Parlamentskorrespondenz Nr. 589 vom 18.06.2008

Alle Fraktionen für gentechnikfreie Landwirtschaft

Pröll sieht Fünf-Parteienantrag als klaren Handlungsauftrag

Wien (PK) – Bei der heutigen Sitzung des Landwirtschaftsausschusses stand das Thema Gentechnik, das aus den verschiedensten Blickwinkeln beleuchtet wurde, im Mittelpunkt der Beratungen. Den Anfang machte eine - einstimmig angenommene - Fünf-Parteien-Initiative, in der sich die Vertreter aller Parlamentsfraktionen für eine gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion in Österreich aussprachen. Auch die anderen auf der Tagesordnung stehenden Oppositionsanträge der Grünen und der Freiheitlichen sowie eine Petition ("Österreich gentechnikfrei") befassten sich mit dieser Materie und galten bei der Abstimmung als miterledigt. Die Themenpalette reichte dabei von der Forderung nach einer klaren Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Produkten sowie der Einführung von verbindlichen ökologischen Standards bei der Pflanzentreibstofferzeugung, der Risiko- und Sicherheitsforschung im Bereich der Agro-Gentechnik (Grüne), bis hin zum Verbot der "Grünen Gentechnik" sowie Maßnahmen zur Rettung von heimischen Haustierrassen und heimischem Saatgut (FPÖ). In einem weiteren Entschließungsantrag forderten die Grünen die Umsetzung von dringend erforderlichen Maßnahmen im Milch- und Lebensmittelsektor. Diese Initiative wurde zwar vertagt; es soll aber bis zum nächsten Plenum ein Fünf-Parteien-Antrag ausgearbeitet werden.

Fünf-Parteien-Antrag: GVO–freier Anbau in der Landwirtschaft

Für die Erhaltung einer gentechnikfreien Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion in Österreich setzten sich die Vertreter aller fünf Parlamentsparteien in einem Entschließungsantrag ein. Der umfassende Maßnahmenkatalog enthält unter anderem folgende Punkte:  kontinuierliche In-situ-Vermehrung des Saat- und Pflanzengutes traditioneller Landessorten aus; weiterhin keine Verunreinigungen mit GVO bei der Saatgutversorgung in Österreich zuzulassen und mit der österreichischen Saatgut-Gentechnik-VO vergleichbare Regelungen auf EU-Ebene aktiv anzustreben; Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen, damit ein ausreichendes Angebot von gentechnikfreien Futtermitteln zur Verfügung steht; in Zusammenarbeit mit den Ländern geschlossene Anbaugebiete anzustreben; im Hinblick auf mögliche grenzüberschreitende Probleme für gemeinschaftsweit harmonisierte Regelungen über die Koexistenz und Haftungsbestimmungen nach dem Verursacherprinzip einzutreten; das Vorsorgeprinzip konsequent anzuwenden; weiterhin auf EU-Ebene bei ungeklärten Risiken, bei Unsicherheiten hinsichtlich Methoden der Risikoabschätzung und bei mangelhaften oder unschlüssigen Risikoanalysen gegen die Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen sowie für das Selbstbestimmungsrecht der gentechnikfreien Regionen Europas auf eine gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion einzutreten.

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) sprach von einem sehr guten Zeichen, da es gelungen sei, sich auf gemeinsame Eckpunkte in der Gentechnikpolitik zu einigen. Er sehe diesen Antrag einerseits als Rückenstärkung für den Minister für die Verhandlungen in Brüssel, andererseits auch als Erinnerung für alle politisch Verantwortlichen, in dieser Frage immer wieder aktiv zu werden. Außerdem werde damit der Europäischen Kommission signalisiert, dass es nicht angehe, wenn permanent über die Interessen einzelner Länder hinweggegangen wird. Ein wichtiges Anliegen war ihm auch das Selbstbestimmungsrecht der Regionen in der Gentechnikfrage, wo gerade Oberösterreich eine Vorreiterrolle inne habe, sowie die Stärkung einer unabhängigen, kritischen und dem Vorsorgeprinzip verpflichteten Forschung.

Bei der Diskussion über die Pflanzentreibstoffe sollten seiner Meinung nach folgende Vorgaben berücksichtigt werden: die Pflanzentreibstoffproduktion darf die Nahrungsmittelversorgung nicht gefährden, weder in Österreich noch in anderen Ländern der Erde; außerdem sollte sie aus Gründen der Nachhaltigkeit vor allem auf heimischen Rohstoffen beruhen, um die Auslandsabhängigkeit bei Energie zu verringern. Negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, den Wasserhaushalt und die Bodenfruchtbarkeit müssen ausgeschlossen werden.

