Parlamentskorrespondenz Nr. 578 vom 17.06.2008

Hauptausschuss: Zukunftsfonds und Ausfuhrförderung

Wie geht es mit dem Ilisu-Staudamm weiter?

Wien (PK) – Im Anschluss an die EU-Debatte wandte sich der Hauptausschuss in nicht öffentlicher Sitzung dem Jahresbericht des Zukunftsfonds für das Jahr 2007 und dem Thema Ausfuhrförderung zu. Der Bericht wurde von Mitgliedern des Ausschusses einstimmig zur Kenntnis genommen.

Zukunftsfonds legt Jahresbericht 2007 vor

Der Zukunftsfonds hat auf Grundlage des Zukunftsfondsgesetzes vom 19. Dezember 2005 am 2. Jänner 2006 seine operative Tätigkeit aufgenommen. Aufgabe des Fonds ist es, in erster Linie Projekte zu fördern, "die den Interessen und dem Gedenken der Opfer des nationalsozialistischen Regimes, der Erinnerung an die Bedrohung durch totalitäre Systeme und Gewaltherrschaft sowie der internationalen Zusammenarbeit dienen". Darüber hinaus sollen Projekte unterstützt werden, "die zu einer Förderung der Achtung der Menschenrechte und der gegenseitigen Toleranz auf diesen Gebieten beitragen". Auch wissenschaftliche Arbeiten über diese Themen sollen mit Mitteln des Zukunftsfonds finanziert werden. Die eingereichten Projektvorschläge sollen schwerpunktmäßig einen wissenschaftlichen, historischen (u. a. wirtschafts- und sozialgeschichtlichen) und/oder pädagogischen Charakter aufweisen, zukunftsweisend im Sinne der Völkerverständigung sein und dazu beitragen, totalitären Tendenzen auf der historischen Basis des 19. und 20. Jahrhunderts vorzubeugen.

Bis 31. Dezember 2007 sind beim Zukunftsfonds 268 Anträge eingelangt (davon 127 im Jahr 2006), davon wurden insgesamt 167 (davon 82 aus dem Jahr 2006) genehmigt. 21 Projekte sind noch offen, 77 wurden abgelehnt, 3 zurückgezogen. 37 Projekte konnten in der Zwischenzeit abgeschlossen werden, 130 sind noch im Laufen.

2007 wurde für die Projekte insgesamt ein Betrag von 3,272.744 € genehmigt. 2006 waren Gelder in der Höhe von 2,211.266 € bewilligt worden.

Alle genehmigten Projekte sind in einer Kurzzusammenfassung auf der Homepage des Zukunftsfonds verfügbar (www.zukunftsfonds-austria.at).

Die Projekte befassen sich schwerpunktmäßig mit der Aufarbeitung der NS-Diktatur und dem Holocaust sowie mit Untersuchungen totalitärer Regime allgemein. Viele verfolgen auch pädagogische Ziele, um dem immerwährenden historischen Auftrag des "Niemals wieder" gerecht zu werden, wie es in dem Bericht heißt. Einen ebenso hohen Stellenwert nimmt in der Arbeit des Fonds Quellensicherung ein, weshalb auch großes Gewicht auf Projekte gelegt wird, die mittels Bücher, Dokumentarfilme oder Sammeln von Videointerviews diese Erinnerungen festhalten.

Gespeist wird der Fonds aus Restmitteln des Fonds für freiwillige Leistungen der Republik Österreich an ehemalige Sklaven- und Zwangsarbeiter des nationalsozialistischen Regimes (Österreichischer Versöhnungsfonds), der seine Tätigkeit im Jahr 2005 beendet hat. Dazu kamen Gelder für noch nicht erledigte Zwangsarbeiterfälle, die der Versöhnungsfonds nicht mehr abschließen konnte und die vom Zukunftsfonds übernommen wurden. Der Vermögensstand des Fonds bezifferte sich am 31. Dezember 2007 mit 23,233.813 €.

