Parlamentskorrespondenz Nr. 402 vom 07.05.2008

Engagierte Debatte über Kindesmissbrauch und häusliche Gewalt

BZÖ-Misstrauensantrag gegen Justizministerin Berger abgelehnt

Wien (PK) – Nach rund vierstündiger Debatte über den "Fall F." von Amstetten wurde der Misstrauensantrag gegen Justizministerin Maria Berger ebenso wie die übrigen vom BZÖ eingebrachten Anträge von der Mehrheit des Nationalrats abgelehnt. Auch ein Entschließungsantrag der Freiheitlichen fand keine Mehrheit. Angenommen wurde hingegen ein Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen betreffend Maßnahmen zur Gewaltprävention.

Vor Eingang in die Tagesordnung und vor den Erklärungen des Innenministers und der Justizministerin gab Nationalratspräsidentin Barbara Prammer bekannt, dass die Abgeordneten der FPÖ eine Kurzdebatte über die Anfragebeantwortung 3585/AB zur schriftlichen Anfrage 3587/J betreffend Maßnahmen zur Befriedigung der AMIS-Geschädigten beantragt haben. Die Kurzdebatte findet um 15 Uhr statt.

Platter: Bei häuslicher Gewalt nicht wegschauen!

Bundesminister PLATTER sprach in seiner Erklärung von einem unfassbaren, unvorstellbaren und brutalen Inzestfall, der sich in Amstetten abgespielt hat. Dennoch dürfe dieser Fall nicht als Synonym für die Gesellschaft in Österreich und für die Sicherheitspolitik gesehen werden, betonte der Minister. Der Fall sei nicht typisch österreichisch. Der Täter habe eine unvergleichbare Legende inszeniert und alle getäuscht. Im Nachhinein sehe vieles anders aus, sagte der Minister und lobte die Arbeit der ErmittlerInnen, die rund um die Uhr arbeiteten und jedes kleinste Detail prüften. Platter appellierte auch an die Öffentlichkeit, den Opfern nötigen Respekt zu zollen und ihnen Ruhe zu lassen.

Selbstverständlich müsse man aus jedem Kriminalfall dazulernen, sagte Platter. Dieser habe deutlich gemacht, dass mehr Zivilcourage gefragt ist, was man aber gesetzlich nicht regeln könne. Die Polizei brauche daher die Bevölkerung als Partner, denn bei häuslicher Gewalt dürfe es kein Wegschauen geben. Der Innenminister sprach auch die Notwendigkeit der Überwachung an, wobei er gleichzeitig festhielt, dass er keineswegs alles rund um die Uhr überwachen wolle. Einen Überwachungsstaat strebe er nicht an, bekräftigte er.

Der Minister warnte davor, derartige Fälle für Parteipolitik zu missbrauchen. Notwendig sei es, gezielt sicherheitspolitische Maßnahmen zu ergreifen, um den Schutz potentieller Opfer zu verbessern. Jedenfalls, so forderte der Minister, habe jeder, der missbraucht, mit harten Strafen und Konsequenzen zu rechnen. Es könne nicht sein, dass Eigentumsdelikte strenger bestraft werden als schwerer Missbrauch. Platter berichtete vom Ministerratsbeschluss, wonach in Zukunft die Tilgung aus dem Strafregister bei schweren Sexualdelikten ausgeschlossen sein wird. Durch die Sexualstraftäterdatei werde die Polizei informiert sein, wo sich die Täter aufhalten und auch die Jugendwohlfahrt werde daraus Informationen beziehen können. Die Regierung plane auch Berufsverbote nach schweren Delikten.

Platter verteidigte auch die Arbeit der Polizei, die oft in der Öffentlichkeit ungerechtfertigter Kritik ausgesetzt sei. Die Arbeit der Polizei funktioniere gut, sie brauche aber die beste Ausrüstung und bessere Ermittlungsmethoden, forderte er. Eine seriöse Diskussion sollte aber auch dazu beitragen, das Vertrauen zwischen Polizei und Bevölkerung zu intensivieren.

Berger: Wichtige Reformschritte durch neues Gewaltschutzgesetz

Bundesministerin Dr. BERGER sicherte zu, sie werde alles tun, um einen angemessenen, solidarischen und respektvollen Umgang mit den Opfern sicherzustellen. Mit Hilfe der Prozessbegleitung sei es möglich, den Opfern ein kompetentes Anwaltsteam zur Verfügung zu stellen.

