Parlamentskorrespondenz Nr. 661 vom 09.07.2008

Minister Pröll in der neu gestalteten Fragestunde des Nationalrates

Die Themen: Hausmüll, Gentechnik, Milchmarkt und Ökostrom

Wien (PK) – Die 67. Sitzung des Nationalrats wurde heute mit einer Fragestunde eröffnet. Gast in der Fragestunde war Landwirtschafts- und Umweltminister Josef Pröll. Bereits zum zweiten Mal wurde die Fragestunde in geänderter Form durchgeführt: Sowohl die Fragesteller als auch die antwortenden MinisterInnen sind einem strengen Zeitregime unterworfen; für die Beantwortung der Hauptfrage sind zwei Minuten vorgesehen, für alle Fragestellungen und für die Beantwortung der Zusatzfragen jeweils eine Minute. Dies zwingt einerseits zu knappen Antworten, ermöglicht aber den fragenden Abgeordneten, in kurzen, die Frage einleitenden Statements, eine Argumentation zu entwickeln und von VorrednerInnen Gesagtes aufzugreifen, wodurch eine lebendigere Diskussion entsteht. Eine weitere Neuerung ist, dass die Fragen von zwei zusätzlich im Halbrund vor der Redetribüne der Abgeordneten, von der aus die MinisterInnen die Fragen beantworten, aufgestellten Mikrophonen gestellt werden.

Abgeordneter STEIER (S): Wie ist Ihre Position zur beabsichtigten Novellierung der Verpackungsabfallsammlung?

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Die Gespräche seien bereits weit gediehen, gab Landwirtschaftsminister DI PRÖLL Auskunft und nannte als Ziele der Novelle die Minimierung der "Trittbrettfahrer" sowie mehr Kosteneffizienz bei der Sammlung und Verwertung des Abfalls. Ob diese Aufgaben kommunal oder von der ARA oder anderen Unternehmen erledigt würden, bleibe der Diskussion überlassen; entscheidend sei, dass ein kosteneffizientes und schlagkräftiges System gefunden werde. Um Doppelgleisigkeit zu vermeiden, soll von allen ein Sammelsystem benutzt werden, sagte Pröll. Diesem Ziel dienten auch formulierte Sammelziele und eine Koordinierungsstelle.

B-Abgeordneter SCHALLE kam auf die widersprüchliche Entwicklung zu sprechen, dass einerseits der Anteil an Rohstoffen im Hausmüll stark gestiegen, die Gebühren aber gleichzeitig ebenfalls gestiegen seien, und sprach sich für ein "Aufbrechen der Monopolstellung der ARA" aus.

Die Gebühren fielen in die regionale bzw. kommunale Verantwortung, replizierte darauf der Landwirtschaftsminister und plädierte für mehr Wettbewerb in diesem Bereich. Damit könnte bei der Sammlung, Trennung und Wiederverwertung des Hausmülls hohe Qualität garantiert werden. Abgeordneter HOFER (F) erfuhr auf eine entsprechende Zusatzfrage, dass bezüglich der Umstellung von Plastiksackerln auf Sackerl aus biogenen Grundstoffen Gespräche im Laufen seien, in die auch eine Supermarktkette einbezogen sei.

Abgeordnete ZWERSCHITZ (G) beklagte den drastischen Rückgang bei Mehrwegflaschen, der zeige, dass das System der Freiwilligkeit nicht gewirkt habe. Sie wollte vom Minister wissen, warum er nicht gesetzliche Maßnahmen vorsehe.

Minister Pröll zeigte sich gegenüber gesetzlichen Maßnahmen reserviert, ganz besonders gegenüber einem Pfand auf Einwegflaschen, bei dem es in Deutschland "einen kapitalen Bauchfleck" gegeben habe. Er setze weiter auf Freiwilligkeit, sagte Pröll und richtete einen entsprechenden Appell an die KonsumentInnen.

Abgeordneter HÖFINGER (V): Welche Ziele bzw. Ereignisse verfolgen Sie mit dem Start der Zukunftsdiskussion "Die Grüne Offensive – Unser Weg für eine starke Landwirtschaft"?

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Die Initiative sei vor dem Jahr 2013 zu sehen, sagte Pröll. Dies sei "ein magisches Datum", weil mit dem Beginn der neuen Finanzperiode die "Märkte neu geordnet" würden. Der Prozess in der "Grünen Offensive" werde ein Jahr laufen, und man werde "die ganze Kette neu denken". Der Diskussionsprozess würde von seinem Ressort als offener Prozess geführt, mehrere Gruppen seien bereits installiert.

