Parlamentskorrespondenz Nr. 275 vom 28.03.2008

Bundesrat: Fragestunde mit Bildungsministerin Claudia Schmied

Schmieds Appell für eine Verfassungs- und Verwaltungsreform

Wien (PK) - Bundesratspräsident Helmut Kritzinger eröffnete die 754.  Sitzung des Bundesrates mit einer Fragestunde, in der Bildungsministerin Claudia Schmied über den Stand ihrer Bemühungen um eine gesetzliche Verankerung der Klassenschülerhöchstzahl von 25 Auskunft gab. Schmied gab ihrem Wunsch Ausdruck, die diesbezügliche Novelle zum Schulorganisationsgesetz noch vor dem Sommer zu beschließen. In der Museumspolitik gehe es ihr um optimale Bedingungen für die internationale Positionierung der "Museumsweltstadt Wien". Sie sehe die Museen und Kunstinstitutionen generell aber nicht als "Orte der Vergangenheit", sondern als "Orte aktueller Kunstvermittlung". Daher habe die Museumspädagogik einen großen Stellenwert in ihrer Kultur- und Bildungspolitik, sagte die Ministerin und berichtete den Bundesräten überdies von erfolgreichen Theaterproduktionen, in denen Schauspieler und Schüler gemeinsam das Thema "Gewalt unter Jugendlichen" dramatisch darstellen und Lösungen erarbeiten. Für eine bessere Steuerung der Personal- und Raumressourcen in der Schulpolitik sei angesichts der zersplitterten Kompetenzen zwischen Bund und Ländern eine Verfassungs- und Verwaltungsreform unabdingbar, sagte Bildungsministerin Claudia Schmied.   

Bundesrat PREINER (S): Wie wird die gesetzliche Verankerung der Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen auf den Richtwert 25 umgesetzt?

--------------------------------------------------------------------

Bildungsministerin Dr. SCHMIED nannte die gesetzliche Verankerung der im Regierungsübereinkommen vereinbarten Senkung der Klassenschülerhöchstzahl auf 25 das pädagogisch wertvollste, aber finanziell aufwendigste Projekt in der Bildungspolitik der Bundesregierung. Ihren Entwurf für eine diesbezügliche Novelle des Schulorganisationsgesetzes habe sie bereits zur Begutachtung ausgesandt, sie hoffe auf eine Beschlussfassung vor dem Sommer.

Die demographische Entwicklung erleichtere die Umsetzung der Klassenschülerhöchstzahl in den Pflichtschulen. Der Ministerialentwurf sehe einen "Richtwert 25" für die Klassenschülerhöchstzahl als Basis für die Mittelzuwendung vor. Bei den AHS sei eine Toleranzgrenze von 20 % vorgesehen, um zu verhindern, dass Kinder abgewiesen werden müssen. Als neuralgischen Punkt sah die Ministerin die große Nachfrage nach dem Schultyp BHS, wo eine Klassenschülerhöchstzahl von 25 unweigerlich zur Abweisung von Schülern führen würde. Dort setze sie wegen beschränkter baulicher Ressourcen auf Kleingruppenunterricht, nicht nur in den Fremdsprachen, sondern auch in Deutsch, Mathematik und in den jeweils fachspezifischen Kernfächern. Gleichzeitig werde an mittelfristigen Investitionsplänen zur Erweiterung der räumlichen Ressourcen an den BHS gearbeitet. Kurzfristig setzt die Ministerin auf Maßnahmen gegen die hohe Drop-out-Rate in BHS durch eine verbesserte Information von Eltern und Schülern bei Bildungs- und Berufsentscheidungen.

Bundesrat BADER (V): Wie stehen Sie zu der in der Zeitung "Heute" unter dem Titel "Vor Defizit noch eine Gagenerhöhung" geäußerten heftigen Kritik, dass die Erhöhung der Bezüge des Bundestheaterholdingschefs mit den Gehaltsabschlüssen mitziehen, obwohl er – wie auch dem Rechnungshofbericht zu entnehmen ist – im Zuge seiner Vertragsverlängerung eine Gehaltserhöhung bekommen hat?

--------------------------------------------------------------------

Die BILDUNGSMINISTERIN machte darauf aufmerksam, dass es auch in der Privatwirtschaft sehr unterschiedliche Modelle für Managergehälter gebe, und bekannte sich nachdrücklich zu der Vereinbarung über eine klar kriterienbedingte Leistungsprämie von bis zu 10 % für den Bezug des Bundestheaterholdingschefs. Auf Zusatzfragen der Bundesräte, in denen der Wunsch nach mehr Transparenz bei der Managerentlohnung zum Ausdruck kam, reagierte die Ressortchefin mit einem klaren Ja.

Bundesrat BREINER (G): Welche Pläne verfolgen Sie in Sachen Museumspolitik und wie sieht der Fahrplan dafür aus?