Die Justizministerin gab jedoch zu bedenken, dass das Muster der Unterdrückung anderer sowie die Machtausübung über andere, wie es der Fall von Amstetten zeige, sehr oft vorkomme. Die Dunkelziffer bei häuslicher Gewalt sei sehr hoch, deshalb stelle der Kampf dagegen eines der wichtigsten Anliegen ihres Ressorts dar.

Das Strafverfahren habe die Aufgabe, Opfern zu ihrem Recht zu verhelfen. In den letzten Jahren sei es gelungen, die Strafjustiz opfergerechter zu gestalten. Dies sei einerseits durch die Möglichkeit der Prozessbegleitung und der schonenden Einvernahme sowie durch die zentrale Koordinationsstelle für Opfer und durch neue Informations- und Rechtsmittelmöglichkeiten gelungen. Darüber hinaus seien bei den großen Staatsanwaltschaften Sonderzuständigkeiten eingerichtet worden, berichtete die Ministerin, und bei der Richterfortbildung nehme das Thema häusliche Gewalt einen Schwerpunkt ein.

Berger erläuterte weiter, sie habe vor kurzem den Vorschlag für das zweite Gewaltschutzgesetz in Begutachtung geschickt. Dieses soll die größte Reform auf dem Gebiet einleiten und vor allem zu mehr Sicherheit vor sexueller Gewalt führen. Ein wesentlicher Punkt darin betrifft einen neuen Gewalttatbestand, wonach die Gerichte bei fortgesetzter Gewalt das gesamte Umfeld einer solchen Gewaltbeziehung bewerten können. Die Höchststrafe soll auf 20 Jahre hinauf gesetzt werden und es werde zur einer Reform der Anzeigepflichten kommen. Bei Gewalt an Kindern werde für alle eine Anzeigepflicht bestehen, die für das Wohl der Kinder Sorge tragen. Die Ministerin bewertete dies als ein Signal, um das Wegschauen zu verhindern. Weiters kündigte sie eine strenge gerichtliche Aufsicht über Sexualstraftäter an, sowie Berufs-, Beschäftigungs- und Betätigungsverbote für diese. Die bestehenden Strafrahmen würden derzeit untersucht und Ergebnisse darüber würden noch vor dem Sommer vorliegen. Die Justizministerin überlegt auch, Mindeststrafen einzuführen. Sie bestätigte weiter die Einrichtung der Sexualstraftäterdatei im Innenministerium und die Verlängerung von Tilgungsfristen. Man werde auch Maßnahmen im Adoptionsverfahren vornehmen, sagte Berger, und die Möglichkeit der Prozessbegleitung auch im Zivilverfahren werde bereits der Familie in Amstetten zugute kommen.

Cap: "Kommerzialisierung des Elends" inakzeptabel

Abgeordneter Dr. CAP (S) appellierte an alle, bei der heutigen Debatte auf Demagogie zu verzichten. Er begrüßte die Beschlüsse im Ministerrat, da damit wichtige Lücken geschlossen werden können. Notwendig seien aber auch psychologische Unterstützung und materielle Hilfe für Opfer sowie der Ausbau der Jugendwohlfahrt in personeller und finanzieller Hinsicht. Bessere Aufklärung und Information an den Schulen könnten einen wesentlichen Beitrag zur Prävention leisten, meinte der SPÖ-Klubobmann und wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Gewalt in der Familie leider Realität sei. Die Dunkelziffer sei höher als man glaube. Daher sei der Mut der Zivilgesellschaft und die Verantwortung des Staates und der Behörden gefragt. Cap ging in weiterer Folge auf die von der Justizministerin und vom Innenminister geplanten Schritte ein und hielt es für legitim, über härtere Strafen nachzudenken. Vorher sei es jedoch unbedingt erforderlich, die derzeitige Spruchpraxis der Gerichte zu evaluieren. Abschließend sprach Cap die Verantwortung der Medien an, die einige nicht wahrgenommen hätten, wodurch die Betroffenen zum zweiten Mal zu Opfern gemacht worden seien. Diese Vorgangsweise einzelner Medien bezeichnete Cap als "Kommerzialisierung des Elends", als inakzeptabel und verwerflich. 

