Parlamentskorrespondenz Nr. 250 vom 25.03.2009

Rechtspfleger sollen auch in Strafsachen eingesetzt werden dürfen

Verfassungsausschuss empfiehlt Adaptierung der Bundesverfassung

Wien (PK) – Nach den geltenden Bestimmungen der Bundesverfassung ist es in bestimmten Fällen möglich, besonders ausgebildete nichtrichterliche Bundesbedienstete, so genannte Rechtspfleger, mit Zivilrechtssachen zu betrauen. In Strafsachen ist eine solche Übertragung von eigentlich einem Richter vorbehaltenen Agenden nicht möglich. Das könnte sich nun allerdings bald ändern. Der Verfassungsausschuss des Nationalrats billigte eine Gesetzesinitiative der beiden Koalitionsparteien, mit der von verfassungsrechtlicher Seite Grünes Licht für entsprechende konkrete Gesetzesbestimmungen gegeben wird. Den Rechtspflegern könnten, so heißt es in den Erläuterungen, insbesondere Kostenbestimmungen übertragen werden.

Abgelehnt wurde die Verfassungsnovelle im Ausschuss von FPÖ und BZÖ. Beide Fraktionen zeigten zwar Verständnis für die Intention des Antrags, urgierten aber detailliertere Bestimmungen. So sprach sich etwa Abgeordneter Harald Stefan (F) dafür aus, klarzustellen, welche Kompetenzen Rechtspflegern in Strafsachen übertragen werden dürfen. An der grundlegenden Zuständigkeit von Richtern für die Rechtsprechung soll man seiner Meinung nach nichts ändern.

Den Einwänden der beiden Fraktionen hielten die Koalitionsparteien entgegen, dass es nicht sinnvoll wäre, die genauen Kompetenzen von Rechtspflegern in Strafsachen verfassungsrechtlich festzulegen. Über diese Frage solle, so Ausschussobmann Peter Wittmann (S), im Justizausschuss diskutiert werden. Die Abgeordneten Heribert Donnerbauer und Wilhelm Molterer (beide V) wiesen darauf hin, dass sich der Einsatz von Rechtspflegern in Zivilrechtssachen seit Jahren und Jahrzehnten bewährt habe, wobei, wie Donnerbauer betonte, Rechtspfleger stets unter Aufsicht eines Richters tätig würden. Staatssekretär Josef Ostermayer machte geltend, dass durch den verstärkten Einsatz von Rechtspflegern Richter entlastet werden sollten und Akten schneller erledigt werden könnten.

Seitens der Grünen machte Abgeordneter Albert Steinhauser darauf aufmerksam, dass mit der Verfassungsänderung eine langjährige Forderung der Rechtspfleger umgesetzt werde. Er bezweifelte allerdings, dass es dadurch zu einer Beschleunigung von Rechtssachen kommen werde, und gab zu bedenken, dass Rechtspfleger bereits jetzt gleich stark belastet seien wie Richter.

Der Antrag der FPÖ, den Tagesordnungspunkt zu vertagen, wurde abgelehnt.

Ausschuss drängt auf Dialog der Regierung mit Religionsgemeinschaften

Auf die zunehmende Infragestellung des modernen Rechtsstaates durch einzelne religiöse Fundamentalisten reagiert der Verfassungsausschuss mit einer an die Regierung gerichteten Entschließung. Die Regierung wird ersucht, im Dialog mit den in Österreich anerkannten Religionsgemeinschaften zu überlegen, wie die in der österreichischen Verfassung verankerten Grundwerte im Rahmen der Aktivitäten der jeweiligen Religionsgemeinschaft gefördert werden können. Gewisse "Traditionen" bzw. Haltungen – zum Beispiel Zwangsverheiratungen, weibliche Genitalverstümmelung, die Ablehnung bestimmter Staaten – seien im modernen, auf Grund- und Freiheitsrechten aufbauenden Rechtsstaat nicht vertretbar, heißt es in den Erläuterungen, und sie hätten auch in der jeweiligen Glaubenslehre keine Grundlage.

Mit der Entschließung griff der Ausschuss eine Initiative der FPÖ auf, die allerdings weitergehend war. Klubobmann Heinz-Christian Strache und seine FraktionskollegInnen sprachen sich im ursprünglichen Antrag dafür aus, in Österreich ausschließlich jene Religionsgemeinschaften gesetzlich anzuerkennen, die sich klar zur österreichischen Rechtsordnung und zum Laizismus bekennen. Zur Religionsfreiheit gehöre nicht nur das freie Religionsbekenntnis, sondern auch der Schutz des Einzelnen und der Gemeinschaft vor religiösem Fanatismus, hieß es in der Antragsbegründung. Jede in Österreich anerkannte Religionsgemeinschaft müsse die Gesetze sowie die Trennung von Kirche und Staat respektieren.