--------------------------------------------------------------------

Bundesministerin Dr. SCHMIED sah Wien als Weltstadt der Museen und erklärte es zu ihrem Ziel, die Rahmenbedingungen zur internationalen Positionierung der Museen zu verbessern und diese zugleich zu einem Ort der Kunst- und Kulturvermittlung zu machen. Es gebe für sie keine Trennung der Bereiche Kunst, Kultur und Bildung. Daher komme der Museumspädagogik in ihrer Kulturpolitik ein zentraler Stellenwert zu. Museen stellen für sie keine Orte der Vergangenheit, sondern Orte aktueller Kunstvermittlung dar, die für die Menschen Wege in die Zukunft weisen. Daher habe sie einen aufwendigen und umfassenden Zukunftsdiskurs unter Teilnahme zahlreicher nationaler und internationaler Experten gestartet, dessen bisherige Ergebnisse auf der Homepage des Bildungsressorts abgerufen werden können. Noch vor dem Sommer soll deren Bewertung abgeschlossen und dann ein Programm zur Museumspolitik mit neuen Wegen vorgelegt werden. Wichtig sei ihr dabei die Zusammenarbeit zwischen Kunstinstitutionen und Schulen, konkret etwa beim Thema "Gewalt in der Schule". Die Ministerin berichtet an dieser Stelle über erfolgreiche Theaterprojekte in Kooperation mit Schülern, die das Thema dramatisch darstellen und Lösungen aufzeigen.

In der Frage eines Gratistages in den Museen ringe sie noch mit sich selbst, sagte die Ministerin. Sie wolle klären, ob der Gratistag ein Beitrag zur Kunstvermittlung oder zur Tourismusförderung sei. 

Bundesrat WIESENEGG (S): Mit welchen baulichen Maßnahmen werden Schulplätze im Bereich der Höheren Schulen Tirols geschaffen?

--------------------------------------------------------------------

Die BILDUNGSMINISTERIN informierte die Bundesräte zunächst über kürzlich fertig gestellte Projekte: Erweiterung und Sanierung der HAK Lienz um 10 Mill. € Kosten sowie des Akademischen Gymnasiums Innsbruck um 11,5 Mill. €. In Bau seien die Erweiterung des Mädchen-Schigymnasiums Stams um 4 Mill. €, des Bundesschulzentrums Telfs um 21 Mill. € für 300 Ausbildungsplätze; die Fertigstellungen seien noch 2008 zu erwarten.

In Vorbereitung befinden sich Bauprojekte in Innsbruck, Kufstein, Reutte und Landeck. Projekte privater Schulträger in Hall, Fulpmes, Innsbruck und Folders werden mit Bundesmitteln unterstützt.

Über weitere Schulbauprojekte in Tirol und anderen Bundesländern wird der aktualisierte Schulentwicklungsplan Auskunft geben, teilte die Ministerin mit.

Die Anfrage bot der Bundesministerin Gelegenheit, auf grundsätzliche Probleme bei der Steuerung von Ressourcenentscheidungen in der Bildungspolitik hinzuweisen. Angesichts enormen Platzbedarfs in AHS bei freien Ressourcen in Hauptschulen sah sich die Ministerin vor dem Dilemma unterschiedlicher Zuständigkeiten stehen und wies nachdrücklich auf die unterschiedlichen Verantwortungen für "Bundeslehrer" und "Landeslehrer" sowie für "Bundesschulen" und "Pflichtschulen" hin. Dies führe zu mangelnder Effektivität, sagte Schmied und sah die große Aufgabe der Koalitionsregierung in einer Verfassungs- und Verwaltungsreform.

Bundesrat SALLER (V): Welche zusätzlichen konkreten Maßnahmen und Initiativen wurden, abgesehen von der kürzlich von Ihnen präsentierten Kampagne "Weiße Feder", seitens des BMUKK gesetzt, um verstärkt Schülerinnen- und Schülerstrategien, Lehrerinnen- und Lehrerstrategien zur Gewaltvermeidung zu vermitteln?

--------------------------------------------------------------------

Bildungsministerin Dr. SCHMIED sah in der "Weißen Feder" ein wichtiges Symbol, um den jungen Menschen ein Zeichen für gelebte Werte und nachahmenswerte Vorbilder zu geben. Es sei notwendig, den Schülern mehr Zuwendung zu geben, ihnen Respekt zu zeigen, zugleich aber auch Haltung, Respekt und Disziplin einzufordern. Diese Aufgabe werde vielfach von den Familien und der Gesellschaft an die Schulen delegiert, darüber könne man diskutieren, wichtiger sei es aber, Probleme dort zu lösen, wo sie auftreten. Dabei seien in erster Linie die LehrerInnen gefragt, sie halte aber auch den Einsatz zusätzlicher Psychologen für notwendig. Das Ressort habe kürzlich einen "Wegweiser" für Verhaltensvereinbarungen herausgegeben, wie sie bereits an 40 % der Schulen geschlossen werden. Diese Vereinbarungen sollen gelebt werden, was voraussetze, dass sie zwischen den Schulpartnern vereinbart, nicht aber von oben verordnet werden. Es sei aber auch mehr Elternarbeit einzufordern, sagte die Ministerin und unterstrich die Notwendigkeit, den Kindern Vorbilder zu geben, Haltung, Respekt und Disziplin zu vermitteln und darauf zu achten, dass Gewalt oft mit der Sprache beginne.