Schüssel: Die Richtige Balance in Sachen Gerechtigkeit finden

Abgeordneter Dr. SCHÜSSEL (V) meinte, wo, wenn nicht hier, müsse man diese Themen ansprechen, und die Schwierigkeit, an dieser Stelle Worte zu finden, zeige schon die Komplexität der Materie. Es sei sicher nicht die "österreichische Seele" oder das Österreichische an sich für derartige Entwicklungen verantwortlich, vielmehr müsse man sich eingestehen, dass es das Böse nun einmal in der Welt gebe, auch wenn man es gerne aus der Realität verbannen würde. Es falle einfach schwer, diese Untat voll zu erfassen, weshalb man neben dem Schuldigen auch nach schuldigen Institutionen suchen wolle. Doch man müsse einbekennen: Keine Institution hätte diese Verbrechen verhindern können.

Daher gehe es nun darum, die richtige Balance in Sachen Gerechtigkeit zu finden. Man müsse also sowohl über die Strafdrohungen als auch über die Verjährungsfristen nachdenken. Weder könne es sein, dass derartige Verbrechen nach 10 Jahren verjähren, noch dürfe es sein, dass Eigentumsdelikte schwerer bestraft würden als Sexualdelikte. Es gelte also, die Thematik in ihrer Gesamtheit zu analysieren und adäquate Schritte zu setzen, um derartigen Verbrechen wie jenen in Amstetten auf die Spur zu kommen, denn die öffentliche Sicherheit sei ein besonders kostbares Gut. Man müsse also die Frauen und die Schwachen schützen und stärken und entsprechende Hilfe leisten. Hinschauen statt Wegschauen sei ein gutes Motto. Schüssel regte an, noch vor dem Sommer parlamentarische Aktivitäten zu entwickeln, denn was in Amstetten geschehen sei, dürfe nicht hingenommen werden.

Van der Bellen: Wir brauchen konkrete Schritte der Vorbeugung

Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) sprach gleichfalls von einer Monstrosität des Verbrechens, die entsprechende Reaktionen erfordere. Konkret brauche es Maßnahmen im Strafrecht, es brauche aber auch konkrete Schritte in der Vorbeugung solcher Verbrechen, müsse man doch auch bei der Prävention ansetzen.

Verbrechen wie diese hätten auch mit den gesellschaftlichen Strukturen zu tun, und dort habe sich in den letzten Jahren zwar einiges verändert, aber, wie man sehe, nicht genug. Es brauche also in der Jugenderziehung und –pflege mehr und besser geschultes Personal und weitere Maßnahmen in diesem Zusammenhang. Man müsse sich seriös und sorgsam ansehen, welche Schritte zu setzen seien, vorschnelle Angriffe gegen die Justizministerin seien keineswegs geboten. Vielmehr brauche man Maßnahmen, dass in den Medien keine Grenzen mehr überschritten werden, weshalb Überlegungen über Maßnahmen im Medien- und Schadensersatzrecht angestellt werden müssten. Im übrigen sollte die Regierung das Geld, das sie für eine Imagekampagne im Ausland aufbringen wolle, besser in einen Fonds für die Opfer einbringen.

Strache: Es geht um Gerechtigkeit und Schutz der Opfer

Abgeordneter STRACHE (F) zeigte sich entsetzt und betroffen über die Untaten des Herrn F. und meinte, es gehe sicher nicht darum, sich Gedanken über diese "Bestie in Menschengestalt" zu machen, vielmehr gehe es darum, wie man den Opfern helfen und wie man die Öffentlichkeit vor solchen Tätern effizient schützen könne. Und dabei gehe es weniger um eine präventive Wirkung, vielmehr gehe es um Gerechtigkeit, denn es könne nicht sein, dass so ein Täter wie jener in Amstetten unter Umständen mit 10 Jahren davonkomme. Es gebe schon Fälle, wo Therapie und psychiatrische Hilfe fruchten könnten, doch bei Tätern wie jenem aus Amstetten wäre ein solcher Ansatz verfehlt, hier brauche es vielmehr die volle Härte des Gesetzes. Es gebe viele gute Vorschläge, und diese müssten so rasch wie möglich umgesetzt werden. Gerechtigkeit und Schutz seien dabei absolut Vorrang einzuräumen.

