- Mehrheit abgelehnt.

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und Zweiter Präsident Michael Spindelegger leiteten abwechselnd die Verhandlung über den Vorschlag des BZÖ, den EU-Reformvertrag einer Volksbefragung gemäß Art. 49b Bundes-Verfassungsgesetz zu unterzeichnen. Die Mehrheit der ÖsterreicherInnen sei für die Durchführung einer Volksabstimmung, argumentierte Abgeordneter Peter Westenthaler (B), der keinen Anlass sah, die Ratifizierung des EU-Reformvertrags von Lissabon im "Eilzugstempo" bis zu den Plenarsitzungen am 9./10. April durch das Parlament "zu peitschen", um sich als EU-Musterschüler darzustellen. Westenthaler verlangte mehr Respekt vor den Instrumenten der direkten Demokratie und hielt es daher für angebracht, die in Kärnten geplante Volksbefragung und die Volksabstimmung in Irland abzuwarten, bevor man den EU-Reformvertrag ratifiziere. Inhaltlich kritisierte Westenthaler insbesondere die Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen durch die EU-Reform, weil dadurch die Souveränität Österreichs eingeschränkt werde.

Abgeordnete Elisabeth Grossmann (S) widersprach Westenthaler mit dem Hinweis auf die intensiven Beratungen des Verfassungsausschusses, denen sich das BZÖ entzogen habe. Von einem "Durchpeitschen" des EU-Vertrages könne keine Rede sein. Außerdem stärke dieser Vertrag demokratische Rechte in der Europäischen Union und auch die Rechte jener Länder, die bei Mehrheitsentscheidungen überstimmt werden. Die Rednerin bekannte sich nachdrücklich zur parlamentarischen Demokratie, wandte sich gegen einen inflationären Einsatz direktdemokratischer Instrumente und erinnerte daran, dass sich Österreich bereist in Form einer Volksabstimmung für den EU-Beitritt entschieden habe. Der Vertrag von Lissabon sei nun nicht mehr als die konsequente Weiterentwicklung der Europäischen Union, der Österreich beigetreten sei. Man könne den Antrag des BZÖ guten Gewissens ablehnen, schloss Abgeordnete Grossmann.

Abgeordneter Wolfgang Schüssel (V) schloss sich seiner Vorrednerin an und unterstrich die Auffassung, das Parlament sollte bei der Ratifizierung des EU-Reformvertrages das letzte Wort haben. Aufgrund des österreichischen Proportionalwahlrechts nehmen alle politischen Gruppen voll am politischen Diskurs und an den Entscheidungen des Parlaments teil - das sei die besondere Qualität der österreichischen Demokratie, hielt der ÖVP-Klubobmann fest.

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (F) räumte gegenüber den Antragstellern ein, man könne ihr Verlangen auf eine Volksbefragung positiv sehen, erinnerte aber zugleich daran, dass seit Anfang des Jahres ein Plebiszit über den EU-Vertrag ohne ein Ermächtigungsgesetz möglich sei. Mehr noch, eine Volksabstimmung sei notwendig, meinte Strache, weil Österreich durch den EU-Reformvertrag Souveränität aufgeben würde. Das österreichische Parlament müsste in Zukunft nicht einmal über Änderungen des Vertrages mitentscheiden. Daher wollen die Freiheitlichen das Recht auf eine Volksabstimmung im Verfassungsausschuss sicher stellen, sagte der FPÖ-Klubobmann.

Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) entgegnete Abgeordnetem Strache, Österreich gebe Souveränitätsrechte nicht mit dem Lissabon-Vertrag auf, dies sei mit Zweidrittelmehrheit bereits bei der Volksabstimmung im Jahr 1995 geschehen. Der Vertrag von Lissabon bringe mehr Demokratie und mehr Grundrechte in der Europäischen Union. Die Grünen treten gegen nationale Volksabstimmungen und Volksbefragungen bei europäischen Themen ein und verlangen demgegenüber europaweite Volksabstimmungen. Die Aussage des Abgeordneten Strache, Österreich gebe durch den EU-Reformvertrag seine Neutralität auf, wies die Abgeordnete mit dem Hinweis darauf zurück, dass Österreich auch in Zukunft souverän darüber entscheiden werde, an welchen EU-Aktionen es teilnehme, und an welchen nicht.

Abgeordneter Martin Graf (F) erklärte gegenüber Abgeordnetem Westenthaler, die FPÖ sei grundsätzlich dagegen, parlamentarische Terminfragen strategisch einzusetzen, um Entscheidungen zu blockieren, wie dies das BZÖ im Verfassungsausschuss versucht habe. Die FPÖ werde im Verfassungsausschuss die Abhaltung einer Volksabstimmung über den Reformvertrag beantragen und werde auch in Zukunft alle politischen Möglichkeiten einsetzen, um ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen. Sie nehme aber demokratische Mehrheitsentscheidungen grundsätzlich zur Kenntnis. (Fortsetzung)