Parlamentskorrespondenz Nr. 19 vom 21.01.2009

Nationalrat startet mit Energiedebatte in das neue Jahr

Alle für erneuerbare Energie, aber Öl/Gas noch lange unersetzlich

Wien (PK) - Nationalratspräsidentin Barbara PRAMMER gab im Rahmen geschäftsordnungsmäßiger Mitteilungen eingangs der 10. Nationalratssitzung bekannt, dass Bundespräsident Heinz Fischer Dr. Claudia Bandion-Ortner zur Justizministerin und die bisherige Ministerin ohne Portefeuille Gabriele Heinisch-Hosek zur Ministerin für Frauen und öffentlichen Dienst ernannt hat.

In der auf Verlangen der ÖVP dem Thema "Sichere Energieversorgung für Österreich" gewidmeten Aktuellen Stunde kam zunächst Abgeordneter Dr. BARTENSTEIN (V) zu Wort. Der frühere Wirtschaftsminister zeigte sich erleichtert darüber, dass nach Beilegung des zweiwöchigen Gasstreits zwischen Russland und der Ukraine nun wieder Erdgas nach Österreich geliefert werde. Bartenstein erinnerte an eine ähnliche Situation am Beginn er österreichischen EU-Präsidentschaft Anfang 2006 und würdigte das Krisenmanagement seines Amtsnachfolgers Mitterlehner, der dafür gesorgte habe, dass Österreich zu jedem Zeitpunkt während der Gaskrise gut versorgt gewesen sei.

Es gelte aber Lehren aus diesem Konflikt zu ziehen, sagte Abgeordneter Bartenstein, der seine Besorgnis wegen der Gasabhängigkeit Österreichs zum Ausdruck brachte. Er unterstrich die Zielsetzungen des letzten EU-Rats für eine höhere Energieeffizienz, für Energiesparen und eine verstärkte Nutzung erneuerbarer Energieträger im Sinne der Formel 20:20:20. Das Ziel, die Energieeffizienz um 20 % zu stärken, erfordere Maßnahmen bei Automobilen, Haushaltsgeräten und die Vollendung des 380 KV-Leitungsnetzes in Österreich. Bei der Nutzung der erneuerbaren Energieträger liege das österreichische Ziel mit einem 34-Prozentanteil über dem EU-Wert von 20 %, sagte Bartenstein, der die Hoffnung aussprach, dass schon 2015 marktgerechter Solarstrom produziert werden könne. Mit Nachdruck wies er auf die Notwendigkeit hin, die Wasserkraft in Österreich weiter auszubauen. Dabei stellte er aber klar, dass niemand die Hainburger Au oder die Wachau verbauen wolle.

Österreich könne es sich leisten, auf Kernkraftwerke zu verzichten, werde aber auch in Zukunft nicht ohne importiertes Gas auskommen. Daher unterstrich Bartenstein die Notwendigkeit, in zusätzliche Speicherkapazitäten und in die neue Gaspipeline "Nabucco" zu investieren, die mittlerweile auch die Zustimmung Russlands habe.

Wirtschaftsminister Dr. MITTERLEHNER informierte die Abgeordneten über die Wiederaufnahme der russischen Gaslieferungen nach Österreich am 20.1.2009 um 19 Uhr 20. Angesichts der Ereignisse könne man aber nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, sondern müsse Konsequenzen ziehen. Das System der Lenkung und der Speicherung von Energie sei in Österreich gut organisiert, resümierte der Minister und lobte die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Marktregulatoren. Auch die EU habe vorbildlich agiert, indem sie die Fragen der Gasdurchleitung von bilateralen Fragen zwischen der Ukraine und Russland getrennt habe und gleichzeitig klargestellt habe, dass ein Hochfahren des AKW Bohunice einen Vertragsbruch darstellen würde.

