Parlamentskorrespondenz Nr. 610 vom 25.06.2008

Sozialausschuss setzt Hearing zur Gesundheitsreform fort

Bachinger: PatientInneninteressen müssen Vorrang haben

Wien (PK) – Der Sozialausschuss des Nationalrats setzte am Mittwoch sein zweitägiges Hearing zur Gesundheitsreform fort. Zum Themenblock "Gesundheit" waren unter anderem Patientenanwalt Gerald Bachinger, Erich Laminger vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger, der Präsident des Obersten Sanitätsrates Ernst Wolner, die Geschäftsführerin des Österreichischen Bundesinstituts für Gesundheitswesen (ÖBIG) Michaela Moritz, VertreterInnen der Sozialpartner, Ärztevertreter und GesundheitsökonomInnen geladen. Der von der Regierung vorgelegte Gesetzentwurf wurde von ExpertInnen unterschiedlich bewertet, immer wieder wurde aber auf die Notwendigkeit von Kostendämpfungen im Gesundheitssystem verwiesen. Patientenanwalt Gerald Bachinger drängte, wie eine Reihe anderer ExpertInnen, darauf, die Patienteninteressen – und nicht die Ärzteinteressen – in den Vordergrund zu stellen.

Bachinger: Patientenorientierung und nicht Institutionenorientierung

Bachinger war auch der erste Experte, der im Sozialausschuss zu Wort kam. Er bekräftigte, bei der Gesundheitsreform müsse Patientenorientierung und nicht Institutionenorientierung Vorrang haben. "Patientenschutz geht vor Ärzteschutz", sagte Bachinger, Ärzteinteressen seien nicht automatisch Patienteninteressen. Auch wenn derzeit Versuche liefen, das so darzustellen.

Der vorliegende Gesetzentwurf wurde von Bachinger durchaus positiv bewertet. Er enthalte einige sinnvolle Reformschritte und führe sicher nicht zur Zerstörung des öffentlichen Gesundheitswesens, konstatierte er. So sieht Bachinger durch die geplante aut-idem-Regelung keine direkten Nachteile für die PatientInnen, nachdem nunmehr sichergestellt sei, dass der Arzt aus medizinischen Gründen "Aut idem" ausschließen könne. Die Therapiehoheit gehe somit nicht vom Arzt auf den Apotheker über, bekräftigte er. Bachinger regte aber an, auch chronisch Kranke ausdrücklich in die Ausnahmeregelung aufzunehmen. Die geplante Patientenquittung wertete der Patientenanwalt als Patientenrecht und meinte, in modernen Ordinationen sollte dies kein Problem sein.

Zum Thema Einzelverträge merkte Bachinger an, die Patienten hätten ein Recht auf flächendeckende Ärzte-Versorgung. Wenn kein Gesamtvertrag zwischen Krankenkasse und Ärztekammer zustande komme, müsse es Alternativmöglichkeiten geben. Die Qualitätsevaluierung sieht Bachinger, wie er sagte, als Selbstverständlichkeit – "Patientenschutz geht vor Existenzschutz des Arztes" -, allerdings müsse Vorsorge getroffen werden, dass es zu keiner Vermischung von Qualitätskriterien mit ökonomischen Kriterien komme. In diesem Sinn richtete er den "dringenden Appell" an die Abgeordneten, die Qualitätskriterien wieder in den Gesetzentwurf selbst aufzunehmen.

Laminger: Es braucht Reformen und andere Anreizsysteme

Erich Laminger, Vorsitzender des Verbandsvorstands im Hauptverband der Sozialversicherungsträger, hob hervor, dass die Einnahmen der Krankenkassen sukzessive hinter den Ausgaben zurückblieben. "Die Versicherungsleistungen galoppieren uns davon", sagte er, vor allem die Gebietskrankenkassen stünden vor großen Problemen.

Laminger zufolge sind beispielsweise die Kosten für ärztliche Hilfen von 2006 auf 2007 um 5,5 % gestiegen, jene für Medikamente um 8,2 %. Schuld daran sei aber weniger die Verteuerung von "Einzelprodukten", skizzierte er, sondern eine "exorbitante Mengenentwicklung". So habe es in Wien eine enorme Steigerung bei den Facharztbesuchen gegeben. Für Laminger ist die Entwicklung ein deutliches Zeichen dafür, dass Reformen und andere Anreizsysteme notwendig sind. Ausdrücklich unterstrich er, dass die Verwaltungskosten der Krankenversicherung weniger als 3 % betragen.