Es gelte, ein breites Maßnahmenpaket sicherzustellen, und die Vorschläge des Ministerrats seien an dieser Stelle teilweise noch zu wenig weitgehend. Die richtigen Ansätze gelte es aufzugreifen, die nötigen weiteren Schritte müssten jedoch noch gesetzt werden. Es könne nicht sein, dass irgendein Vermögen höher bewertet werde als der Körper eines Menschen, der Schutz des Menschen müsse daher im Vordergrund stehen, weshalb das Strafrecht entsprechend geändert werden müsse. Zum Schluss seiner Rede kündigte der Redner an, aus dieser Causa kein politisches Kleingeld schlagen zu wollen, weshalb man keine Initiativen gegen die Justizministerin setzen werde. Die Ministerin müsse aber in den nächsten zwei Monaten unter Beweis stellen, dass sie entsprechende Verbesserungen ins Werk setze.

Westenthaler: Keine zweite Chance für Sexualstraftäter

Abgeordneter WESTENTHALER (B) wies darauf hin, dass dieses Thema ja kein neues sei. Seine Fraktion weise seit Monaten auf die Brisanz der Problematik hin, ähnliche Fälle wie jene in Amstetten seien immer wieder vorgekommen, stets habe seine Fraktion entsprechende Maßnahmen eingefordert, allein, wirkungsvolle Schritte seien bislang in Österreich ausgeblieben. Der Redner erinnerte an die Forderungen, die seine Fraktion aus gegebenen Anlässen immer wieder erhoben habe und stellte diese erneut. Es gebe gerade bei Sexualdelikten keine gerechte Strafrahmen, kein effizientes Vorgehen gegen Sexualtäter, seit eineinhalb Jahren sei nichts geschehen, und genau dies sei der Vorwurf, den seine Fraktion der Ministerin machen müsse.

Die zuständigen Minister müssten verhindern, dass solche Straftäter jemals wieder mit Kindern in Kontakt kommen könnten, vielmehr müssten solche Täter lebenslang weggesperrt werden. Man solle nicht darüber reden, solchen Tätern eine zweite Chance einräumen zu wollen, denn deren Opfer bekämen auch keine zweite Chance. Kinderschänder seien Mörder an den Seelen der Kinder, daher sollten sie auch wie Mörder behandelt werden. Ob der Aussagen der Ministerin in diesen Angelegenheiten müsse seine Fraktion der Ministerin misstrauen, sagte der Redner, der deshalb auch einen entsprechenden Misstrauensantrag einbrachte, da die Ministerin eineinhalb Jahre lang keine entsprechenden Schritte gesetzt habe. Man brauche eine Sexualstraftäterdatei, härtere Strafen, Berufsverbote und eine Änderung bei den Verjährungsfristen, denn nur mit derartigen Maßnahmen sei der Schutz der potentiellen Opfer zu gewährleisten.

Die weitere Debatte

Abgeordneter KÖNIGSBERGER-LUDWIG (S) erklärte, auf besonders irrationale Verbrechen müsse man besonders rational reagieren. Man dürfe nicht auf Rachegelüste einsteigen oder populistischen Forderungen nachgeben, sondern müsse seriös reagieren, wofür die Ministerin ein Garant sei. Verbrechen wie diese würden auch durch härtere Strafen nicht verhindert, vielmehr brauche es ein ganzes Bündel an Maßnahmen, um den Kampf gegen Gewalt in der Familie effizient führen zu können, meinte die Rednerin, die sodann konkrete Beispiele für derartige Maßnahmen benannte, um schließlich den Opfern das Beste für die Zukunft zu wünschen und jenen zu danken, die den Opfern in den letzten Tagen helfend zur Seite gestanden seien.

Abgeordnete RAUCH-KALLAT (V) analysierte den Fall in Amstetten und ging auf die gesellschaftlichen Hintergründe dieser Untat ein. Wenn auch zu hoffen bleibe, dass dieses Verbrechen ein Einzelfall bleibe, so müsse man doch sehen, dass Gewalt, in welcher Form auch immer, kein Kavaliersdelikt und nicht Privatsache bleiben dürfe. Das Ziel müsse sein: null Toleranz gegenüber Gewalt, und dazu brauche es das Engagement aller. Zudem unterstrich die Rednerin die bereits angesprochenen Reformen im Strafrecht, die Verlängerung der Strafen, die Verlängerung von Verjährungs- und Tilgungsfristen und eine entsprechende Straftäterdatei.

