Parlamentskorrespondenz Nr. 198 vom 11.03.2009

Steuerreform mit Mehrheit der Regierungsfraktionen beschlossen

Opposition: Entlastung ist zu gering und zu wenig wirksam

Wien (PK) - Vor Eingang in die Tagesordnung kündigte Präsidentin Mag. PRAMMER für 15 Uhr eine Debatte über einen Dringlichen Antrag der Grünen betreffend "Bildungsmilliarde – Teil Eins" an. Im Anschluss daran wird auf Verlangen der Grünen eine kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 526/AB des Landwirtschaftsministers betreffend Umsetzung der Wasserrahmen-Richtlinie stattfinden.

Steuerreform: 400 bis 1.350 Euro pro Jahr für die SteuerzahlerInnen

Erster Punkt der Tagesordnung war die Steuerreform. Die Vorlage wurde nach rund vierstündiger Debatte mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen.

Abgeordneter STRACHE (F) warf als erster Redner der Regierung vor, vor der Realität den Kopf in den Sand zu stecken, und lehnte die Steuerreform als nicht der Krise angemessen ab. Er sprach von einem "Reförmchen" und bemerkte, die Regierung verkaufe einen Tropfen auf einem sehr heißen Stein als Wasserfall. Angesichts des Ausmaßes der Finanz- und Bankenkrise wäre Klotzen und nicht Kleckern angesagt, meinte Strache. Er kritisierte insbesondere, dass die Entlastung für die Bürger zu gering sei und bloß fünf Euro pro Woche ausmache. In Wirklichkeit brauche Österreich ein Steuerentlastungspaket mit einem Volumen von 6 bis 7 Mrd. € für die Leistungsträger, das Maßnahmen gegen die kalte Progression und eine echte Senkung der Steuertarife enthalte. Durch die vorliegende Reform hingegen würden die Klein- und Mittelbetriebe weiter in den Ruin und die Österreicher in die Armutsfalle getrieben, meinte Strache.

Abgeordneter KOPF (V) erwiderte, die Regierung tue mit dieser Reform genau das Richtige und begegne der Krise mit einem Paket, das Schwerpunkte für Familien und Klein- und Mittelbetriebe setze und mit der Senkung der Lohn- und Einkommensteuer jene entlaste, die tatsächlich Steuern zahlen. Der Redner rechnete vor, dass die Steuerzahler mit 400 bis 1.350 € pro Jahr von dieser Steuerreform profitieren werden, und sah den heutigen Beschluss in einer Reihe mit dem Bankenpaket und den beiden Konjunkturpaketen. Kopf gab zu bedenken, dass all diese Maßnahmen an die Substanz und an die Grenzen der Belastbarkeit des Staatshaushaltes gehen, betonte aber, Österreich stehe nach wie vor besser da als andere Länder. Mit Nachdruck wandte er sich in diesem Zusammenhang gegen, wie er sagte, tendenziöse, aus Österreich lancierte Berichte in ausländischen Medien und warnte vor einer Gefahr für die Bonität des Landes.

Abgeordneter BUCHER (B) bemängelte, das Volumen der Steuerreform sei mit 2,2 Mrd. € Entlastung zu gering in Anbetracht der größten Krise der Zweiten Republik und des Umstandes, dass für die Banken 100 Mrd. € zur Verfügung stehen. Es reiche nicht aus, bloß an zwei Steuerschrauben zu drehen, ohne echte Reformen anzugehen. Bucher kritisierte insbesondere, dass für untere Einkommensbezieher fast nichts übrig bleibe. Auch sei als Folge der Reform mit einer Erhöhung der Gemeindegebühren zu rechnen, die die Entlastung der Bürger wieder zunichte machen werde. Überdies warnte der Redner, dass in letzter Instanz die Steuerzahler für das Bankenpaket werden aufkommen müssen.

