Parlamentskorrespondenz Nr. 243 vom 24.03.2009

Minister Mitterlehner: Keine Staatsbeteiligung an Nabucco

Wirtschaftsausschuss diskutiert über EU-Programm

Wien (PK) – Aspekte der Energiepolitik standen heute im Mittelpunkt der Debatte des Wirtschaftsausschusses über das aktuelle EU-Arbeitsprogramm in Sachen Wirtschaftspolitik. So brachten die Abgeordneten Alois Gradauer (F) und Christiane Brunner (G) das Projekt Nabucco zur Sprache. Abgeordneter Rainer Widmann (B) wiederum äußerte sich kritisch über Atomstromimporte Österreichs und forderte mehr Glaubwürdigkeit in der Anti-Atompolitik. Abgeordneter Christoph Matznetter (S) wiederum zeigte sich verärgert über den von der EU verordneten Ausstieg aus den herkömmlichen Glühbirnen und meinte, die Union lege es mit diesem absurden Beschluss offensichtlich bewusst darauf an, vor der EU-Wahl eine europafeindliche Stimmung in der Bevölkerung zu erzeugen.

Bundesminister Reinhold Mitterlehner kündigte die Ausarbeitung eines Gesamtenergieplans für Österreich an, dessen Hauptaspekte die Energieeffizienz, ein 34 %-Anteil erneuerbarer Energien bis zum Jahr 2020 sowie die Sicherung der Energieversorgung sein werden. Das Pipeline-Projekt Nabucco spiele dabei eine wichtige Rolle, gelte es doch, die Versorgungssicherheit im Bereich des Erdgases zu erhöhen, bestätigte er. Mitterlehner teilte weiters mit, dass mit dem Abschluss eines Regierungsübereinkommens mit der Türkei im kommenden Juni die rechtliche Basis für Nabucco gelegt werde. Die Mittel für die Pipeline werden, wie der Minister mit Nachdruck betonte, am freien Markt aufgebracht werden, eine Beteiligung des österreichischen Staates werde es nicht geben. Lediglich die EU plane, 200 Mio. € für das Projekt zur Verfügung zu stellen. Mitterlehner erwartete sich im Übrigen auch entsprechende konjunkturelle Impulse von Nabucco.

Was den Atomstrom betrifft, trat der Minister für eine realistische Sichtweise ein und meinte, es handle sich in der Praxis um einen Balanceakt. Österreich könne sich mit Wasserkraft sehr wenig anfreunden, wenn es um Großprojekte geht, brauche aber Versorgungssicherheit. Klar war Mitterlehner dabei, dass auch Strom mit Atomanteil aus dem Ausland nach Österreich gelangen könne, zumal "der Strom kein Mascherl hat".

Zu den Ökolampen bemerkte Mitterlehner, Österreich habe den EU-Beschluss zur Kenntnis genommen, die Lampen seien nicht gesundheitsgefährdend, österreichische Konkurrenz werde von der Produktion nicht betroffen. Den Sinn der neuen Lampen sah der Minister vor allem darin, besondere Sensibilität für andere Energiesparprojekte zu wecken.

In der Debatte kam überdies auch die aktuelle Wirtschaftskrise nicht zu kurz. Abgeordneter Wolfgang Katzian (S) äußerte die Befürchtung, bei der starken Fokussierung der EU auf den ökonomischen Bereich könnten soziale Ansätze auf der Strecke bleiben, so etwa die Absicherung der Daseinsvorsorge, eine koordinierte Beschäftigungspolitik oder neue Strategien der Europäischen Zentralbank. Mit Nachdruck stellte Katzian fest, vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen sei nicht weniger Regulierung, sondern mehr Regulierung gefordert. Auch dürfe es im Zuge der von der EU angekündigten Beseitigung nicht tarifärer Handelshemmnisse nicht zum Abbau der Sozial- und Umweltstandards kommen. Bundesminister Reinhold Mitterlehner versicherte in diesem Zusammenhang, dass bei der Umsetzung des Programms auf die Einhaltung der Sozialstandards besonders geachtet werde.

