Parlamentskorrespondenz Nr. 867 vom 18.11.2008

Bericht über die Lage der öffentlichen Finanzen im Jahr 2007

Staatsschuldenausschuss unterstreicht Konsolidierungsziele

Wien (PK) - Im Jahr 2007 nahmen die Finanzschulden der Republik Österreich (Bund, Länder, Gemeinden) um 1,8 Mrd. Euro auf 161,3 Mrd. Euro (2006: 159,5 Mrd. Euro) zu. 90,9 % der Gesamtschuld des Staates entfielen auf den Bund, 5,3 % auf die Länder, 2,9 % auf die Gemeinden (einschließlich Wien) und 0,9 % auf die Sozialversicherungsträger. Gemessen am BIP konnte Österreich 2007 seine öffentliche Verschuldung merklich reduzieren. Erstmals wurde das Maastricht-Limit von 60 % des BIP unterschritten. Die Verschuldungsquote ging von 61,8 % (2006) auf 59,2 % des BIP (2007) zurück, der Abbau konzentrierte sich aber beinahe ausschließlich auf den Bund (III-6 d.B.).

Diese Entwicklung vollzog sich vor einem überaus günstigen konjunkturellen Hintergrund. Dank Ausweitung der Nettoexporte wuchs Österreichs Wirtschaft 2007 mit 3,4 % im Jahresabstand sehr stark (2006: +3,3 %) und verzeichnete ein deutlich höheres Wachstum als der Euroraum (+2,6 %).

Das gesamtstaatliche Budgetdefizit fiel 2007 nach vorläufigen Ergebnissen mit 0,5 % des BIP geringer aus als 2006 (1,5  %), womit sich Österreich im internationalen Mittelfeld positionierte. 11 der 27 EU-Mitgliedsländer erreichten Budgetüberschüsse. Hohe Überschüsse - gemessen am BIP - verzeichneten 2007 Finnland (+5,3 %), Dänemark (+4,4 %),  Schweden (+3,5 %), Bulgarien (+3,4 %), Zypern (+3,3 %), Luxemburg (+2,9 %), Estland (+2,8 %) und Spanien (+2,2 %).

Die gute Konjunktur erhöhte die Staatseinnahmen 2007 um 5,6 % - ein Zehnjahresrekordwert - auf 129,6 Mrd. Euro. Die Abgabenquote (Steuereinnahmen des Staates und Sozialversicherungsbeiträge) betrug 41,9 % des BIP und nahm erstmals seit 2001 leicht zu (2006: 41,8 %). Im internationalen Vergleich liegt Österreich damit leicht über dem Euro-15-Durchschnitt von 41 % des BIP.

Trotz des Kaufs von Militär-Jets um 0,5 Mrd. Euro (0,2 % des BIP) wuchsen die Staatsausgaben 2007 mit 3,5 % moderat (2003–2007: +3,4 % pro Jahr) und erreichten insgesamt 131,4 Mrd. Euro. Die Quote der  Staatsausgaben reduzierte sich merklich (2007: 48,2 % des BIP, 2006: 49,2 %). Der Staatsschuldenausschuss macht aber darauf aufmerksam, dass die Flexibilisierung des Kindergeldes, Gebührenbefreiungen bei Geburten, Bildungs- und Lehrlingspaket, 24-Stunden-Pflege, höhere Pensionsanpassung 2008 sowie vorzeitige Pensionsanpassung 2009, der Bundes-Gebührenstopp 2009, der Finanzausgleich 2008-2013 und die bedarfsorientierte Mindestsicherung künftige Budgets belasten wird.

Bei der Analyse der Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden zeigt der Staatsschuldenausschuss auf, dass der Bund seinen  Budgetsaldo 2007 erheblich verbessern konnte (2007: -0,6 % des BIP; 2006: -1,6 % des BIP), während sich die Überschüsse der Länder und Gemeinden nur wenig erhöhten (2007: 0,2 % des BIP; 2006: 0,1 % des BIP). Die Sozialversicherungen erwarten 2007 ein Defizit von 0,1 % des BIP.