Abgeordneter Dr. CAP (S) sprach hingegen von einer sozial ausgewogenen Tarifentlastung und unterstrich, die Regierung setze Maßnahmen, die gegen die Krise wirken und die Zukunftsfähigkeit Österreichs fördern – von der Mittelstandsmilliarde über die kostenlosen Kindergärten bis hin zum Vorziehen von Infrastrukturprojekten und zu den Reformen im Schulbereich. Der Opposition hielt er vor, sie könne keinerlei Vorschläge anbieten, wie auf die Wirtschaftskrise zu reagieren sei. Mit Nachdruck wies Cap vor allem die Kritik des Abgeordneten Westenthaler zurück, wobei er meinte, in der Zeit der BZÖ-Regierungsbeteiligung sei jeder Österreicher wie eine Zitrone von der Regierung ausgepresst worden.   

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G) meinte, in Superlativen zu sprechen, sei bei dieser Steuerreform nicht angebracht, eine der wenigen richtigen Maßnahmen sei die Beendigung der Stock Options. Bei der Steuerreform gehe es nicht um eine echte Reform, sondern im Wesentlichen um eine Tarifsenkung in der Größenordnung von 2,3 Mrd. € und um ein zusätzliches Familienpaket von 500 Mio. €. Die krisenhafte Entwicklung auf den Finanzmärkten und in der Realwirtschaft lassen aus ihrer Sicht nur zwei Fragen zu: Welchen Beitrag leistet die Steuerreform zur Sicherung von Arbeitsplätzen, zur Verhinderung von Arbeitslosigkeit bzw. zur Ankurbelung der Konjunktur und was trägt sie bei, um die weit auseinanderklaffende Schere zwischen arm und reich in Österreich zu schließen. – Hierzu leiste das Projekt, kam sie zum Schluss, keinen Beitrag, denn Arbeit werde nicht ent- und arbeitsloses Einkommen nicht belastet. "Die Krise gehe zu Lasten der unteren Einkommen, 2,5 Mio. Menschen erhalten aus der Steuerreform keinen einzige Cent", betonte die G-Rednerin. Wann kommt die Stunde der Wahrheit, fragte sie, denn jede Tarifsenkung müsse gegenfinanziert werden. Nun werde bei Ermessensausgaben gespart, verteilungspolitisch ist dies ihrer Meinung nach "unklug und ungerecht".

Vizekanzler DI PRÖLL meinte, selbst die Experten waren im Ausschuss-Hearing einhellig der Meinung, dass diese Steuerreform die stärkste Entlastung für die SteuerzahlerInnen bringe, die Österreich je gesehen habe. Wir stehen, sagte er, vor der größten Herausforderung in finanz- und wirtschaftspolitischer Hinsicht seit 1945, die Daten zeigen konsequent nach unten. Von allen sollte das Anliegen unterstützt werden, mit 100 Mrd. die Spareinlagen zu stabilisieren und die Kreditwirtschaft aufrechtzuerhalten, unterstrich er. Unverständlich ist dem Finanzminister, dass sich manche in dieser angespannten Zeit wieder von einer einhelligen Entscheidung verabschieden wollen. Das trage nicht dazu bei, "mit ruhiger Hand durch die größte Krise, die wir seit langem haben, durchzusteuern", strich Pröll heraus. Österreich habe sich stärker als andere EU-Länder dazu entschlossen, auf einen Maßnahmen-Mix zu setzen: die Menschen mit der Steuerreform zu entlasten und gleichzeitig die Wirtschaft mit zwei Konjunkturpaketen zu stärken. Mehr als 2 Mio. Menschen wurden im Ausmaß von 300 Mio. € bereits entlastet, unterstrich der Vizekanzler, 500 Mio. sind für die Familien vorgesehen und auch den Menschen, die unternehmerisch tätig sind, soll mit der Erhöhung des Freibetrags von 10 auf 13 % ein klares Signal gegeben werden, dass auch in der Krise auf ihre unternehmerische Tätigkeit gesetzt wird.