Wolner: Gelder im Gesundheitswesen sind ungleich verteilt

Der Präsident des Obersten Sanitätsrats Ernst Wolner hielt einleitend fest, die Gelder im Gesundheitswesen seien ungleich verteilt, und zwar zu Lasten des niedergelassenen Bereichs und zu Gunsten des stationären Bereichs. Der Punkt, der den Sanitätsrat am meisten interessiere, sei die Qualitätssicherung, erklärte er, dazu müssten auch die niedergelassenen Ärzte verpflichtet sein. Bei den Qualitätskriterien darf seiner Ansicht nach jedoch keinesfalls die Ökonomie im Vordergrund stehen.

"Aut idem" könne man einmal ausprobieren, meinte Wolner, auch wenn es "intelligentere Systeme" gegeben hätte, um das bestehende Medikamentenproblem in den Griff zu bekommen. Gegen die Patientenquittung äußerte er ebenfalls keine Einwände, wenn das System durch Knopfdruck auf dem Computer funktioniere. Generell gab Wolner zu bedenken, die Krankenkassen-Sanierung werde in erster Linie von den Arbeitnehmern getragen, da zusätzliches Geld aus dem Steuertopf vorgesehen sei, welcher stärker von Arbeitnehmer- als von Arbeitgeber-Seite finanziert werde.

Moritz: Genaue Kriterien für Qualitätsevaluierung

Michaela Moritz, Geschäftsführerin des Österreichischen Bundesinstituts für Gesundheitswesen (ÖBIG), ging in ihrer Stellungnahme vor allem auf die Qualitätsevaluierung und auf die aut-idem-Regelung ein. Die Evaluierung ist ihrer Meinung nach grundsätzlich leicht durchzuführen, wenn sie nicht allzu bürokratisch abgewickelt werde. Es sollte nicht darum gehen, "Schwarzkappler" in die Ordinationen zu schicken, sagte Moritz, sondern genaue Kriterien zu definieren und diese dann zu überprüfen.

Das ÖBIG, das laut Gesetzentwurf für die Entwicklung der Qualitätskriterien zuständig sein soll, ist Moritz zufolge gut dafür geeignet, weil es die notwendige Äquidistanz zu den Leistungserbringern habe. Die Kontrolle solle aber durch die Vertragspartner erfolgen. Als zu lang wertete sie allerdings das fünfjährige Evaluierungsintervall. Ausdrücklich wies Moritz daraufhin, dass die Evaluierung nicht mit der Verlängerung bzw. Kündigung von Ärzteverträgen verknüpft sei.

Ein Plädoyer gab Moritz für die aut-idem-Regelung ab. Sie machte darauf aufmerksam, dass "Aut idem" in allen Ländern, in denen es eingeführt wurde, Einsparungen gebracht habe, ohne dass es zu negativen Auswirkungen auf die Volksgesundheit gekommen sei. Mittlerweile hätten 17 Länder der EU "Aut idem". Das vom ÖBIG errechnete Einsparungspotenzial von 35 Mill. € ist Moritz zufolge sehr vorsichtig geschätzt.

Zur Untermauerung ihrer Position führte Moritz an, dass in Österreich derzeit nur 30 % der Medikamentenkosten für Generika ausgegeben würden. Das sei im internationalen Vergleich ein "verschwindend geringer Teil", sagte sie. Es gebe kein vergleichbares Land mit weniger als 50 % Generika-Anteil. Überdies wird ihr zufolge die bestehende Vorgabe zur ökonomischen Verschreibweise von Medikamenten von den Ärzten häufig nicht eingehalten und von den Kassen auch nicht wirklich überprüft.

Czeskleba: Signifikante Kostendämpfung nötig

ÖGB-Vertreterin Renate Czeskleba bekräftigte, dem ÖGB sei die nachhaltige gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung ein wichtiges Anliegen. Deshalb habe er auch an der Erstellung eines Konzepts zur Sanierung der Kassen mitgewirkt. Es gebe keinen anderen Bereich, in dem es so großen Widerstand gegen die Qualitätsprüfung, Transparenz und Offenlegung von Leistungen gehe, konstatierte sie, obwohl dies angesichts der grundsätzlich guten Leistungen nicht nachvollziehbar sei. Czeskleba zufolge muss es signifikante Kostendämpfungen geben. Keinesfalls zustimmen will der ÖGB ihrer Meinung nach der Ausweitung von Selbstbehalten von PatientInnen, das widerspreche dem Solidaritätsprinzip.

