Parlamentskorrespondenz Nr. 409 vom 08.05.2008

Nationalrat: Von der Produktpiraterie und den Klimaschutzzielen

Kommt eigener Straftatbestand für Arzneimittelkriminalität?

Wien (PK) - Vor Beginn der Diskussion der einzelnen Punkte der Tagesordnung gab Nationalratspräsidentin Barbara Prammer bekannt, dass ein Antrag auf Durchführung einer Kurzdebatte über die Anfragebeantwortung 3648/AB der Anfrage 3616/J der Grünen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Ausbau des höherrangigen Straßennetzes und Klimaschutzstrategie der Bundesregierung vorliegt. Die Kurzdebatte findet um 15 Uhr statt.

Produktpirateriebericht 2007

Abgeordneter ZANGER (F) lobte den Bericht wegen seiner Fülle interessanter Daten und Fakten. Die Fälle der Produktpiraterie hätten im Jahr 2007 einen neuen Höhepunkt erreicht, wobei der Bereich der Arzneimittel die größten Steigerung aufweise, bemerkte er. Hier sei die Rendite besonders hoch, sagte Zanger, und die Schwierigkeit bestehe vor allem darin, dass diese Arzneimittel über das Internet angeboten werden. Er forderte daher eine gezielte Informationskampagne in den Apotheken und bei den ÄrztInnen. Da immer mehr gefälschte Mittel aus Indien stammen, sollte die Bundesregierung auch mit diesem Land entsprechende Kooperationsverträge abschließen, verlangte er. Einen weiteren Sprengstoff ortete Zanger im Hafen von Neapel, wo riesige Mengen von Waren aus China an der Zollkontrolle vorbeigeschleust werden. Der Bundesregierung warf er vor, zu wenig gegen die Produktpiraterie zu tun, weshalb die FPÖ den Bericht auch nicht zur Kenntnis nehmen werde.

Abgeordneter Dr. STUMMVOLL (V) zeigte sich besorgt über diesen dynamischen Wirtschaftszweig im Untergrund und dankte dem SPÖ-Abgeordneten Johann Maier für dessen Initiative. Kein anderer Wirtschaftszweig boome derart und bringe größere Renditen, unterstrich Stummvoll. Das alles gehe zu Lasten der Arbeitsplätze und Steuereinnahmen und berge darüber hinaus eine enorme Gesundheitsgefährdung in sich. Als wichtige Maßnahmen forderte Stummvoll daher die Weiterführung und Stärkung einer effizienten Zollverwaltung sowie eine verstärkte internationale Zusammenarbeit. Auch müsste es zu einer Unterstützung der Bewusstseinsbildung bei den KonsumentInnen kommen, meinte Stummvoll. Er befürwortete auch darüber nachzudenken, hinsichtlich der Arzneimittelkriminalität einen eigenen Straftatbestand im Strafgesetzbuch aufzunehmen.

Abgeordneter Mag. Maier (S) wies darauf hin, dass die Produktpiraterie ein Teil der organisierten Kriminalität ist. Auch er sprach sich dafür aus, die KonsumentInnen mehr zu sensibilisieren, da viele Produkte nicht den europäischen Sicherheitsstandards entsprechen. Außerdem würden vor allem junge Menschen und Frauen bei der Herstellung dieser Produkte ausgebeutet. Maier trat wie sein Vorredner dafür ein, für den Arzneimittelbereich einen eigenen Straftatbestand vorzusehen. Denn wer derzeit in Österreich ein Arzneimittel fälscht und dieses in Verkehr bringt, werde lediglich mit einer Verwaltungsstrafe belangt. Österreich solle sich daher an Deutschland orientieren, wo es für diese Fälle eine gerichtliche Strafdrohung gibt. Dadurch werde es ermöglicht, gegen Untergrundlabors effektiver vorzugehen. In solchen Untergrundlabors würden auch Dopingmittel hergestellt. Man brauche aber auch eine enge Zusammenarbeit auf internationaler Ebene, bemerkte Maier.

Abgeordnete Hradecsni (G) zeigte sich ebenfalls besorgt über den überproportionalen Anstieg der Medikamentenfälschungen, die ein unkalkulierbares Gesundheitsrisiko mit sich bringen. Außerdem seien die hygienischen Bedingungen bei der Herstellung völlig unzureichend. Auch sie forderte verbesserte Informationskampagnen und kritisierte die mangelnde Information auf der Homepage des Finanzministeriums. Vielen sei nicht bewusst, dass hinter all diesen Angeboten die organisierte Kriminalität steckt, sagte sie. Hradecsni betonte weiters die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit. Sie warnte aber vor einer Verschärfung der internationalen Patentgesetzgebung, da dies fatale Folgen für die Entwicklungsländer hätte. Die Menschen brauchten Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten, und das seien eben die Generika.