Im Zusammenhang mit der Absetzbarkeit der Spenden wies das Regierungsmitglied darauf hin, dass die Menschen einen Teil ihres Spendenvolumens wieder zurückbekommen, aber in einem ersten Schritt gelte das nur für jene Organisationen, "die Dienst am Menschen tun"; wenn die öffentlichen Budgets wieder mehr Spielraum haben, werde man "vielleicht" auch darüber diskutieren, andere Organisationen einzubeziehen, kündigte er an.

Für Abgeordneten THEMESSL (F) handelt es sich um keine Steuerreform, sondern um eine "geringfügige Tarifanpassung", die die Inflationsrate der letzten drei Jahre knapp abdeckt. Im Vergleich zum Bankenrettungspaket sei es "beschämend", was hier gemacht werde, denn das Hauptaugenmerk sollte darauf liegen, die Beschäftigung in Österreich sicherzustellen, so Themessl, denn 100.000 Arbeitslose belasten laut WIFO das Budget des Staates mit 2,5 Mrd. €. Wenn man zusätzlich 400.000 Arbeitslose bis zum Herbst dieses Jahres erwartet, dann bedeute das, dass das heurige Budget mit 10 Mrd. € zusätzlich belastet wird. Ist das budgetiert?, wollte der Redner wissen. Der Abgeordnete war gegen manche Maßnahmen und forderte statt einer Verschrottungsprämie etwa das Aussetzen der NoVA. Themessl schloss sich den Worten von Hannes Androsch an: Die Politik schläft, man könne einen Großbrand nicht mit einer Gießkanne löschen.

Abgeordneter Dr. STUMMVOLL (V) wies auf das "gelebte Konzept der sozialen Marktwirtschaft" hin, das sich wesentlich vom neoliberalen Kapitalismus der Wall Street unterscheide, und außerdem habe man in den Jahren 2000 bis 2007 erfolgreich Strukturreformen durchgeführt, die heute eine solche Steuerreform ermöglichen. Daher stehe Österreich heute besser als viele andere Länder da, betonte Stummvoll. "Man kann die Wirtschaft nicht gesundbeten, aber krankjammern kann man sie sehr leicht", meinte er in Richtung F-Abgeordnetem Strache. Die FPÖ sei sehr gut im Fordern, aber wo es um das Einsparen von Ausgaben gehe, dort sei sie "sehr schmähstad". Die Politik habe auf die Vorgänge sehr rasch reagiert und man habe eine "sehr gute Leistungsbilanz der ersten 100 Tage der Bundesregierung", hob Stummvoll hervor.

Weil die SPÖ sozialpolitisch versagt habe und auch jetzt wieder versage, verliere die SPÖ seit Jahren alle Wahlen, sagte Abgeordneter WESTENTHALER (B). Faymann sei es gleichgültig, was die Menschen bewegt, und der Finanzminister "verstecke" in der vorösterlichen Zeit alles, etwa das Budget, das er erst am 21. April vorlegt, oder auch die Pensionsanpassungen. In Wirklichkeit sei diese Steuerreform ein "Verlustgeschäft" für die Menschen.

Abgeordneter KRAINER (S) erinnerte u.a. daran, dass im Rahmen der Reform 2004/05 die Menschen, die so wenig verdienten, dass sie keine Lohnsteuer bezahlt haben, Null Euro erhielten, während 2008/09 für diese Menschen die Arbeitslosenversicherungsbeiträge gesenkt wurden, die Bezieher mittlerer Einkommen wurden 2004/05 mit 100 Euro im Jahr abgespeist, jetzt seien es an die 500 €. 2001, mit Wirksamkeit 2002, habe man die Stock Options für Manager eingeführt - bis zu 35.000 € hätten Manager weniger Steuer bezahlt -, nun werde es diese Steuerprivilegien für Manager nicht mehr geben.

