Parlamentskorrespondenz Nr. 644 vom 04.07.2008

EU-Jahresvorschau 2008 für den Bereich Gesundheit

Arzneimittel, Patienteninformation, Telemedizin

Wien (PK) – Auf Basis des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates hat die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend eine Jahresvorschau 2008 in Form eines Berichts vorgelegt (III-123 d.B.). Unter der Überschrift "Umsetzung vereinbarter politischer Maßnahmen" führt die Kommission an, dass sie einen sechsjährigen Aktionsplan zur EU-Tiergesundheitsstrategie annehmen und mit seiner Umsetzung beginnen wird. Ferner wird sie den rechtlichen Rahmen für die Risikobewertung zu GVO durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit klarstellen. Beides Themen, die für Österreich von großer Bedeutung sind.

Im Rahmen des auch 2008 weitergeführten Vereinfachungsprogramms soll mit einer zunehmenden Zahl von Vereinfachungsvorschlägen zur Verringerung der Verwaltungskosten beigetragen werden. 15 der vorgesehenen Initiativen sind völlig neu und beziehen sich auf verschiedene politische Bereiche, u.a. die öffentliche Gesundheit. Im Arzneimittelbereich soll durch eine Vereinfachung der diesbezüglichen Vorschriften die Verwaltungslast für die Industrie verringert werden.

Wie 2007 umfasst das Arbeitsprogramm für 2008 schwerpunktmäßig

strategische Initiativen, die während des Jahres durchzuführen sich die Kommission selbst verpflichtet, und prioritäre Initiativen, die über einen Zeitraum von 12 bis 18 Monaten durchzuführen sind.

Strategische Initiativen: Maßnahmenpaket Gesundheit

Bei den Strategische Initiativen wird zunächst das Maßnahmenpaket Gesundheit angeführt, und zwar insbesondere die Mitteilung und Empfehlung zur Patientensicherheit und zur Qualität von Gesundheitsdienstleistungen. Hauptziele der zu erwartenden Initiative sind die Unterstützung der Mitgliedstaaten zur Gewährleistung höchstmöglicher Patientensicherheit in allen EU-Gesundheitssystemen durch Bereitstellung der notwendigen praktischen und rechtlichen Instrumente und Mechanismen im Hinblick auf die Verbesserung von Sicherheit und Qualität der medizinischen Versorgung sowie die Stärkung des Vertrauens der EU-Bürger durch ausreichende Informationen über die Sicherheit der Gesundheitssysteme und der Gesundheitsdienstleister im eigenen Land und in anderen Mitgliedstaaten.

Was die österreichische Haltung betrifft, so wird klar festgehalten, dass die Gewährleistung der Patientensicherheit ein Grundprinzip der flächendeckenden Sicherung und Verbesserung der Qualität des österreichischen Gesundheitswesens darstellt. In den vergangenen Jahren wurden auf Initiative des BMGFJ vermehrt Maßnahmen in Bereichen mit einem Potential an hohem Risiko für unerwünschte Ereignisse gesetzt: es werden Themen wie Fehleranfälligkeit bei der Medikationspraxis (inkl. kritischem Antibiotikaeinsatz), Umgang mit systemischen Fehlern und Beinahe-Fehlern sowie Sicherheitskultur im allgemeinen (Safety Culture) behandelt. Durch die Entwicklung von Instrumenten und Mechanismen (Empfehlungen zur Patientensicherheit, gemeinsame Projekte, Netzwerke z.B. EUNetPaS – European Union Network for Patient Safety) unterstützt die Kommission bereits jetzt die Mitgliedstaaten im Bereich des gegenseitig Voneinander-Lernens. Weitere Initiativen in diese Richtung werden daher von Österreich begrüßt.

In einer Empfehlung des Rates wird darauf hingewiesen, dass 10 % der Spitalspatientinnen und –patienten von healthcare-associated infections (HCAI) betroffen sind, die eine Verlängerung des stationären Aufenthalts, Krankheit, Tod und Kosten bedingen. Die Empfehlung wird eine Reihe von Maßnahmen enthalten, um die Verbreitung von Infektionen, die durch medizinische Behandlungen verursacht wurden, einzugrenzen. Aus österreichischer Sicht wird darauf hingewiesen, dass das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) im ersten EU-weiten Epidemiologischen Bericht 2007 den Anstieg der Antibiotika-Resistenz und der healthcare associated infections (HCAI) zu Recht als eine der größten EU-weiten Herausforderungen im Gesundheitswesen identifizierte. Die Teilnahme von Krankenanstalten an Surveillance-Netzwerken ist daher ein erklärtes Ziel innerhalb der EU und inzwischen in Österreich verbindlich. Österreich nimmt an verschiedenen EU-Projekten zur Überwachung und Bekämpfung von HCAI teil, wie dem ANNIS (Austrian Nosocomial Infections Surveillance System)– Projekt. Eine Empfehlung des Rates, Verbreitung von Infektionen, die durch medizinische Behandlungen verursacht wurden, einzugrenzen, wird voll unterstützt und als wichtige Initiative bewertet.

