Parlamentskorrespondenz Nr. 88 vom 12.02.2009

Sozialausschuss macht Maßnahmenpaket für den Arbeitsmarkt plenumsreif

Flexibilisierung der Kurzarbeit und Qualifikationsmaßnahmen

Wien (PK) - Nach der Aktuellen Aussprache (siehe PK Nr. 87) befassten sich die Mitglieder des Ausschusses mit einer – mit S-V-F-B-Mehrheit in der Fassung eines S-V-Abänderungsantrags beschlossenen - Initiative der Regierungsparteien, die darauf abzielt, die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf den Arbeitsmarkt abzufedern, sowie mit zahlreichen Anträgen der Opposition. Das von SPÖ und ÖVP geschnürte Maßnahmenpaket sieht unter anderem die Flexibilisierung der Kurzarbeit, zusätzliche Qualifizierungsangebote sowie die Erweiterung des Instruments der Arbeitsstiftung vor. Sozialminister Rudolf Hundstorfer dankte den Abgeordneten für die relativ hohe Zustimmung zum Beschäftigungsförderungsgesetz 2009 und war überzeugt davon, dass ein effizientes Maßnahmenpaket vorgelegt werde konnte.

Koalition schnürt arbeitsmarktpolitisches Paket an Auffangmaßnahmen

Da 2009 mit einem Rückgang der Wirtschaftleistung zu rechnen ist, haben die Koalitionsparteien einen Antrag vorgelegt, der nicht nur eine Flexibilisierung des Instruments der Kurzarbeit sowie eine Erweiterung der Arbeitsstiftungen vorsieht, sondern auch die Kurzarbeit mit überbetrieblich verwertbaren Qualifizierungsmaßnahmen verbindet. Die Zeiten eines möglichen Produktionsrückgangs sollen dazu genutzt werden, die Arbeitnehmer zu qualifizieren, um sie auf neue Produktionsverfahren, Werkstoffe und Produktionsprozesse vorzubereiten und um dadurch einen möglichen Fachkräftemangel im Konjunkturaufschwung zu vermeiden.

Die Neuregelung der Kurzarbeitsbeihilfen soll eine größere Flexibilität und eine stärkere Einbindung der Arbeitsmarktpartner im Rahmen der Richtlinienerstellung im AMS ermöglichen. In der Richtlinie sollen insbesondere eine längere Höchstdauer der Kurzarbeit (bis zu 18 Monaten), flexiblere Regelungen hinsichtlich des Durchrechnungszeitraums und der erforderlichen Mindestarbeitszeit bzw. des zulässigen Arbeitszeitausfalls sowie Regelungen betreffend die Kombinierbarkeit verschiedener Beihilfen vorgesehen werden können. In Katastrophenfällen sollen Kurzarbeitsbeihilfen auch ohne Vereinbarung der Sozialpartner gewährt werden können. Was die Arbeitsstiftungen angeht, so soll deren Einrichtung durch Gebietskörperschaften oder andere geeignete Träger nicht erst bei Vorliegen eines Insolvenztatbestands ermöglicht werden, sondern im Fall von wirtschaftlichen Schwierigkeiten in bestimmten Wirtschaftszweigen. Insgesamt errechnet sich für dieses arbeitsmarktpolitische Sofortpaket ein Mittelbedarf von 222 Mio. Euro, heißt es im S-V-Antrag.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) brachte zunächst zwei Entschließungsanträge ein, die sowohl die Ermöglichung individueller Weiterbildung in Kurzarbeitsphasen, als auch die Festlegung von gerechten Bedingungen zur Inanspruchnahme von Kurzarbeitshilfen durch Unternehmen vorsahen. Sodann ging der G-Mandatar auf die mit in Verhandlung stehenden Anträge seiner Fraktion ein. In einem Antrag zum Arbeitslosenversicherungsgesetz treten die Grünen für eine Anhebung der Nettoersatzrate ein. Öllinger erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass die Arbeitslosen als einzige Gruppe keinen einzigen Cent von den in den letzten Monaten beschlossenen Maßnahmen profitiert haben. In einem weiteren Antrag wird von den Grünen darauf hingewiesen, dass zur Berechnung von Ansprüchen aus der Arbeitslosenversicherung veraltete Beitragsgrundlagen, die in der Praxis auch nicht angehoben werden, herangezogen werden; es soll sichergestellt werden, dass die Einkommensersatzleistung Arbeitslosengeld tatsächlich das kürzest zurückliegende Einkommen ersetzt. – Beide G-Anträge wurden schließlich vertagt.

