Parlamentskorrespondenz Nr. 310 vom 16.04.2009

Menschenrechte: Von A wie Asyl bis Z wie Zogaj

Innenministerin Fekter im Ausschuss für Menschenrechte

Wien (PK) – Mit einer Aktuellen Aussprache begann heute der Ausschuss für Menschenrechte seine erste Arbeitssitzung in der laufenden Gesetzgebungsperiode. Ausschuss-Obfrau Alev Korun (G) begrüßte dazu Innenministerin Maria Fekter. Auf der Tagesordnung standen außerdem drei Anträge der Grünen. Zwei Anträge wurden vertagt, Antrag 483/A(E), § 115 des Fremdenpolizeigesetzes zu entschärfen, um den Angehörigen von illegal im Land befindlichen Menschen gleiche Rechte zu geben wie den Angehörigen strafrechtlich verfolgter Personen, wurde mit S-V-G-Mehrheit angenommen.

Abgeordneter Gerald Grosz (B) betonte die Unteilbarkeit der Menschenrechte und wollte Menschenrecht auf Eigentum, Sicherheit und Arbeitsplatz vom Ausschuss behandelt wissen; dieser dürfe nicht zu einem "Unterausschuss für Asylverfahren" werden. Von der Innenministerin wollte Grosz Auskunft zum Fall Zogaj. – Abgeordnete Judith Schwentner (G) thematisierte einzelne Vorkommnisse bei Polizeiaktionen und verwies auf Aussagen des jüngsten Berichts von Amnesty International dazu. – Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (V) wollte Näheres zum nationalen Integrations-Aktionsplan wissen, Abgeordnete Marianne Hagenhofer sprach die Themen Frauenhandel und EULEX im menschenrechtlichen Zusammenhang an. – Abgeordneter Gerhard Kurzmann kam auf die Problematik von Scheinasylanten zu sprechen; außerdem wandte er im Namen seiner Fraktion gegen die Vorratsdatenspeicherung.

Abgeordnete Ursula Plassnik (V) fragte nach Maßnahmen zur Schärfung des Menschenrechts-Bewusstseins bei der Exekutive auf den Feldern Information sowie Aus- und Weiterbildung. – Abgeordnete Alev Korun (G) sprach Kinderrechte an, speziell Kinder in Schubhaft, wollte Informationen über eine Sonderkommission für Abschiebungen und fragte nach einer erlassmäßigen Regelung beim humanitären Bleiberecht. – Abgeordneter Stefan Prähauser (S) erkundigte sich nach PolizistInnen mit Migrationshintergrund. Abgeordneter Albert Steinhauser (G) empfahl der Bundesregierung, sich bei der Vorratsdatenspeicherung zu verweigern, damit dann in einem offiziellen Verfahren die Menschenrechts-Konformität geklärt werden könne. Außerdem führte er aus, dass der Einsatz des Tasers (Elektroschockpistole) von einem UN-Ausschuss als Folter eingestuft worden sei und wollte die entsprechende Praxis im Bereich des Innenressorts wissen. In diesem Zusammenhang sprach er auch den Fall eines "getaserten" Schubhäftlings an, der mit Selbstmord gedroht hatte.

Innenministerin Maria Fekter stellte eingangs ihrer Antwort klar, dass sie sich zu laufenden Verfahren – wie jenem im Zusammenhang mit der Familie Zogaj – nicht äußere. Generell hielt sie fest, dass die Behörden um faire Verfahren bemüht seien, und auch die Legistik sei "vorbildlich" – in keinem EU-Land gebe es derart intensive Prüfungen. Einzelne Vorfälle – wie jener in einer Station der U-Bahn - seien bedauerlich; es gebe diesbezüglich derzeit keinen Verdacht auf Misshandlung; ob ein Polizei-Exzess vorliege, werde geprüft. Fekter wies in diesem Zusammenhang auf die "enorm gestiegene" Drogenkriminalität hin.

Zum Integrations-Aktionsplan gebe es umfassende Vorarbeiten. Man sei bestrebt, sich auf Defizite und deren Beseitigung zu konzentrieren; was ohnedies gut laufe, solle nicht gestört werden. Der Plan solle im Herbst im Ministerrat sein, kündigte die Innenministerin an. Es handle sich dabei nicht um ein "Einmalprojekt"; vielmehr solle eine laufende Evaluierung vorgesehen werden. Integration sei im übrigen nicht nur eine Aufgabe des Innenministeriums; dieses habe koordinierende Funktion.

Zum Thema Menschenhandel gebe es eine Arbeitsgruppe im Außenministerium, sagte Fekter weiter, ein entsprechender nationaler Aktionsplan sei bereits vor Ostern im Ministerrat verabschiedet worden. Im Rahmen von EULEX begleiteten die österreichischen Polizisten – derzeit 22 – die kosovarische Polizei, sie selbst seien aber nicht mehr im Polizeieinsatz.

Asylmissbrauch und Identitätsmissbrauch würden intensiv bekämpft, willkürlichen Anträgen solle ein Riegel vorgeschoben werden, indem auch im Asylbereich von einer "res iudicata" ausgegangen werden sollte, wenn eine Angelegenheit ausjudiziert sei. Auch die Verordnung bezüglich sicherer Drittstaaten solle ergänzt werden. Es gehe darum, falsche Signale an Schlepperorganisationen zu vermeiden und Maßnahmen gegen die Vereitelung von Abschiebungen zu setzen. Im Zusammenhang mit Identitätsbetrug schwebt der Innenministerin vor, die derzeit zersplitterte Gesetzeslage zusammenzufassen und einen eigenen Tatbestand im Strafgesetzbuch zu normieren; dies auch mit dem Ziel, bei den Betroffenen ein Unrechtsbewusstsein zu schaffen. Die Asylzahlen seien im ersten Quartal erheblich gestiegen, teilte Fekter dem Ausschuss mit.