Der Wirtschaftsminister kündigte eine Vertragsanalyse, eine Schadenserhebung und das Bemühen um Versorgungsalternativen bei Gas an, wobei der auf das Projekt "Nabucco" und auf eine verstärkte Versorgung mit Liquidgas sowie auf europäische Investitionen in Gasspeicher hinwies. Gegenüber aktuellen Vorschlägen für eine österreichische Energieautarkie, zu der er sich als langfristiges Ziel durchaus bekenne, hielt Mitterlehner fest, Erdgas sei einer der saubersten Energieträger, der noch 100 Jahre zur Verfügung stehen werde. Man werde auf Erdgas auch deshalb nicht verzichten können, weil es nicht rasch genug durch erneuerbare Energieträger ersetzbar sei - es werde anstrengend genug sein, 2020 34 % der Gesamtenergie durch erneuerbare Energieträger abzudecken. Ein vollständiger Verzicht auf Öl und Gas sei in den kommenden Jahrzehnten nicht möglich, so der Wirtschaftsminister.

Abgeordneter KATZIAN (S) riet dazu, das stark gewachsene öffentliche Bewusstsein über die problematische Abhängigkeit Österreichs von Erdgasimporten aus Russland für erste Schritte in Richtung auf eine Energiewende zu nutzen. Auch wenn Österreich auch morgen noch fossile Energieträger brauchen werde, gelte es die Energieeffizienz zu verbessern, Energie zu sparen, erneuerbare Energieträger verstärkt zu nutzen und den Zugang zu mehreren Energiemärkten zu schaffen. In diesem Zusammenhang befürwortete der Abgeordnete die Pipelineprojekte "Nabucco" und "South-Stream". Außerdem brach Abgeordneter Katzian eine Lanze für die thermische Gebäudesanierung und für die Unterstützung sozial schwacher Menschen bei der Anschaffung wärmeisolierender Fenster. Schließlich unterstrich auch Abgeordneter Katzian die Rolle der Wasserkraft bei der Energieversorgung Österreichs und sprach sich für einen weiteren Ausbau aus.

Abgeordneter SCHULTES (V) zeigte sich erfreut darüber, dass der Druck in den Gaspipelines wieder steige, registrierte aber auch stark steigenden Druck in der öffentlichen Diskussion über erneuerbare Energieträger. Der Redner machte darauf aufmerksam, dass Österreich in den letzten Tagen nur deshalb flächendeckend mit Erdgas versorgt werden konnte, weil Biomasseheizungen auf der Basis von Hackschnitzeln und Pellets die Lücke zwischen der Erdgasmenge, die aus Speichern gefördert werden konnte und der tatsächlichen Mange die Österreich für die Raumwärme braucht, gefüllt hat. Hätte Österreich in den vergangenen Jahren nicht massiv in Biomasseheizungen investiert, hätte es diese Krise nicht so gut bewältigt. Dazu komme, dass Pelletsheizungen wesentlich billiger betrieben werden können als Gasheizungen, fügte Schultes hinzu. Der Abgeordnete riet dazu, sich bei der Energieversorgung nicht auf den Machtpolitiker Putin zu verlassen. Die Importabhängigkeit bei Energie sei zu reduzieren und durch die Nutzung erneuerbarer Energieträger zugleich die inländische Wertschöpfung zu erhöhen.

Abgeordneter HOFER (F) würdigte die Leistung der Bundesregierung und der Energiewirtschaft beim Krisenmanagement in den letzten Tagen. Krisenmanagement allein sei in der zukunftsorientierten Energiepolitik aber zu wenig, gefragt seien Maßnahmen für die Unabhängigkeit Österreichs von Öl und Gas, auch wenn klar sei, dass Österreich fossile Energieträger noch jahrzehntelang brauchen werde. Vom Projekt "Nabucco" sei er nicht überzeugt, sagte Hofer, weil es Österreich und Europa von der Türkei abhängig mache. Die Energiepolitik der Zukunft ruhe für ihn auf Fotovoltaik, Geothermie sowie Wind- und Wasserkraft. Hofer unterstrich auch die Notwendigkeit, die thermische Gebäudesanierung öffentlich zu fördern, die Mehrwertsteuer auf erneuerbare Energieträger zu halbieren und in jedem Haus einen Sicherheitskamin vorzuschreiben, um bei einer Gaskrise zumindest einen Raum heizen zu können.

