Parlamentskorrespondenz Nr. 127 vom 26.02.2009

Nationalrat: Explodiert die Kriminalität in Österreich?

Aktuelle Stunde mit heftiger Debatte über die innere Sicherheit

Wien (PK) - Nationalratspräsidentin Barbara Prammer eröffnete die 14. Sitzung des Nationalrates mit einer Aktuellen Stunde, bei der der FPÖ die Themenwahl zustand und erteilte zunächst Klubobmann STRACHE (F) das Wort, der ausführte, warum sich seine Fraktion für den Titel "Sicheres Österreich statt Kriminalitätsexplosion: Asylmissbrauch, Islamisierung und Massenzuwanderung" entschieden habe. Aktuelle Daten aus dem Sicherheitsmonitor ließen eine "Kriminalitätsexplosion" während der letzten Monate erkennen, argumentierte Strache und verband diese Feststellung mit dem Vorwurf an das Innenministerium, Kriminalitätsdaten zu "bearbeiten" und die Bevölkerung mit "geschönten Statistiken für dumm zu verkaufen". Als Beispiel nannte der FPÖ-Klubobmann 20 Autodiebstähle in einer Straße, die als ein Delikt erfasst würden, aber als 20 aufgeklärte Delikte verbucht würden, wenn die polizeilichen Ermittlungen erfolgreich verliefen.

Besonders dramatisch entwickelte sich die Kriminalität im Bereich der Wohnungs- und Hauseinbrüche, führte Strache aus und wies darauf hin, dass in Wien zuletzt um 20 % mehr Wohnungseinbrüche verzeichnete wurden. Täglich würden Täter in Wien 100 bis 150 mal versuchen, in eine Wohnung oder ein Haus einzubrechen. Die Kriminalitätsexplosion sei aber nicht auf den Osten beschränkt, auch in Kärnten oder in Salzburg haben die Einbruchsdelikte zuletzt um 5 % und 4 % zugenommen. Angesichts dieser Entwicklung sei es nicht zu verantworten, Kriminalitätsstatistiken schönzufärben und falsche Zahlen zu veröffentlichen. Die Schengen-Öffnung habe zu einem sicherheitspolitischen Fiasko in Österreich geführt, resümierte Strache und klagte überdies über einen hohen Anteil fremder Täter sowie von Asylwerbern.

Klubobmann Strache verlangte die Einstellung von 3.000 zusätzlichen Exekutivbeamten, die Hälfte davon in Wien, sowie eine entsprechende Ausrüstung der Exekutive mit Laptops, Funkgeräten und Fahrzeugen. Außerdem sollten die Exekutivbeamten von Verwaltungsaufgaben freigestellt werden, forderte Strache und warnte vor einem humanitären Bleiberecht, das als Einladung der Regierung zum Asylmissbrauch verstanden werden könnte.

Innenministerin Dr. FEKTER wies die Ausführungen des FPÖ-Klubobmanns entschieden zurück. Es gebe keinen Anlass zur Panikmache und zur Verunsicherung der Bevölkerung. Ausdrückliche stellte sich die Ressortchefin vor ihre Beamten. "Ich lasse es nicht zu, meinen Mitarbeitern vorzuwerfen, sie würden Statistiken fälschen", stellte die Ministerin fest und erläuterte den Abgeordneten die unterschiedliche Erfassung von Daten im "Sicherheitsmonitor", sowie in der Kriminalstatistik und in der Täterstatistik der Justiz. Abgeordneter Strache habe falsche Zahlen genannt, von einer Kriminalitätsexplosion könne keine Rede sein. Autopickerl-Betrügereien einer einzigen Werkstätte habe das Delikt "Amtsmissbrauch" zuletzt um mehr als 4.000 % wachsen lassen, erklärte Fekter.

Die Innenministerin machte auf enorme Fahndungserfolge der Polizei aufmerksam und stellte eine Verbesserung des Sicherheitsmonitors in Aussicht, um künftig noch genauer zu wissen, wo sich die Kriminalität konzentriere und wie sie sich organisiere, als Schwerpunkte sah Ministerin Fekter dabei die Einbruchs- und Diebstahlskriminalität sowie die Gruppe jugendlicher Täter.

Zur Korrektur von Unwahrheiten in den Ausführungen ihres Vorredners sah sich die Ministerin auch hinsichtlich der Ausländerkriminalität veranlasst, hielt aber unmissverständlich fest, dass sie eine Ausbreitung von Kriminellen in Österreich nicht dulden werde und deren Aufenthalt im Land so rasch wie möglich beenden wolle. Dafür warb sie um Unterstützung des Nationalrates.