Abgeordneter Karlheinz Klement (F) zeigte sich stolz über den Beitrag der freiheitlichen Partei zum vorliegenden Antrag. Er war der Auffassung, dass Österreich sein Licht nicht unter den Scheffel stellen sollte, denn auch ein kleiner Stein könne europaweit viel ins Rollen bringen. Allerdings handle es sich beim Antrag nur um einen ersten Schritt, gab er zu bedenken, da die Thematik weit darüber hinausgehe. Dies komme auch in den freiheitlichen Anträgen zum Ausdruck.

Abgeordneter Veit Schalle (B) hielt es für sehr positiv, dass es bei so einem wichtigen Thema einen Schulterschluss aller Fraktionen gebe. Der EU solle damit signalisiert werden, dass Österreich gemeinsam gegen die Gentechnik auftritt.

Abgeordnete Petra Bayr (S) schloss sich ihren Vorrednern an und strich noch hervor, dass man ein Auge darauf richten sollte, bei der Behandlung aller Anträge zur Gentechnik, die teils in unterschiedlichen Ausschüssen diskutiert werden, kohärent vorzugehen. Für besonders wichtig erachtete sie die Rolle der Wissenschaft und Forschung, da es darum gehe, sachlich fundierte Argumente bei der Hand zu haben. Der heutige Antrag bringe zum Ausdruck, dass die Mehrheit der Bevölkerung der Meinung sei, Österreich soll gentechnikfrei bleiben, konstatierte Abgeordneter Abgeordneter Kurt Gaßner (S).

Abgeordneter Hermann Schultes (V) bedankte sich bei Bundesminister Pröll für seinen Einsatz, da er eine schwere Last zu tragen habe und in der Gentechnikfrage oft wenig Unterstützung durch andere EU-Länder erhalte.

Es sei sehr erfreulich, dass das österreichische Parlament so einmütig in der Gentechnikfrage auftrete, erklärte Bundesminister Josef Pröll. Er sehe den Antrag als klaren Handlungsauftrag und als Unterstützung dafür, dass er seinen Weg konsequent weitergehen soll. Pröll sicherte den Abgeordneten zu, den Inhalt der Initiative auf europäischer Ebene zu kommunizieren und aktiv an die Kommission heranzutreten. Man stehe auch in einem intensiven Kontakt mit den französischen Kollegen, zumal Frankreich die nächste Ratspräsidentschaft übernehmen wird. Sicher sei, dass das Thema GVO Anfang Juli beim informellen Rat in Paris behandelt werden soll; auch Ende Oktober sollen während der französischen Präsidentschaft die Themen GVO und Umweltrisiko auf der Agenda stehen. Der Abgeordneten Barbara Zwerschitz (G) teilte der Ressortchef mit, dass es auf EU-Ebene generell wenig Verbündete in dieser Frage gibt, unter anderem Griechenland, Ungarn, Luxemburg und Lettland. Eine schwierige Herausforderung ergebe sich auch dadurch, dass es immer wichtiger werde, wissenschaftlich gut fundierte Argumente vor allem gegenüber der starken Pro-Gentechnik-Lobby vorbringen zu können. Für richtig erachtete Pröll die Linie im Bereich der Biotreibstoffe, da Österreich Kapazitäten habe und die Produktion auch ökologisch Sinn mache.

Als miterledigt galten sodann die folgenden Anträge bzw. eine Petition: Ein   Entschließungsantrag, in dem sich die Grünen dafür einsetzen, dass auch Produkte von Tieren (wie z.B. Fleisch, Milch und Eier), die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln ernährt wurden, in der EU kennzeichnungspflichtig werden. Außerdem soll sich, fordern die Grünen in ihrem Antrag, die Bundesregierung dafür einsetzen, dass ein ausreichendes Angebot von gentechnikfreien Futtermitteln zur Verfügung steht. Als Kriterium für die Kennzeichnung von AMA-Produkten sollte zudem der Verzicht auf gentechnisch verändertes Futter vorgeschrieben werden, fordern die Grünen Mandatare.

In der Petition mit dem Titel "Österreich Gentechnikfrei" ersucht FPÖ-Klubmann Strache die Mitglieder der Regierung, bei Verhandlungen auf europäischer Ebene die klare Ablehnung Österreichs gegenüber jeglicher Gentechnik im Landwirtschafts- und Lebensmittelbereich zum Ausdruck zu bringen und stets gegen eine Inverkehrbringung, Freisetzung, Einfuhr und Nutzung gentechnisch veränderter Organismen zu stimmen. Außerdem wurde die Bundesregierung von freiheitlichen Abgeordneten aufgefordert, ein Gesetz dem Nationalrat zuzuleiten, in dem "Grüne Gentechnik" zum Schutz der Verbraucher, Umwelt und Landwirtschaft verboten wird. Außerdem sollen sich die Mitglieder der Bundesregierung auch auf EU-Ebene für ein derartiges Verbot einsetzen, heißt es im F-Entschließungsantrag.