Abgeordneter Mag. KOGLER (G) befasste sich mit den Schwerpunkten der WIFO-Studie, wies u.a. darauf hin, dass demnach der Faktor Arbeit entlastet, die Ökologisierung des Steuersystems in Angriff genommen und die Kinderarmut bekämpft werden sollte. Die jetzigen Vorschläge gingen aber darauf nicht ein. Als positiv hob er die Abschaffung der steuerlichen Begünstigung der Stock Options und die Beseitigung der Begünstigung der Besteuerung der nicht entnommenen Gewinne hervor. Die Reform sei aber keine Reform, da dort, wo Beschäftigungswirkung erzeugt werden könnte, nichts passiere; die Menschen mit dem geringsten Einkommen hätten nichts von dieser Reform, beklagte Kogler.

Staatssekretär Mag. SCHIEDER: In Zeiten einer wirtschaftlichen Krise gehe es darum, die Konjunktur zu stabilisieren, die Beschäftigung zu fördern und die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Wirkungsvoll, rasch und massiv müsse gehandelt werden, was mit dem heutigen Beschluss im Nationalrat umgesetzt werde. Im konjunkturellen Bereich werde das zweitgrößte Paket innerhalb der EU geschnürt, wenn man die Sozialleistungen hinzurechnet, dann liege Österreich im "absoluten Spitzenfeld" Europas. Die Steuerreform sei ein großer Erfolg, da sie ab 1.1.2009 gilt und damit das Geld rasch zu den Menschen kommt. 1,8 Mrd. € dieser Steuerentlastung laufen direkt in den Konsum, teilte er mit, dies werde zu einer massiven Ankurbelung des Konsums führen. 13.000 neue Jobs werde man schaffen und 2010 mit einem positiven BIP-Effekt von 0,7 % rechnen können. Es werde dort entlastet, wo es notwendig, und Privilegien würden dort gestrichen, wo es möglich sei, erklärte der Staatssekretär.

Abgeordneter WEINZINGER (F) kritisierte, bei der vorliegenden Steuerreform handle es sich um eine "schlichte Tarifbereinigung", die keine maßgeblichen Auswirkungen auf die Kaufkraft der Bevölkerung haben werde. Angesichts der aktuellen Wirtschaftskrise wäre seiner Meinung nach eine viel größere Steuerentlastung notwendig gewesen. Die Steuerreform reiche, so Weinzinger, bei weitem nicht aus, um die österreichische Wirtschaft nachhaltig zu unterstützen.

Abgeordneter AUER (V) betonte hingegen, die Steuerreform komme zum richtigen Zeitpunkt. Keine Steuerreform und kein Konjunkturpaket könne die Wirtschaftskrise abwenden, meinte er, man könne die Auswirkungen der Krise aber deutlich vermindern. Ihm zufolge profitieren vor allem Bezieher von Einkommen bis 4.000 € von der Steuerreform. Zurückgewiesen wurden von Auer Behauptungen, wonach es in Österreich eine massive "Kreditklemme" gebe.

Abgeordneter SCHEIBNER (B) machte seinen Vorredner darauf aufmerksam, dass sehr wohl viele Betriebe Probleme hätten, notwendige Kredite zu bekommen. Seiner Meinung nach stimmt es auch nicht, dass nunmehr hauptsächlich solche Betriebe vor Schwierigkeiten stehen, die bereits in der Vergangenheit schlecht gewirtschaftet haben oder keine ordentlichen Bilanzen legen konnten. Ein enormes Einsparungspotential sieht Scheibner, wie er sagte, in der Verwaltung, etwa im Gesundheitsbereich oder durch die Einführung eines einheitlichen Dienstrechts für Bund und Länder.

Abgeordnete Mag. RUDAS (S) zeigte kein Verständnis für die ablehnende Haltung der Opposition zum vorliegenden Gesetzespaket und erinnerte daran, dass die Opposition stets gefordert habe, die Steuerreform vorzuziehen. Nunmehr stimmten FPÖ, BZÖ und Grüne dagegen, bedauerte sie. Allgemein hielt Rudas fest, Hauptziel der Politik müsse es sein, Arbeitsplätze zu sichern und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.

Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) qualifizierte die Steuerreform als aus konjunkturpolitischer Perspektive nicht angemessen. Der optimistischste Experte erwarte sich von der Reform lediglich 13.000 zusätzliche Arbeitsplätze, skizzierte er, das sei angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit viel zu wenig. Van der Bellen zufolge würde man mit dem gleichen Entlastungsvolumen stärkere konjunkturelle Effekte erzielen, würde man die untersten und unteren Einkommen stärker entlasten. Zudem hätte man durch eine Gegenfinanzierung in Form von höheren Vermögenssteuern einen größeren Spielraum gehabt.

Abgeordneter GRADAUER (F) wies darauf hin, dass der Steuerzahler für die Staatsschulden jährlich 10 Mrd. € Zinsen zahle. Unter diesem Blickwinkel ist es seiner Meinung nach mutig festzustellen, dass sich Österreich die Steuerreform leisten könne. Hätte man in Zeiten guter Konjunktur mehr gespart und "nicht geprasst", wäre bei der Steuerreform ein weitaus größeres Volumen möglich gewesen, sagte er. Kritisch beleuchtete Gradauer auch die Tatsache, dass es im letzten Jahrzehnt zu einer "großen Umverteilung" von Lohneinkommen zu Einkommen aus Gewinnen und Vermögen gekommen sei.

Abgeordnete TAMANDL (V) begrüßte ausdrücklich, dass die vorgesehene Steuerentlastung nicht durch höhere Steuern in anderen Bereichen gegenfinanziert werde. Gleichzeitig hob sie besonders die steuerliche Entlastung für Familien und Unternehmer hervor. Dass für Bezieher niedriger Einkommen nichts getan werde, stimme nicht, sagte Tamandl, schließlich seien mit der Steuerreform 2003/04 Einkommen bis 10.000 € steuerfrei gestellt und Kinderzuschläge eingeführt worden. Viele ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen zahlten seither keine Steuern mehr.

Abgeordneter Ing. LUGAR (B) konstatierte, die Regierung schätze die Lage "völlig falsch" ein. Die vorliegende Steuerreform sei bestenfalls geeignet, um auf eine "kleine Konjunkturdelle" zu reagieren, meinte er, in Anbetracht der jetzigen Wirtschaftskrise falle sie aber viel zu gering aus. Der Bundeskanzler könne die Krise nicht weglächeln, erklärte Lugar, und forderte Faymann auf, mehr gegen die steigende Arbeitslosigkeit zu unternehmen.

Abgeordneter Dr. MATZNETTER (S) hielt fest, die Bevölkerung werde sich merken, dass FPÖ, BZÖ und Grüne gegen steuerliche Entlastungen stimmten. Von der Steuerreform würden nicht nur ArbeitnehmerInnen profitieren, man fördere auch die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit 500 Mio. €, unterstrich er. Ebenso verteidigte er die vorgesehenen Steuererleichterungen für Selbstständige und Unternehmer. Ausdrücklich begrüßt wurde von Matznetter, dass es mit der Steuerreform zu keiner Einführung eines Steuersplitting-Modells für Familien komme.

Abgeordnete Dr. LICHTENECKER (G) vermisst, wie sie ausführte, eine strukturelle Reform des Steuersystems. Wolle man die österreichische Volkswirtschaft zukunftsorientiert gestalten und krisensicherer machen, sei es notwendig, die steuerliche Belastung von Arbeit zu reduzieren und stattdessen Vermögen sowie Umweltbelastungen stärker zu besteuern, betonte sie. Eine aufkommensneutrale ökologische Steuerreform könnte den Energieverbrauch in die richtige Richtung lenken. Ein von Lichtenecker eingebrachter Abänderungsantrag zielt darauf ab, auch Spenden an Umweltschutz- und Tierschutzorganisationen steuerlich absetzbar zu machen.