Der Bericht über das EU-Programm wurde bei der Abstimmung mit S-V-G-Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Ausschuss repariert Gaswirtschaftsgesetz

Mit Stimmenmehrheit beschloss der Wirtschaftsausschuss weiters eine Änderung des Gaswirtschaftsgesetzes, die nach einem Einspruch des VfGH notwendig geworden ist. Die Verfassungsrichter hatten eine Bestimmung aufgehoben, die bislang die Basis für die Zusammenfassung mehrerer Netze verschiedener Betreiber zu einem Netzbereich ermöglichte. Die nunmehr verabschiedete Gesetzesreparatur enthält die legistisch erforderlichen Präzisierungen.

Ausbaustopp von Gasleitungen: Grüner Antrag vertagt    

Keinen Erfolg hatten die Grünen mit ihrem Vorstoß betreffend einen Ausbaustopp für neue Gasleitungen, insbesondere für die Tauerngasleitung. Der immer größeren Importabhängigkeit bei Energieträgern sei gegenzusteuern, forderte G-Abgeordnete Christiane Brunner in ihrem Entschließungsantrag und kritisierte überdies, Milliardeninvestitionen in Gaskraftwerke und -leitungen würden einem De-facto-Ausbaustopp bei Ökostrom entgegenstehen. Auch seien die im Regierungsprogramm für Gebäudesanierung veranschlagten Mittel zu niedrig dotiert, Chancen auf Investitionen und zehntausende Arbeitsplätze würden dadurch verschenkt. Konkret verlangten die Grünen darüber hinaus, dass Bundes- und Landesregierungen ihre Eigentümerrechte an Energieversorgungsunternehmen einsetzen, um ein Moratorium für den Zubau neuer Gaskraftwerke, insbesondere in Klagenfurt, Zeltweg und Dürnrohr, zu erwirken, bis ein akkordierter Energieplan für Österreich beschlossen wird.

Der Antrag wurde unter Hinweis auf das laufende Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren über die Tauerngasleitung mit S-V-Mehrheit vertagt.

Vertagt wurde ferner auch ein Entschließungsantrag, in dem die Grünen ihre Vorstellungen betreffend die Zukunft der Energiepolitik präsentierten und dabei die Forderung nach einem umfassenden Energieplan für Österreich bis zum Jahr 2030 erhoben. Abgeordnete Christiane Brunner erinnerte darin an die jüngste Gaskrise und sprach von einer fatalen Energie-Abhängigkeit Österreichs und der EU. Es gelte daher, eine langfristige Strategie zu erarbeiten, die auch die Raumentwicklung und Infrastrukturplanung sowie Grundlagen für einen nachhaltigen Umbau des Energiesektors umfasst. Als Ziele listet der Antrag der Grünen den Ausstieg aus fossilen Energieträgern und Atomstromimporten, die Senkung des Energieverbrauchs, Steigerung der Energieeffizienz, etwa durch obligatorischen Passivhausstandard im Neubau, Ausbau erneuerbarer Energieträger, die Verwendung von Gas nur noch als Übergangsbrennstoff für die Industrie, den Einsatz von 100 % erneuerbarer Energien bis 2020 bei der Stromerzeugung und bis 2030 bei der Erzeugung von Raumwärme auf.

Bundesminister Mitterlehner kündigte in diesem Zusammenhang die Vorlage eines Gesamtenergieplanes an, der sich auf einen Zeitraum bis 2020 erstrecken wird.

Weitere Oppositionsanträge vertagt

Vertagt wurden schließlich weitere Anträge der Oppositionsparteien. Es handelte sich dabei zum einen um eine Initiative des Abgeordneten Rainer Widmann (B) auf transparentere, nachvollziehbare sowie vergleichbare Stromrechnungen und –tarife und zum anderen um eine Forderung des Abgeordneten Norbert Hofer (F) auf Erlassung von Bestimmungen, die den Wechsel des Stromanbieters vereinfachen.

Seitens der Regierungsparteien wurde in beiden Fällen auf in Ausarbeitung befindliche Maßnahmen der Koalition verwiesen. (Forts.)


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