Abgeordneter Mag. WIDMANN (B) sah keine Meisterleistung des Energieministers darin, vorhandene Reserven zur Überbrückung des Gaslieferungs-Engpasses eingesetzt zu haben. Außerordentlich kritisch sah der Redner die enorme Energieabhängigkeit Österreichs, die es notwendig mache, Biomasse verstärkt zu nutzen, Fotovoltaikanlagen zu bauen und die Österreicher vor den Gefahren der Atomkraftwerke zu schützen. In diesen Zusammenhang klagte der Mühlviertler Abgeordnete über mangelndes Engagement der Bundesregierung beim Kampf gegen den Ausbau des AKW Temelin. Um Österreich energieautark zu machen, reiche es nicht aus, die Wasserkraft auszubauen, es brauche energische Investitionen in Windkraft, Biomassenutzung, in die Fotovoltaik und außerdem eine verstärkte Nutzung der Industrieabwärme. Die Pipeline "Nabucco" würde Österreich von Turkmenistan abhängig machen, merkte der Redner abschließend kritisch an.

Abgeordnete Mag. BRUNNER (G) machte vergangene Bundesregierungen dafür verantwortlich, dass Österreich bei seiner Energieversorgung  zu 70 % von Importen abhängig sei, beim Klimaschutz hinter internationalen Zielen nachhinke und viel Geld ins Ausland abfließe. Es genüge nicht, Energiekrisen zu verwalten, notwendig sei die Einleitung der Energiewende, sagte die Abgeordnete, die es ablehnte, Milliarden in das Pipelineprojekt "Nabucco" zu investieren, das die Energieimportabhängkeit Österreichs weiter erhöhen würde. Zu investieren sei in die Nutzung erneuerbarer Energieträger, die thermische Sanierung privater und öffentlicher Gebäude und in die Unabhängigkeit von Atomstromimporten. "Wer jetzt nicht handelt, nimmt zukünftige Krisen nicht nur in Kauf, sondern führt sie geradezu vorsätzlich herbei", schloss Brunner.

Abgeordnete BAYR (S) rief dazu auf, das "größte Kraftwerk Österreichs" in Betrieb zu nehmen und brachliegende Energiesparpotentiale zu nutzen. Konkret forderte Bayr ein Energieeffizienzgesetz, mit dem die Anschaffung energiesparender Computer, Autos und Haushaltsgeräte gegenüber "stromfressenden" Geräten gefördert wird. Außerdem gelte es die vorhandene Raumwärme durch thermische Gebäudesanierung effektiver zu nutzen und keine Chance auszulassen durch Investitionen in erneuerbarer Energieträger die Importabhängigkeit Österreichs zu reduzieren und so auch  Arbeitsplätze zu schaffen.

Abgeordnete FUHRMANN (V) trat der Forderung des BZÖ entgegen, aus dem EURATOM-Vertrag auszusteigen und argumentierte, dieser Vertrag ermögliche dringend notwendige Investitionen in die Sicherheit osteuropäischer AKW. Auch Abgeordnete Fuhrmann lobte das erfolgreiche Engagement des neuen Wirtschaftsministers bei der Bewältigung der Gaskrise, würdigte die Leistungen der EU bei der Vermittlung zwischen Russland und der Ukraine und machte auf die Bedeutung des Ergasimports aus Russland aufmerksam. Österreich spiele durch den Hub Baumgarten eine zentrale Rolle bei der Erdgasversorgung Europas, sagte die Rednerin, die sich nachdrücklich für den Bau neuer Pipelines aussprach und zugleich darauf drängte, in die Entwicklung nachhaltiger Energietechnologien wie Brennstoffzelle und Fotovoltaik zu investieren. Fuhrmann hob auch die Rolle einzelner Bundesländer und Gemeinden als Vorreiter auf dem Weg in eine neue Energiezukunft hervor.

