Parlamentskorrespondenz Nr. 255 vom 26.03.2009

Gleichbehandlungsbericht 2006/2007 für die Privatwirtschaft (1)

Erstmals durch Beiträge der Interessenvertretungen ergänzt

Wien (PK) – Einblick über den Stand der Verwirklichung der Gleichbehandlung in der Privatwirtschaft in den Jahren 2006 und 2007 gibt ein insgesamt 529 Seiten umfassender zweiteiliger Bericht der Bundesregierung, der alle zwei Jahre dem Nationalrat vorgelegt wird.

Der erste Teil informiert über die Arbeit der Gleichbehandlungskommission (Senat I, II und III), liefert einen Bericht des (früheren) Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit sowie Beiträge der Interessenvertretungen. Auf Grund der Änderung des Bundesministeriengesetzes ist die Gleichbehandlungskommission seit 1.3.2007 beim Bundeskanzleramt eingerichtet.

Die letzte Novelle zum Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) und dem Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GBK/GAW-Gesetz) ist im Juni 2008 vom Parlament beschlossen und am 1. August 2008 in Kraft getreten. Die Novelle dient vor allem der Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, wofür nun Senat III zuständig ist. Die Richtlinie gilt für alle Personen, die Güter und Dienstleistungen bereitstellen, die der Öffentlichkeit ohne Ansehen der Person zur Verfügung stehen. Ausgenommen sind die Bereiche des Privat- und Familienlebens sowie die Bereiche Medien und Bildung. 

Die Arbeit der Gleichbehandlungskommission in den Jahren 2006/2007

Der Senat I ist für die Gleichbehandlung von Frauen und Männer in der Arbeitswelt zuständig. Betrifft ein Fall sowohl die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt als auch die Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder sexuellen Orientierung in der Arbeitswelt, so ist auch der Senat I zuständig. Im Verlauf des Berichtszeitraums 1.1.2006 – 31.12.2007 wurden insgesamt 34 Prüfungsergebnisse erstellt. 17 der im Verlauf des Berichtszeitraums anhängig gewesenen Anträge wurden in verschiedenen Verfahrensstadien zurückgezogen, 3 Anträge wurden zurückgewiesen. Insgesamt wurden 79 Anträge für den Senat I im Berichtszeitraum eingebracht, 68 (86 %) von Frauen, 11 (14 %) von Männern.

Der Senat II ist für die Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung in der Arbeitswelt zuständig. Im Verlauf des Berichtszeitraums 1.1.2006 – 31.12.2007 wurden insgesamt 16 Prüfungsergebnisse erstellt, 6 Anträge wurden in verschiedenen Verfahrensstadien zurückgezogen. Insgesamt wurden 38 Anträge (14 von Frauen, 25 von Männern) für den Senat II eingebracht. Die meisten Fälle bezogen sich auf die ethnische Zugehörigkeit.

Der Senat III ist für die Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen zuständig. Im Verlauf des Berichtszeitraums 1.1.2006 – 31.12.2007 wurden insgesamt neun Prüfungsergebnisse erstellt, vier Anträge wurden zurückgezogen. In zwei Fällen erklärte sich der Senat III für unzuständig. Insgesamt wurden 21 Anträge eingebracht, wobei es 7 weibliche und 13 männliche Antragsteller gab. Am häufigsten ging es dabei um den "Zugang zu und Versorgung mit Gütern, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum" (18 Anträge).

Bericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit

Im Bericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit wird zunächst darauf hingewiesen, dass das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) und das Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GBK/GAW-Gesetz) im Juni 2008 novelliert wurden. Die Änderungen betrafen vor allem die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen. Darüber hinaus wurden auf Grund der bisherigen Erfahrungen bei der Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes Änderungen des materiellen Rechts und von Verfahrensvorschriften vorgenommen, wie zum Beispiel die Anhebung des Mindestschadenersatzanspruches bei Diskriminierung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses von einem Monatsentgelt auf zwei Monatsentgelte; die Anhebung des Mindestschadenersatzanspruches bei Belästigung von 400 Euro auf 720 Euro; die Einräumung eines Wahlrechts bei diskriminierender Beendigung zwischen Anfechtung und Schadenersatz; die generelle Verlängerung der Verjährungsfrist für die Geltendmachung einer Belästigung von sechs Monaten auf ein Jahr etc.

Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes durch die Gerichte

Verletzungen des Gleichbehandlungsgesetzes können nicht nur bei der Gleichbehandlungskommission, sondern unmittelbar bei Gericht geltend gemacht werden, wobei Gleichbehandlungskommission und Gericht unabhängig voneinander angerufen werden können. Eine systematische Erfassung diesbezüglicher gerichtlicher Entscheidungen liegt nicht vor, heißt es im Bericht. Das Fehlen von gerichtlichen Entscheidungen sei auch darauf zurückzuführen, dass auf Initiative der Gleichbehandlungsanwaltschaft bzw. der Gleichbehandlungskommission oft schon vor einem Verfahren ein Vergleich abgeschlossen wird.

Die dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit bekannten Entscheidungen beziehen sich hauptsächlich auf die Geschlechtergleichbehandlung. Beispiel dafür ist ein Urteil des OLG Wien aus dem Jahr 2007, in dem das Gericht feststellte, dass das jahrelange Berühren einer Arbeitnehmerin in sensiblen Bereichen gegen ihren Willen jedenfalls die Toleranzgrenze für gesellschaftlich akzeptierte und zu akzeptierende Berührungen überschreitet, selbst wenn die Handlungen freundschaftlich und nicht sexuell motiviert waren. Die Haftung des unmittelbaren Belästigers ist verschuldensunabhängig, auf die subjektiven Elemente seitens des Belästigers kommt es daher nicht an. Unterlässt es der Arbeitgeber, gegen die sexuelle Belästigung (hier: durch Geschäftsführer) angemessene Abhilfe zu schaffen, wird er schadenersatzpflichtig.

Verbesserungsvorschläge der Bundesarbeitskammer

Erstmals hatten die Interessenvertretungen die Möglichkeit, selbst Beiträge zum vorliegenden Bericht abzugeben, was jedoch nur von der Bundesarbeitskammer in sehr umfassender Weise genutzt wurde. Der ÖGB schloss sich dieser Stellungnahme an. In den einleitenden Bemerkungen stellt die Bundesarbeitskammer (BAK) zum Beispiel fest, dass der österreichische Gesetzgeber für die Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinien eine aus der Sicht der BAK problematische Lösung gewählt hat. Die Bestimmungen über den Diskriminierungsschutz wurden in die 2004 bestehenden Gleichbehandlungsgesetze über die Gleichbehandlung von Frauen und Männern eingefügt. Eine sachadäquate Umsetzung der Richtlinien müsste nach Meinung der Bundesarbeitskammer jedoch in nach Diskriminierungstatbeständen getrennten Gesetzen erfolgen.

Die gravierendsten Probleme aus der Sicht der Bundesarbeitskammer: die Doppelgleisigkeit des Verfahrens; das Soft law-Verfahren der Gleichbehandlungskommission; verfahrensrechtliche Unklarheiten und Lücken (Sonderstellung von Senat III); Zentralisierung (alle Senate der GBK tagen ausschließlich in Wien); mangelnde interne Koordination; mangelnde Veröffentlichung der Prüfungsergebnisse von Senat I (nur bis Mitte 2005); mangelnde Ausstattung der Senate mit Personal- und Sachmitteln; drohende Überfrachtung von Senat III (soll auch die Zuständigkeit für den Diskriminierungsschutz aufgrund des Geschlechtes außerhalb der Arbeitswelt erhalten) sowie die nicht klar geregelte Einbeziehung von NGO-VertreterInnen in die Verfahren.

Ein Teil der Probleme ließe sich nach Ansicht der BAK relativ einfach entschärfen. Eine auf gewisse Dauer angelegte Informationskampagne der Bundesregierung bzw. der zuständigen Ressorts über Inhalt und Umfang des Diskriminierungsschutzes könnte hier Abhilfe schaffen. Eine relativ einfache Maßnahme wäre es, z.B. auf der Homepage des zuständigen Ministeriums intensiver zu informieren. Zentral für die Problemlagen ist die mangelhafte Ausstattung der Gleichbehandlungskommission und der Gleichbehandlungsanwaltschaft mit personellen und materiellen Ressourcen. Die langwierigen Verfahren bei allen drei Senaten der Gleichbehandlungskommission resultieren zum Teil auch aus der zu geringen Ausstattung mit Sach- und Budgetmitteln. (Fortsetzung)