Abgeordnete ZWERSCHITZ (G) setzte sich mit dem Thema Gewalt gegen Frauen und Kindern auseinander und trat für entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen ein, um derartige Fälle hintanhalten zu können. Dazu brauche es aber auch adäquate Maßnahmen im Sozial- und im Wohlfahrtsbereich, und gerade hier gebe es noch eine ganze Menge zu tun. Wenn man erst beim Strafrecht ansetze, sei man bereits zu spät dran, man müsse vielmehr danach trachten, derartige Entwicklungen bereits im Vorfeld zu unterbinden.

Abgeordneter VILIMSKY (F) wertete die Strafen für Sexualdelikte als "viel zu milde". Es dürfe keine Gnade und keine Toleranz geben, bekräftigte er. Dem Innenminister und der Justizministerin warf Vilimsky vor, emotionslos auf den aktuellen Kriminalfall reagiert zu haben. Ein vom Abgeordneten namens der FPÖ eingebrachter Entschließungsantrag zielt auf die Einführung lebenslanger Freiheitsstrafen für bestimmte schwere Sexualdelikte, eine unbedingte Anzeigepflicht sowie die Einführung einer chemischen Kastration für all jene ab, die wegen schwerem sexuellen Missbrauch verurteilt worden sind.

Abgeordneter SCHEIBNER (B) stimmte zu, dass Straftaten wie der aktuelle Kriminalfall von der Politik nicht instrumentalisiert werden dürfen. Trotzdem müsse der Fall zu Folgen führen, betonte er und warf Justizministerin Berger in diesem Zusammenhang massive Versäumnisse vor. Das BZÖ habe in der Vergangenheit immer wieder Initiativen zur Verschärfung der Strafen für Sexualdelikte gesetzt, erinnerte Scheibner, jedoch ohne Erfolg. Er forderte unter anderem die Abschaffung von Verjährungsfristen für Gewalttäter, die lebenslange Beobachtung von Sexualstraftätern und die Einführung von Berufsverboten. Es gehe, so Scheibner, nicht um die Rechte des Täters, sondern um den Schutz der Opfer.

Abgeordneter Dr. JAROLIM (S) wertete den Vorwurf an Justizministerin Berger, in ihrer Erklärung zu wenig emotional gewesen zu sein, als "unerträglich". Zudem wies er das BZÖ bzw. die FPÖ darauf hin, dass sie selbst sechs Jahre lang den Justizminister gestellt hätten. Generell sieht Jarolim die Gesellschaft aufgefordert, "hinzuschauen und nicht wegzuschauen" und jede Wahrnehmung von Gewalt mitzuteilen. Das Hinschauen könne man nicht delegieren, bekräftigte er, weder an die Politik noch an die Polizei.

Abgeordneter Mag. DONNERBAUER (V) führte aus, die Politik müsse überlegen, was sie tun könne, um Verbrechen wie den gegenständlichen Kriminalfall in Zukunft zu verhindern. Ganz ließen sich solche Verbrechen durch gesetzliche und behördliche Maßnahmen nie ausschließen, unterstrich er, es sei aber notwendig zu handeln. Zur Unterstützung der Vorhaben von Justizministerin Berger brachte Donnerbauer einen S-V-Entschließungsantrag ein, der verschiedene Maßnahmen zur Vorbeugung von Missbrauchsfällen vorschlägt. Unter anderem urgieren SPÖ und ÖVP, dass Richter Tilgungsfristen bei Sexualstraftaten verlängern und Berufsverbote aussprechen können. In besonders schweren Fällen soll die Tilgung gänzlich ausgeschlossen sein.

Abgeordneter Mag. STEINHAUSER (G) wertete es als "falschen Zugang zum Fall", den Behörden von vorne herein korrektes Verhalten zu bescheinigen. Man müsse etwa genau prüfen, ob bei Vermisstenermittlungen alles optimal laufe, meinte er. Dem BZÖ warf Steinhauser vor, kein Sicherheitspaket, sondern ein "Sicherheitsplacebo" vorgelegt zu haben. Längere Strafen würden nicht mehr Sicherheit bringen und Täter nicht abschrecken, zeigte er sich überzeugt. Vielmehr sei es wichtiger, bei der Prävention anzusetzen und zum Beispiel PädagogInnen besser zu schulen, damit sie Missbrauch erkennen. Unterstützung äußerte Steinhauser für die Vorgangsweise von Justizministerin Berger.