Nach Verschlechterungen ihrer Finanzierungssalden im Jahr 2006 dürften die Länder (ohne Wien) auch 2007 trotz hoher Steuereinnahmen keinen Konsolidierungsfortschritt erzielt haben. Die Verbesserung um 0,1 Prozentpunkte (2007: -0,0 % des BIP; 2006: -0,1 % des BIP) resultiert aus dem Wegfall eines Einmaleffekts 2006 (Bürgschaftsleistung für die Bank Burgenland).

Die Entwicklung der Ausgaben und Einnahmen

Von 2003 bis 2007 erreichten soziale Sachleistungen an private Haushalte und Transfers an Marktproduzenten (Subventionen, Investitionszuschüsse) mit einem Ausgabenanteil von jeweils über 11 % hohe Zuwächse von durchschnittlich 5,5 % bzw. 4,1 % pro Jahr, und zwar vor allem wegen Kostensteigerungen im Gesundheitswesen. Höhere Transfers gingen zuletzt auch an staatsnahe Verkehrsunternehmen, namentlich wachstums- und beschäftigungsfördernde Maßnahmen in der vorigen Legislaturperiode und der Schuldennachlass des Bundes gegenüber den ÖBB 2004 (6,1 Mrd. Euro).

Transferleistungen an private Haushalte binden rund 37 % der staatlichen Ausgaben. Von 2003 bis 2007 verzeichneten sie einen relativ niedrigen Anstieg von 2,8 % pro Jahr, der unter dem jährlichen Gesamtausgabenzuwachs des Staates von 3,4 % lag. Der Sach- und Personalaufwand des Staates (Arbeitnehmerentgelte, Vorleistungen) stieg zuletzt mit 3,7 % jährlich überdurchschnittlich auf 28 % der Gesamtausgaben.

Die Investitionen des Staates verlieren durch Ausgliederungen und Leasingfinanzierungen seit Jahren an Bedeutung. Zählt man die Investitionen ausgegliederter, ehedem staatlicher Einheiten dazu, verdoppeln sich die öffentlichen Investitionen zwar auf mehr als 5 Mrd. Euro, zeigen aber ebenfalls eher fallende Tendenz (2007: 5,39 Mrd. Euro oder 2 % des BIP; 2003: 5,44 Mrd. Euro oder 2,4 % des BIP).

Auf der Einnahmenseite dämpften von 2003 bis 2007 zunächst die

schwache Konjunktur und die Steuerreform 2004/2005 das Steueraufkommen. In weiterer Folge expandierten die Einnahmen im Zuge des Aufschwungs aber kräftig. Die Steuereinnahmen wuchsen zwischen 2003 und 2007 zwischen 1,2 % (2005) und 7,3 % (2007), wobei direkte Steuern mit durchschnittlich 4,4 % pro Jahr deutlich stärker zunahmen als indirekte Steuern mit 3,5 %. Der Anteil der Sozialversicherungsbeiträge machte 33 % bis 34 % aus. Der Einnahmenzuwachs des Staates lag 2003 bis 2007 bei 3,8 % pro Jahr und überschritt den Ausgabenzuwachs von durchschnittlich 3,4 %.

Wer sind die Gläubiger Österreichs?

           

Die Gläubigerstruktur der Staatsschuld wird von der Bundesschuld dominiert. Der Bund deckte 2007 seinen Finanzbedarf hauptsächlich durch die Emission von Euroanleihen, die in der Währungsunion fast zur Gänze von ausländischen Investoren erworben werden. Ende 2007 erreichte der Anteil der Auslandsverschuldung 80 %. Im Inland sind Banken die bedeutendsten Gläubiger des Staates (2007: 11 %). Unternehmungen und private Haushalte hielten 2007 über direkten Wertpapierbesitz nur 1 % (1,5 Mrd. Euro) und indirekt über Investmentfonds 2 Mrd. Euro an der Staatsschuld.