Gleitsmann: Für Rezertifizierung von Arztpraxen

Martin Gleitsmann, Wirtschaftskammer Österreich, veranschaulichte die Notwendigkeit von Reformen im Gesundheitsbereich durch aktuelle Zahlen. Das Jahr 2007 sei ein Jahr mit Hochkonjunktur gewesen und habe den Krankenkassen nicht erwartete Beitragszuwächse und eine beste Einnahmensituation beschert, skizzierte er, die Ausgaben seien aber noch mehr gestiegen, nämlich um über 6 %. Die ÖsterreicherInnen hätten 4 Millionen häufiger einen Arzt konsultiert.

Gleitsmann bekannte sich ausdrücklich zur Rezertifizierung von Artzpraxen, zum möglichen Abschluss von Einzelverträgen und zur Patientenquittung. Erstmals solle die Qualität auf breiter Ebene überprüft werden, erklärte er, wobei ökonomische Aspekte nicht mehr bei den Qualitätskriterien angeführt würden. Überdies müsse man Maßnahmen setzen, damit künftig nicht mehr, wie bereits mehrmals in der Vergangenheit, ein vertragsloser Zustand drohe. Zur Patientenquittung merkte er an, Rechnungen gebe es in allen Branchen, technisch sei dies durch eine Umstellung der Software einfach zu lösen.

Ivansits: Mehr Wirtschaftlichkeit ist nicht Leistungsverschlechterung

Helmut Ivansits, Bundesarbeiterkammer, hob die Notwendigkeit einer höheren Wirtschaftlichkeit im Gesundheitsbereich hervor und betonte, im vorliegenden Gesetzespaket seien entsprechende Ansätze vorhanden, auch wenn er mit der legistischen Umsetzung des Wirtschaftlichkeitsprinzips nicht ganz zufrieden sei und Nachbesserungen für erforderlich halte. Mehr Wirtschaftlichkeit bedeute nicht Leistungsreduzierung und Leistungsverschlechterung, versicherte Ivansits, es gehe auch nicht um einen Angriff auf das Therapiemonopol der Ärzte. Es gebe jedoch das berechtigte Interesse der Allgemeinheit, mit den vorhandenen Finanzmitteln sorgsam umzugehen.

Konkret begrüßte Ivansits u.a. die Patientenquittung im Sinne einer höheren Leistungstransparenz und die Lockerung des Kündigungsschutzes für Ärzte, die beharrlich ihre Berufs- und Vertragspflichten verletzen.  Die alle fünf Jahre vorgesehene Evaluierung reicht seiner Meinung hingegen nicht aus, er würde laufende Kontrollen bevorzugen.

Reisäcker: Selbstbehalte als Kostensteuerungsinstrument

Franz Reisäcker, Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Österreich, machte darauf aufmerksam, dass die Landwirtschaftskammer nicht von Beginn an in das Sozialpartnerpapier eingebunden gewesen sei. Sie stehe aber, mit ein paar Abweichungen, zum vorliegenden Reformpaket. So begrüßte er etwa die Qualitätsprüfung in der vorgesehenen Form. Im Vertragsrecht erachtet es Reisäcker, wie er sagte, für notwendig, auf gleicher Augenhöhe zu verhandeln. Bei Nichteinhaltung von Qualitätskriterien müsse es auch Kündigungsmöglichkeiten geben.

Generell sprach sich Reisäcker dafür aus, Überlegungen in Bezug auf die Einführung von Selbstbehalten in allen Krankenkassen anzustellen. Die Bauernkrankenkasse kenne schon sehr lange Selbstbehalte, führte er aus, seiner Ansicht nach sind diese sehr wohl als Kostensteuerungsinstrument geeignet.