Abgeordneter Bucher (B) begrüßte den Bericht auf Grund seines zahlreichen Faktenmaterials und dankte dem Zoll für dessen Arbeit. Von der Regierung forderte er ein, insbesondere auf EU-Ebene die Zusammenarbeit zu suchen und ein europäisches Gütesiegel für Medikamente zu initiieren. Seitens der EU sollte es seiner Auffassung nach auch eine europaweite Aufklärungskampagne geben.

Staatssekretär Dr. MATZNETTER sprach den Zöllnern seine Anerkennung für große Erfolge bei der Fahndung nach gefälschten Waren aus und berichtete über den Ausbau der Zusammenarbeit mit den Zollbehörden in Hongkong, dem größten Container-Exporthafen der Welt. Im Interesse österreichischer Markenrechte erwarte er sich auch von den Zollverwaltungen anderer EU-Länder ein ähnlich intensives Engagement. Der Staatssekretär dankte auch Abgeordnetem Maier, der sich bei der Bewusstseinsbildung über Produktpiraterie große Verdienste erworben habe. Diesen Weg gelte es fortzusetzen und die Konsumenten stärker noch als bisher über die Gefahren zu informieren, die von gefälschten Produkten, insbesondere von Medikamenten ausgehen. Das Gesundheitsressort habe dafür zu sorgen, dass Medikamente ausschließlich von Apothekern und Ärzten abgegeben werden. Die Attraktivität des Handels mit gefälschten Medikamenten erklärte Matznetter mit den geringen Kosten der Herstellung und des Vertriebs im Unterschied zum traditionellen Drogenhandel, der teure, weil quasi militärisch organisierte Produktions- und Vertriebsstrukturen brauche.

Abgeordneter AUER (V) schloss sich dem Applaus für Abgeordneten Maier und dessen Erfolge im Kampf gegen die Produktpiraterie an. An die Medien richtete Auer den Appell, gegenüber der verbreiteten "Geiz ist geil"-Mentalität Verantwortung zu zeigen, Bewusstsein zu schaffen und nicht jedes Inserat unkritisch zu übernehmen. Im Kampf gegen die Produktpiraterie bestehe Handlungsbedarf, insbesondere bei Produktfälschungen, die Gesundheit und Leben der Konsumenten gefährden. Abgeordneter Auer forderte "höhere Strafen für Produktfälscher".

Abgeordneter Mag. SCHIEDER (S) zeigte sich besorgt über die Dimensionen, die der Handel mit gefälschten Medikamenten angenommen habe. 224.000 Tabletten wurden 2007 beschlagnahmt, auf 15 Mill. Euro stieg der Wert aller beschlagnahmten Produktplagiate. Schieder sprach von Auswüchsen des globalen Kapitalismus, deren Ursachen in den extremen Gewinnspannen liegen, die beim Handel mit Produktfälschungen erzielt werden können. Schieder plädierte dafür, die gesetzlichen Möglichkeiten zur Strafverfolgung zu verbessern und die Strafen zu erhöhen.

Abgeordnete LENTSCH (V) erinnerte daran, dass zunächst gefälschte Luxusprodukte von Markenartikelkonzernen in Verkehr gebracht worden waren, denen gegenüber sich das Mitleid der Konsumenten in Grenzen hielt. Bei der Fälschung von Medikamenten würden aber alle Toleranzgrenzen überschritten, sagte die Rednerin, drängte auf intensivere Aufklärung der Konsumenten und warnte davor, dass der Internethandel den Zugang zu Medikamentenfälschungen aus Indien und China immer leichter mache.

Auch Abgeordnete HAGENHOFER (S) verlangte, die Menschen besser aufzuklären. Nicht alles, was wie ein Markenprodukt aussehe, sei auch ein Markenartikel. Hagenhofer warnte insbesondere auch vor gefährlichen Spielwaren aus China und forderte die Vernichtung aller entdeckten Plagiate. "Gefälschte Produkte dürfen nicht in Secondhand-Läden landen."

Abgeordnete TAMANDL (V) konzedierte dem Zoll gute Arbeit und unterstrich die Bedeutung von Informationen für die Menschen. Die Konsumenten müssen wissen, dass es teuer kommen könne, wenn man billig kaufe. Es gelte alles zu unternehmen, um den Trend zu Produktfälschungen zurückzudrängen.