Als weitere Maßnahmen gegen Gewalt an den Schulen nannte die Ministerin eine verstärkte musische Bildung und den Ausbau des Supervisions- und Coaching-Angebots für Lehrer und generell die Weiterentwicklung der Schulorganisation. Schulen seien Orte des Lernens, aber noch nicht unbedingt lernende Organisationen. Die Schulen müssen sich nach außen öffnen und zu Orten der Innovation und Freude werden, die Vermittlung von Kunst und Kultur spiele dabei eine zentrale Rolle, sagte die Bildungsministerin.

Bundesrätin MÜHLWERTH (oF): Wann wird der im Regierungsübereinkommen fixierte bundesweite Bildungsplan für Kindergärten mit spezieller sprachlicher Frühförderung umgesetzt werden?

--------------------------------------------------------------------

Mit diesem Thema sei man "mitten im Kompetenzdickicht", sagte Ministerin Schmied, weil Kindergärten ja Landessache seien. Bezüglich Frühförderung würden Pläne bis Ende Juni vorliegen, für einen Gesamt-Bildungsplan nannte Schmied Mitte 2009 als Ziel. Mit der sprachlichen Förderung in den Kindergärten könne schon im September 2008 begonnen werden.

Bundesrätin HLADNY (S): Welche Veränderungen im Museumsbereich sind geplant?

--------------------------------------------------------------------

Die Ressortchefin bekannte sich zum Konzept der Ausgliederung, der Autonomie und der Verantwortung bei den Bundesmuseen. Es handle sich bei den Museen um eine große kunst- und kulturpolitische Aufgabe, die über die Kultur hinaus für den "Standort Österreich" von Bedeutung sei. Es gehe darum, die bestehende Museumsordnung zu überarbeiten, Rahmenzielvereinbarungen zu erarbeiten und die Öffnung dieser Einrichtungen weiterzuführen. Man müsse zwischen "Eigenverantwortung und Eigenmächtigkeit" unterscheiden.

Auf eine Zusatzfrage, ob sie glaube, dass innerhalb weniger Monate für den Spitzenjob im Kunsthistorischen Museum eine Spitzenkraft gefunden werden könne, antwortete die Ministerin lakonisch: "Ja."

Auf Fragen der Restitution angesprochen, zeigte sich die Ministerin erfreut, Clemens Jabloner für die Position des Vorsitzenden des Restitutionsbeirats gewonnen zu haben. Vom Beirat würden jetzt Vorschläge ausgearbeitet, über die es dann intensive Gespräche geben werde. Schmied hoffte auf breite parlamentarische Zustimmung, zumal es sich um eine "historische Pflicht der Republik Österreich" handle, die nicht als "Kampfthema" tauge. Bezüglich der Privatstiftung Leopold würden derzeit von einer Arbeitsgruppe rechtliche Fragen geklärt. Es sei wichtig, dass sich die Stiftung entschieden habe, sich einer unabhängigen Provenienzforschung zu öffnen.

Bundesrat Dr. SCHNIDER (V): Wie stellen Sie sich konkret die von Ihnen in der Broschüre "Bildungsprojekte 2008" angekündigte verstärkte Zusammenarbeit zwischen Universität und Pädagogischen Hochschulen im Zusammenhang mit der Lehreraus- und –weiterbildung vor?

--------------------------------------------------------------------

Ministerin Schmied skizzierte eine gemeinsame universitäre Ausbildung für alle im Lehrberuf Tätigen als ihr "großes Projekt". Die Ausbildungsart könne nicht vom Alter der Kinder abhängig gemacht werden, betonte die Ressortchefin. Diese Lösung liege zudem im Interesse der Auszubildenden wie der Ausbildenden. Außerdem sei von einer solchen Lösung auch ein fachlicher Motivationsschub zu erwarten, sagte die Unterrichtsministerin und wusste sich bei diesem Thema mit Wissenschaftsminister Hahn eines Sinnes.

Bei den Pädagogischen Hochschulen sah Schmied noch weitere Entwicklungsmöglichkeiten. Insgesamt müsse auch bei den Themen Entlohnung und Sozialprestige sowie bei der Durchlässigkeit und Anschlussfähigkeit des Bildungssystems angesetzt werden. (Schluss Fragestunde/Forts. BR)


Format