Parlamentskorrespondenz Nr. 420 vom 09.05.2008

Österreich beteiligt sich an EU-Mission im Kosovo

Hauptausschuss beschließt zahlreiche Entsendungen

Wien (PK) – Im Rahmen der Diskussion um die EU-Rechtsstaatlichkeitsmission im Kosovo (EULEX KOSOVO) entwickelte sich im Hauptausschuss eine umfassende außenpolitische Diskussion um die Anerkennung der Eigenstaatlichkeit des Kosovo. Die Beteiligung an der Mission wurde schließlich gegen die Stimmen der FPÖ mehrheitlich genehmigt.

Österreich wird sich an der vom Rat der EU am 4. Februar 2008 beschlossenen Rechtsstaatlichkeitsmission im Kosovo (EULEX KOSOVO), mit bis zu 25 Polizistinnen und Polizisten und bis zu 10 Angehörigen des Bundesministeriums für Justiz beteiligen. Die Entsendung ist vorerst bis 30. Juni 2009 vorgesehen. Österreich war bereits im Planungsteam für diese Mission (EUPT Kosovo) beteiligt.

Laut Antrag der Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten handelt es sich dabei um die bislang größte zivile Mission im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP). Insgesamt sollen daran bis zu 2.210 Polizei-, Justiz-, Zoll- und Verwaltungsexpertinnen und –experten sowie zusätzliche 1.233 lokale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teilnehmen.

EULEX KOSOVO soll von UNMIK (United Nations Interim Administration in Kosovo), zu der Österreich seit Beginn der Mission im Jahr 1999 einen Beitrag leistet, die Aufgaben im Bereich der Rechtsstaatlichkeit übernehmen. Hauptaufgabe wird die Unterstützung der kosovarischen Behörden beim Aufbau eines modernen, internationalen Standards entsprechenden, Polizei-, Justiz- und Zollwesens sein. Darüber hinaus wird die Mission über begrenzte exekutive Zuständigkeiten verfügen, zum Beispiel bei der Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität, der Verfolgung von Kriegsverbrechen und interethnischer Gewalttaten sowie bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Fall von Unruhen.

In der Unabhängigkeitserklärung des Parlaments des Kosovo vom 17. Februar 2008 wurde die Errichtung einer solchen EU-Rechtsstaatlichkeitsmission ausdrücklich willkommen geheißen, wird im Antrag der Außenministerin an den Hauptausschuss besonders unterstrichen.

Da die Übernahme der Polizei- und Rechtsstaatlichkeitsagenden von UNMIK durch EULEX KOSOVO von der politischen Entwicklung den Kosovo betreffend abhängig ist, könnte sie sich verzögern. Daher soll auch die Entsendung von bisher 22 Polizistinnen und Polizisten im Rahmen von UNMIK, vorbehaltlich des Fortbestands der Mission, bis zum 30. Juni 2009 verlängert werden. Dies wurde ebenfalls mit S-V-G-B-Mehrheit genehmigt.

In der Diskussion erläuterte Klubobmann Heinz-Christian Strache (F), warum die FPÖ dieser Mission nicht werde zustimmen können. Die Anerkennung des Kosovo abseits eines UNO-Beschlusses sei unsensibel und unrichtig gewesen, stellte er fest. Ein unabhängiger Kosovo außerhalb des Serbischen Staatsverbandes sei nicht lebensfähig. EULEX sei vor der Unabhängigkeitserklärung ins Leben gerufen worden, sodass sich nun die Situation geändert habe, begründete Strache die Haltung der FPÖ. Darüber hinaus sei man in Bezug auf Serbien äußerst unsensibel vorgegangen. Sein Standpunkt wurde von Abgeordnetem Peter Fichtenbauer (F) bekräftigt, der die volle Gültigkeit der UNO-Resolution 1244 nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo anzweifelte. In einem historischen Rückblick wies er auch auf die seiner Meinung unglückliche Balkanpolitik Österreichs seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hin.