Kux schlägt partnerschaftliches Modell für Qualitätssicherung vor

Karlheinz Kux (Ärztekammer Österreich) nahm zunächst Bezug auf die Wortmeldung von Martin Gleitsmann und stellte klar, es sei nicht richtig, dass nun erstmals das Kriterium der medizinischen Qualität in ein Gesetz mit aufgenommen wird. Schon seit vier Jahren gebe es im Ärztegesetz die Bestimmung, dass die niedergelassenen Mediziner qualitätsevaluiert werden müssen. Bis dato wurden 19.000 Ordinationen von 182 Kontrollärzten einer Evaluation unterzogen, führte Kux aus, und einige Ärzte haben ihre Tätigkeit mittlerweile auch beendet. Er trete jedoch für eine Weiterentwicklung der Qualitätssicherung bei den niedergelassenen Ärzten ein, wobei ein partnerschaftliches Modell, in das der Hauptverband und die Krankenversicherungsträger einbezogen werden, erarbeitet werden soll. Kux schlug zudem vor, dass das BIG eine führende Rolle in der Ökomed bekommen soll. Was die Diskussion rund um das Vertragspartnerrecht angeht, so schlug er die Einrichtung einer Schlichtungsstelle vor. Außerdem gab er zu bedenken, dass der Anteil der Ärztehonorare an den Kassenausgaben von 20 % (1988) auf 15 % bzw. 13,5 % in Wien gesunken ist. Während die Einnahmen der Krankenkassen in den letzten zehn Jahren um 50 % gestiegen sind, nahmen die Honorarsummen nur um 30 % zu.

Adlassnig: Weniger Vertragssicherheit für niedergelassene Ärzte

Bernd Adlassnig (Ärztekammer Kärnten) knüpfte an seine gestrige Wortmeldung an und gab zu bedenken, dass es sich junge Ärzte angesichts der geplanten Maßnahmen, die zu weniger Vertragssicherheit führen, gut überlegen werden, ob sie in Zukunft überhaupt noch in Kassenpraxen arbeiten wollen. 62 % der jungen Mediziner sind zudem Frauen, die damit leben müssen, dass sie keinen bezahlten Mutterschutz und Karenzzeit, keinen bezahlten Pflegeurlaub und keinen bezahlten Urlaub haben. Kritisch beurteilte er auch die Einführung von ELGA, zumal keiner wisse, was dies genau ist und was es genau kostet. Aus seiner langjährigen Praxis wisse er zudem, dass es bei den Vertragskündigungen von Ärzten nur um ökonomische Gründe ging und nie von Qualitätskriterien die Rede war.

Westermayer sieht keine Einsparungen im zahnärztlichen Bereich

Nach Auffassung von Präsident Hans Westermayer (Landeszahnärztekammer Wien) bringe die Reform keine Einsparungen im zahnärztlichen Bereich, da kaum jemand freiwillig öfter zum Zahnarzt gehe als notwendig sei und da die Behandlungen praktisch keine Folgekosten durch Überweisungen, Medikamentenverschreibungen etc. auslösen. Er befürchte vielmehr, dass die Zahnärzte mit erheblichen Mehrkosten konfrontiert sein werden. Nicht Rücksicht genommen wurde seiner Meinung nach auf die Besonderheiten seiner Berufsgruppe, die über ein Einzelleistungssystem abrechnet und einen bundeseinheitlichen Vertrag abgeschlossen hat. Was die Evaluierungspflicht betrifft, so wies Westermayer darauf hin, dass die Zahnärztekammer bereits eine unabhängige spezialisierte private Firma mit dieser Aufgabe betraut und einen wissenschaftlichen Beirat eingerichtet hat. Er glaube, dass jede andere Regelung schlechter, jedenfalls aber teurer sei. Hinsichtlich der Einzelvertragsregelung stellte Westermayer mit Bedauern fest, dass laut Gesetzesentwurf die Reihungskriterien, die absolut qualitätssichernd sind, beim Ersatz der gekündigten Ärzte nicht anzuwenden sind.