Abgeordneter Dr. FICHTENBAUER (F) erklärte, es sei richtig, dass eine Erhöhung der Strafen kein Allheilmittel sei. Allerdings würden Gewaltdelikte im Verhältnis zu Vermögensdelikten noch immer zu gering bestraft, betonte er. Eine notwendige Erhöhung der Strafen habe nichts mit Rachegelüsten zu tun, sondern mit einem prinzipiellen Gerechtigkeitssinn. Fichtenbauer brachte namens der FPÖ einen Entschließungsantrag ein, der u.a. das Anheben der Strafsätze sämtlicher Straftatbestände gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit sowie gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, insbesondere gegenüber Minderjährigen, zum Inhalt hat. Ebenso werden der Entfall der Verjährung der Strafbarkeit und ein gesetzliches Verbot vorzeitiger Entlassung bei solchen Delikten gefordert.

Abgeordneter Mag. DARMANN (B) gab zu bedenken, dass Triebtäter "nur in geringstem Ausmaß" therapierbar seien. Wirksam sei allein die "chemische Keule", erklärte er. Darmann äußerte die Hoffnung, dass die von Innenministerin Platter und Justizministerin Berger getätigten Ankündigungen auch tatsächlich umgesetzt würden und bekräftigte, eine Ausweitung des Strafrahmens für Sexualdelikte sei unbedingt notwendig. Als unverständlich wertete er, warum für Familienmitglieder keine Anzeigepflicht geplant sei.

Abgeordneter PARNIGONI (S) hielt sowohl die Politik als auch die Medien für gefordert, respektvoll mit den Opfern umzugehen. Man dürfe kein politisches Kapital aus dem aktuellen Kriminalfall schlagen, mahnte er, auch Misstrauensbekundungen seien nicht angebracht. Generell qualifizierte es Parnigoni als notwendig, über das Verhältnis zwischen der Bestrafung von Sexualdelikten und von Vermögensdelikten zu diskutieren. Überdies sprach er sich dafür aus, bei schweren Sexualdelikten Tilgungsfristen gänzlich auszuschließen.

Abgeordneter KÖSSL (V) betonte, der "Kriminalfall F." sei kein "Kriminalfall Amstetten". Genauso wenig sind seiner Auffassung nach Schuldzuweisungen gegenüber der Polizei, den Behörden und der Gemeindeverwaltung angebracht. Die Tat sei lange und präzise vorbereitet worden, skizzierte Kößl, im Haus hätten in den vergangenen Jahrzehnten mehr als 100 Mieter gewohnt und niemand hätte etwas bemerkt. Kritik übte auch er an der Pietätlosigkeit mancher Medien gegenüber den Opfern.

Abgeordneter Dr. PILZ (G) hielt fest, es sei bisher zu wenig darüber diskutiert worden, ob die Behörden tatsächlich die notwendige Sorgfalt walten haben lassen. Zumindest in einem Punkt sind seiner Ansicht nach Fragen berechtigt: Wie habe es sein können, dass der Bezirkshauptmann und seine MitarbeiterInnen das Abstammungsverhältnis der vor die Haustür gelegten Kinder nicht ausreichend geprüft hätten? Kritisch äußerte sich Pilz außerdem zur beabsichtigten Bestellung des Vertrauensanwaltes von Landeshauptmann Josef Pröll zum Opferanwalt. Er machte geltend, dass der Anwalt die Interessen der Opfer auch gegenüber den Behörden vertreten müsse.

Abgeordneter Mag. HAUSER (F) beklagte, dass in der Vergangenheit zahlreiche Initiativen der FPÖ in Bezug auf die Verschärfung des Sexualstrafrechts ignoriert worden seien. Gleichzeitig hielt er der Regierung vor, falsche Prioritäten zu setzen. Statt über die Einführung der "Homo-Ehe" zu diskutieren, solle man sich überlegen, wie man Familien besser unterstützen könne, verlangte er. Zur Sprache brachte Hauser auch den Fall eines Tiroler Vize-Bürgermeisters, der nicht absetzbar sei, obwohl auf seinem Amtscomputer kinderpornografische Videos gefunden worden seien.