Empfehlung des Staatsschuldenausschusses zur Budgetpolitik 

Im Zusammenhang mit Verwerfungen auf den Finanzmärkten, sehr hohen Rohstoff- und Energiepreisen und einer merklichen Konjunkturverlangsamung in den USA zeichnet sich 2008 im Euroraum eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums auf 1,7 %  ab (2007: 2,6 %). Auch für Österreich wird eine deutliche Abkühlung des Wirtschaftswachstums gegenüber den Hochkonjunkturjahren 2006 prognostiziert, die heimische Wirtschaft kann aber mit einem Wachstum von mehr als 2 % rechnen. Warenexporte und Tourismus stützen die heimische Wirtschaft weiterhin, der reale private Konsum bleibt wegen hoher Inflation und langsamerem Beschäftigungswachstums aber weiterhin unter dem langjährigen Durchschnitt, die Bauinvestitionen dürften nachlassen. Infolge stark steigender Rohöl- und Lebensmittelpreise steigt der Verbraucherpreisindex 2008 klar über 3 % steigen (2007: 2,2%).

Der Arbeitsmarkt profitierte Anfang 2008 von kräftiger Nachfrage in Bauwirtschaft und Tourismus. Trotz nachlassender Konjunkturdynamik ist auch 2008 ein moderater Rückgang der Arbeitslosenquote auf 4,2% (Eurostat-Definition) zu erwarten.

Das gesamtstaatliche Defizit entspricht 2008 etwa dem Vorjahreswert (0,5 %). Das angestrebte Budgetdefizit von 0,6 % des BIP erscheint wegen deutlich höherer Steuereinnahmen trotz Flexibilisierung des Kindergeldes, Gebührenbefreiung für Geburten, höhere Pensionsanpassung 2008 sowie vorzeitige Pensionsanpassung 2009, Finanzausgleichsregelungen 2008 bis 2013, Erhöhung der Pendlerpauschale, Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge erreichbar.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Staatschuldenausschuss, an den Zielen des Stabilitätsprogramms festzuhalten, die Budgetkonsolidierung fortzusetzen und bis 2010 einen ausgeglichenen gesamtstaatlichen Haushalt zu erreichen. Gefordert seien strikte Budgetdisziplin aller Finanzausgleichspartner und der Sozialversicherungsträger. Zusatzausgaben, wegfallende Einnahmen ohne Strukturreformen würden den angestrebten Konsolidierungspfad und das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts über den Konjunkturzyklus gefährden, stellt der Staatsschuldenausschuss fest und empfiehlt, den strukturellen Budgetsaldo aller Gebietskörperschaften um zumindest 0,5 Prozentpunkte pro Jahr zu senken.

Bei der "strikten" Umsetzung des Österreichischen Stabilitätspaktes mahnt der Staatsschuldenausschuss die Verantwortung von Bund, Ländern und Gemeinden ein und rät den zuständigen Koordinationsgremien (Länderkomitees, Bundeskoordinationsgremium) bei Fehlentwicklungen tätig zu werden. Zudem empfiehlt der Staatsschuldenausschuss, Bundesstaatsreform, Finanzverfassungsreform  und gebietskörperschaftsübergreifende Verwaltungsreform synchron voranzutreiben.

Das Vertrauen in die Nachhaltigkeit der Pensionen sei zu stärken, da der anhaltend schwache private Konsum laut Staatsschuldenausschuss auf die laufende Pensionsdebatte zurückgehe.

Im Gesundheitswesen empfiehlt der Staatsschuldenausschuss eine umfassende Bedarfsplanung, die Evaluierung regionaler Strukturpläne und die Nutzung der Erkenntnisse aus Reformpoolprojekten. Der Staatsschuldenausschuss regt Kosten dämpfende Maßnahmen und Reformen auf Initiative regionaler Gesundheitsplattformen an.

Schließlich rät der Staatsschuldenausschuss, die statistischen und rechtlichen Voraussetzungen für die ab 2013 geplante wirkungsorientierte Budgetsteuerung zu schaffen, das Controlling im Finanzschulden-Management weiterzuentwickeln sowie die Erfahrungen der Kreditinstitute und der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur für Länder, Gemeinden und öffentliche Unternehmen zu nutzen.