Parlamentskorrespondenz Nr. 769 vom 24.09.2008

Nationalrat debattiert weitere Sozialthemen

Hacklerregelung verlängert, pensionsrechtliche Verbesserungen

Wien (PK) – Soziale Themen standen auch im Anschluss an die Erhöhung des Pflegegelds im Mittelpunkt der Debatte des Nationalrats. Unter einem wurden ein S-F-Antrag (Sozialrechts-Änderungsgesetz), ein V-Antrag auf Verlängerung der so genannten Hackler-Regelung, weitere V-Anträge auf frühere Rentenanpassungen im Versorgungsbereich bzw. bei der Unfallversicherung, ein F-Antrag auf Pensionserhöhung auf Basis des Pensionisten-Index sowie ein B-Antrag auf Einführung einer Pensionsanpassung schon im ersten Jahr nach der Pensionierung.

Abgeordneter RIEPL (S) brachte gleich zu Beginn seiner Rede namens der SPÖ und der FPÖ einen Abänderungsantrag zum Sozialrechts-Änderungsgesetz 2008 ein. Mit diesem Abänderungsantrag wird festgelegt, in welchem Ausmaß die Pensionen ab November 2008 angehoben werden. Vorgesehen ist eine Plus von 3,4 % für Pensionen bis zur Höhe von 2.358 € (60 % der Höchstbeitragsgrundlage), für BezieherInnen höherer Pensionen gibt es einen Fixbetrag. Zusätzlich wird es je nach Pensionshöhe gestaffelte Einmalzahlungen zwischen 50 € und 150 € geben. Damit werde der Teuerung Rechnung getragen, betonte Riepl, "es ist ein guter Tag für die Pensionistinnen und Pensionisten".

Abseits der Pensionserhöhung hob Riepl die Verlängerung der so genannten "Hacklerregelung" um drei Jahre hervor. Dadurch könnten Männer bis zum Geburtsjahrgang 1953 und Frauen bis zum Geburtsjahrgang 1958 nach 45 bzw. 40 Beitragsjahren abschlagsfrei in Pension gehen, skizzierte er. Generell bekräftigte Riepl, dass betriebliche und private Pensionen kein Ersatz für die allgemeine Pensionsversicherung seien.

Abgeordneter AMON (V) sprach sich gleichfalls für eine Verlängerung der Langzeitversichertenregelung aus. Damit sollen jene belohnt werden, die über einen besonders langen Zeitraum Pensionsbeiträge geleistet haben, argumentierte er. Kritisch äußerte er sich allerdings zur kostenfreien Anrechnung bestimmter Ersatzzeiten, da dies seiner Meinung nach sozial nicht gerecht und nicht seriös ist. Für die Jahre nach 2013 hat die ÖVP Amon zufolge Übergangsregelungen vorgeschlagen, mit denen für die Menschen Rechtssicherheit und Planbarkeit geschaffen würde.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) stimmte Abgeordnetem Amon zu, wonach es nicht reiche, die Langzeitversichertenregelung um drei Jahre zu verlängern. Man müsse bald eine dauerhafte Lösung finden, bekräftigte er. Ohne Ausschussberatungen ist es seiner Meinung nach aber nicht möglich, eine "saubere Lösung" zu finden. Um der Forderung der Grünen nach einer Dauerlösung Nachdruck zu verleihen, brachte Öllinger einen Entschließungsantrag ein.

Grundsätzlich zustimmend äußerte sich Öllinger zur vorgesehenen Pensionserhöhung, er kritisierte allerdings, dass die vorgesehenen Einmalzahlungen gerade bei Kleinstpensionen verhältnismäßig niedrig ausfallen. Die Grünen wünschen sich auch für diese Personengruppe eine Einmalzahlung von 150 €, hiezu legte Öllinger ebenfalls einen Entschließungsantrag vor.

Abgeordneter NEUBAUER (F) führte aus, es könnte heute wirklich ein guter Tag für die Pensionisten werden, nämlich dann, wenn der gemeinsame Antrag von SPÖ und FPÖ eine Mehrheit im Nationalrat findet. Der ÖVP warf er vor, wichtige soziale Maßnahmen zugunsten der Bevölkerung abzulehnen, wobei er u.a. auf die Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel und die Pensionserhöhung nach dem Pensionistenpreisindex verwies. In Bezug auf die "Hacklerregelung" brachte Neubauer einen Entschließungsantrag ein, der auf eine unbefristete Geltungsdauer dieser Bestimmungen abzielt.