Seine Fraktionskollegin Birgit Schatz befürchtete massive Einkommensverluste für die Arbeitnehmer, da eine Reduktion der Arbeitszeit um bis zu 90 % ermöglicht werde. Auch den Anwendungszeitraum – 18 Monate – erachtete sie vor diesem Hintergrund als zu lang. Es sollten ihrer Ansicht nach auch noch weitere Bedingungen an die Inanspruchnahme der Kurzarbeitsbeihilfe geknüpft werden. Sie forderte im Rahmen eines – abgelehnten - Abänderungsantrages eine Beschränkung der Sonderregelung für Naturkatastrophen auf drei oder allenfalls sechs Monate, eine Erhöhung des Mindestausfalls von 10 % auf 20 %, die Beschränkung der gesetzlichen Gültigkeit auf 31.10.2010 sowie ein Mindesteinkommen für Beschäftigte in Kurzarbeit.

Abgeordneter Martin Bartenstein (V) hielt die Ausweitung der Maßnahmen im Bereich der Kurzarbeit für gut und wichtig, warnte allerdings davor, darin ein Allheilmittel zu sehen. Was die Vorschläge der Grünen bezüglich der Erhöhung der Nettoersatzrate angeht, so gab er zu bedenken, dass damit eine enorme Ausgabensteigerung verbunden wäre.

Ihre Fraktion werde dem Beschäftigungsförderungsgesetz zustimmen, kündigte Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) an, allerdings fehle ihr die soziale Ausgewogenheit.

Auch das BZÖ werde den Antrag der Regierungsparteien unterstützen, erklärte Abgeordnete Ursula Haubner (B). Dabei könne es sich aber nur um einen kleinen Teil handeln, gab sie zu bedenken, ein umfassendes Paket im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit müsse noch geschnürt werden. Eine solche Vorlage müsste aus ihrer Sicht folgende Punkte enthalten: eine deutlich höhere Dotierung der aktiven Arbeitsmarktpolitik in den nächsten zwei Jahren, die Schaffung neuer Förderungsmöglichkeiten zur Arbeitsplatzerhaltung in vorübergehenden Krisenzeiten, verstärkte Bildungsmaßnahmen für WiedereinsteigerInnen sowie eine weitere Verbesserung der Qualität der AMS-Dienstleistungen für Arbeitsuchende. – Dieser BZÖ-Entschließungsantrag galt sodann als miterledigt.

Abgeordneter Norbert Hofer (F) erläuterte den auf der Agenda stehenden und - schließlich abgelehnten - Entschließungsantrag seiner Fraktion: Um eine Anhebung der Erwerbs- und Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer, vor allem von Frauen, zu erreichen, soll für Arbeitnehmer, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, der Arbeitslosenversicherungsbeitrag aus Mitteln der Gebarung der Arbeitsmarktpolitik getragen werden. Außerdem soll jemand, der einer Änderungskündigung zustimmt und damit weiter beschäftigt bleibt, nicht aus dem Bemessungsgrundlagenschutz herausfallen, verlangten die freiheitlichen Mandatare in einem weiteren Antrag, der am Ende vertagt wurde.

Damit die Auswirkungen dieses Maßnahmenpakets genau beurteilt werden können, trat Abgeordnete Barbara Riener (V) im Rahmen eines S-V-Entschließungsantrages dafür ein, ein eigenes Kapitel darüber in den Sozialbericht aufzunehmen. – Dieser Entschließungsantrag wurde einstimmig angenommen.

Abgeordneter Dietmar Keck (S) sprach von einer dringenden Novellierung, da man sich in einer außergewöhnlich schwierigen wirtschaftlichen Situation befinde. Er sei deshalb sehr froh darüber, dass die Regierung so schnell gehandelt habe.

Abgeordneter Franz Riepl (S) konnten den Einwänden der Grünen wenig abgewinnen und berichtete von seinen Erfahrungen aus der Praxis. In der Regel betragen die Einkommensverluste nicht mehr als 10 % netto, unterstrich er, und es müsse auch niemand die 18 Monate voll in Anspruch nehmen.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer ging auf die Fragen der Abgeordneten ein und wies unter anderem darauf hin, dass über die Erhöhung der Nettersatzrate innerhalb der Koalition in aller Ruhe debattiert werde; er bemühe sich jedenfalls um eine Erhöhung. Auch wenn internationale Vergleiche in diesem Bereich schwierig seien, halte er den aktuell in Österreich gültigen Prozentsatz in Höhe von 55 % nicht für "berauschend". Man müsse auch in Betracht ziehen, dass in Ländern mit einer höheren Rate, z.B. in Dänemark, es etwa keinen Kündigungsschutz gebe. Hinsichtlich der Behaltefristregelung führte der Minister aus, dass Änderungen auf regionaler Ebene nur unter Einbeziehung der Sozialpartner möglich sind. Gegenüber der Abgeordneten Ursula Haubner stellte der Ressortchef fest, dass die bestehenden Bildungsmaßnahmen, z.B. für WiedereinsteigerInnen, natürlich nicht abgeschafft, sondern – im Gegenteil – noch verstärkt werden.

