Parlamentskorrespondenz Nr. 249 vom 25.03.2009

Wiener und Oberösterreichische Krankenkasse im Vergleich

Die Vorschläge des Rechnungshofs zur Kostensenkung

Wien (PK) – Bei der heutigen Sitzung des Rechnungshofausschusses stand auch ein Thema aus dem Gesundheitsbereich im Mittelpunkt der Beratungen, und zwar der Vergleich zwischen der finanziellen Lage der Wiener Gebietskrankenkasse mit der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse sowie die Analyse der Ursachen für die – stark voneinander abweichenden – Betriebsergebnisse der beiden Kassen. Die Prüfer des Rechnungshofes haben insgesamt 19 Empfehlungen ausgearbeitet, wovon 12 teilweise schon umgesetzt wurden bzw. werden.

Die nachhaltige Versorgung der Wiener Bevölkerung war 2006 aus eigenen Mitteln der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) nicht gesichert, heißt es einleitend im Rechnungshofbericht, der schließlich einstimmig zur Kenntnis genommen wurde. Die Überschuldung war so hoch, dass die Wiener GKK vom guten Willen der Gläubiger, ihr weitere Kredite einzuräumen, abhängig war. Hingegen ist es der OÖ Gebietskrankenkasse — nicht zuletzt durch die Umsetzung der Empfehlungen des RH — gelungen, das beste Gebarungsergebnis aller Gebietskrankenkassen zu erreichen. Der Rechnungshof unterzog daher beide Kassen einem näheren Vergleich, um Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

Minister Stöger gegen Zusammenlegung der Krankenkassen

Der Rechnungshofbericht belege eindeutig, dass es in den Zeiten der schwarz-blauen/orangen Regierung zu einer Aushöhlung des Systems gekommen sei, weil den Kassen zusätzliche Leistungen aufgebürdet bzw. Mittel weggenommen wurden, meinte Abgeordnete Christine Lapp (S). Sie gab auch zu bedenken, dass es in Großstädten wie Wien spezielle Anforderungen an das Gesundheitssystem gebe.

Abgeordneter Gerald Grosz (B) ortete ein Systemproblem und zog den Schluss aus dem Bericht, dass die Sozialversicherungsträger zusammengelegt werden müssen. Es sei auch auffällig, dass die Kassen mit den höchsten Defiziten (Wien und Steiermark) die schlechteste ärztliche Versorgung aufweisen. Ansetzen müsste man unbedingt auch bei den Verwaltungskosten, schlug er vor.

Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) war im Gegensatz zu ihrem Vorredner der Meinung, dass die ärztliche Versorgung in allen Bundesländern sehr gut sei. Was die Situation in Oberösterreich angeht, so müsse man auch sehen, dass es dort viele kleine Spitäler gibt und dass fast 1.000 Planstellen nicht besetzt sind. Ihr wäre es lieber gewesen, wenn man etwa Oberösterreich mit Niederösterreich verglichen hätte, da Wien als Ballungszentrum natürlich eine Sonderposition habe. Einsparungspotential sah die F-Mandatarin auch bei den Verwaltungskosten. Sie plädierte daher u.a. für eine Zusammenlegung der Krankenkassen, eine Harmonisierung bei den Leistungen und den ärztlichen Honoraren sowie für eine Finanzierung aus einem Topf.

Abgeordneter Johann Singer (V) wies auf die großen Unterschiede bei den ärztlichen Honoraren in Oberösterreich und Wien hin. Er fragte zudem den Gesundheitsminister, ob in finanziellen Notlagen auch an die Einführung von Selbstbehalten gedacht wird.

Abgeordneter Werner Kogler (G) lobte den Bericht des Rechnungshofes, da er über den engen Prüfungsrahmen hinausgehe und sehr viele zusätzliche Erkenntnisse gebracht habe. Was die Verwaltungskosten angeht, so müsse man sich vor Augen halten, dass Einsparungen in diesem Bereich nicht allzu viel bringen, da die großen Kostentreiber in anderen Bereichen zu finden sind. Schließlich thematisierte er noch den Einfluss der Pharmaindustrie sowie der Wiener Ärzteschaft.