Abgeordneter DOLINSCHEK (B) kündigte die Zustimmung des BZÖ zur Pensionserhöhung an. Ausdrücklich begrüßte er in diesem Zusammenhang auch, dass es künftig keine Wartefrist mehr auf die erste Pensionserhöhung geben wird. Auf Initiative des BZÖ sei es außerdem gelungen, einen Energiekostenzuschuss von Oktober 2008 bis April 2009 in der Höhe von monatlich 30 € für Ausgleichzulagen-BezieherInnen in das Sozialrechts-Änderungsgesetz zu integrieren, erläuterte er mit Verweis auf einen entsprechenden Abänderungsantrag. Die Langzeitversichertenregelung würde das BZÖ unbefristet verlängern, betonte Dolinschek.

Sozialminister BUCHINGER erklärte, ihm sei die Verlängerung der Langzeitversichertenregelung ein besonderes Anliegen. Ohne die SPÖ wäre die Regelung bereits in der Vergangenheit ausgelaufen, unterstrich er. Für ihn ist die Verlängerung notwendig und sozialpolitisch gerechtfertigt: "45 Jahre sind genug!". Eine unbefristete Verlängerung der "Hacklerregelung" brauche eine längere Vorbereitung, erklärte Buchinger.

Abgeordneter KECK (S) erinnerte daran, dass gerade Arbeiterinnen und Arbeiter bei der Pensionsreform 2003 "die größten Draufzahler" gewesen seien. Viele ArbeiterInnen hätten von der "Hacklerregelung" nichts gehabt, weil längere Krankenstände nicht als Beitragszeiten gelten und gerade Schwerarbeiterinnen und Schwerarbeiter davon betroffen seien. Nunmehr werde hier eine sozial gerechte Regelung getroffen, zeigte sich Keck erfreut.

Abgeordneter WÖGINGER (V) machte geltend, über alle im Sozialrechts-Änderungsgesetz enthaltenen Punkte sei bereits in der Regierung Einigung erzielt worden. Auch die ÖVP trete für eine Verlängerung der Langzeitenversichertenregelung bis zum Jahr 2013 ein, bekräftigte er. Allerdings wolle die ÖVP gleichzeitig Übergangsregelungen für den Zeitraum nach dem Jahr 2013 bis zum Jahr 2023 schaffen. Wöginger brachte in diesem Sinn einen entsprechenden Abänderungsantrag zum Sozialrechts-Änderungsgesetz ein. Als unseriös wertete der Abgeordnete den heutigen Beschluss zahlreicher Gesetze nach dem Motto "wer bietet mehr", da, wie er meinte, niemand wisse, wer die Rechnung bezahlen solle.

Abgeordneter Ing. HOFER (F) sprach von einem freien Spiel der Kräfte, das aufgrund des Aufkündigens der Koalition durch die ÖVP nun möglich sei. Wenn heute Entlastungen für die Bevölkerung beschlossen werden, dann müsse auch garantiert sein, dass genügend Mittel zur Verfügung stehen. Auch wenn die Bundesstaatsreform, durch die ein Betrag in der Höhe von 3 bis 3,5 Mrd. Euro eingespart hätte werden können, bedauerlicherweise nicht durchgeführt wurde, so gab es doch erhebliche Mehreinnahmen für den Finanzminister. Negativ beurteilte er die Einführung einer Pensionsautomatik, weil dadurch der Handlungsspielraum für die Politik beschränkt werden würde. Es habe seiner Ansicht nach auch keinen Sinn, das Penionsantrittsalter zu erhöhen, wenn es für ältere Menschen in Österreich keine Arbeitsplätze gibt. Hofer setzte sich schließlich noch im Rahmen eines Entschließungsantrags seiner Fraktion für eine gerechte Schwerarbeiterregelung ein.