Maier übte umfassende Kritik an allen Begleitmaßnahmen

Universitätsprofessor Manfred Maier (Medizinische Universität Wien) konzentrierte sich in seiner Wortmeldung auf die im Reformentwurf enthaltenen Begleitmaßnahmen, die auf eine Effizienzsteigerung des Gesundheitssystems abzielen: die aut-idem-Regelung, die Änderung des Vertragspartnerrechts, die Patientenquittung und ELGA. Das gestrige Hearing habe schon gezeigt, dass viele Experten die Gesetzesvorlage sehr kritisch beurteilen, weil vor allem ein Gesamtkonzept mit einem Zeitplan fehle. Außerdem werden die seit vielen Jahren bekannten Problembereiche, wie etwa zersplitterte Finanzierung, Spitäler, Schnittstellen, mangelnde Koordination etc. wiederum nicht angetastet. Auch die nun vorgeschlagenen Maßnahmen finden nicht seine Zustimmung, konstatierte Maier. So habe man beispielsweise bei der aut-idem-Regelung nicht die Konsequenzen bedacht. Es stehe nämlich wissenschaftlich fest, dass jeder Wechsel eines Medikaments die Compliance reduziert, gab Maier zu bedenken. Niemand konnte ihm auch bisher noch erklären, welche Effizienzsteigerung die Patientenquittung bringen soll. Die Umsetzung von ELGA sei langfristig zwar notwendig, allerdings nur bei "vertretbaren und ausgegorenen" Rahmenbedingungen. Überdies rechnete Maier mit einer Schwächung des niedergelassenen Bereichs, da es zu unattraktiveren Arbeitsbedingungen komme.

Burggasser: Apotheker würden Aut-Idem-Regelung umsetzen

Der Präsident der Österreichischen Apothekerkammer, Heinrich Burggasser, machte auf die Steigerung bei den verschriebenen Medikamentenpackungen von 86 Millionen auf fast 98 Millionen

Arzneimittel von 2004 auf 2007 aufmerksam. Einen Zuwachs gab es vor allem bei den besonders teuren Präparaten, nämlich um fast 40 %. Trotz allem ist der Anteil der Sozialversicherungsausgaben für die Leistungen der Apotheken in den letzten Jahren nicht gestiegen, sondern er blieb stabil bei etwa 3,1 %. Das ist etwa gleich viel wie der Anteil für die Verwaltungskosten (ca. 3 %), zeigte Burggasser auf. Dennoch habe man sich bereit erklärt, einen Beitrag zu leisten, unterstrich der Präsident der Apothekerkammer, wobei jährlich 8,5 Millionen € als Unterstützungsleistung abgeliefert werden sollen. Sollte die Aut-idem-Regelung, die ökonomisch sinnvoll sei, kommen, dann werden dies die Apotheker gerne durchführen. Es werde dann natürlich streng darauf geachtet, dass die Compliance nicht gestört und die Therapietreue erhalten bleibt.

Huber fordert mehr Transparenz bei den Krankenkassen

Dem Generalsekretär der Pharmig, Jan Oliver Huber, fehlte es ein wenig an Ehrlichkeit und Transparenz in der Diskussion, denn wenn einerseits Defizite ausgeglichen werden sollen, dann müssen auch die genauen wirtschaftlichen Zahlen sowie alle Informationen über das Vermögen der Krankenkassen (Wertpapiere, Immobilien, etc.) auf den Tisch gelegt werden. Huber machte darauf aufmerksam, dass sich per 31.12.2006 in den Bilanzen aller Krankenkassen Wertpapiere im Wert von knapp eine Milliarde befanden. Nicht ganz richtig sei, dass die Verwaltungskosten der Kassen, von 2006 auf 2007 um 10,4 % gestiegen sind, nur 3 % ausmachen, zumal etwa die Ausgaben für die Chefärzte nicht inkludiert sind. Bedauerlich sei auch, dass die ursprünglich anvisierte Finanzierung aus einer Hand letztlich nicht gekommen ist.

Hutgrabner: Kassensanierung auf Kosten der Ärzte und Patienten

Silvester Hutgrabner (Arzt für Allgemeinmedizin) ging in seinem Statement vor allem auf die Kassenvertragssituation, die Aut-idem-Regelung und die Patientenquittung ein. Grundsätzlich merkte er an, dass das ASVG auf dem Gleichgewicht zwischen Ärztekammer und Krankenkassen beruhe, und nur deshalb funktioniere das System so gut. Sollten allerdings die neuen Regelungen beschlossen werden, komme es zu einer Verschlechterung der Situation war, war der Landarzt aus dem Innviertel überzeugt. Die Einzelvertragsmöglichkeit etwa würde dazu führen, dass sich viele Mediziner in den Wahlarztbereich begeben müssten, wodurch der Weg in Richtung einer Zweiklassenmedizin beschritten wird. Für wenig sinnvoll erachtete er auch die Einführung einer Patientenquittung, weil dann auf vielen Belegen ein Nullbetrag ausgewiesen werden müsste. Die Aut-idem-Regelung würde seiner Meinung nach nur bewirken, dass zwei- bis dreimal so viel verordnet werden müsse wie bisher.