Abgeordneter Alois Gradauer (F) sprach den Missbrauch mit E-Cards an und forderte, dass die Karten künftig mit Fotos ausgestattet werden. Sein Fraktionskollege Abgeordneter Werner Königshofer erkundigte sich nach dem Kreditrahmen für die WGKK.

Der Bericht des Rechnungshofes zeige klar auf, dass aufgrund zahlreicher gesetzlicher Maßnahmen die Gebietskrankenkassen weniger Einnahmen verbuchen konnten und dass auch zusätzliche Aufgaben dazugekommen sind, konstatierte Gesundheitsminister Alois Stöger. Er halte nichts von einer Zusammenlegung der GKK, da das jetzige System gewährleiste, dass Benchmarks entwickelt und unterschiedliche Zugangsweisen und Lösungswege ausprobiert werden können. Abgeordnetem Gerald Grosz (B) hielt er entgegen, dass es keine aufgeblähten Träger gebe. Die Verwaltungskosten seien sogar sehr gering und es gebe weltweit kaum eine Organisation, die mit so wenig Mitteln so effizient wirtschafte wie die Sozialversicherungsträger. Unrichtig sei auch, dass in Oberösterreich 1.000 Planstellen fehlen. Außerdem sage die Anzahl der Ärzte nichts über den Gesundheitszustand der Bevölkerung aus. Für ihn stehen nicht die Strukturkriterien, sondern die Ergebniskriterien im Vordergrund, betonte Stöger.

Stöger warnte auch vor einer österreichweiten Gleichschaltung der ärztlichen Honorare; hier sollte es wie in allen anderen Berufsgruppen Unterschiede geben. Vielmehr gehe es aus seiner Sicht darum, dass die Ärzte wissen, welche Kosten und Folgekosten sie auslösen. Ablehnend äußerte sich der Gesundheitsminister zur Einführung von weiteren Selbstbehalten, da sie nicht zur Steigerung der Kosteneffizienz beitragen. Ein wirksameres Instrument sei etwa die Umsetzung der E-Medikation, die sehr wohl zur einer besseren Steuerung und Transparenz beitrage. Was die Oberösterreichische Krankenkasse betrifft, so glaube er, dass die dortigen Vertragspartner bereiter waren, ihre Mitverantwortung für die Finanzierung des Gesamtsystems zu übernehmen. Schließlich informierte er noch über die Pläne und Maßnahmen der Bundesregierung im Gesundheitsbereich, wie etwa die Etablierung eines Kassenstrukturfonds zur kurzfristigen Liquiditätssicherung (450 Mio. Euro) oder den Auftrag an den Hauptverband, bis Mitte des Jahres weitere Kostendämpfungspotentiale zu eruieren.

Der Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse Franz Bittner war froh über den Rechnungshofbericht, da er klar zeige, mit welchen Belastungen die Krankenkassen in den letzten Jahren umgehen mussten. Eine ganz wichtige Aussage sei, dass die Wiener Gebietskrankenkasse aus eigener Kraft, d.h. aus den Beiträgen der Versicherten, nicht mehr finanzierbar ist und auch aufgrund der Veränderungen in der Arbeitswelt steuerfinanzierte Maßnahmen benötige. Im konkreten informierte Bittner darüber, dass die WGKK im Jahr 2008 ein Defizit in der Höhe von 603 Mio. Euro aufwies, 2009 sei mit 648 Mio. Euro zu rechnen. Es gebe auch intensive Bemühungen, die Verwaltungskosten zu senken, führte Bittner weiter aus, ihr Anteil wird heuer auf 2,1 % gesenkt werden können. Auch bei den Beschäftigtenzahlen im Dienstleistungsbereich gab es ein Minus von 14, 2 % bezogen auf den Zeitraum 2000 bis 2009.