Abgeordnete HAUBNER (B) unterstrich, in Bezug auf die strengere Bestrafung sexueller Gewalt sei nicht erst seit heute Handlungsbedarf, sondern schon seit geraumer Zeit. Justizministerin Berger müsse endlich die notwendigen Schritte für mehr Kinderschutz setzen, verlangte sie. Es dürfe nicht sein, dass sich verurteilte Sexualstraftäter im Umfeld von Kindergärten und Schulen "herumtreiben dürfen". Den Misstrauensantrag gegenüber Berger wertete Haubner als berechtigt, da Berger ihrer Meinung nach viel Zeit dafür investiere, Tätern eine zweite Chance zu geben, aber wenig dafür, die Opfer besser zu schützen. Zu den Forderungen Haubners gehört u.a. eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung der Jugendwohlfahrtsträger.

Abgeordnete WURM (S) sprach von einer Pionierrolle der SPÖ im Kampf gegen Gewalt in der Familie und erwartete sich wesentliche Verbesserungen vom angekündigten Gewaltschutzpaket Bergers. Im Übrigen rief sie die Bevölkerung auf, das Schweigen über familiäre Gewalt zu brechen und hinzuschauen statt wegzuschauen.

Abgeordnete RIENER (V) forderte Gewaltprävention und einen umfangreichen Opferschutz auch vor den Medien sowie die Einführung einer Straftäterdatei für Sexualtäter und Gewalttäter gegen Kinder und die Ausweitung des Strafrahmens bei derartigen Straftaten. Hinschauen und Hinterfragen sei keine Einmischung in Privatangelegenheiten, sondern ein Zeichen von Zivilcourage, war Riener einer Meinung mit ihrer Vorrednerin Wurm.

Abgeordnete Mag. WEINZINGER (G) suchte eine mögliche Erklärung im Fall Amstetten in einem, wie sie sagte, auf die Spitze getriebenen patriarchalischen Familienbild und machte Geringschätzung gegenüber Frauen und Kindern für den "saloppen" Umgang der Behörden  verantwortlich.

Abgeordneter Dr. KURZMANN (F) kam zu den Schluss, die österreichischen Gesetze würden Kinder und Jugendliche nicht ausreichend schützen, bei Gewalt gegen Kinder würden viel zu viele Menschen wegschauen. Er verlangte deswegen ein Umdenken der Gesellschaft und sprach sich auf der gesetzlichen Ebene mit Nachdruck für die Wiedereinführung der Anzeigepflicht bei Gewalttaten gegen Kinder aus.

Abgeordneter Mag. DARMANN (B) forderte in einer Reihe von Entschließungsanträgen die Schaffung eines zentralen Registers für Sexualverbrecher, ein Berufsverbot für Sexualverbrecher, kurzzeitige zwangsweise Anhaltung und intensive Betreuung von straffälligen Jugendlichen, verschärfte Strafen für Sexualstraftäter und Kinderschänder, vierteljährliche ärztliche Untersuchungen von Kindern auf Missbrauch bis zum Schuleintrittsalter, die Anzeigepflicht bei Gewalt an Kindern, die Verlängerung bzw. den Ausschluss der Verjährung bei Verbrechen an Kindern und Jugendlichen sowie den Ausschluss der Tilgung bei Sexualverbrechen.

Abgeordneter Mag. MAIER (S) unterstützte das Maßnahmenpaket Bergers und die Einführung einer Sexualtäterdatei sowie einen verstärkten Opferschutz. Mit Nachdruck appellierte er an die Länder, ihre Planstellen im Bereich der Jugendwohlfahrt nicht wie angekündigt einzusparen, sondern diese vielmehr auszubauen.

Abgeordnete STEIBL (V) sprach sich für verstärkten Kinderschutz aus, insbesondere für die Verlängerung der Tilgungsfrist und den Ausschluss der Tilgung bei bestimmten Delikten, warnte aber vor dem Glauben, mit Gesetzen allein schreckliche Handlungen Einzelner verhindern zu können.

Abgeordnete Mag. SBURNY (G) sah den Vorfall in Amstetten als Ausdruck eines Gesellschafts- und Familienbildes, das Gewalt an Frauen und Kindern explizit akzeptiert.

Abgeordnete Mag. KUNTZL (S) attestierte der Justizministerin besonnenes, seriöses und rationales Agieren, und meinte, Berger zeige damit, dass unaufgeregtes Handeln nicht Handeln ohne Anteilnahme bedeuten müsse.

