Parlamentskorrespondenz Nr. 594 vom 19.06.2008

Außenpolitischer Ausschuss berät über EU-Außenpolitik 2008

S-V-G-B-Mehrheit für Bericht über Achtzehnmonateprogramm der Union

Wien (PK) – In inhaltlichem Zusammenhang mit der vorangegangenen aktuellen Aussprache stand heute ein Bericht des Außenministeriums über die außenpolitischen Herausforderungen der EU im Jahr 2008, den der Außenpolitische Ausschuss mit S-V-G-B-Mehrheit zur Kenntnis nahm. Generell befasst sich das Papier mit vier großen Bereichen - dem Vertrag von Lissabon, der Erweiterung der EU, der Nachbarschaftspolitik und Querschnittsthemen wie Klimaschutz und Migration – und unterstreicht darüber hinaus den weiter bestehenden Schwerpunkt Westbalkan.

In der der Debatte meinte Abgeordnete Elisabeth Grossmann (S), der Bericht biete einen guten Überblick über die Außenpolitik der EU, die sogenannte EU-Innenpolitik würde dabei aber zu kurz kommen. Nachdem das Schicksal des Lissabonner-Vertrags nun ungewiss sei, falle vor allem das Vakuum im sozialen Bereich besonders stark auf. Grossmann vermisste auch spezielle österreichische Positionen zu den einzelnen Themen.

Abgeordneter Walter Murauer (V) vermerkte als positiv, dass im Bericht auch der Sicherheits- und Verteidigungspolitik entsprechender Stellenwert eingeräumt wird, betonte aber, neben der militärischen Komponente müssten auch zivile Maßnahmen forciert werden.

Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) begrüßte die Schwerpunktsetzung in Richtung Westbalkan und deponierte die Forderung ihrer Fraktion nach Abschaffung der Visumpflicht für die Staaten dieser Region. Bedenken äußerte sie weiters in Bezug auf die Energie-Außenpolitik, wobei sie insbesondere mahnte, die Frage der Menschenrechte dürfe bei den Kontakten mit den Ölförderstaaten Zentralasiens nicht in den Hintergrund treten.

Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch (F) begründete die ablehnende Haltung der Freiheitliche mit dem Argument, er könne im vorliegenden Papier keine plebiszitären Elemente in der EU-Vertragserstellungsstruktur erkennen. Überdies forderte er einen Stopp des Beitrittsprozesses mit der Türkei.

Abgeordneter Herbert Scheibner (B) äußerte sich zustimmend zum Bericht, schlug aber vor, österreichische Positionen in der Migrationspolitik oder etwa im Energiebereich sollten intensiver diskutiert werden. Als zu allgemein bemängelte er auch die Stellungnahme des Berichts zur Türkei. Er sprach sich gegen einen Vollbeitritt aus und sagte, besser wäre es, rasch ein bilaterales Abkommen abzuschließen, "als 10 bis 15 Jahre über etwas zu verhandeln, von dem man ohnehin weiß, dass es nicht zustande kommt".

Staatssekretär Hans Winkler bemerkte zur Türkei-Frage, die Verhandlungen seien ergebnisoffen und dienten zur Klarstellung der Positionen der Türkei. Kein Zweifel bestand für ihn allerdings, dass der Prozess ein sehr langer sein werde. Zu Zentralasien wiederum bekräftige Winkler, Österreich opfere keineswegs seine Menschenrechtsgrundsätze für mehr Öl oder mehr Erdgas. Was die Visumpflicht für den Westbalkan betrifft, gab der Staatssekretär zu bedenken, sämtliche Interessen Österreichs seien in Betracht zu ziehen, dies gelte vor allem auch für das Sicherheitsbedürfnis. Winkler sprach sich für ein schrittweises Vorgehen aus und erinnerte an erste Maßnahmen wie die Ermäßigungen bei den Gebühren sowie Erleichterungen für Wissenschafter. Am Ende werde Visafreiheit stehen, dies unter der Voraussetzung, dass österreichische Interessen nicht gefährdet werden.

Euratom-Anträge der FPÖ vertagt

Das Thema Euratom wurde von den Freiheitlichen zur Sprache gebracht. Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch forderte zunächst in einem Entschließungsantrag unter Hinweis auf das Nein der österreichischen Bevölkerung zum AKW Zwentendorf den Ausstieg aus dem Vertrag und die Verwendung der diesbezüglichen Gelder für die heimische Forschung und trat in einer weiteren Initiative dafür ein, jedenfalls eine Volksabstimmung über diesen Schritt abzuhalten.