Im Vertragspartnerbereich wünsche er sich vom Gesetzgeber, dass es die Möglichkeit gibt, Verträge leichter zu lösen, denn es gehe nicht an, dass einzelne Gruppen die Ärztekammer in Geiselhaft nehmen. Bezüglich der Kosten für die Heilmittel merkte Bittner an, dass in Österreich, das ein sehr kleiner Markt für die Pharmaindustrie ist, relativ kostengünstig eingekauft wird. Relativ große Spannen gebe es noch bei den Apotheken und den apothekenführenden Hausärzten. Abgeordnetem Alois Gradauer (F) gegenüber stellte Bittner noch fest, dass die Frage der Ausstattung der E-Card mit einem Foto vom Gesetzgeber abhänge; der Missbrauch mit den Karten halte sich seiner Ansicht nach jedoch in Grenzen. Was den Kreditrahmen bei der Bundesfinanzagentur betrifft, so betrage dieser 750 Mio. Euro. Abschließend plädierte Bittner noch dafür, sich die Kosten für das Gesundheitswesen gesamthaft (also Spitäler und niedergelassener Bereich) anzuschauen. Derzeit gebe es keine wirklichen Mess- und Qualitätsinstrumente und auch keine echte Kosten-Nutzenrechnung, die nachprüft, ob die medizinische Behandlungskette wirklich vernünftig war oder nicht.

Rechnungshofpräsident Josef Moser gab eingangs zu bedenken, dass die gesetzlichen Maßnahmen nicht die alleinige Ursache für das negative Ergebnis bei der Wiener Gebietskrankenkasse waren, denn es gab Belastungen und auch Entlastungen. Der Grund, weshalb man sich gerade diese beiden Gebietskrankenkassen zur Prüfung ausgesucht habe, lag darin, dass die OÖGKK den besten Gebarungserfolg aller GKK (+15 Mio. Euro) aufwies, die Wiener GKK den schlechtesten (-71 Mio. Euro). Bemerkenswert sei dabei, dass die Wiener GKK bis 1995 noch ein besseres Betriebsergebnis als die oberösterreichische aufwies. In Oberösterreich wurden allerdings in den letzten Jahren die Empfehlungen des Rechnungshofes aus dem Jahr 1994 umgesetzt.

Bei der Analyse der Ursachen habe man sehr wohl wichtige Komponenten, wie etwa die unterschiedliche Versicherungsstruktur oder die besonderen Anforderungen in einem Ballungszentrum berücksichtigt, erklärte Moser, und dafür gewisse Beträge (z.B. 140 Mio. Euro für den Großstadtfaktor) abgezogen. Dennoch musste man feststellen, dass die WGKK über um 108 Euro höhere Einnahmen je Anspruchsberechtigten verfügte; sie gab jedoch um 106 Euro mehr für ärztliche Hilfe und um 71 Euro mehr für Heilmittel aus. Auffällig in Wien waren etwa auch noch die hohe Überweisungsquote an Fachärzte, die beträchtlichen Kostenunterschiede innerhalb einer Facharztgruppe oder die zusätzlichen Kosten für den Bereich der präoperativen Diagnostik. Die finanzielle Lage der WGKK sehe so aus, dass auf jeden Fall mehr Mittel notwendig sind; diese sollten allerdings nur dann ausgeschüttet werden, wenn gleichzeitig kostendämpfende Maßnahmen in den Bereichen Heilmittel, ärztliche Versorgung und Verwaltungskosten gesetzt werden, unterstrich der Rechnungshofpräsident.

