Parlamentskorrespondenz Nr. 314 vom 10.04.2008

Bei Medizinstudium faire Bedingungen und Chancengleichheit für alle

Bei Aufnahmetests mehr Frauen, aber mehr Männer werden aufgenommen

Wien (PK) – In der Kurzen Debatte über die Beantwortung 3376/AB der Anfrage 3357/J betreffend "Haben Frauen kein 'höheres Wissen'" kritisierte Abgeordnete Mag. WEINZINGER (G) den derzeit an den Medizinuniversitäten durchgeführten Eignungstest, der die weiblichen Studierenden diskriminiere, scharf. So bewerben sich rund 60 % Mädchen, Medizin zu studieren, den Eignungstest schaffen aber wesentlich weniger. Eine in Auftrag gegebene Studie habe dann ergeben, dass dafür die unterschiedlichen Grundlagen für die Notengebung an den Schulen einen wesentlichen Aspekt darstellen. Die gleiche Note werde bei Burschen für reines Wissen, bei Mädchen mehr für Wohlverhalten gegeben, zitierte Weinzinger die Studie. Sie habe daher an Bundesminister Hahn eine Reihe von Fragen gestellt, zumal die unterschiedlichen Testergebnisse an den Universitäten auch auf die unterschiedlichen Schultypen, die Burschen und Mädchen schwerpunktmäßig besuchen, zurückzuführen sein könnten. Der Minister habe darauf geantwortet, dass eine tiefer gehende Analyse nach Schultypen und anderen Kriterien nicht Gegenstand der Betrachtung gewesen sei. Daraus könne sie, Weinzinger, nur den Schluss ziehen, dass die Studie oberflächlich war und der Bundesminister am Test und der daraus resultierenden Benachteiligung von Frauen nichts ändern wolle. Wie man aus der Studie weiter erfahren habe können, würden Frauen offensichtlich gründlicher lernen, was weiters bedeutet, sinnerfassendes Lernen wird bestraft, oberflächliches Lernen aber belohnt. Das sei inakzeptabel, da damit ja auch die Qualität an den Medizinuniversitäten verbunden sei. Weinzinger forderte abschließend den Minister auf, für eine bessere Qualität bei den Lernvorgängen zu sorgen und der Diskriminierung von Frauen an den Medizinuniversitäten ein Ende zu setzen. 

Bundesminister Dr. HAHN betonte eingangs, die Ergebnisse der Tests hätten ihn überrascht. Daher habe er veranlasst, eine Studie zu machen, die er vehement gegen den Vorwurf der Oberflächlichkeit verteidigte. Auch die Universitäten hätten sofort reagiert und böten nun Vortests und Schulungen an. Die Studie hätte auch ergeben, dass es bei den österreichischen KandidatInnen, die zu 80 % von den AHS kommen, keine Unterschiede zwischen jenen, die von einem naturwissenschaftlichen Zweig und jenen, die von einem nichtnaturwissenschaftlichen Zweig kommen, gebe. Die Gründe für die unterschiedlichen Ergebnisse müssten Gegenstand einer weiteren, tieferen Analyse sein. Aufgabe werde es jedenfalls sein, die Tests sukzessive zu adaptieren, sagte Hahn. Er sei auch zuversichtlich, dass die bereits getroffenen Maßnahmen greifen. Das Thema sei außerordentlich komplex und bedürfte der genaueren Untersuchung.

Abgeordneter BROUKAL (S) konzedierte, dass das System sehr rasch reagiert habe. Er wies auch darauf hin, dass der gleiche Test in Deutschland und in der Schweiz diese Unterschiede nicht gezeigt habe. Die Studie habe aber deutlich gemacht, dass Mädchen besser benotet werden, weil sie sozial besser angepasst sind. Das dürfe man nicht ins Lächerliche ziehen, sondern das müsse man genau untersuchen, so Broukal. Eine weitere wichtige Erkenntnis bestehe darin, dass Burschen bei Multiple Choice Tests besser abschneiden, weil sie raten. Mädchen hingegen denken nach und kreuzen nichts an, wenn sie nicht sicher sind. Der Test werde jetzt revidiert, bekräftigte Broukal, man werde aber noch einige Zeit brauchen, weil man sich derzeit noch in der Diagnosephase befinde und man es sich auch nicht leicht machen möchte.

Abgeordnete Dr. BRINEK (V) stimmte mit der Darstellung ihres Vorredners völlig überein. Sie wies darauf hin, dass über Jahrhunderte Männer die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Medizinstudium definiert haben und daraus Kategorien entwickelt worden seien. Sie bekräftigte weiters, es sei das Anliegen des Ministers, faire Bedingungen für alle und Chancengleichheit für alle zu schaffen, und erinnerte an die Diskussion über den Test, wo alle einig waren, dass sich das Einfühlungsvermögen schlecht antizipieren und einbauen lasse. Auch Brinek trat dafür ein, an der Schule anzusetzen, weil offensichtlich Mädchen in der Koedukation für soziales Wohlverhalten gut bewertet werden. Man müsse auch bei den Lehrerinnen ansetzen, sagte sie. Brinek hielt Abgeordneter Weinzinger entgegen, dass die ersten Maßnahmen nun griffen, aber man noch genauere Studien benötige.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) thematisierte die mangelnde Validität der Eingangstests. Man habe auch keine Kontrolle, ob das Ausleseverfahren tatsächlich die Besten an die Universitäten bringe. Ein Test, der auf die Studierfähigkeit abziele, sage nichts über die Berufsfähigkeit aus. Er warnte auch davor, an den Schulen nun strategisches Lernen, das heißt, situationsbezogenes und prüfungsorientiertes Lernen zu üben, denn das sei kein Bildungskonzept.

Abgeordneter Dr. GRAF (F) sah das Dilemma in der Quotenregelung, die er als sinnlos bezeichnete. Die Quote halte österreichische Studierende vom Studium ab, sagte Graf. Tests würden immer ungerecht sein und es würden auch nicht die Besten zum Zuge kommen. Den Medizinuniversitäten warf er vor, eine künstliche Verknappung herbeizuführen, zumal die Labors bei weitem nicht ausgelastet seien. Er kritisierte auch die Studie, da diese ein Ergebnis gebracht habe, das man ohnehin schon aus Erfahrung kannte. Graf wiederholte daher seine Forderung nach Abschaffung der Quoten und forderte den Minister auf, den freien Hochschulzugang wieder herzustellen.

Abgeordneter Mag. DARMANN (B) widersprach Graf und meinte, dieser kenne die Realitäten an den Universitäten nicht. Er verteidigte grundsätzlich den Eingangstest, zumal man auf Grund der Erfahrungen in Deutschland und der Schweiz nicht von unterschiedlichen Ergebnissen zwischen Männern und Frauen habe ausgehen können. Er kritisierte auch die Grünen wegen ihrer Wortwahl, die seiner Ansicht nach mit ihrer "Mitleidstour" die Frauen schlecht redeten. Darmann meinte ebenfalls, man müsse in der Schule ansetzen, da auch die Pisa-Studie gezeigt habe, dass Mädchen einen anderen Zugang zur Mathematik und zu den Naturwissenschaften haben. (Schluss)


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