Vorrangige Initiativen

Bei den Vorrangigen Initiativen steht das Maßnahmenpaket Arzneimittel im Vordergrund. Aus österreichischer Sicht gehe es vor allem darum, Doppelgleisigkeit zu vermeiden und den optimalen Einsatz der Personalressourcen in den jeweiligen europäischen Behörden im Sinne eines Worksharing zu gewährleisten. Deshalb müssen in Hinkunft vermehrt sowohl die Bewertung von Arzneimitteln als auch die Zulassungs- und Änderungsverfahren, die von einem EU-Mitgliedsstaat durchgeführt wurden, auch von den anderen Behörden anerkannt werden. Die Kerninformation zu einem bestimmten Arzneimittelwirkstoff in der Fachinformation sollte in allen EU-Mitgliedstaaten einheitlich sein. Auch Arzneimittelfälschungen stellen ein zunehmendes Problem dar, heißt es weiter im Bericht. Ein möglicher Zugang wäre, die Nachverfolgbarkeit der Produkte durch ein europäisches System entsprechender Kennzeichnungsmaßnahmen sicherzustellen.

Weitere Initiativen betreffen das Grünbuch über Gesundheitsberufe in Europa, die Richtlinie und Verordnung zur Stärkung und Rationalisierung der Pharmakovigilanz der EU sowie die Richtlinie über Arzneimittel, wo es um eine Vereinheitlichung in Bezug auf die Patienteninformation geht. Aus österreichischer Sicht müsse das Hauptaugenmerk der beabsichtigten Regelung weiterhin auf der qualitativ hochwertigen Information für den Patienten liegen. Diese Informationen müssen für den Patienten verständlich sein und dürfen ihn keinesfalls verunsichern. Zweckdienlich dafür sind nicht nur die Gebrauchsinformation, sondern auch andere Kommunikationskanäle, wie (Massen)Medien oder neue Medien, insbesondere das Internet. Eine einheitliche EU-weite Regelung wäre dringend erforderlich und wird daher begrüßt. Es ist allerdings aus österreichischer Sicht unabdingbar, darauf zu achten, dass kommende Regelungen nicht zu einer Lockerung der Werbebeschränkungen für die pharmazeutische Industrie führen.

Bei der Mitteilung über eine europäische Aktion im Bereich seltener Krankheiten (zwischen 27 und 36 Millionen EU-Bürger leider darunter) steht eine bessere Vernetzung der Aktivitäten in diesem Bereich  sowie die Etablierung eines EU-Forums im Mittelpunkt. Eine weitere Mitteilung bezieht sich auf den Themenbereich "Telemedizin und innovative Technologien für die Behandlung chronisch Kranker". Die verstärkte Nutzung der Möglichkeiten von telemedizinischen Anwendungen bietet enorme Chancen, habe beträchtliches Entlastungspotential (auch im Kostenbereich), berge naturgemäß aber auch Risken, lautet die österreichische Position. Eine behutsame Risiko-Nutzen-Abwägung sei daher erforderlich, ebenso wie eine klare Definition der Anwendungsgebiete und des Anwendungsumfangs. Ein Richtlinienvorschlag soll sich auch mit der Qualität und Sicherheit von Organspenden und –transplantationen befassen und einen Aktionsplan für eine engere Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten auf diesem Sektor vorschlagen.

Von der Kommission bereits vorgelegte Legislativvorschläge oder Mitteilungen, die in Verhandlung stehen sind die Verordnung über Zusatzstoffe sowie über die Aromen in Lebensmitteln sowie über Enzyme in Lebensmitteln, die Richtlinie über Sicherheit von Spielzeug sowie die Verordnung über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten.

Was das operative Programm des Rates angeht, so haben Deutschland, Portugal und Slowenien gemäß der geänderten Geschäftsordnung im Dezember 2006 erstmals ein gemeinsames 18-Monate-Programm der Vorsitze vorgelegt. Das folgende 18-Monate-Programm der Vorsitze Frankreichs, der Tschechischen Republik und Schwedens für den Zeitraum Juli 2008 bis Dezember 2009, das erst ab Juni 2008 vorliegt, wird im Bericht daher nur kursorisch ausgeführt. (Schluss)