Schutzbetrag bei Witwen(Witwer)pension wird rückwirkend erhöht

Schließlich wurden noch zwei Anträge der Koalitionsparteien einstimmig angenommen, die sicherstellen, dass der Schutzbetrag bei der Witwen(Witwer)pension rückwirkend mit 1.11.2008 im gleichen Ausmaß wie die Pensionsleistungen für das Jahr 2009 erhöht wird.

Weitere Oppositionsanträge vertagt bzw. abgelehnt

Zum Abschluss befasste sich der Sozialausschuss mit einer Reihe von Oppositionsanträgen, die zum überwiegenden Teil vertagt bzw. abgelehnt wurden. So diskutierten die Abgeordneten etwa über die Forderung der Grünen, ein eigenes PraktikantInnenausbildungsgesetz zu verabschieden. Mit einem solchen Gesetz wollen Abgeordnete Birgit Schatz und ihre FraktionskollegInnen der zunehmenden Zweckentfremdung von Praktika und schlechten Arbeitsbedingungen für PraktikantInnen entgegen treten und haben einen entsprechenden Entschließungsantrag vorgelegt.

Den Grünen zufolge soll in Hinkunft etwa ein schriftlicher Praktikumsvertrag verpflichtend sein, ein Praktikum nicht länger als drei Monate dauern dürfen und qualitative Standards festgelegt werden. Zudem wird ein voller sozialrechtlicher Schutz für PraktikantInnen urgiert. Viele junge Menschen würden sich in der Hoffnung auf eine spätere Anstellung auf ein Praktikum einlassen, gab Abgeordnete Schatz zu bedenken, diese Hoffnung werde aber nur selten erfüllt.

Der Antrag wurde von den Koalitionsparteien mit der Begründung vertagt, dass es zu dieser Frage ein eigenes Kapitel im Regierungsprogramm gebe. Er gehe davon aus, dass diese Frage "in Abarbeitung des Programms" ausführlich erörtert werde, meinte Abgeordneter August Wöginger (V). Das gleiche gilt ihm zufolge für einen weiteren Entschließungsantrag der Grünen, der auf die Unterstützung von UniversitätsabsolventInnen beim Berufseinstieg abzielt. Auch dieser Antrag wurde vertagt.

FPÖ drängt auf restriktiveren Zugang zum Arbeitsmarkt für Ausländer

Vom Sozialausschuss mit breiter Mehrheit abgelehnt wurde ein Entschließungsantrag der FPÖ, der auf einen restriktiveren Zugang zum Arbeitsmarkt für Ausländer hinausläuft. Dem Antrag zufolge sollen Ausländer aus dem Nicht-EWR-Raum künftig nur noch dann eine Beschäftigungsbewilligung erhalten, wenn im entsprechenden Berufszweig Arbeitskräftemangel vorherrscht und der Bedarf nicht durch inländische Arbeitskräfte gedeckt werden kann. Längere oder wiederholte Arbeitslosigkeit soll zu einem Verlust der Arbeitserlaubnis führen. Zudem fordert die FPÖ, die Bevorzugung türkischer Staatsbürger gegenüber anderen Ausländern aus Nicht-EWR-Staaten zu beenden und die Zugangsvoraussetzungen von Asylwerbern zum Arbeitsmarkt zu verschärfen.

Sowohl Abgeordnete der Koalitionsparteien als auch Sozialminister Rudolf Hundstorfer traten dem Anliegen der FPÖ zum Teil scharf entgegen und warfen den Freiheitlichen vor, mit dem Antrag Menschen gegeneinander ausspielen zu wollen. So wertete etwa Abgeordneter Martin Bartenstein (V) die Argumentation, dass Fremde den Einheimischen Arbeitsplätze wegnehmen, als politisch unlauter. Der Zugang von Drittstaatsangehörigen zum österreichischen Arbeitsmarkt sei zudem bereits sehr restriktiv geregelt, meinte er und sprach, wie auch Abgeordneter Erwin Spindelberger (S) von einem bewährten System. Spindelberger erinnerte gleichzeitig daran, dass das Fremdenrechtspaket 2005 von der FPÖ mitgetragen worden sei.