Abgeordneter Ing. WESTENTHALER (B) zeigte sich sehr erfreut darüber, dass bei der Abstimmung wahrscheinlich eine zentrale Forderung des BZÖ, nämlich 250.000 Mindestpensionisten einen Heizkostenzuschuss in der Höhe von 210 Euro zu gewähren, mehrheitlich beschlossen wird. Sodann brachte er noch einen BZÖ-Abänderungsantrag zum S-F-Antrag betreffend ein Sozialrechts-Änderungsgesetz 2008 ein, in dem eine 4%ige Pensionserhöhung gefordert wird.

Abgeordneter SCHOPF (S) unterstützte die Intentionen des vom Abgeordneten Hofer eingebrachten Entschließungsantrags zur Schwerarbeiterregelung. Kritik übte er an der von der ÖVP vorgeschlagenen Pensionsautomatik, weil diese dazu führen könnte, dass die Menschen sogar länger als bis 65 Jahre arbeiten müssen und dass höhere Pensionsbeiträge anfallen. Für sehr wichtig hielt er es, dass in Hinkunft Krankenstandszeiten in Bezug auf die Langzeitversichertenregelung berücksichtigt werden.

Abgeordnete HÖLLERER (V) brachte einen Abänderungsantrag zum S-F-Antrag betreffend ein Sozialrechts-Änderungsgesetz 2008 ein, der für das Jahr 2009 die Möglichkeit einer Einmalzahlung in Höhe von 0,4 % der jeweiligen monatlichen Pensionshöhe vorsieht. Ein weiterer ÖVP-Abänderungsantrag bezieht sich auf eine Titeländerung des V-Antrags 906/A.

Abgeordnete RUDAS (S) kritisierte die Position der ÖVP, die noch immer darüber nachdenkt, ob sie einer Pensionserhöhung zustimmen soll. Außerdem gab sie gegenüber dem Abgeordneten Wöginger zu bedenken, dass sich die Jungen und Alten nicht auseinander dividieren lassen. Wenn er wirklich etwas für die jungen Menschen in Österreich tun wolle, dann soll er der Abschaffung der Studiengebühren oder der Einführung einer Mindestlehrlingsentschädigung zustimmen, schlug sie vor.

Nach einer überaus langwierigen, getrennt und teilweise namentlich durchgeführten Abstimmung wurde der S-F-Antrag für ein Sozialrechts-Änderungsgesetz 2008 unter Berücksichtigung des S-F-Abänderungsantrages und des S-B-F-Abänderungsantrages in Dritter Lesung einstimmig angenommen. Die Abänderungsanträge der ÖVP und des BZÖ waren in Zweiter Lesung in der Minderheit geblieben. Auf Antrag des Abgeordneten Dr. CAP beschloss der Nationalrat mit Mehrheit die Behebung von Widersprüchen. F-Entschließungsanträge betreffend Verankerung der Langzeitversichertenregelung im Dauerrecht und betreffend Schwerarbeiterregelung wurden angenommen. Entschließungsanträge der Grünen betreffend Einmalzahlung von 150 Euro für alle Pensionen unter 747 Euro und betreffend Übergangsregelung in der Langzeitversichertenregelung erhielten keine Mehrheit.

ÖVP-Initiativanträge mit weiteren pensionsrechtlichen Verbesserungen wurden teils einstimmig, teils mehrheitlich verabschiedet.

Der Entschließungsantrag der FPÖ zur Pensionsanpassung nach dem Preisindex für Pensionistenhaushalte ohne Wartefrist wurde mehrheitlich angenommen.

Der Initiativantrag des BZÖ betreffend erstmalige Anpassung bei Neupensionen schon im ersten Jahr nach der Pensionierung fand keine Mehrheit und verfiel der Ablehnung.     

BZÖ-Antrag auf Staffelung bei AK-Umlage abgelehnt

Abgeordneter SPINDELBERGER (S) erinnerte daran, dass die Politik der ÖVP-FPÖ-BZÖ-Regierungen in den Jahren 2000-2006 dazu geführt habe, dass die Menschen viel, viel weniger in der Geldtasche haben als noch vor sieben Jahren. Während für soziale Belange nie genug Geld da gewesen sei, gab es bei der Senkung der Körperschaftssteuer, der Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer oder der Unterstützung der Großbauern mit zusätzlichen 70 Millionen Euro nie diesbezügliche Bedenken. Deshalb war es dringend notwendig, ein Fünf-Punkte-Programm zu erarbeiten, das gerade jene Menschen rasch und unbürokratisch unterstützt, die es am dringendsten brauchen. Ablehnend äußerte er sich zur Senkung der Arbeiterkammerumlage, weil dies ein Schlag ins Gesicht eines jeden Arbeitnehmers sei.