Abgeordnete RINNER (S) konzedierte dem österreichischen Zoll Erfolge bei der Fahndung nach Produktplagiaten, zeigte sich aber zugleich besorgt wegen rückläufiger Zahlen bei den Fahndungserfolge, weil Produktpiraten vermehrt auf den schwer zu kontrollierenden Internethandel umsteigen. Abgeordnete Rinner setzte auf mehr Information der Konsumenten über die Gefahren des Handels im Netz.

Auch Abgeordneter KAIPEL (S) sah Handlungsbedarf, weil Produktpiraten, die sich in der Vergangenheit auf Luxusgüter konzentrierten, immer stärker in die Fälschung von Medikamenten einsteigen. 10 % der weltweit gehandelten Medikamente seien bereits gefälscht, in Afrika schon 60 %.

Bei der Abstimmung wurde der Produktpiraterie-Bericht mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Novelle zum Umweltförderungsgesetz

Abgeordneter Mag. ROSSMANN (G) kritisierte den Vorschlag, mehr Geld für den Ankauf von CO2-Emissionszertifikaten einzusetzen. Diese Zahlungen lösten keine Wertschöpfung im Inland aus, kritisierte der Redner, der sich verwundert darüber zeigte, dass auch die SPÖ zu diesem Klimaschutz-Notfallprogramm ja sage, obwohl sie wisse, dass die Zertifikatpreise aus spekulativen Gründen steigen. Die Alternative wäre ein ökosozialer Umbau des Steuersystems, wie ihn die Grünen mit ihrem wissenschaftlich gut abgesicherten Steuerreformkonzept vorgeschlagen haben. Dieses Konzept ziele auf eine Entlastung des Faktors Arbeit und lasse eine Reduktion der CO2-Emissionen um 9 Mill. Tonnen erwarten.

Abgeordneter KOPF (V) hielt fest, Österreich strebe seine ambitionierten Klimaschutzziele zum überwiegenden Teil durch Investitionen im Inland an, mit positiven Effekten auf Wertschöpfung und Arbeitsmarkt. Die Reduktion der Treibhausgasemissionen könne aber nur im globalen Maßstab gelingen, es sei nur vernünftig, wenn Österreich - eine der CO2-effizientesten Volkswirtschaften der Welt - durch Investitionen in Entwicklungsländern mit derselben Investitionssumme wesentlich mehr Emissionsminderungen erziele als im Inland. Dem Ankauf weiterer Klimaschutzzertifikate sei daher zuzustimmen, schloss Abgeordneter Kopf.

Abgeordneter THEMESSL (F) widersprach seinem Vorredner. Es sei falsch, insgesamt mehr als 500 Mill. € im Ausland zu investieren, die Kyoto-Ziele dennoch nicht zu erreichen und daher mit Strafzahlungen rechnen zu müssen. Themessl forderte ein Umdenken in der Energiepolitik und Investitionen in erneuerbare Energieträger in Österreich.

Abgeordnete BAYR (S) trat dafür ein, bei der Förderung von Umweltprojekten in Entwicklungsländern die Grundsätze der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit stärker zu berücksichtigen. Auch Bayr wollte den Schwerpunkt der Klimaschutzpolitik bei Investitionen im Inland setzen und brachte einen S-V-Entschließungsantrag ein, der auf eine aktive Rolle Österreichs bei der Gestaltung eines Post-Kyoto-Klimaschutzprogramms und auf Klimaschutz-Maßnahmen im Inland zielte. Thermische Gebäudesanierung, mehr Windkraftgeneratoren und Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz lauteten Bayrs Vorschläge.

Abgeordneter BUCHER (B) drängt darauf, die thermische Sanierung von Tourismusbetrieben durch Mittel des Klimafonds zu fördern. Auch Bucher hielt es für unverständlich, beim Zertifikatankauf Geld ins Ausland fließen zu lassen, ohne die heimischen Solar-, Windkraft- und Wasserkraftunternehmen zu berücksichtigen.

Abgeordneter Dr. STUMMVOLL (V) sprach hingegen von einem wichtigen Mosaikstein auf dem Weg zur Erreichung der österreichischen Klimaschutzziele und begrüßte den Beschluss des Ministerrates zur Vorlage eines Entwurfs für eine Ökostromgesetz-Novelle. Besorgt zeigte sich der Redner darüber, dass China im Zeitraum 1990-2000 acht Mal mehr CO2 emittierte, als die EU eingespart habe. In der Klimaschutzpolitik sei die Balance zwischen Ökonomie und Ökologie zu wahren und zu verhindern, dass Produktionen aus Österreich in Länder ausgelagert werden, die mit wesentlich geringerer Energieeffizienz produzieren.