Abgeordneter DOLINSCHEK (B) wollte vom Minister wissen, was er gegen die Absicht in der EU-Kommission (Kommissarin Fischer-Boel), für die Erzeugung von Biosprit genmanipulierte Pflanzen heranzuziehen, auf nationaler wie europäischer Ebene zu unternehmen gedenke.

Minister Pröll betonte, solange die Frage des Nebeneinanders von gentechnikfreien und gentechnisch manipulierten Kulturen nicht geklärt sei – und das sei sie derzeit nicht -, mache es für ihn keinen Unterschied, ob die Pflanzen für die Nahrungsmittel- oder für die Biospritproduktion angebaut würden. "Kein gentechnisch verändertes Saatgut auf Österreichs Feldern", fasste Pröll seinen Standpunkt zusammen, es gebe hier keinen Verhandlungsspielraum.

F-Mandatar DI KLEMENT kam auf die in seinen Augen dramatische Entwicklung in der Landwirtschaft zu sprechen: Seit dem EU-Beitritt Österreichs hätten 47.000 Bauernhöfe "zumachen" müssen, tausende Arbeitsplätze seien in der Landwirtschaft verloren gegangen, die Einkommenssituation der Bauern sei dramatisch, die EU-Förderungen liefen in falsche Kanäle und die Bauern würden durch eine "ausufernde Bürokratie gehemmt". Er wollte von Minister Pröll wissen, wie er in Zukunft eine "multifunktionale Landwirtschaft – Nahrungsmittelproduktion sowie Kultur- und Landschaftspflege – bewerkstelligen werde.

Der Minister bat in seiner Antwort um eine faire Darstellung des Strukturwandels in der Landwirtschaft und ergänzte Klements Analyse mit dem Hinweis, dass Österreich mit Abstand das Land Europas mit der geringsten Abnahme an Bauernhöfen sei, den höchsten Anteil an bäuerlichen Familienbetrieben und das Land, das für die Bäuerinnen und Bauern das meiste Geld aus Brüssel abholen konnte. Niemand könne aber "am Markt vorbei wirtschaften, auch nicht die Bauern", führte Pröll weiter aus und erinnerte an die positive Einkommensentwicklung der letzten Zeit.

Warum gebe es diese "Grüne Offensive" nicht auch im ÖPUL-Programm, wo es auch um Gentechnikfreiheit und Biolandbau gehe, wollte Abgeordnete ZWERSCHITZ (G) wissen.

Das Umweltprogramm beruhe auf der Basis freiwilliger Teilnahme, führte Pröll aus. Es gehe aber darum, gesetzlich dafür zu sorgen, dass gentechnisches Saatgut nicht auf Österreichs Felder komme.

Eine schon jetzt, also vorweg, vorzunehmende Ausrichtung der Förderströme in der Landwirtschaft auf die Zeit nach 2013, wie sie Abgeordneter FAUL (S) thematisierte, lehnte der Landwirtschaftsminister entschieden ab. Alle Bauern Europas hätten den gleichen Rechtsrahmen, daher sei er nicht bereit, vor 2013 auch nur auf einen Euro zu verzichten, der in Brüssel für die Ausgleichszahlungen erkämpft wurde.

Abgeordneter Dr. PIRKLHUBER (G): Wann werden Sie die VertreterInnen der IG Milch, die sich im Sinne kostendeckender Erzeugermilchpreise am europaweiten Milch-Lieferstreik beteiligen, zu einem Gespräch hinsichtlich der Bereinigung der Milchkrise einladen?

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Minister Pröll räumte ein, dass die Milchsituation "angespannt" sei; er kämpfe gegen die Aufstockung der Milchquote. Der Milchpreis werde aber auf dem Milchmarkt gemacht und nicht von der Politik. Gespräche seien also dort zu führen, wo sie hingehören. Er führe Gespräche mit allen Betroffenen, seine Ansprechpartner seien aber vor allem die Interessenvertretungen, die er im einzelnen – etwa die IG Milch – aber nicht bewerten wolle. Auf seine Erwartungen bezüglich zukünftiger Entwicklungen angesprochen, erinnerte der Minister an das steigende Interesse an Milch und Milchprodukten in Asien. Die Entwicklung in Europa hänge von den agrarpolitischen Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit den Milchquoten ab. Er habe Interesse daran, dass die Bauern einen besseren Milchpreis bekämen; anderseits verlangten andere, dass die Preise im Regal sinken müssten. Er zeigte sich aber für die Entwicklung ab Herbst optimistisch.