Abgeordneter Dr. BARTENSTEIN (V) bekräftigte, die Regierung beweise mit der Steuerreform und den Konjunkturbelebungspaketen "Mut und Weitblick". Mit den Paketen könne man der Krise nicht Einhalt gebieten, räumte er ein, man könne die Auswirkungen aber abmildern. Immerhin würden insgesamt 6 Mrd. € für Konjunkturbelebungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt. Erfreut äußerte sich Bartenstein auch darüber, dass mit der vorliegenden Steuerreform die Diskriminierung von Einkommensteuerzahlern gegenüber Lohnsteuerzahlern beendet werde.

Abgeordneter Mag. HAIDER (F) hielt fest, die Steuerreform verdiene diesen Titel nicht, es handle sich bloß um eine - viel zu zaghafte - Tarifanpassung. Die Bezieher kleiner Einkommen, die es am dringendsten brauchen würden, erhielten die geringste Entlastung. "Damit können sie den Konsum nicht stärken und die Konjunktur nicht ankurbeln", kritisierte Haider.

Abgeordneter KAIPEL (S) erwiderte, niemand zweifle an der Richtigkeit und Notwendigkeit der Steuerreform, die arbeitenden Menschen nütze und somit an die richtigen Adressaten gerichtet sei. Die Entlastung werde sich auf den Konsum auswirken und damit jene Betriebe stärken, in denen 70 % der Menschen beschäftigt sind; die Regierung beweise mit dieser Reform Kompromissfähigkeit und Handlungsbereitschaft.

Abgeordnete HAUBNER (B) machte darauf aufmerksam, dass das jetzt vielbejubelte Gratiskindergartenjahr in Wien in Kärnten bereits längst eingeführt worden sei. Die Begeisterung der Volkspartei über das 500 Mio. € -Familienpaket betrachtete die Rednerin aus frauenpolitischer Sicht skeptisch, da Familien mit hohen Einkommen deutlich mehr profitierten als solche mit niedrigen, auch würden Männer gegenüber Frauen begünstigt. In einem Entschließungsantrag ihrer Fraktion verlangte Ursula Haubner eine Modifikation der Steuerreform zugunsten von AlleinerzieherInnen. Das BZÖ will Kinderabsetzbeträge, von denen alle profitieren können, die Spendenabsetzbarkeit auch für Natur-, Tierschutz- und Blaulichtorganisationen und die Einführung des Flat-Tax-Modells.

Abgeordneter WÖGINGER (V) führte gegenüber seiner Vorrednerin mit Nachdruck die Wirksamkeit und die soziale Treffsicherheit der heute zu beschließenden Steuerreform aus. Menschen, die unter der Lohnsteuergrenze liegen, profitierten von den Maßnahmen der Steuerreform 2004/05 und von den damals beschlossenen zusätzlichen Familienleistungen. Ein Abänderungsantrag Wögingers enthielt eine datenschutzrechtliche Ergänzung im Zusammenhang mit der neuen Spendenabsetzbarkeit.

Abgeordnete Mag. MUSIOL (G) rechnete der Bundesregierung vor, dass die Familiensteuerreform, für die sie sich so viel zugutehalte, einer Alleinerzieherin mit 1.100 € Monatseinkommen im Jahr gerade einmal so viel Entlastung bringe, wie einer Doppelverdienerfamilie in einem Monat. Das sei sozial nicht gerecht und frauen- sowie familienpolitisch nicht in Ordnung, sagte die Rednerin, die darauf hinwies, dass hunderttausende Menschen in Österreich an oder unter der Armutsgrenze leben.