Abgeordnete Dr. LICHTENECKER (G) wandte sich gegen zusätzliche Mittel für den Ankauf immer teurer werdender Klimaschutzzertifikate. Die Vorschläge der Bundesregierung für ein neues Ökostromgesetz kritisierte die Rednerin als mangelhaft, "winzig kleinen Verbesserungen" stünden Verschlechterungen wie der Ausschluss kleiner Fotovoltaikanlagen von der Förderung gegenüber. In einem Entschließungsantrag ihrer Fraktion wandte sich die Rednerin gegen den Bau von Donaukraftwerken in der Wachau und bei Hainburg.

Abgeordneter Dr. BAUER (S) bekannte sich zur Doppelstrategie von Klimaschutzinvestitionen im In- und im Ausland, stimmte den Kritikern, die mehr Mut zur CO2-Reduktion im Inland forderten, aber grundsätzlich zu. Bauer erneuerte seinen Vorschlag für einen inländischen Zertifikathandel, der etwa in Nordrhein-Westfalen zu gut dokumentierten CO2-Einsparungen führe.

Abgeordneter Ing. HOFER (F) plädierte für Investitionen in Österreich in Wärmedämmung und Wind- und Wasserkraft und meinte, Investitionen im Ausland könnten nur einen Notfallplan darstellen für den Fall, dass man die Ziele in Österreich nicht erreichen kann. Heimische Maßnahmen hielt Hofer deshalb für sinnvoller, da dadurch Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Österreich geschaffen werden. Der Redner forderte zudem einen nationalen Energieentwicklungsplan für Österreich mit dem Ziel, bei der Stromerzeugung auf erneuerbare, heimische Quellen zu setzen.

Abgeordneter AUER (V) rief zu einem Bewusstseinswandel auf und gab zu bedenken, viele Menschen würden sich zwar allgemein zu Klimaschutzmaßnahmen bekennen, diese dann aber ablehnen, wenn sie konkret gesetzt werden sollen.

Abgeordneter DI KLEMENT (F) kritisierte, durch das vorliegende Gesetz würden 500 Mill. Euro nach China verschenkt, anstatt um dieses Geld im Inland ein vernünftiges Ökostromgesetz zu schaffen. Die Maßnahme sei, wie er sagte, vor allem auch deshalb ökonomisch sinnlos, da Österreich dadurch Arbeitsplätze in China erzeuge, im Gegenzug aber nichts als leere Zertifikate erhalte.

Abgeordneter Mag. GASSNER (S) sah ein großes Potential der Gemeinden bei der Verwendung von Klärgasen für die Stromerzeugung, ortete aber noch Defizite bei der Förderung diesbezüglicher Anlagen und bei den Einspeisetarifen.

Abgeordneter Dr. MITTERLEHNER (V) hielt das ambitionierte Kyoto-Ziel Österreichs durch den Zukauf von Emissionsrechten für durchaus erreichbar und betonte, es sei ökonomisch und ökologisch die sinnvollste Vorgangsweise, rechtzeitig noch zu günstigen Preisen die entsprechenden Zertifikate zu erwerben.

Abgeordneter KRAINER (S) bezeichnete den Zukauf aus dem Ausland als das "geringere Übel", sah darin aber bloß ein Notprogramm, das seiner Meinung nach aber nicht Teil der Klimaschutzstrategie Österreichs werden dürfe. In Zukunft habe es darum zu gehen, die Klimaschutzmaßnahmen im Inland zu setzen. Klar war für Krainer auch, dass Essen auf dem Teller und nicht in den Tank oder in den Ofen gehört. 

Abgeordneter SCHULTES (V) stellte fest, Klimaschutz sei teuer, Maßnahmen im Inland kosteten Geld und brauchten geistige Beweglichkeit. Wer gegen Bio-Gasanlagen sei, sei offenbar für Atomkraft und für den weiteren Ausbau der Donau, bemerkte er kritisch an die Adresse der Grünen gerichtet.

Abgeordneter Dr. MAIER (V) unterstützte das Gesetz und sah für die Zukunft vor allem Handlungsbedarf beim Ausbau der Wasserkraft und bei der thermischen Gebäudesanierung.

Abgeordneter WÖGINGER (V) bezeichnete die innerösterreichische Wertschöpfung unter Berücksichtigung und Einbindung des Wirtschaftsstandortes als richtigen Weg bei den Klimaschutzmaßnahmen.

Das Gesetz wurde bei der Abstimmung ebenso wie der Entschließungsantrag der Regierungsparteien mehrheitlich angenommen. Der Entschließungsantrag der Grünen blieb in der Minderheit. (Fortsetzung/RH-Bericht)