Abgeordneter PENDL (S) gab den Eindruck wieder, der FPÖ-Klubobmann habe nicht von Österreich, sondern von einem anderen Land gesprochen. Die Bundesregierung reagiere richtig auf die Entwicklung der Kriminalität, sie habe den Einsatz von mehr Personal vorgesehen - im Unterschied zur FPÖ, die in der Zeit ihrer Regierungsverantwortung die größte Personaleinsparung bei der Exekutive mitverantwortet hat. Die österreichischen Exekutivbeamten verdienten es nicht, als Fälscher von Statistiken dargestellt zu werden. Man sollte ihnen dankbar für das Engagement sein, mit dem sie Tag für Tag für die Sicherheit der Österreicher arbeiten. Nichtsdestotrotz hielt es Abgeordneter Pendl für notwendig, die Polizeiarbeit in den Ballungsräumen und an den Hauptverkehrsträgern auszubauen, die Ausbildung und Ausrüstung weiter zu verbessern und Augenmerk auf das soziale Umfeld zu legen. Pendl bekannte sich zu einem umfassenden Sicherheitsbegriff unter Einbeziehung der sozialen Sicherheit und sah die Bundesregierung in der Sicherheitspolitik auf einem guten Weg.

Auch Abgeordneter KÖSSL (V) sah Anlass, die Ausführungen von Klubobmann Strache, die er als wahlkampfbedingten Populismus verstand, zurechtzurücken. Österreich gehöre nach wie vor zu den sichersten Ländern der Welt, sagte Kößl, trat den Darstellungen Straches beim Thema Ausländerkriminalität entgegen und widersprach auch der Aussage, die Kriminalitätsstatistik sei unrichtig. Falsch sei es auch zu behaupten, die Kriminalitätszahlen würden zunehmen, sie seien nach der Öffnung der Ostgrenzen gestiegen, nehmen seit 2005 aber tendenziell ab. Wichtig sei es, so Kößl, der Exekutive Rahmenbedingungen zu geben, die eine erfolgreiche Polizeiarbeit erlauben - statt die Arbeit der Beamten schlecht zu reden.

Abgeordneter VILIMSKY (F) forderte seine Vorredner auf, mit offenen Augen durch Wien zu gehen und festzustellen, was jeder Wiener wisse, wie stark nämlich die Kriminalität zugenommen habe. SPÖ und ÖVP rief der Redner auch dazu auf, sich zu Wort zu melden, wenn im ORF ein zehn Jahre zurückliegender Vorfall zum Anlass genommen werde, die Polizei als eine rassistische Schlägergruppe darzustellen. Die Exekutivbeamten würden in ihrem Kampf gegen die Kriminalität allein gelassen, klagte Vilimsky und erzählte von Beamten, die sich mit privaten Kleidungsstücken gegen die Kälte dieses Winters schützten, weil die ausgegebenen Uniformen nicht ausreichten. Während Schwerverbrecher in den Hauptanstalten Psychotherapien für 150 € pro Minute konsumierten, erhielten Justizwachebeamte für eine Nacht Rufbereitschaft nur 7 €, kritisierte Vilimsky und verlangte eine bessere Besoldung und eine bessere Ausrüstung für die Exekutive.

Abgeordneter WESTENTHALER (B) hielt es für unverständlich, dass die Innenministerin nicht erkennen wolle, dass mittlerweile jeder Österreicher selbst Opfer eines Einbruchsdiebstahls geworden sei oder jemanden kenne, der diese Erfahrung machen musste. Es sei unbestritten, dass Einbruchs- und Überfallsdelikte explosionsartig zugenommen haben. Zuletzt haben Raubüberfälle auf Banken, Trafiken und Tankstellen zugenommen - Wien sei im internationalen Vergleich die Stadt mit den meisten Banküberfällen. Abgeordneter Westenthaler hielt es für angebracht, die Schengengrenzen wieder dicht zu machen, bis die innere Sicherheit wieder hergestellt sei. "Es ist nicht unser Verständnis von Globalisierung, unser Geld nach Brüssel, unsere Autos nach Polen und unsere Wohnungseinrichtungen nach Rumänien wandern zu sehen", sagte Westenthaler pointiert und warnte die Regierung vor einem "Scheinasylantengesetz", das illegalen Zuwanderern den Genuss eines humanitären Aufenthalts ermöglicht.