Klubobmann Josef Cap (S) zeigte sich besorgt hinsichtlich der weiteren Entwicklung in der Region. Das Argument für die Anerkennung des Kosovo sei die Hoffnung gewesen, damit einen Beitrag für den Frieden zu leisten. Wie es derzeit aussehe, habe sich die Situation aber ins Gegenteil entwickelt und Serbien entferne sich immer mehr von Europa. Wenn bei den kommenden Wahlen die Nationalisten gewinnen, dann sei diese Strategie gescheitert, sagte er. Auch hätten nur wenige Staaten den Kosovo anerkannt. Man müsse daher reflektieren, ob dieser Schritt Österreichs richtig gewesen sei. Sein Klubkollege Erwin Niederwieser (S) betonte ebenfalls, dass die aktuelle Entwicklung nicht vorhersehbar gewesen sei. Wenn man sich aber für den Weg entschieden habe, solle man ihn auch konsequent weiter gehen.

Auch Abgeordneter Walter Murauer (V) sprach von einer schwierigen Situation, die man nicht voraus ahnen hätte können. Bei dieser Mission gehe es aber um die Entwicklung der Rechtsstaatlichkeit und es liege im Interesse Österreichs, dies zu unterstützen. Der Zweite Präsident des Nationalrats, Michael Spindelegger, machte den Vorschlag, unabhängig von dieser Vorlage das Thema im nächsten außenpolitischen Rat zu diskutieren. Er machte jedoch unmissverständlich klar, dass er die Anerkennung des Kosovo für richtig halte. Der Vorschlag Spindeleggers wurde von Abgeordnetem Franz Morak (V) unterstützt.

Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) befürwortete zwar die Mission, hinterfragte aber deren Status. Sie artikulierte die Zweifel der Grünen, ob die Anerkennung der richtige Weg gewesen sei.

Abgeordneter Gernot Darmann (B) machte darauf aufmerksam, dass sich Österreich seit 1999 an UNMIK beteilige und die Mission nichts mit der Unabhängigkeitserklärung zu tun habe.

Staatssekretär Hans Winkler entgegnete den Kritikern, Österreichs Außenpolitik sei wesentlich davon geprägt, den Ländern am Balkan eine europäische Perspektive zu geben und Hilfe zur Annäherung zu leisten. Österreich habe sich besonders um die Anliegen Serbiens bemüht, da ein stabiler Balkan ohne ein stabiles Serbien nicht möglich sei. Daher werde es für Serbien auch Erleichterungen bei der Erteilung von Visa geben.

Er verteidigte die Anerkennung des Kosovo durch Österreich als richtige Entscheidung im Interesse des Kosovo, Serbiens und der gesamten Region. Nach den massiven Menschenrechtsverletzungen habe die internationale Staatengemeinschaft festgelegt, dass es keine Staatlichkeit Serbiens unter Einschluss des Kosovo geben werde. Der von Serbien angebotene Autonomiestatus sei von den Kosovaren abgelehnt worden. Es sollte auch zu keiner Teilung des Kosovo kommen, erläuterte Winkler, und der Kosovo habe in seiner Unabhängigkeitserklärung den Minderheitenschutz verankert.

Der Beschluss zur Mission EULEX KOSOVO sei ein einstimmiger Beschluss des Rats gewesen, das heißt, diese werde auch von jenen EU-Ländern befürwortet, die den Kosovo nicht anerkannt haben, und daher innerhalb der EU unbestritten. EULEX basiere auf der UNO-Resolution 1244, die der Unabhängigkeit des Kosovo nicht entgegen stehe. Auch die UNO habe sich gewünscht, dass Europa in dieser Region mehr Verantwortung übernehme, und somit stehe man jetzt im Prozess der Übernahme von Aufgaben von UNMIK.

Präsenz in Westafrika

Österreich wird auch in Hinkunft im Büro der UNO für Westafrika (UNOWA) durch einen stellvertretenden Militärberater vertreten sein. Der entsprechende Beschluss, die bisherige Entsendung nach Dakar (Senegal) bis 31. Juli 2009 zu verlängern, fiel einstimmig. Dabei sind laut Antrag des Außenministeriums nach dienstlichem Bedarf Aufenthalte in der gesamten Subregion Westafrika sowie fallweise in den UNO-Amtssitzen in Genf und New York vorgesehen.

