Parlamentskorrespondenz Nr. 460 vom 20.05.2008

Zwei Gleichbehandlungsgesetze im Ausschuss beschlossen

Mehr Diskriminierungsschutz in Privatwirtschaft und Bund

Wien (PK) – Bei der heutigen Sitzung des Gleichbehandlungssausschusses standen die EU-Anpassung und die Novellierung von zwei wichtigen Gesetzesmaterien auf der Agenda, und zwar des Gleichbehandlungsgesetzes für die Privatwirtschaft sowie jenes für den Bundesbereich. Während die VertreterInnen der Regierungsparteien die Weiterentwicklung der Gleichbehandlungsmaterien unisono lobten, hätten sich die Rednerinnen der Grünen, die von einer Mindestumsetzung sprachen, noch einiges mehr gewünscht, wie etwa die Einbeziehung der Bereiche Werbung, Bildung und Medien. Den Rednern der Freiheitlichen gingen die Novellen in einigen Punkten zu weit; außerdem meldeten sie rechtliche Bedenken, wie z.B. hinsichtlich der Regelungen für Probe- und befristete Dienstverhältnisse, an. Auch BZÖ-Mandatarin Ursula Haubner bemängelte einzelne Punkte, sprach jedoch von überwiegend positiven Aspekten. Beide Regierungsvorlagen wurden mit S-V-G-B-Mehrheit angenommen.

Vor Eingang in die Tagesordnung wurde noch Abgeordnete Gisela Wurm (S) zur neuen Obfrau des Ausschusses gewählt, nachdem die frühere Vorsitzende, Gabriele Heinisch-Hosek, in die niederösterreichische Landespolitik gewechselt ist.

Ausweitung und EU-Anpassung des Gleichbehandlungsgesetzes

Die EG-Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen verbietet jede unmittelbare und mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts. Die Inhalte dieser Richtlinie sollen nun im Rahmen der Novellierung des Gleichbehandlungsgesetzes sowie des Bundesgesetzes über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft umgesetzt werden.

Abgeordneter Robert Aspöck (F) hielt die Ausweitung des Diskriminierungsschutzes bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf befristete Arbeitsverhältnisse und Probedienstverhältnisse für rechtlich fragwürdig, zumal es den Intentionen dieser Art von Beschäftigungen widerspreche. Nicht einverstanden zeigte er sich auch mit der Anhebung des Mindestschadenersatzanspruches bei Diskriminierung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses von einem Monatsentgelt auf zwei Monatsentgelte. Dies führe in Richtung einer "Amerikanisierung" des Schadenersatzrechtes, monierte er.

Abgeordnete Edeltraud Lentsch (V) war gänzlich anderer Meinung als ihr Vorredner und begrüßte die Novelle, die nicht nur die EU-Vorgaben umsetze, sondern noch eine Reihe von weiteren Verbesserungen bringe.

Abgeordneter Erwin Niederwieser (S) machte auf ein OGH-Urteil aufmerksam, in dem die frühzeitige Auflösung eines befristeten Dienstverhältnisses wegen Vorliegens einer Schwangerschaft als diskriminierend bewertet wurde.

Die Grünen werden der vorliegenden Novelle zustimmen, da sie eine Reihe von Verbesserungen bringe, aber leider nur im Detail, schränkte Abgeordnete Brigid Weinzinger (G) ein. Ihre grundsätzliche Kritik richtete sich dahin gehend, dass diese Anpassungen nicht zum Anlass genommen wurden, um einen umfassenden Diskriminierungsbegriff, der für alle betroffenen Gruppen gilt, zu erarbeiten. Bedauern äußerte sie auch darüber, dass wichtige Bereiche, wie z.B. Medien, Werbung und Bildung, nicht einbezogen wurden. In einem Grünen Zusatzantrag forderte Weinzinger zudem, dass Firmen über 10 Mitarbeiter künftig eine Gleichbehandlungsbilanz vorlegen sollen, da es beim Thema Einkommensgerechtigkeit einen dringenden Handlungsbedarf gebe. Gewünscht hätte sich ihre Fraktion auch, dass die Verjährungsfrist für die Geltendmachung einer Belästigung nicht nur von sechs Monaten auf ein Jahr, sondern etwa auf drei Jahre verlängert wird sowie die Einführung von Schlichtungs- und Ausschussverfahren.