Mit der Abwicklung der restlichen Agenden des österreichischen Versöhnungsfonds ist in erster Linie der Generalsekretär betraut. Im Jahr 2007 sind Zahlungen in der Höhe von 49.157 € an 20 ehemalige Zwangsarbeiter/innen getätigt worden. Überdies wurden die humanitären Projekte des Österreichischen Versöhnungsfonds durch seine 6 Partnerorganisationen abgeschlossen, heißt es im Bericht. Die ausstehenden Leistungen für humanitäre/medizinische Projekte in der Höhe von 17.604 € wurden ausbezahlt und erledigt.

In einer kurzen Debatte zum Bericht stellte Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch (F) Fragen nach den beigezogenen Wissenschaftlern. Abgeordnete Eva Glawischnig-Piesczek (G) fand Unstimmigkeiten bei im Bericht genannten Zahlen, anerkannte die Senkung der Verwaltungskosten, erkundigte sich nach zukünftigen Perspektiven für National- und Zukunftsfonds und regte die Einrichtung einer Projektdatenbank an. Auch Abgeordneter Herbert Scheibner (B) sprach die Beziehung zwischen Zukunfts- und Versöhnungsfonds an; den Rückgang der Verwaltungskosten führte er auf die Senkung des Personalstands zurück.

Die Vorsitzende des Kuratoriums des Zukunftsfonds, Landeshauptmann a.D. Waltraud Klasnic, erklärte, zu einer Projektdatenbank sei bereits viel Vorarbeit geleistet worden. Bei drei Viertel der Projekte gebe es einen Bezug zum Thema NS-Herrschaft; man sei bemüht, jungen Menschen in Zusammenarbeit mit Zeitzeugen einen neuen Zugang zu diesem Themenbereich zu öffnen. Mit dem Nationalfonds gebe es eine gute Zusammenarbeit, etwa bei der Sanierung des jüdischen Friedhofs in Wien-Währing.

Der Generalsekretär des Zukunftsfonds, Richard Votava, nannte Zahlen bezüglich der Projekte des Fonds: Von 321 beantragten Projekten seien 211 bewilligt und 110 abgelehnt worden. Über 6 Mill. € seien bereits genehmigt, ein Großteil dieses Geldes sei bereits ausgezahlt worden. Zur Frage nach den externen Experten nannte Votava u.a. die Professoren Steinbach und Schmidt-Dengler. Bezüglich der Antragstellung gebe es Richtlinien, aber kein standardisiertes Formular, es habe diesbezüglich aber keine Probleme gegeben.

Manfried Rauchensteiner, der dem Projektförderungsbeirat des Zukunftsfonds angehört, stellte die Prüfmodalitäten bei Projekten dar und ging dann auf Details des Projekts des jüdischen Friedhofs in Währing ein. Ein Viertel der Bestandsaufnahme sei bereits erledigt; dies sei auch bedeutsam für die Klärung der zu erwartenden Gesamtkosten. Zudem habe man dabei unmittelbare Verfallsgefahren feststellen können, was sich bei der Reihenfolge der zu erledigenden Arbeiten auswirken werde. Rund 3 Mill. € habe der Zukunftsfonds aus den verfallenen Mitteln des Versöhnungsfonds treuhändisch übernommen, dazu kämen Ende 2010 verfallende Mittel aus Erbfällen. Rauchensteiner nannte für 2007 285.874 € an Personal- und 165.000 € an Sachaufwand; dazu kämen 162.000 € an Prüfkosten, die aber in Zukunft auf 10.000 bis 12.000 € sinken würden.

Diskussion um Ausfuhrförderung

Die Berichte des Finanzministers über die Ausfuhrförderung im 4. Quartal 2007 sowie im 1. Quartal 2008 und der Tätigkeitsbericht des Beirats gemäß § 6 Ausfuhrförderungsgesetz gaben einmal mehr Anlass zur Diskussion über die Förderung umstrittener Projekte wie des Ilisu-Staudamms in der Türkei.