Abgeordneter KAPELLER (V) stellte unter Hinweis auf seine berufliche Erfahrung als Polizist fest, dass familiäre Gewalt sehr wohl männlich sei, gab aber zu bedenken, dies dürfe nicht dazu führen, deshalb die Institution der Familie und die Rolle der Väter in Frage zu stellen. Zum Fall Amstetten bemerkte er, hier sei eine Informationskette auf Grund einer zeitgeistigen und falschen liberalen Strafrechtspolitik abgerissen.

Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) gab ihrem Vorredner gegenüber zu bedenken, dass das Problem der patriarchalen Gewalt durch lückenlose Überwachung auch nicht gelöst werden könne. Außerdem müsse man anerkennen, dass eben auch Familienväter derart furchtbare Verbrechen begehen, betonte die Rednerin. Was die ausländischen Kommentare angeht, so sah es Lunacek als Problem an, dass Österreich als erzkonservatives und reaktionäres Land angesehen wird, in dem solche Vorfälle möglich sind. Es wäre daher Zeit für eine Imagekampagne, die moderne Geschlechterbilder in den Mittelpunkt stellt.

Abgeordnete ABLINGER (S) wies darauf hin, dass Gewalt gegen Frauen die derzeit häufigste Menschenrechtsverletzung darstellt. Die massenhaft auftretende Gewalt gegen Frauen betreffe alle Menschen, weil sich daran der Grad der Menschenwürde ablesen lasse. Die Wurzeln des Problems sah Ablinger u.a. in der ungleichen Machtverteilung zwischen Männern und Frauen, dem Festhalten an Klischees sowie in der breiten Toleranz der Bevölkerungsmehrheit, dass das, was zwischen den vier Wänden passiert, Privatsache ist, zu finden. Ein wichtiges Anliegen war ihr auch die Täterarbeit, wo dringend etwas getan werden müsse.

Abgeordneter Ing. WESTENTHALER (B) begrüßte die Ankündigungen des Innenministers bezüglich der Sexualstraftaten, wonach in Zukunft  Tilgungen ausgeschlossen und verpflichtende Berufsverbote eingeführt werden sollen; außerdem soll es zu einer Erhöhung der Strafrahmen kommen. Jetzt werde von Seiten der Regierungsparteien aber ein Entschließungsantrag eingebracht, der wieder ganz anders ausschaut, kritisierte Westenthaler. Dieser besage nämlich, dass die Tilgungsfrist nur bei schweren Sexualstrafdelikten gänzlich ausgeschlossen werden soll, in den übrigen Fällen könne sie verlängert werden. Wenn man sich den aktuellen Fall anschaut, dann hieße dies, dass die erste Vergewaltigung des Herrn Fritzl getilgt gewesen wäre. Auch was das Berufsverbot angeht, so ist dies nur mehr in schweren Fällen verpflichtend vorgesehen, bemängelte Westenthaler. Überdies soll über eine Erhöhung der Strafen zunächst nur diskutiert werden. Dieser "windelweiche" Antrag sei ein Skandal angesichts der aktuellen Fälle, unterstrich der BZÖ-Klubobmann.

Der B-Entschließungsantrag betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber der Justizministerin gemäß Art. 74 Abs. 1 des BVG fand keine Mehrheit. Auch der F-Entschließungsantrag betreffend härtere Strafen zum Schutz Minderjähriger verfiel der Ablehnung. Der S-V-Entschließungsantrag betreffend Maßnahmen zur Gewaltprävention und zum Schutz von Kindern wurde mehrheitlich angenommen. Sodann wurden der F-Entschließungsantrag betreffend die längst überfällige Ausweitung des Schutzes Minderjähriger sowie die B-Entschließungsanträge betreffend zentrales Register für Sexualverbrecher, betreffend Berufsverbot für Sexualverbrecher, betreffend Bewusstseinsbildung und Verantwortung für Unmündige, betreffend Strafschärfung für Sexualstraftäter und Kinderschänder, betreffend regelmäßige Untersuchungen von Kindern, betreffend Anzeigepflicht bei Gewalt gegen Kindern, betreffend Verjährungsfristen bei Verbrechen an Kindern und Jugendlichen, betreffend Ausschluss der Tilgung bei Sexualverbrechen sowie betreffend Suche nach vermissten Personen abgelehnt.

(Schluss Erklärungen Platter/Berger, Forts. NR)