B-Mandatar DOLINSCHEK kam auf Gerüchte über von Molkereien teurer im Ausland als von heimischen Bauern gekaufte Milch zu sprechen. – Gerüchte, die Minister Pröll nicht bekannt waren. Der Ressortchef erinnerte aber daran, dass auch der Milchmarkt ein internationaler Markt sei und Österreich viel exportiere. Da könne es aber "keine Einbahnstraße geben", betonte Pröll.

Abgeordneter ZANGER (F) forderte Aktivitäten gegen die hohen Treibstoff- und Rohstoffpreise und bekam vom Minister die Antwort, dass diese Fragen "nicht agrarisch gelöst" werden könnten. In der EU würden aber Maßnahmen diskutiert, die spekulationshemmend wirken sollten. Die Regierung habe 50 Mio. € pro Jahr an Rückerstattung im Betriebsmittelsektor vorgesehen.

Abgeordneter HOFER (F): Was werden Sie tun, damit Fleisch von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert wurden, auch gekennzeichnet wird?

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Bundesminister Josef Pröll erinnerte daran, dass in Österreich kein Bauer gentechnisch verändertes Futter verwenden müsse und gentechnisch verändertes Futtermittel zu kennzeichnen sei. Fleisch, Milch und Eier von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln ernährt werden, müssten nicht gekennzeichnet werden, weil sie sich laut Auskunft der Wissenschaft nicht von Nahrungsmitteln unterscheiden, die von anderen Tieren stammten, sagte der Minister.

An dieser Stelle wollte sich der Fragesteller nicht auf die Wissenschaft verlassen und fragte nach Maßnahmen gegen den Import von Tieren, die nach oft langen Transporten in Österreich geschlachtet werden, damit ihr Fleisch den begehrten Stempel "A" erhält.

Der Bundesminister riet den Konsumenten, Fleisch mit dem "AMA-Gütesiegel" zu kaufen, damit sei man auf jeden Fall auf der sicheren Seite, außerdem dürfe Frischfleisch nicht umgestempelt werden, sagte Pröll und warnte vor der Verunsicherung von Konsumenten.

Abgeordneter Dr. PIRKLHUBER (G) drängte darauf, die Fütterung mit gentechnikfreiem Futter zu einem Kriterium bei der Vergabe des AMA-Gütesiegels zu machen.

Der Landwirtschaftsminister betonte, alles zu tun, um zu verhindern, dass gentechnisch veränderte Pflanzen ausgesät werden, machte aber noch einmal darauf aufmerksam, dass die Fütterung mit gentechnisch veränderten Futtermitteln keine Auswirkungen auf die Qualität von Fleisch, Milch und Eiern habe. Außerdem werde die Produktion von Biodiesel und Bioethanol dazu führen, dass große Mengen an hochwertigen gentechnikfreien Futtermitteln aus dem Werk in Pischelsdorf kommen, die Sojaimporte aus Brasilien ersetzen werden.

Abgeordneter Mag. MAIER (S) unterstrich die Forderung der SPÖ, tierische Produkte zu kennzeichnen, die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln produziert wurden. Maiers Frage richtete sich auf Maßnahmen, um sicher zu stellen, dass gentechnisch verändertes Saatgut in Österreich nicht ausgepflanzt wird.

Der Bundesminister erläuterte den Mix aus Maßnahmen in der Saatgut- und Gesundheitsgesetzgebung sowie seine Forderungen nach EU-Vorgaben, damit Österreich gentechnikfrei bleiben kann - ein Ziel, von dessen Erreichung er überzeugt sei.

In seiner Antwort auf eine Zusatzfrage des Abgeordneten KAINZ (V) informierte Minister Pröll über seine Bemühungen, die EFSA (European Food Safety Authority) zu reformieren und dafür zu sorgen, dass dort keine Entscheidungen gegen Bedenken der EU-Mitgliedsländer getroffen werden. Außerdem setze er sich dafür ein, die Gentechnik-Forschung zu intensivieren, damit Österreich in diesem Bereich argumentativ besser dagegen halten könne als bisher. Auf eine diesbezügliche Frage des Abgeordneten SCHALLE (B) bekundete der Minister seine Bereitschaft, neue Wege in der Gentechnik-Forschung zu gehen und mehr Geld für diesen Zweck zur Verfügung zu stellen.

Abgeordneter Mag. GASSNER (S): Welche Möglichkeiten sehen Sie als zuständiges Regierungsmitglied im Rahmen des derzeit laufenden Gesundheits-Checks der gemeinsamen EU-Agrarpolitik dafür zu sorgen, dass die Milchquotenregelung erhalten bleibt?

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Bundesminister DI Pröll unterstrich sein Eintreten für die Erhaltung der Milchquoten im Interesse der benachteiligten Regionen und der Bergbauern. Er bereite sich aber zugleich auf Alternativen für den Fall vor, dass die Milchquote falle.