Es sei ein Wunsch vieler AK-Mitglieder, dass die Mehrheitsfraktion der Sozialisten auf ihre parteipolitischen Agitationen zugunsten der Pflichtbeiträge verzichte, meinte Abgeordneter NEUGEBAUER (V). Außerdem könnte man sich an der Kammer der gewerblichen Wirtschaft ein Beispiel nehmen, wo vor einigen Jahren ein rigoroses Reformkonzept umgesetzt wurde, um vor allem ihre Schlagkraft zu erhöhen. Nebenbei konnten noch 30 % der Kosten eingespart werden. Ein von ihm eingebrachter Entschließungsantrag zielte darauf ab, die Höhe der Arbeiterkammerumlage merkbar und nachhaltig zu senken.

Abgeordnete Mag. SCHATZ (G) berichtete über die schwierige Lage der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, deren Einkommen stagnieren bzw. sogar sinken. Dazu komme, dass unter dem Titel Flexibilisierung dauernd neue Belastungen geschaffen werden, die fast zur Gänze von den Beschäftigten getragen werden müssen. Auch werden immer mehr Vollzeitarbeitsplätze in Teilzeitjobs, geringfügige Beschäftigungen etc. umgewandelt, damit die Firmen Kosten sparen können. Dies gehe vor allem zu Lasten der Frauen, gab Schatz zu bedenken. Deshalb sei es völlig abzulehnen, wenn genau jetzt gefordert werde, die Mittel der Arbeiterkammer um bis zu 15 % zu kürzen.

Abgeordneter Ing. WESTENTHALER (B) konnte die große Aufregung nicht nachvollziehen, da es sich bei dem Vorschlag seiner Fraktion um eine reine Entlastungsmaßnahme für die Arbeitnehmer handle. In Zeiten wie diesen, wo überall gespart werden soll, könne auch die Arbeiterkammer durchaus zum Sparen aufgefordert werden, meinte er. Die BZÖ-Vorschläge, die ein Streichen der Beiträge für Einkommensbezieher bis 1.100 Euro und danach eine soziale Staffelung vorsehen, würde für 1 Million österreichische Arbeitnehmer eine Entlastung von bis zu 77 Euro, also mehr als tausend Schilling, bringen.

Abgeordneter STRACHE (F) brachte einen Entschließungsantrag ein, wonach die Bundesregierung aufgefordert wird, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzulegen, die die Sozialpartner aus der Verfassung herausnimmt und die die Zwangsmitgliedschaft der Kammern und anderer Interessensvertretungen (z.B. Österreichische Hochschülerschaft, Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer etc.) aufhebt. Dies sei immer ein freiheitlicher Grundsatz gewesen, bekräftigte Strache. Der BZÖ-Antrag, der eine ganz einseitige und durchschaubare Maßnahme zum Inhalt hat, belege nur, dass es sich bei diesem Bündnis um ein "Schoßhunderl" des Herrn Schüssel bzw. des Neoliberalismus handle. Dem vorliegenden Antrag werde die FPÖ nicht zustimmen, weil damit ein einseitiger Anschlag auf Arbeitnehmerinteressen verbunden sei. Notwendig sei jedoch eine gerechte Gesamtlösung, die alle Kammern umfasst.

Es sei bekannt, dass Jörg Haider und seine Partei schon mehrfach versucht haben, die Arbeiterkammer zu schwächen, erklärte Abgeordneter MUCHITSCH (S). Enttäuscht sei er jedoch darüber, dass nun auch die ÖVP und vor allem die Arbeitnehmervertreter der Volkspartei bei diesem Unterfangen mitmachen. 

Bei der Abstimmung wurde zunächst der BZÖ-Antrag betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert wird, abgelehnt; auch der ÖVP-Entschließungsantrag betreffend nachhaltige Senkung der Arbeiterkammerumlage fand keine Mehrheit. Sodann wurde auch der FPÖ-Entschließungsantrag betreffend Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft bei den Kammern abgelehnt.

(Schluss Soziales/Forts. NR)


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