In einem weiteren Entschließungsantrag wiesen die Grünen darauf hin, dass steigende Ölpreise und die Notwendigkeit, den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase zu verringern, zu einer euphorischen Unterstützung für Pflanzentreibstoffe geführt haben. Wie groß ihr tatsächlicher Nutzen für die Umwelt ist, werde sich aber erst weisen: Die Produktion von Biotreibstoffen ist oft sehr energieintensiv und bringt in vielen Fällen kaum eine Einsparung an CO2-Emissionen. Auch die Abholzung von Regenwäldern, um Flächen für den Anbau von Energiepflanzen zu gewinnen, stehe im Widerspruch zu Klimaschutzzielen. Außerdem könne der Boom zum Anbau von Energiepflanzen schon bald die weltweite Ernährungssicherheit gefährden. Nach Ansicht der Grünen sei es auch sehr problematisch, dass es an Österreichs Universitäten derzeit kaum eine Risikoforschung gibt, die sich mit den langfristigen Auswirkungen beschäftigt, die gentechnisch veränderte Pflanzen auf das Agrarökosystem, auf Nahrungsketten, die Artenvielfalt und Lebensgemeinschaften von Pflanzen sowie allgemein auf den Naturhaushalt haben bzw. haben können, heißt es in einem Entschließungsantrag. Außerdem sollen nach Auffassung des Abgeordneten Wolfgang Pirklhuber (G) alle notwendigen Maßnahmen getroffen werden, damit - auch im Bereich der nachwachsenden Rohstoffe - eine gentechnikfreie Produktion sichergestellt wird.

Gegenwärtig gehe auch die biologische Vielfalt in einem noch nie da gewesenen Ausmaß verloren, gab Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) in einem Entschließungsantrag zu bedenken. Die Bundesregierung wird deshalb ersucht, auf EU-Ebene und anlässlich der UN-Konferenz zur biologischen Vielfalt im Mai 2008 in Bonn für folgende Ziele einzutreten: das Selbstbestimmungsrecht der Regionen auf eine gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion in Europa, Haftung für Schäden der Gentechniklandwirtschaft nach dem Verursacherprinzip sowie Erhaltung eines gentechnikfreien Saatgutes durch Arten- und Lebensraumschutz sowie durch kontinuierliche In-situ-Vermehrung des Saat- und Pflanzgutes traditioneller Landsorten.

Schließlich machten freiheitliche Mandatare in einem  Entschließungsantrag darauf aufmerksam, dass Konzerne wie Monsanto weltweit Saatgutfirmen aufkaufen. Damit werde der Bio-Diversität der Nährboden entzogen und patentierten Einheitssorten der Weg bereitet. Die FPÖ fordert die Bundesregierung daher auf, diesem Trend zur Monopolisierung entgegen zu wirken und die österreichische Landwirtschaft durch die geförderte Kultivierung traditioneller Sorten und Rassen sowie der Bio-Landwirtschaft vor dem Zugriff der Konzerne zu schützen.

Maßnahmen für heimischen Milch- und Lebensmittelsektor: Ausschuss vertagt Initiative der Grünen und plant Fünf-Parteien-Antrag

Vertagt wurde ein Antrag der Grünen, in dem Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber von einem dringenden Reformbedarf auf dem Milch- und Lebensmittelsektor spricht und die Bundesregierung angesichts der aktuellen Herausforderungen in der Milchwirtschaft mit einem umfangreichen Forderungskatalog konfrontiert. Zentrale Punkte sind dabei die Einführung eines Gremiums, um die Produktionskosten von Milch nach dem Prinzip der Vollkostenrechnung für ausgewählte   repräsentative Produktionsgebiete jährlich zu berechnen und als Richtwert für Preisverhandlungen für die relevanten Marktpartner zur Verfügung zu stellen, sowie die Einbeziehung der VertreterInnen der IG-Milch bei allen die Grünlandwirtschaft und Rinderhaltung betreffenden politischen Themen in die Beratungen auf allen relevanten Ebenen.

Weiters verlangte Pirklhuber, der den Streik der Milchbauern in Deutschland und anderen EU-Staaten grundsätzlich als positiv bewertete, die schrittweise Erhöhung der Milchquoten und die Einführung von Anti-Dumping-Regelungen im Rahmen des Lebensmittelbewirtschaftungsgesetzes sowie eine bessere Kennzeichnung der Eigenmarken der Handelsketten bezüglich Herkunft und Produktionsweise.

Einigkeit herrschte unter den Fraktionen über die Dringlichkeit der Materie, wobei Ausschussobmann Fritz Grillitsch (V) betonte, es gehe darum, ein Signal vor allem für die heimischen Milchbauern zu setzen. Auf Initiative des Abgeordneten Kurt Gaßner (S) wurde der Antrag einstimmig vertagt, um noch vor dem nächsten Nationalratsplenum in einer weiteren Ausschusssitzung einen Fünf-Parteien-Antrag zu erarbeiten. (Schluss)