Abgeordnete Bettina Stadlbauer (S) lobte grundsätzlich die Gesetzesänderung und hob einige Punkte besonders hervor. Wichtig waren ihr z.B. die Ausdehnung des Geltungsbereiches des Gleichbehandlungsgesetzes und der Diskriminierungstatbestände oder die verpflichtende Bestellung von Frauen in den Senaten der Gleichbehandlungskommission. Sehr leid tue es ihr jedoch, dass es nicht gelungen sei, etwa den Tatbestand von sexistischen Werbungen in den Regelungskatalog aufzunehmen; dies wäre ein wichtiges Signal gewesen.

Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) bemängelte die bloße Mindestumsetzung der Richtlinie sowie die Nicht-Einbeziehung des Mediensektors.

Dieses Gesetz sei wieder einmal ein Beispiel mehr dafür, wie man über das Ziel hinausschießen könne, meinte Abgeordneter Karlheinz Klement (F). So hätten etwa auch die gesetzlichen Regelungen bezüglich behinderter Menschen dazu geführt, dass die Betriebe lieber Strafen zahlen, als Behinderte einzustellen. Außerdem befürchtete er, dass aufgrund der Beweisumkehr dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet werde, wie dies Beispiele aus Deutschland belegen. Generell plädierte er mit Nachdruck dafür, dass man in der Gleichbehandlungspolitik "beide Augen aufmachen müsse" und auf die Diskriminierungen von Männern, die in der Werbung immer öfter festzustellen sind, nicht vergessen dürfe.

Auch Abgeordnete Ursula Haubner (B) setzte sich dafür ein, in Gleichbehandlungsfragen mit beiden Augen zu sehen, auch wenn die Frauen natürlich einen wesentlich höheren Nachholbedarf haben. Der Gesetzesvorschlag enthalte ihrer Ansicht nach überwiegend positive Aspekte und stelle eine Weiterentwicklung dar. Nicht ganz unumstritten seien jedoch die Regelungen bezüglich der befristeten Dienstverhältnisse, gab Haubner zu bedenken. Außerdem fehlten auch ihr die Bereiche Medien, Werbung und Bildung im Gesetz.

Staatssekretärin Marek: "Diskriminierung ist kein Kavaliersdelikt"

Staatssekretärin Christine Marek sprach von einer guten Weiterentwicklung der geltenden Rechtslage, weil über die EU-Richtlinie hinaus Änderungen vorgenommen wurden. Sie verteidigte den Umstand, dass der Diskriminierungsschutz in Hinkunft auch bei Beendigung von Probe- und befristeten Dienstverhältnissen Anwendung finde, weil dabei nicht Umgehungsmaßnahmen geschaffen werden, sondern nur der Diskriminierungsschutz ausgebaut wird. Außerdem entspreche dies auch der bereits geltenden Rechtslage, gab Marek in Richtung des Abgeordneten Aspöck zu bedenken. Es könne natürlich auch nicht von einer Amerikanisierung des Schadenersatzrechtes die Rede sein, wenn etwa die Ansprüche von einem auf zwei Monatsgehälter erhöht werden, entgegnete die Staatssekretärin, sondern damit werde ein wichtiges Signal gesetzt. Was die Einbeziehung der Bereiche Werbung und Medien betrifft, so sei intensiv darüber diskutiert worden, erklärte Marek, es sei jedoch schwer objektivierbar, ob es sich um eine sexistische Werbung handle oder nicht.

Der Antrag der Grünen bezüglich Gleichbehandlungsbilanz gehe ihrer Meinung nach an der Realität vorbei. Es sollte besser mit positiven Signalen gearbeitet werden als mit der Keule. In diesem Sinne sehe sie auch das Vorhaben ihres Ressorts, die Unternehmen einzuladen, Frauenförderpläne einzureichen, wobei die besten prämiert werden sollen. Ein wichtiges Anliegen war ihr das Thema Einkommensgerechtigkeit, wobei sie sich für eine Verankerung des Prinzips im Corporate Governance Codex aussprach. Im Sinne der Transparenz sei es sehr begrüßenswert, dass alle Ergebnisse der Gleichbehandlungskommission auf der Website des Bundeskanzleramtes in vollem Wortlaut, jedoch in anonymisierter Form, veröffentlicht werden. Schließlich kündigte Marek noch an, dass bis Ende des Jahres ein Leitfaden zur diskriminierungsfreien Sprache ausgearbeitet werden soll.