Einer "sanften Landung" der Milchquotenregelung, wie sie laut Abgeordnetem GASSNER von der Agrarkommissarin geplant sei, werde er nicht zustimmen, sagte der Landwirtschaftsminister und wandte sich gegen jede Aushöhlung der Milchquote. Er sehe aber mögliche Alternativen zur Milchquote: Direktunterstützungen, Kuh- und Rinderprämien oder Förderungen zur Stärkung der Logistik. Die Finanzierung sei von der EU sicher zu stellen, hielt der Minister fest.

Abgeordneter SIEBER (V) würdigte den Kampf des Ministers für die Erhaltung der Milchquoten und erkundigte sich seinerseits nach den möglichen Alternativen für den Fall, dass keine Mehrheit für ihre Erhaltung gefunden werden könne. Noch sei der Kampf nicht verloren, sagte Minister Pröll. Er werde aber dafür sorgen, dass Österreich gut aufgestellt sei, wenn es notwendig wird, um Alternativen zu verhandeln.

Er werde bei der Unterstützung der Milchbauern nicht locker lassen, sagte der Landwirtschaftsminister auch Abgeordnetem DOLINSCHEK (B) zu, der auf die Finanzierung flankierender Maßnahmen mit EU-Mitteln drängte.

Gegenüber Abgeordnetem ZANGER (F), der den dramatischen Rückgang der Milchbauern seit 1995 beklagte, stellte Bundesminister Pröll fest, das Tempo des agrarischen Strukturwandels habe seinen Höhepunkt zwischen 1960 und 1990 erreicht, sich seit dem EU-Beitritt aber verlangsamt. Er kämpfe um die Einkommen der Bauern, sagte Pröll und merkte nicht ohne Stolz an, dass seit 2006 Einkommenszuwächse verzeichnet werden konnten.

Der Kritik des Abgeordneten Dr. PIRKLHUBER (G), Agro-Treibstoffe würden zu 80 % aus importierten Rohstoffen erzeugt und dessen Forderung nach Revision "überzogener" Beimischungsziele entgegnete Minister Pröll, indem er daran erinnerte, die Grünen hätten noch vor wenigen Jahren wesentlich ambitioniertere Ziele verfolgt. Er trete für ein 10 %-Beimischungsziel auf der Grundlage europäischer Rohstoffe ein. Das diene dem Klimaschutz und reduziere die Abhängigkeit von Energieimporten.

Abgeordneter EINWALLNER (V): Was sind aus der Sicht Ihres Ressorts die wesentlichsten Verbesserungen im neuen Ökostromgesetz?

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Umweltminister Pröll zeigte sich erfreut über die Gesetzesnovelle und die Zielsetzung, den Ökostromanteil bis 2015 auf 15 % zu verdoppeln. Das sei ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz, sagte der Minister.

Auf eine Zusatzfrage des Abgeordneten EINWALLNER teilte der Minister mit, er verhandle mit den Ländern über 15a-Verträge für die stärkere Berücksichtigung ökologischer Kriterien in der Wohnbauförderung, um den Klimaschutz voranzutreiben und die Menschen bei den Aufwendungen für die Raumheizung finanziell zu entlasten.

Abgeordnetem SCHALLE (B) erläuterte der Umweltminister sein "Zehn-Dächer-Programm" für Österreich, das es privaten Hausbesitzern möglich machen soll, "sich ein Solarkraftwerk auf das Dach zu stellen".

Abgeordneter DI KLEMENT (F) erneuerte hingegen seine Kritik an der Ökostromgesetz-Novelle, die die Entwicklung der Photovoltaik blockiere statt fördere.

Umweltminister Pröll wies darauf hin, dass die Photovoltaik noch wesentlich teurer sei als andere Öko-Energien und er daher den Mittelweg, der bei der Photovoltaik-Förderung eingeschlagen werde, für richtig halte.

Der Klage des Abgeordneten Mag. KOGLER (G), Österreich habe seine Vorreiterrolle in der Ökowirtschaft verloren und bleibe auch bei den Arbeitsplätzen hinter Deutschland und Skandinavien zurück, hielt der Umweltminister entgegen, die Umwelttechnologie sei für Österreich nicht nur ökologisch wichtig, sondern bringe enorme wirtschaftliche Dynamik, Wachstum und Arbeitsplätze. Das Ökostromgesetz werde dazu beitragen, die Zahl der Arbeitsplätze in der Umwelttechnologie bis 2020 zu verdoppeln. Österreich wird vom Umweltboom auf den Märkten der Nachbarländer profitieren, zeigte sich Pröll überzeugt. (Schluss)