Die Aufgaben des Militärberaters umfassen die Beratung des Sonderbeauftragten des UNO-Generalsekretärs hinsichtlich militärischer Aspekte der UNOWA, die Verbindung zu anderen UNO-Operationen und zu Streitkräften in der Subregion sowie die Beratung der Internationalen Kommission für den Bakassi-Konflikt (Grenzkonflikt um die Halbinsel Bakassi zwischen Kamerun und Nigeria).

Österreicher weiter bei UNMIN in Nepal

Weiters passierte der Antrag des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten, die Entsendung von 2 Angehörigen des Bundesheeres als militärische Experten und weiteren 5 Angehörigen des Bundesheeres für vorbereitende und unterstützende Tätigkeiten im Rahmen der Politischen Mission der UNO in Nepal (UNMIN) bis zum 31. Dezember 2008 fortzusetzen, einstimmig.

UNMIN unterstützt die Umsetzung der zwischen der Regierung Nepals und der Kommunistischen Partei Nepals geschlossenen Abkommen, nämlich das "Umfassende Friedensabkommen (Comprehensive Peace Accord) vom 21. November 2006 sowie das "Abkommen zur Überwachung der Verwaltung von Waffen und bewaffnetem Personal" (Agreement on Monitoring of the Management of Arms and Armies) vom 28. November 2006. Wie der vorliegende Antrag ausführt, hat es in der Zwischenzeit eine Reihe positiver Entwicklungen gegeben, allerdings ist es auch zu einigen Verzögerungen gekommen, insbesondere bei den Wahlen, die nach zweimaliger Verschiebung am 10. April 2008 stattgefunden haben. Der UNO-Generalsekretär plant, dem Sicherheitsrat im Laufe des Monats Mai 2008 einen Bericht über die zukünftige Lage von UNMIN vorzulegen. Vorerst sei jedenfalls mit einer Fortsetzung der Mission zu rechnen.

Entsendung eines Justizwachebeamten zum ICTY

Schließlich nahmen die Mitglieder des Hauptausschusses die Fortsetzung der Entsendung eines Justizwachebeamten zum Internationalen Gerichtshof (ICTY) mit Sitz in Den Haag bis zum 31. Mai 2009 einstimmig zur Kenntnis. Der Beamte wird im Gefängnis des ICTY seinen Dienst versehen. Österreich unterstützt die Tätigkeit des Gerichts seit 1997 durch einen Justizwachebeamten.

Der ICTY wurde 1993 durch eine Resolution des UNO-Sicherheitsrats eingerichtet, der zur Aufgabe hat, die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im ehemaligen Jugoslawien zu untersuchen und zu verfolgen.

Änderung der Geschäftsordnung des Nationalen Sicherheitsrats

Die Mitglieder des Hauptausschusses genehmigten einstimmig einen Verordnungsentwurf der Bundesregierung, mit dem die Geschäftsordnung des Nationalen Sicherheitsrats geändert wird. Demnach steht nunmehr jeweils zwei stimmberechtigten Mitgliedern das Recht zu, eine Einberufung des Nationalen Sicherheitsrats zu verlangen. Diese Neuerung stellt eine Anpassung an die Novelle des zugrunde liegenden Bundesgesetzes dar (BGBl. I Nr. 30/2008).

Änderung der GO des Rats für Fragen der österreichischen Integrations- und Außenpolitik

Eine weitere Vorlage betraf den Verordnungsentwurf der Bundesregierung, mit dem die Geschäftsordnung des Rats für Fragen der österreichischen Integrations- und Außenpolitik geändert wird. Konkret geht es darin um die Angleichung an die neue Ressortbezeichnung "Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten" sowie um die Einberufung. Der Rat kann nunmehr bereits von zwei statt bisher drei Mitgliedern einberufen werden. Dies entspricht der Änderung des Bundesgesetzes über die Errichtung eines Rats für Fragen der österreichischen Integrations- und Außenpolitik (BGBl. I Nr. 6/2007). Auch dieser Entwurf wurde einstimmig genehmigt. (Schluss)