Abgeordneter Franz Riepl (S), wies darauf hin, dass der Antrag darauf hinauslaufe, einen Gastarbeiter nach Hause zu schicken, wenn er zum zweiten Mal arbeitslos werde. Damit würden sich Arbeitnehmer, die zum Beispiel wegen einer Betriebsschließung einmal kurz arbeitslos gewesen seien, in der "Geiselhaft" ihres jetzigen Arbeitgebers befinden.

Sozialminister Hundstorfer mahnte, gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise sei ein stärkeres soziales Miteinander gefragt. Im Übrigen machte er geltend, dass es aktuell keine Zuwanderung aus der Türkei gebe, vielmehr komme der größte Zuwanderungsstrom bereits seit einigen Jahren aus Deutschland.

Unterstützt wurde der FPÖ-Antrag lediglich vom BZÖ. Abgeordneter Gerald Grosz (B) sprach von einer richtigen Initiative und beklagte sich über die "Ignoranz" der Regierungsparteien. Abgeordneter Karl Öllinger (G) schloss sich hingegen der Argumentation von Spindelberger und Riepl an. Abgeordneter Norbert Hofer (F) erklärte, es gehe nicht darum, der Zuwanderung nach Österreich einen kompletten Riegel vorzuschieben, Zuwanderung dürfe aber nur dann möglich sein, wenn Bedarf am Arbeitsmarkt bestehe.

Freiheitliche für Stärkung der Rechte atypisch Beschäftigter

Stärken will die FPÖ die Rechte so genannter atypisch Beschäftigter. Geht es nach Abgeordnetem Norbert Hofer und seinen FraktionskollegInnen sollen auch für freie Dienstnehmer und Werkvertragsnehmer arbeitsrechtliche Mindeststandards gelten (116/A[E]).

Abgeordneter Franz Riepl (S) und Abgeordneter Martin Bartenstein (V) verwiesen darauf, dass bereits in der vergangenen Legislaturperiode viel für die atypisch Beschäftigten getan worden sei. Generell sei er, so Bartenstein, dafür, dass es in der Arbeitswelt ein gewisser Primat der Vollzeitbeschäftigung und des regulären Dienstverhältnisses gebe. Man könne aber andere Formen im Arbeitsrecht nicht negieren.

Der Antrag, dem Abgeordnetem Sigisbert Dolinschek zufolge auch das BZÖ einiges abgewinnen kann, wurde vertagt.

Schließlich nahm der Sozialausschuss einen Entschließungsantrag des BZÖ in Verhandlung, der zum Ziel hat, das "Freiwillige Sozialdienstjahr" als Berufsausbildung anzuerkennen. Damit würden die TeilnehmerInnen Familienbeihilfe anstelle der jetzigen Förderung durch das Sozialministerium erhalten, heißt es in der Begründung. Zudem ist es Abgeordneter Ursula Haubner ein Anliegen, dass das Sozialdienstjahr auf einschlägige Ausbildungen im Pflege- und Betreuungsbereich anerkannt wird.

In der Debatte zeigten sich VertreterInnen aller Fraktionen hinsichtlich der von Haubner formulierten Anliegen grundsätzlich gesprächsbereit. Abgeordneter August Wöginger (V) urgierte in der Frage der Anrechnung der Ausbildungszeit allerdings eine einheitliche Lösung für AbsolventInnen des Freiwilligen Sozialen Jahres und für Zivildiener. Gleichzeitig warnten Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) und Abgeordneter Karl Öllinger (G) davor, durch unbedachte Regelungen der Ausbeutung von Freiwilligen Vorschub zu leisten. Abgeordneter Norbert Hofer (F) hob die Bedeutung von Freiwilligenarbeit hervor und sprach sich dafür aus, nach italienischem Vorbild die Einführung eines Modells zu überlegen, wonach diejenigen, die keinen Kirchenbeitrag zahlen, Beiträge an soziale Einrichtungen leisten müssten.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer verwies auf das Regierungsprogramm und machte überdies geltend, dass derzeit lediglich 328 Jugendliche von der Forderung betroffen seien. Sie erhalten statt der Familienbeihilfe derzeit eine Ersatzleistung in gleicher Höhe.

Bereits zuvor einigte sich die Ausschussmehrheit darauf, zwei Entschließungsanträge der FPÖ (114/A[E] und 129/A[E]) zum Thema Lehrlingsausbildung dem Wirtschaftsausschuss zuzuweisen, da das Berufsausbildungsgesetz, wie Sozialminister Hundstorfer erklärte, legistisch in die Kompetenz von Wirtschaftsminister Mitterlehner falle. Konkret spricht sich die FPÖ dafür aus, dass künftig die öffentliche Hand die Kosten für die Berufsschulzeit übernimmt. Zudem regt sie die Einführung einer Teilzeitlehre an. (Schluss)


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