ÖVP-Verfassungssprecher Wilhelm Molterer begründete die Adaptierung des FPÖ-Entschließungsantrags damit, dass dieser die Religionsfreiheit einschränken würde und überdies lediglich noch nicht anerkannte Religionsgemeinschaften betreffen würde, ein Argument, das von den Antragstellern jedoch zurückgewiesen wurde. F-Abgeordnetem Werner Königshofer zufolge sollten auch bereits anerkannte Religionsgemeinschaften verpflichtet werden, sich zur österreichischen Rechtsordnung und zum Laizismus zu bekennen.

Abgeordnete Daniela Musiol (G) und Abgeordneter Christoph Hagen (B) sahen keine Notwendigkeit für einen Beschluss des Verfassungsausschusses und machten geltend, dass bei der Anerkennung von Religionsgemeinschaften ohnehin schon jetzt die Respektierung des Rechtsstaates geprüft werde. Musiol bekräftigte zudem das klare Bekenntnis der Grünen zur Trennung von Staat und Kirche.

Der Entschließungsantrag der FPÖ wurde in der von den Regierungsparteien vorgelegten Fassung mit S-V-F-Mehrheit angenommen.

Weitere Oppositionsanträge vertagt

Weitere Oppositionsanträge wurden vom Verfassungsausschuss vertagt. So konnte sich etwa die FPÖ – zumindest vorläufig – nicht mit ihrer Forderung durchsetzen, in regelmäßigen Abständen die Muttersprache aller Österreicherinnen und Österreicher erheben zu lassen (276/A). Nach Ansicht von F-Abgeordnetem Werner Königshofer und seinen FraktionskollegInnen wäre dies notwendig, um die Größe sowohl der autochthonen österreichischen Volksgruppen als auch der zugewanderten Volksgruppen festzustellen. Die Daten werden der FPÖ zufolge etwa für Schulreformen benötigt.

In der Diskussion sprachen sich die beiden ÖVP-Abgeordneten Wilhelm Molterer und Beatrix Karl dezidiert gegen eine Erhebung der Muttersprache aus. Ihrer Meinung nach wird derzeit bei Volksgruppenerhebungen zu Recht nicht auf die Muttersprache, sondern auf die Umgangssprache abgestellt. Auch der Verfassungsgerichtshof vertrete diesen Grundsatz. Molterer sieht, wie er sagte, zudem wenig Sinn darin, die Kann-Bestimmung im Registerzählungsgesetz durch eine Muss-Bestimmung zu ersetzen, was die Volksgruppenzählung betrifft.

Ähnlich argumentierte auch Abgeordnete Elisabeth Grossmann (S). Sie machte überdies darauf aufmerksam, dass geheime Muttersprachenerhebungen in der Vergangenheit immer wieder für Unruhe gesorgt hätten.

Abgeordneter Wolfgang Zinggl (G) machte auf die Kosten von Volkszählungen aufmerksam und wandte ein, dass es genug statistische Daten gebe. Er äußerte die Vermutung, dass der Antrag der FPÖ in Wahrheit darauf abziele, bestimmte Minderheiten zu diskriminieren, was von F-Abgeordnetem Werner Königshofer vehement bestritten wurde. Warum die FPÖ dafür eintrete, die Muttersprache und nicht die Umgangssprache zu erheben, begründete Königshofer damit, dass viele ÖsterreicherInnen, die sich einer Volksgruppe zugehörig fühlen, als Umgangsprache deutsch verwenden. Manche österreichischen Volksgruppen würden de facto verschwinden, wenn man auf die Umgangssprache abstelle, zeigte er sich überzeugt.

Abgeordneter Christoph Hagen (B) hielt fest, seine Fraktion könne sich mit dem FPÖ-Antrag grundsätzlich identifizieren, er brachte allerdings im Detail einige Bedenken vor.

Grüne und BZÖ mahnen Erhaltung jüdischer Friedhöfe ein

Gleich zwei Oppositionsanträge lagen dem Verfassungsausschuss in Bezug auf den fortschreitenden Zerfall vieler jüdischer Friedhöfe in Österreich vor. Zum einen haben die Grünen einen Entwurf für ein eigenes Bundesgesetz vorgelegt, mit dem der Bund verpflichtet werden soll, für "die würdige und geziemende Erhaltung" von jüdischen Friedhöfen Sorge zu tragen (33/A). Auch das BZÖ spricht sich in einem Entschließungsantrag für eine Sanierung der jüdischen Friedhöfe aus, pocht dabei aber ausdrücklich auch auf eine Mitfinanzierung der betroffenen Länder und Gemeinden sowie der jeweiligen Kultusgemeinde.