Abgeordneter THEMESSL (F) reagierte sehr kritisch auf seine Vorrednerin und erinnerte daran, dass sich die neuen Mitgliedsländer verpflichtet haben, alte Reaktoren nicht nur vom Netz zu nehmen, sondern sie auch zu verschrotten. Themessl sah auch die Rolle der EU-Kommission im Zuge der Gaskrise weniger positiv. Der Unsicherheitsfaktor sei nicht Russland, sondern die Ukraine, sagte er, weshalb die EU auf das Transitland mehr Druck hätte ausüben müssen. Die EU habe unnötigerweise mit ihrer US-Hörigkeit einen Streit mit Russland riskiert. Themessl befürchtete weiters, dass die Türkei als zukünftiges Transitland für die Nabucco-Pipeline ihre Position als Druckmittel für einen EU-Beitritt missbrauchen könnte. Die EU habe verabsäumt, in Fragen der Energie- und Rohstoffressourcen aktiv zu werden, während sich China in der Zwischenzeit die Rohstofflieferungen gesichert habe, betonte Themessl. Europa müsse nun nehmen, was übrig bleibt, und das zu einem hohen Preis. Er verlangte, Wasserkraft, Windkraft und thermische Sanierung zu forcieren und warf Finanzminister Pröll vor, für die thermische Sanierung nichts zu tun.

Abgeordneter TADLER (B) meinte eingangs, Österreich könne durchaus autark seine Energieversorgung sicher stellen, wenn man die heimischen Möglichkeiten nutze. Besonders strich er die Bedeutung der Pellets hervor, die regional verfügbar und umweltverträglich seien, Arbeitsplätze sicherten und zusätzlich für die Region eine Wertschöpfung lieferten. Tadler forderte darüber hinaus die Förderung von Photovoltaik-Anlagen und die Realisierung des versprochenen Wasserkraftwerks sowie des Windparks in Salzburg. Er trat auch dafür ein, den Bau von Kleinwasserkraftwerken zu unterstützen und die Möglichkeiten der Nutzung von Erdwärme zu prüfen. Selbstverständlich, sagte er, müsse die Energie transportiert werden, aber das dürfe nicht über die Köpfe der Bevölkerung hinweg geschehen. Daher sollten Erdkabel gelegt und damit Wahlversprechen eingehalten werden.

Abgeordnete Dr. LICHTENECKER (G) sprach sich vehement für eine Verbesserung der Energieeffizienz aus. Nur dann sei eine Energiewende bis 2030 möglich, stellte sie fest. Der Umstieg auf erneuerbare Energien sei auch der Schlüssel für ein modernes und selbstbestimmtes Wirtschaften, merkte sie an. Lichtenecker vermisste jedoch konkrete Maßnahmen, die zu dieser Energiewende führen könnten. So sei es nicht gelungen, den Energieverbrauch vom Wirtschaftswachstum zu entkoppeln. Der Anteil von erneuerbarer Energie sei sogar in den letzten Jahren von 70 auf 57 % gesunken. Die Regierung habe damit dafür gesorgt, dass man weiterhin vom Gas abhängig bleibt. Der Bau einer neuen Gasleitung "Nabucco" werde die Abhängigkeit nicht vermindern, schätzte Lichtenecker, und zwar deshalb, weil die Leitungen durch Länder gelegt werden, deren Regime unberechenbar seien. Auch der Terror sei eine reale Gefahr. Die Mandatarin bezeichnete die Ankündigungen zum Ausbau der Wasserkraft als ein "Wunschkonzert", das nicht realistisch sei. 70 % der Wasserkraft seien bereits ausgebaut, weitere 15 % stellten eine gesetzlich verankerte Tabuzone dar. Mit dem restlichen Potenzial von 15 % werde man die Anforderungen nicht bewältigen können, warnte sie. (Schluss Aktuelle Stunde/Forts. NR)


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