Bures: Stärkerer Schutz bei Auflösung von Dienstverhältnissen

Bundesministerin Doris Bures zeigte sich froh darüber, dass heute gleich beide Gleichbehandlungsmaterien im Ausschuss behandelt und beschlossen werden können. Kritisch beurteilte sie die Aussage des Abgeordneten Aspöck, da er offensichtlich nicht dafür sei, dass Frauen stärker vor der Auflösung von befristeten Dienstverhältnissen – z.B. im Falle einer Schwangerschaft - geschützt werden sollen. Generell gehe es bei der Novelle um die Ausweitung der Diskriminierungstatbestände, und zwar hinsichtlich des Zugangs zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen. Bures war auch überzeugt davon, dass eine Vereinheitlichung der Maßnahmen vorangetrieben wurde, wie z.B. bei den Verjährungsfristen oder den Schadenersatzansprüchen. Für wichtig hielt die Ministerin die Einbindung der NGO, weshalb sie am 9. Juni zu einem gemeinsamen Dialog in ihr Ressort einlade.

Die Regierungsvorlage wurde in der Fassung eines S-V-Abänderungsantrags, der sich vor allem auf redaktionelle Anpassungen und die Änderung von Fristen bezog, mit S-V-G-B-Mehrheit angenommen; die Anträge der Grüne verfielen der Ablehnung.

Änderung des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes gleichfalls mehrheitlich angenommen

Die Umsetzung von europarechtlichen Vorgaben und die Verbesserung des Instrumentariums zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes steht auch im Mittelpunkt der Novelle zum Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (541 d.B.). Dabei geht es vor allem um die Definition der (sexuellen) Belästigung und die Einräumung von Wahlmöglichkeiten im Zusammenhang mit einer diskriminierenden Beendigung eines Dienstverhältnisses. Die Bestimmungen betreffend die (sexuelle) Belästigung werden nun dahin gehend angepasst, dass - entgegen der alten Rechtslage – die bloße Absicht zu einer Diskriminierung schon ausreicht, unabhängig davon, ob die Diskriminierung auch ihren Zweck erreicht hat oder nicht.

Mit der Novelle soll – ebenso wie im Gleichbehandlungsgesetz der Privatwirtschaft – klargestellt werden, dass das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz auch bei befristeten Dienstverhältnissen und Probedienstverhältnissen direkt Anwendung findet. Bis jetzt war hinsichtlich Mehrfachdiskriminierungen auch nicht normiert, dass auf diesen besonderen Umstand bei der Bemessung der erlittenen persönlichen Beeinträchtigung Rücksicht zu nehmen ist.

Abgeordneter Manfred Haimbuchner (F) machte darauf aufmerksam, dass die Regelung zur (sexuellen) Belästigung eine "Gummi-Tatbestandsregelung" sei und einen großen Interpretationsspielraum zulasse.

Abgeordnete Brigid Weinzinger (G) sprach das Gebot der sprachlichen Gleichbehandlung an und bedauerte, dass es bei Verstößen keine Sanktionen gebe. Hinsichtlich der Besetzung der Kommissionen mit mindestens einer Frau plädierte sie eher für eine geschlechterparitätische Besetzung. Sie bedauerte auch, dass das Gesetz keine ausgegliederten Institutionen umfasst.

Abgeordnete Gabriele Binder-Maier (S) hinterfragte den Schadenersatz bei mehreren Diskriminierungstatbeständen. Abgeordnete Ursula Haubner (B) wollte wissen, ob es auch für Fachhochschulen Ausnahmeregelungen gibt. Abgeordnete Gertrude Brinek (V) teilte u.a. mit, man wolle auf Universitätsebene den Versuch unternehmen, selbständige Forschungseinrichtungen in den Geltungsbereich des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes einzubeziehen.

Frauenministerin Doris Bures wies darauf hin, dass in diesem Gesetz Vieles analog zum Gleichbehandlungsgesetz der Privatwirtschaft geregelt werde. Beim Schadenersatz sei auf Mehrfachdiskriminierung Bedacht zu nehmen. Neu eingeführt werde für den Bundesdienst das Gebot der sprachlichen Gleichbehandlung, und die Zusammensetzung von Dienstrechtskommissionen werden dahin gehend geändert, dass in die Entscheidungen dieser Kommission verstärkt frauenspezifische Gesichtspunkte einfließen. Die Regelungen finden nur dann auf ausgegliederte Unternehmen Anwendung, wenn das der Nationalrat im Zuge des Ausgliederungsgesetzes berücksichtigt hat.

Die Regierungsvorlage wurde gegen die Stimmen der Freiheitlichen mehrheitlich verabschiedet. (Schluss)