Die von den Koalitionsparteien beantragte und in weiterer Folge beschlossene Vertagung der Beratungen sorgte vor allem bei den Grünen für heftige Kritik. Abgeordneter Albert Steinhauser und seine FraktionskollegInnen Wolfgang Zinggl und Daniela Musiol kritisierten, dass seit der Unterzeichnung des Washingtoner Abkommens im Jahr 2001 in der Frage der Erhaltung jüdischer Friedhöfe nichts geschehen sei. Steinhauser zufolge befinden sich 18 von 60 jüdischen Friedhöfen in Österreich in einem extrem desolaten Zustand. Für ihn ist es auch nicht verständlich, warum der Bund seit der Beschlussfassung des Kriegsgräberfürsorgegesetzes 1958 zwar für die Pflege von Kriegsgräbern aufkommt, sich für die Pflege jüdischer Friedhöfe aber nicht zuständig fühle und nunmehr seit bereits acht Jahren mit den Ländern und Gemeinden über die Kostentragung verhandle. Sowohl Steinhauser als auch Zinggl sprachen von einer "Schande", zumal es, wie Steinhauser meinte, abgesehen von kostspieligen Sanierungen in Einzelfällen, in der Regel um wenige hunderttausend Euro für laufende Pflegearbeiten wie Hecken schneiden oder Unkraut ausreißen gehe.

Ebenfalls kein Verständnis für die nun schon seit mehreren Jahren dauernden Verhandlungen zeigte das BZÖ. Abgeordneter Christoph Hagen lud die Abgeordneten ein, dem Entschließungsantrag des BZÖ zuzustimmen.

Die Koalitionsparteien verwiesen dem gegenüber auf laufende Gespräche zwischen dem Bund, dem Nationalfonds und den Ländern Wien und Niederösterreich, wo die meisten betroffenen jüdischen Friedhöfe liegen. Die Regierung verfolge das gleiche Ziel wie die Grünen, versicherte Staatssekretär Josef Ostermayer, nämlich die Erhaltung der jüdischen Friedhöfe. Der Weg, der beschritten werde, sei aber ein anderer. Abgeordneter Otto Pendl (S) zeigte sich zuversichtlich, dass es "in einer relativ überschaubaren Zeit" zu einer Lösung kommen wird, ähnlich äußerte sich auch seine Fraktionskollegin Angela Lueger.

Abgeordneter Wilhelm Molterer (V) verwies auf die gemeinsame Verantwortung aller Gebietskörperschaften und warnte generell davor, als Bund automatisch die Kosten für eine Aufgabe zu übernehmen, nur weil manche Länder und Gemeinden säumig seien. Er befürchtet eine negative Präzedenzwirkung. Zudem wies Molterer den Vorwurf zurück, dass in den letzten acht Jahren nichts geschehen sei, und machte u.a. auf eine vom Nationalfonds finanzierte Studie aufmerksam, die den Zustand jüdischer Friedhöfe wissenschaftlich dokumentieren und den notwendigen Sanierungsaufwand erheben soll.

Abgeordneter Harald Stefan (F) erinnerte daran, dass die FPÖ in Wien wiederholt eine Sanierung des jüdischen Friedhofs in Währing gefordert habe. Man soll die Länder nicht aus der Verpflichtung nehmen, indem man die Kompetenzen zur Erhaltung der Friedhöfe an den Bund übertrage, bekräftigte er.

Grüne und FPÖ für Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung

Schließlich befasste sich der Verfassungsausschuss des Nationalrats mit einem Entschließungsantrag der Grünen und einem Entschließungsantrag der FPÖ, die beide auf eine Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung abzielen. Beide verweisen auf eine entsprechende Entschließung des Nationalrats aus dem Jahr 2004.

Sowohl ÖVP als auch SPÖ betonten, dass sie nach wie vor für eine Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung seien. Es sei jedoch notwendig, diese Frage in einem breiteren Kontext zu diskutieren, meinten Abgeordneter Wilhelm Molterer (V) und Abgeordneter Otto Pendl (S). Schließlich gebe es auch noch andere Wünsche auf Ergänzung der Verfassung, etwa was die Verankerung von Kinderrechten betrifft. Molterer brachte darüber hinaus vor, dass das österreichische Tierschutzgesetz international vorbildlich sei.

Von Oppositionsseite wurde die Vertagung der beiden Anträge geschlossen kritisiert. Es spreche nichts dagegen, die Verfassung um einzelne Bestimmungen zu ergänzen, nachdem die angestrebte große Verfassungsreform gescheitert sei, sagte etwa Abgeordnete Daniela Musiol (G) und plädierte dafür, sowohl den Tierschutz als auch die Kinderrechte in der Verfassung zu verankern. Abgeordneter Werner Königshofer (F) verwies darauf, dass es im Zusammenhang mit Tiertransporten und Tierhaltung immer wieder zu "Massentierquälerei" komme. Eine Verfassungsbestimmung könnte seiner Meinung nach einen wichtigen Beitrag zur Bewusstseinsbildung leisten. Abgeordnete Christiane Brunner (G) konstatierte, auch in Deutschland und der Schweiz sei der Tierschutz bereits in der Verfassung verankert. (Schluss)