Abgeordnete Elisabeth Grossmann (S) gab ebenso wie Abgeordnete Beatrix Karl (V) zu bedenken, dass der Euratom-Vertrag als Gründungsvertrag von der EU-Mitgliedschaft nicht zu trennen sei, und verwies auf entsprechende verfassungsrechtliche Gutachten, denen zufolge ein einseitiger Austritt auch nicht im Wege einer Volksabstimmung möglich sei. Ein einvernehmlicher Ausstieg könne nur mit Zustimmung der übrigen Mitgliedstaaten auf Basis einer Änderung der EU-Gründungsverträge vereinbart werden. Dafür wäre die Revisionskonferenz zum Euratom-Vertrag ein geeigneter Rahmen, meinte Grossmann und sprach sich für eine Vertagung der beiden Anträge aus.

Anderer Meinung war Abgeordnete Ulrike Lunacek (G), die die beiden F-Initiativen grundsätzlich unterstützte. Sie forderte die Regierung in einem Abänderungsantrag auf, sich dafür einzusetzen, dass die Möglichkeit von den Mitgliedsstaaten anerkannt werde, den Vertrag aufzukündigen, ohne dass davon die EU-Mitgliedschaft berührt wird.

Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch (F) hielt einen Ausstieg bei gleichzeitigem Einverständnis aller EU-Staaten für durchaus möglich und forderte ein entsprechendes Engagement Österreichs.

Gegen die ersatzlose Streichung des Vertrags sprach sich Abgeordneter Herbert Scheibner (B) aus. Er plädierte vielmehr für eine Revisionskonferenz, die die Schwerpunktsetzungen in Richtung Sicherheitsstandards und Alternativenergien verschiebt.

Staatssekretär Hans Winkler bekräftigte, eine Ausstiegsmöglichkeit könne nur durch Änderung des EU-Vertrags geschaffen werden, diese müsse dann aber von allen 27 Staaten ratifiziert werden. Seiner Meinung nach sollte Österreich weiterhin versuchen, Verbündete für eine Revision des Euratom-Vertrags zu finden.

Ausschussvorsitzender Abgeordneter Andreas Schieder (S) resümierte, im Wunsch würde wenig Unterschiede zwischen den Positionen der Parteien bestehen. Die juristischen Grundlagen dafür seien aber nicht so einfach herstellbar, man könne die völkerrechtlichen Elemente nicht vom Tisch wischen.

Die beiden Anträge der FPÖ und der Abänderungsantrag der Grünen wurden daraufhin mit S-V-Mehrheit vertagt.

Keine Entscheidung über Tibet-Initiative der Grünen

Mit den Stimmen der Regierungsparteien vertagt wurde auch ein Vorstoß der Grünen in Sachen Tibet. Sie forderten die Bundesregierung in einem Entschließungsantrag auf, gemeinsam mit allen anderen Drittstaaten Anstrengungen zu unternehmen, um den Dialog zwischen der VR China und dem Dalai Lama zu erleichtern. Ziel sollte nach den Intentionen der Abgeordneten Ulrike Lunacek sein, eine Lösung des Tibet-Problems zu finden, welche mit der territorialen Integrität Chinas in Einklang steht und den Erwartungen des tibetischen Volkes Rechnung trägt.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) erinnerte an einen Entschließungsantrag der Regierungsparteien, der sich, wie sie sagte, großteils mit der Initiative der Grünen deckt und bereits vom Nationalrat angenommen wurde. Auch würden dem Menschrechtsausschuss drei Anträge zu diesem Thema vorliegen.

Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) erwiderte, die Entschließung der Regierungsparteien sei zu weich, und war damit einer Meinung mit den Abgeordneten Gerhard Kurzmann (F) und Herbert Scheibner (B).

Verwaltungsreformpaket des BZÖ vertagt

Vertagt wurde schließlich auch ein Antrag des BZÖ betreffend eine umfassende Staats- und Verwaltungsreform, in dem Abgeordneter Herbert Scheibner, was das Außenressort betrifft, vor allem eine Optimierung der Liegenschaftsverwaltung der österreichischen Vertretungen und eine Verbesserung des Bürgerservices durch Installierung eines ausgelagerten Call Centers in den österreichischen Vertretungen vorschlug.

Unterausschuss wird Fragen der Entwicklungspolitik behandeln

Der Bericht der Außenministerin betreffend Fortschreibung des Dreijahresprogramms der Österreichischen Entwicklungspolitik 2007 sowie ein Antrag der Grünen betreffend Einsetzung eines EU-Beauftragten für die Rechte der Frauen im Bereich der Entwicklungspolitik wurden einstimmig einem bereits bestehenden Unterausschuss, der sich mit Fragen der Entwicklungspolitik beschäftigt, zugewiesen. (Schluss)