Staatssekretär Dr. LOPATKA trat der Kritik der Opposition an der Familiensteuerreform mit dem Argument entgegen, Österreich liege gemeinsam mit Dänemark im internationalen Vergleich an der Spitze familienpolitischer Leistungen. Für Steuerzahler und Leistungsträger sei der heutige Tag ein guter Tag, weil er deutliche Entlastungen bringe, wie auch die dringend notwendigen konjunkturpolitischen Wirkungen zeigen würden. Die Steuerreform bringe einen starken Impuls zur Sicherung von 13.000 Arbeitsplätzen und sie werde rasch wirksam, betonte Lopatka, weil die Regierungsparteien mit Unterstützung der Opposition im Ausschuss dafür Sorge getragen haben, dass die Lohnsteuerzahler noch vor dem Sommer jene Beträge zurückerstattet erhalten, die sie seit Anfang des Jahres zu viel an Steuern bezahlen.

Abgeordnete BAYR (S) trat der Forderung der Freiheitlichen nach Einführung eines Familien-Steuersplittings entgegen, weil dies wohlhabende Familien bevorzugen und gleichzeitig Frauen vom Arbeitsmarkt verdrängen würde. Bei der Absetzbarkeit der Spenden sprach die Rednerin die Hoffnung aus, in zwei Jahren auch Umweltorganisationen berücksichtigen zu können.

Abgeordneter VOCK (F) machte darauf aufmerksam, dass Spenden für gemeinnützige Organisationen in anderen Ländern schon lange steuerlich begünstigt werden und beklagte vehement, dass die Bundesregierung Umwelt-, Natur- und Tierschutzorganisationen von der Absetzbarkeit ausschließe.

Abgeordnete STEIBL (V) erinnerte Abgeordnete Musiol an die Besserstellung der Familien durch die Steuerreform 2004/05, an die 13. Auszahlung der Familienbeihilfe seit Herbst 2008 und zeigte sich froh darüber, dass Kinderbetreuungskosten nunmehr von der Steuer abgesetzt werden können.

Abgeordneter Mag. STADLER (B) trat mit einem Abänderungsantrag dafür ein, die "Kirchensteuer" abzuschaffen, einen Kirchenbeitrag nach dem Prinzip der Freiwilligkeit einzuheben, dafür aber zur Gänze steuerlich absetzbar zu machen. Als peinlich bezeichnete es der Redner, dass die FPÖ mit Mag. Roman Haider einen "Konkursanten" zur Debatte über die Steuerreform ans Rednerpult schicke - der Aussage, er sei ein Konkursant widersprach Abgeordneter Mag. HAIDER (F) in einer tatsächlichen Berichtigung.

Abgeordneter HAUBNER (V) zeigte auf, dass die vorliegende Steuerreform langjährige Forderungen der Wirtschaft, insbesondere der KMU, erfülle. Der Gewinnfreibetrag entspreche der steuerlichen Begünstigung des 13. und 14. Gehalts der Unselbstständigen und bringe damit eine Gleichstellung aller Erwerbstätigen. Die investitionsfördernden Elemente der Steuerreform schafften Freiräume für die Unternehmen, die notwendig seien, um Betriebe zu erhalten und auszubauen. Einmal mehr wies Haubner darauf hin, dass 85 % der Lehrlinge in Österreich in KMU ausgebildet werden.

Abgeordneter HOFER (F) plädierte zunächst dafür, bei der thermischen Gebäudesanierung auch Personen zu fördern, die nicht mit Fremdkapital, sondern eigenen Ersparnissen Investitionen vornehmen. Die Verschrottungsprämie für Altautos sollte auf Ölheizkessel ausgedehnt werden, um Anreize für die Umstellung der Raumheizung auf erneuerbare Energieträger zu bieten. Außerdem verlangte der Abgeordnete steuerliche Anreize für die Anschaffung verbrauchsarmer Fahrzeuge. Die Absetzbarkeit privater Spenden sollte durch ein "Spendengütesiegel" administrativ vereinfacht werden.