Für den Vorwurf an die Grünen, sie seien eine "parlamentarische Schlepperbande", erhielt Abgeordneter Westenthaler einen Ordnungsruf von Nationalratspräsidentin Mag. Prammer.

Abgeordneter Dr. PILZ (G) ortete das größte Problem in der Kriminalitätsentwicklung in der stark abnehmenden Aufklärungsquote. Hatte Österreich vor der Übernahme des Innenressorts durch die ÖVP eine Aufklärungsquote von 30 % bei Einbruchsdiebstählen, liege die Quote heute nur noch bei 14 %. Die Chancen der organisierten Kriminalität haben sich in diesem Deliktbereich innerhalb weniger Jahre verdoppelt, klagte Pilz und führte diese Entwicklung auf parteipolitisch motivierte Säuberungen im Innenressort seit Innenminister Strasser zurück. Gegenüber den Attacken der FPÖ auf kriminelle Asylwerber gab der Abgeordnete zu bedenken, dass die FPÖ dem Nationalrat, dem Zentrum der österreichischen Demokratie, einen Dritten Nationalratspräsidenten zumute, dem Rechtsextremismus vorgeworfen werde.

Abgeordnete LUEGER (S) machte beim Thema "Islamisierung" auf das Maßnahmenpaket aufmerksam, das Unterrichtsministerin Schmied für islamische Religionslehrer geschnürt habe. Deren Dienstverträge enthalten in Zukunft ein Bekenntnis zu Demokratie und Menschenrechten sowie zur österreichischen Bundesverfassung. Lehrer, die dieses Bekenntnis verweigerten, werde die Lehrbefugnis entzogen. "Rassismus und Verhetzung haben keinen Platz in Österreich", hielt die Rednerin fest.

Weiters bekannte sich die Abgeordnete zur geplanten Neuregelung des humanitären Bleiberechts sowie zur Aufrechterhaltung des Asylrechts für jene, die Asyl brauchen. Schließlich brach die Rednerin auch eine Lanze für eine Integrationspolitik, die auf einem breiten Verständnis der Bevölkerung fußt und ein Zusammenleben der Menschen ohne Rassismus und Fremdenfeindlichkeit möglich mache.

Abgeordneter OBERNOSTERER (V) bezeichnete die Sicherheit als eines der höchsten Güter des Staates, und Österreich sei bekannt als das sicherste Tourismusland der Welt. So sicher wie bei uns in Österreich sei es nirgendwo, statuierte der Redner. Darauf möge man stolz sein, zumal die Regierungserklärung eindrucksvoll belege, dass der richtige Weg fortgesetzt werde. Der Populismus der Opposition verfange daher nicht, man soll dieses Land nicht "vernadern", sondern froh darüber sein, hier leben zu dürfen.

Abgeordneter Dr. HAIMBUCHNER (F) hielt fest, seine Fraktion kritisiere nicht die Beamten des Innenressorts, sondern die Politik der Regierung. Es gebe Besorgnis erregende Fakten, auf die es entsprechend zu reagieren gelte. Insbesondere verwies der Redner auf die Gefahr des Islamismus und forderte Maßnahmen gegen dessen Agieren. Generell brauche es eine andere, eine wirkliche Sicherheitspolitik. Sicherheitsgefühl allein genüge nicht, man benötige wirkliche Sicherheit.

Abgeordneter LINDER (B) kritisierte die geplante Liberalisierung des Bleiberechts und warnte vor falscher Rücksichtnahme. Die Österreicher müssten lernen, zu ihrer Kultur zu stehen, sonst würde der Islam das Land weiter unterwandern. Besonderes Augenmerk schenkte der Redner sodann jener Kriminalität, die in seinen Augen von Asylwerbern ausgehe. Sein Bundesland habe in dieser Frage die richtige Lösung gewählt, die anderen Bundesländer mögen sich daran ein Beispiel nehmen, so Linder.

Abgeordnete Mag. KORUN (G) warf den Freiheitlichen vor, sie vermischten undifferenziert unterschiedliche Dinge miteinander, um damit ihre politische Argumentation zu untermauern. Diese "Sündenbockpolitik" sei rigoros abzulehnen. Man solle nicht Angst schüren, vielmehr solle man die bestehenden Probleme lösen. Die Rednerin mahnte mehr Seriosität in der Debatte ein und forderte dazu auf, die Dinge konstruktiv zu diskutieren. (Schluss)