Marhold: Der Regierungsentwurf aus juristischer Sicht

Universitätsprofessor Franz Marhold (Uni Graz) beurteilte den Entwurf aus juristischer Sicht und kam zum Schluss, dass einiges verbesserungswürdig sei. Neben einigen Vorschlägen zu notwendigen Klarstellungen im Gesetzestext bezüglich des Vertragspartnerrechts stellte Marhold grundsätzlich fest, dass es aufgrund der Möglichkeit, Einzelverträge abschließen zu können, zu einem Ungleichgewichtigkeit zwischen den beiden Monopolisten Ärztekammer und Krankenversicherungsträger kommen wird. Dadurch falle aber auch die Bindung bezüglich der Sachlichkeitskriterien der Vergabeverordnung für Kassenverträge weg, wie dies schon der Präsident der Zahnärztekammer erwähnt hat. Weiters vermisste Marhold eine eingehende Behandlung der Kapitalgesellschaften, die zunehmend am Gesundheitsmarkt aktiv werden. Bezüglich der Patientenquittung, die eigentlich nur ein Leistungsnachweis ist, schlug Marhold vor, den zeitlichen Rahmen zu erweitern, damit nicht unmittelbar nach jeder Leistungsinanspruchnahme eine Quittung ausgestellt werden müsse.

Güntert: Keine Reform, sondern nur kurzfristige Kassensanierung

Bei dem Entwurf, der auf dem Tisch liege, handle es sich um keine Gesundheitsreform, sondern um einen Versuch, kurzfristig die Kassenfinanzen zu sichern, meinte einleitend Universitätsprofessor Bernhard Güntert (Institut für Management und Ökonomie im Gesundheitswesen sowie Österreichische Gesellschaft für Public Health). Erstaunt sei er vor allem darüber, dass wichtige Kostenbereiche, z.B. der stationäre Bereich, in der Reform nicht enthalten sind. Die Diskussion zeichne sich zudem durch heftige Kämpfe auf Nebenschauplätzen aus, zumal es – wie bei der Aut-idem-Regelung - um Maßnahmen gehe, die nicht allzu viel bringen. Die zukünftigen Herausforderungen in der Gesundheitspolitik, auf die eine Reform abzielen müsste, liegen in folgenden Bereichen: die Prävention und Gesundheitsförderung, die Integration der Leistungsanbieter im Versorgungssystem, der Ausbau des Qualitätsmanagements, die Einführung von Wirtschaftlichkeitskriterien sowie die Professionalisierung des Managements im Krankenkassenbereich.

Hofmarcher sieht paradigmatischen Wechsel im Gesundheitswesen

Im Hinblick auf die Organisation des Gesundheitswesens sei Österreich – ebenso wie viele andere Länder – an einem Scheideweg angelangt, da ein paradigmatischer Wechsel erforderlich sei, konstatierte Maria Hofmarcher (Institut für Höhere Studien). Aufgrund der demographischen Entwicklung werde in Hinkunft der Fokus auf der Versorgung chronisch Kranker liegen, wo natürlich auch die meisten Ressourcen verbraucht werden. Es sei daher notwendig, über neue Versorgungsformen, insbesondere im ambulanten Sektor, nachzudenken. Positiv beurteilte sie die Möglichkeit zu fachgruppenspezifischen Vertragsgestaltungen. Was die Strukturreform angeht, so begrüße sie die Stoßrichtung, dass die Krankenversicherung als Anwalt der PatientInnen gestärkt wird. Bezüglich der Mittelausschüttung trat sie dafür ein, dass es zu einer regionalen Zusammenführung kommt und dass die Krankenversicherungen in die Lage versetzt werden, Verträge mit den Spitälern vor Ort und den ambulanten Leistungserbringern abschließen zu können. (Schluss Expertenrunde/Forts. Diskussion)