Weitere Empfehlungen des Rechnungshofes: Es wäre umgehend ein Sanierungskonzept mit den entsprechenden kurz–, mittel– und langfristigen Maßnahmen zu erstellen, um die finanzielle Leistungsfähigkeit der WGKK nachhaltig zu sichern. Durch eine bessere Steuerung der Ausgaben für ärztliche Hilfe und Heilmittel sollten die entstandenen Mehrausgaben (80 Mio. Euro pro Jahr) im Vergleich zur Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse verringert werden. Es wären geeignete Maßnahmen zur Tarifsenkung in jenen Bereichen zu ergreifen, in denen die Wiener Gebietskrankenkasse höhere Preise für vergleichbare Leistungen bezahlte. In die Gesamtverträge sollten Honorarsummenbegrenzungen aufgenommen werden. Der Stellenplan für Vertragsärzte sollte weiter optimiert werden. Es sollten Maßnahmen zum Ausgleich der Kosten für die präoperative Diagnostik ergriffen werden. Der Verwaltungsaufwand sollte weiter gesenkt werden. Es sollten standardisierte Diagnosen und einheitliche Behandlungsrichtlinien erstellt werden, um eine eindeutige Ursachenanalyse der höheren Kosten zu ermöglichen. Das beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger im Dezember 2007 eingesetzte Vertragspartner–Controlling sollte mit der Durchführung entsprechender Tarifauswertungen beauftragt werden. Die Unterschiede in den Frequenzen der einzelnen analysierten Leistungen der ärztlichen Hilfe sollten auf ihre medizinische Notwendigkeit hin untersucht und zum Anlass für tarifliche Verbesserungen in den Gesamtverträgen bzw. Festlegung von Behandlungsstandards genommen werden. Die jeweiligen Systeme der Vergütung sollten regelmäßig verglichen, auf ihre Auswirkungen hin untersucht und bewährte Vergütungsformen verstärkt eingesetzt werden.

RH fordert Harmonisierung der Patientenentschädigungsfonds

Die Ausschussmitglieder gingen auch noch kurz auf die Prüfung der Patientenentschädigungsfonds der Länder Niederösterreich, Steiermark und Wien ein. Die verschuldensunabhängige Patientenentschädigung wurde im Jahr 2001 eingeführt, und zwar im Zuge eines Grundsatzgesetzes des Bundes, dem dann die Ausführungsgesetze der Länder folgten. Darin wurden von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Entscheidungskriterien festgelegt, was eine unterschiedliche Entschädigungspraxis zur Folge hatte. Dasselbe trifft für die Einnahmen- und Ausgabengebarung und für die Einhebung der Beiträge der Sonderklasse zu. Die Einnahmengebarung des Niederösterreichischen und des Wiener Patientenentschädigungsfonds wies teilweise schwerwiegende Mängel auf. Prüfungsziel war eine Evaluierung der Patientenentschädigung durch einen Vergleich der aufgrund ihrer Größe, Verfahrens– und Organisationsformen repräsentativen Patientenentschädigungsfonds der Bundesländer Niederösterreich, Steiermark und Wien. – Die Verhandlungen über diesen Bericht wurden schließlich vertagt.

Sowohl Rechnungshofpräsident Josef Moser als auch Gesundheitsminister Alois Stöger bekräftigten die Notwendigkeit, die betreffenden landesgesetzlichen Bestimmungen zu harmonisieren.

Bundesminister Alois Stöger beklagte insbesondere die mangelnde Transparenz. Die Länder seien nicht bereit, über den praktischen Umgang mit der Rechtsmaterie Auskunft zu geben, sagte er. Seine Bemühungen um mehr Transparenz seien aber angesichts der Kompetenzlage nur begrenzt. Stöger hinterfragte auch den Sinn, die Patientenentschädigung nur auf den Spitalsbereich zu beschränken. Er wolle Überlegungen zu einer Regelung für alle Patientinnen und Patienten anstellen.

RH-Präsident Josef Moser appellierte an den Bundesgesetzgeber, bereits die Grundsatzgesetzgebung so zu gestalten, dass die Bundesländer zu einem gemeinsamen und einheitlichen Vorgehen angehalten werden. Eine bundesweite Evaluierung der Liquidität der Patientenentschädigungsfonds wäre vor einer allfälligen Anpassung des Beitragssatzes durchzuführen. Zur Gewährleistung einer österreichweiten Gleichbehandlung wären die Unterschiede in der Entschädigungspraxis zu analysieren, Vorschläge zur Harmonisierung auszuarbeiten sowie der Aufbau einer zentralen Entscheidungsdatenbank zu beginnen, heißt es in den Empfehlungen des Berichts. - Der Gesundheitsminister und der Rechnungshofpräsident gingen damit auf Fragen der Abgeordneten Wolfgang Zanger (F), Daniela Musiol (G), Dorothea Schittenhelm (V) und Wolfgang Spadiut (B) ein. (Schluss)