Die Berichte des Finanzministers über die im 4.Quartal 2007 und im 1. Quartal 2008 übernommenen Haftungen, Haftungsinanspruchnahmen und Rückflüsse aus Haftungsinanspruchnahmen wurden schließlich mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Demnach wurden zwischen dem 1. Oktober und 31. Dezember 2007 20 Garantien übernommen, die im Einzelfall den Betrag von 7 Mill. € überstiegen haben. Als Abnehmerländer werden im Bericht angeführt: Belarus (2), China (4), Indien (1), Iran (1), Kasachstan (1), Kroatien (1), Malta (1), Russland (4), Sri Lanka (1), Ukraine (3) und Vietnam (1).

Zwischen dem 1. Jänner und 31. März 2008 wurden 11 Garantien übernommen, und zwar für Exporte nach Belarus (1), China (4), Iran (1), Korea Republik (1), Rumänien (1), Russland (1), Serbien (1) und Sri Lanka (1).

Auch der Tätigkeitsbericht des Beirats gemäß § 6 des Ausfuhrförderungsgesetzes passierte den Hauptausschuss mit Mehrheit.

Zentrale Aufgabe des beim Finanzministerium angesiedelten und wöchentlich tagenden Beirats ist, unter gesamtwirtschaftlichen Aspekten Haftungsübernahmen des Bundes zugunsten der österreichschen Exportwirtschaft zu prüfen. Die Exporthaftungen selbst werden banktechnisch von der Österreichischen Kontrollbank AG (OeKB-AG) abgewickelt. Wie im Bericht explizit betont wird, werden im Unterschied zu fast allen OECD-Ländern keine Haftungen für Waffengeschäfte oder Nukleargüter übernommen.

Bei der Beurteilung werde insbesondere auf die Unternehmensentwicklung, vor allem die Entwicklung der Beschäftigten in Österreich, auf die Bedeutung des Ziellandes für das Unternehmen, auf österreichische Zuliefer- und Dienstleistungsmöglichkeiten, auf Headquarterfunktion in Österreich, auf die Verbesserung der Wettbewerbssituation sowie auf die Standortsicherung und Standortstärkung geachtet, heißt es im gegenständlichen Bericht. Die aktive Internationalisierung führe zu einer Steigerung des Qualifikationsniveaus und es komme dabei nicht zu einer Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland. Die Auslandsinvestitionen seien somit ein wesentliches Element zur Entwicklung österreichischer Leitbetriebe.

Sensible Projekte würden kritisch hinterfragt, womit gewährleistet sei, dass ein Empfehlungsbeschluss unter umfassender Güter- und Interessensabwägung erfolgt, wird im Bericht weiters unterstrichen.

Dies betrifft unter anderem das Wasserkraftwerk Ilisu in der Türkei, das seit Jahren wegen seiner ökologischen und sozialen Auswirkungen im Mittelpunkt heftiger Diskussionen steht. Es wurden daher Vereinbarungen getroffen, um den diesbezüglichen Kritikpunkten Rechnung zu tragen. Wie im Bericht dargelegt, habe es im Beirat dazu höchst unterschiedliche Meinungen gegeben, man habe aber nach eingehender Interessens- und Güterabwägung einen von einer Mehrheit getragenen positiven Empfehlungsbeschluss unter Auflagen gefunden. Weitere sensible Projekte betreffen ein Werk zur Erzeugung von Magnesia Rohstoffen in China sowie die Ausrüstung für eine Eisenbahnhochgeschwindigkeitsstrecke und die Lieferung von Papiermaschinen, beides betrifft ebenfalls China. Der Bericht listet in diesem Zusammenhang auch ein Pumpspeicherkraftwerk und Mühlen zur Aufbereitung von Eisenerz im Iran auf und nennt schließlich eine Abwasserreinigungsanlage in Algerien sowie ein thermisches Kraftwerk in Sri Lanka. Nähere Details dazu erfährt man unter: http://www.oekb.at