Abgeordnete Mag. SCHWENTNER (G) klagte darüber, dass die Steuerpolitik in Österreich auch nach der vorliegenden Reform männlich dominiert bleiben werde. 1,7 Mio. Frauen werden von ihr nicht profitieren können, kritisierte die Rednerin und wies das Argument zurück, die meisten dieser Frauen zahlten keine Lohn- und Einkommensteuer. Dieser Vorteil wiege wenig gegenüber den Belastungen durch Sozialversicherungsabgaben und Verbrauchssteuern, gab Schwentner zu bedenken.

Abgeordnete KITZMÜLLER (F) relativierte die Freude der Regierungsparteien über das 500 Mio. € - Familienpaket mit dem Hinweis darauf, dass viele familienpolitische Leistungen schon jahrelang nicht mehr valorisiert wurden. Außerdem brachte die Rednerin verfassungsrechtliche Bedenken gegen die steuerliche Begünstigung der externen Kinderbetreuung gegenüber der Betreuung der Kinder durch ihre eigenen Mütter vor. "Wir Freiheitlichen wollen den Müttern Gelegenheit geben, sich selbst um ihre Kinder zu kümmern", schloss die Rednerin.

Abgeordneter LINDER (B) beklagte die Weigerung der Bundesregierung, die Leistungen von Feuerwehren, Umwelt- und Tierschutzorganisationen, Dorfverschönerungsvereinen und Blaulichtorganisationen anzuerkennen und die Spenden für sie steuerlich absetzbar zu machen. Dies erschwere es vor allem ländlichen Gemeinden, die Lebensqualität und die touristische Wettbewerbsfähigkeit in den Dörfern aufrechtzuerhalten und dem Wegzug der Bewohner in die Ballungszentren entgegenzuwirken. Zudem müssen die Gemeinden in Folge der Steuerreform mit Einkommensverlusten rechnen.

Abgeordneter Mag. WIDMANN (B) hielt es für unglaubwürdig, wenn sich SPÖ und ÖVP als Retter vor der Wirtschaftskrise aufspielten. Der Redner erinnerte an gebrochene Versprechen des Bundeskanzlers beim Thema Postämterschließung, kritisierte die mageren Vorteile der Steuerreform für Menschen mit kleinen Einkommen und machte auf die täglich steigende Zahl der Kurzarbeiter aufmerksam. Auf eine Lohnsteuerentlastung für Kurzarbeiter drängte der Abgeordnete mit einem Entschließungsantrag seiner Fraktion.

Bei der Abstimmung wurde das Steuerreformgesetz 2009 unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrages von ÖVP und SPÖ mit den Stimmen der beiden Regierungsparteien mehrheitlich angenommen. Die Abänderungsanträge von BZÖ (unterstützt nur von B-Abgeordneten) und Grünen (unterstützt von G- und B-Abgeordneten) erhielten nicht die erforderliche Mehrheit.

Der Entschließungsantrag des BZÖ betreffend die Einführung der Flat-Tax wurde von den anderen Parteien abgelehnt, auch der Antrag der FPÖ betreffend bessere Unterstützung von KurzarbeiterInnen fand keine Unterstützung bei SPÖ, ÖVP und Grünen.

Die ebenfalls auf der Tagesordnung stehenden Anträge der Opposition fanden keine ausreichende Unterstützung. So wurde der Bericht des Finanzausschusses über den F-Antrag betreffend Absetzbarkeit von Spenden mit S-V-G-Mehrheit angenommen, jener über den G-Antrag betreffend Einkommenssteuergesetz mit S-V-Mehrheit, der Ausschussbericht über den B-Antrag betreffend Einkommensteuergesetz mit S-V-Mehrheit, der Bericht über den F-Antrag betreffend steuerliche Entlastung verbrauchsarmer PKW mit S-V-G-Mehrheit und schließlich der Bericht über den F-Antrag betreffend Konjunkturpaket Familie mit S-V-B-G-Mehrheit. Da es sich bei all diesen Anträgen um sogenannte negative Ausschussberichte handelt, gelten all diese Anträge somit als abgelehnt. (Schluss Steuerreform/Forts. NR)