Im Jahr 2007 wurden 904 Anträge durch den Beirat behandelt, wobei kein einziges negativ beurteilt wurde. Die Ursache dafür führt man nicht nur auf die veröffentlichte Garantiepolitik zurück sondern auch auf die Tatsache, dass nach einer Grobprüfung durch die OeKB-AG ablehnungsgefährdete Fälle in der Regel von den Antragstellern aus Kostengründen zurückgezogen werden.

Dem Bericht ist weiters zu entnehmen, dass der Haftungsumsatz im vergangenen Jahr ein Rekordniveau erreicht hat, was auch die Erfolge der Exportwirtschaft reflektiere. Die Exportsumme belief sich auf rund 115 Mrd. €. In regionaler Hinsicht haben sich die Garantieobligos von Asien hin zu den mittel- und osteuropäischen Ländern hinverlagert, womit deutlich wird, dass die österreichische Exportwirtschaft die Chancen in diesen Staaten nützt. In dieses positive Szenario passt auch das Rekord-Volumen für neue Haftungen von ca. 8,7 Mrd. €

Im Mittelpunkt der Debatte zum Thema Ausfuhrförderung stand einmal mehr der Ilisu-Staudamm in der Türkei. Die Berichte des Finanzministers über auf Grund des Ausfuhrförderungsgesetzes übernommene Haftungen sowie der Tätigkeitsbericht des Beirats wurden jeweils mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Die Abgeordneten Reinhard Eugen Bösch (F), Herbert Scheibner (B) und Eva Glawischnig-Piesczek (G) sprachen die österreichische Mitfinanzierung des Ilisu-Staudamms an, wobei die Abgeordnete der Grünen auf den "zum Großteil vernichtenden" Bericht der Expertengruppe einging. Obwohl ein Großteil der Auflagen nicht erfüllt worden sei, sei im Mai mit den Bauarbeiten begonnen worden. Nach Unterlagen des Betreibers seien 11.000 Menschen von Absiedelung betroffen, im Bericht sei dagegen von 65.000 Betroffenen die Rede, die menschenrechtswidrig entschädigungslos enteignet würden.

Abgeordnete Elisabeth Hlavac (S) ging ebenfalls auf die kritische Stimmung bezüglich Ilisu ein und sprach bezüglich des angeblichen Baubeginns von widersprüchlichen Meldungen.

Staatssekretär Christoph Matznetter erklärte in Beantwortung der Fragen, es sei noch nicht mit den "eigentlichen" Bauarbeiten begonnen worden, sondern mit dem Bau der Zufahrtswege. Die im Vertrag enthaltenen Auflagen stellten keine "Leerformeln" dar, ihre Einhaltung würde – entgegen Befürchtungen – kontrolliert. Nach einer Mängelrüge habe die türkische Seite fristgerecht entsprechende Dokumente übermittelt, die genau geprüft werden. Das Thema sei auch von Bundespräsident Heinz Fischer bei dessen Besuch in der Türkei angesprochen worden, sagte Matznetter. Am 20. Juni werde es ein "Dialogtreffen" mit NGO geben; Österreichs Haltung sei jedenfalls klar, die Auflagen würden ernst genommen. Allerdings bedeute ein eventueller Ausstieg Österreichs nicht, dass der Staudamm nicht gebaut würde.

Matznetter würdigte im weiteren die Bedeutung und den Beitrag der KMU für die österreichische Wirtschaft, die zuvor von den Abgeordneten Bösch (F) und Scheibner (B) angesprochen worden waren. Es sei aber schwierig, den Gesamtbeitrag der KMU im Tätigkeitsbericht darzustellen, weil dieser in die Wertschöpfungskette einfließe.

(Schluss)