Die Ministerin bekannte sich entschieden zur Vorratsdatenspeicherung und wandte sich gegen die landesübliche Missbrauchsbefürchtung: Der Bevölkerung drohe nicht von der Polizei, sondern von der "kriminellen Energie" Gefahr. Auch für Online-Durchsuchung sprach sich Fekter aus; beides ressortiere aber nicht ins Innen-, sondern ins Justiz- bzw. ins Infrastrukturministerium. Die Arbeit der Polizei würde vom Menschenrechtsbeirat permanent begleitet, auch in Aus- und Weiterbildung werde auf das Thema Menschenrechte großer Wert gelegt. Im Falle von Kindern und Minderjährigen würden "gelindere Mittel" angewandt; doch sei man kurz vor Abschiebungen bestrebt, die Familie zusammen zu halten. In diesem Zusammenhang sprach sich Fekter erneut für ein "Kompetenzzentrum für aufenthaltsbeendende Maßnahmen" aus. Die angesprochene "Sonderkommission" bestehe aus vier Personen und sei in Traiskirchen angesiedelt. Zum humanitären Bleiberecht gebe es ein "Handbuch", ein Erlass werde nicht als notwendig erachtet.

Derzeit würden 1.000 Polizei-Ausbildungsplätze in den einzelnen Bundesländern "befüllt", der Anteil der Kräfte mit Migrationshintergrund sei mit unter 2 % sehr gering. Immerhin seien aber bereits 11 Prozent Frauen, wodurch "der Ton moderater" werde. Zur Frage Taser erklärte Fekter, der UN-Ausschuss werde ernst genommen, auch wenn sie persönlich den Taser nicht als Folterinstrument einstufe. Die Waffe sei derzeit im Probebetrieb bei eigens geschulten Beamten und es gebe klare Richtlinien, auf Verhältnismäßigkeit zu achten. Zur Entscheidungsfindung würde ein externes Institut herangezogen. Zum konkreten Taser-Einsatz erinnerte Fekter an die Gefährlichkeit der Polizeiarbeit; jährlich gebe es 1.300 verletzte Polizisten.

In einer zweiten Runde begrüßte Abgeordneter Christian Lausch (F), dass die Innenministerin die Linie seiner Fraktion vertrete, kritisierte aber, dass das Innenressort auch Vereine unterstütze, die zur Verschleppung von Verfahren beitrügen. – Abgeordnete Alev Korun (G) erinnerte daran, dass die EU-Kommission empfohlen habe, nicht mehr nach Griechenland abzuschieben. – Abgeordnete Petra Bayr (S) sprach den Fall Bakary J. sowie das Thema Kriegsmaterial an, Abgeordneter Leopold Mayerhofer (F) die Weitergabe von Daten an die USA. – Abgeordnete Judith Schwentner (G) wollte wissen, was gegen die Stigmatisierung von Asylwerbern getan werde und sprach von einem von Amnesty festgestellten Rechtsschutzdefizit in der Schubhaft. – Abgeordneter Rudolf Plessl (S) kam auf die Onlinedurchsuchungen zurück und thematisierte internationale Maßnahmen und Zusammenarbeit bei Abschiebungen. – Abgeordneter Norbert Kapeller (V) fragte nach Maßnahmen der Qualitätssicherung im Bundesasylamt.

Bei den Beratungsvereinen habe sie veranlasst, dass bei neuen Verträgen auch die Effizienz der Arbeit berücksichtigt werde, d.h. ob man rasch zu rechtskräftigen Entscheidungen komme, sagte Innenministerin Fekter in Beantwortung der Fragen der Abgeordneten. Zum Thema Abschiebungen nach Griechenland stellte die Ministerin klar, dass von Malta, Zypern und Griechenland der Wunsch geäußert worden sei, die Dublin-Verordnung auszusetzen. Österreich lehne das strikt ab, weil es nicht akzeptieren könne, dass "einzelne Länder sich ihrer Verpflichtung entbinden". Derzeit gebe es internationale Verhandlungen, eine Entscheidung bezüglich europaweiter Standards sei für Juni zu erwarten. Im Fall Bakary J. sei das Ministerium tätig geworden; überdies würden ständig sensibilisierende Maßnahmen gesetzt. Hinsichtlich Waffenhandel sei eine entsprechende EU-Richtlinie umzusetzen. Beim Waffengesetz sah Fekter keinen Handlungsbedarf, beim Kriegsmaterialiengesetz herrsche ein enorm restriktives Regime.

Zur Weitergabe von Daten an die USA betonte die Innenministerin, die USA seien ein wichtiger Partner im Kampf gegen Drogen, das organisierte Verbrechen, Menschenhandel, Terrorismus und Kinderpornographie, daher brauche es auch intensive Zusammenarbeit. Österreich bestehe aber darauf, seine Datenschutzstandards zu erhalten.

Von den Asylwerbern sei nur ein gewisser Anteil kriminell, führte die Ministerin weiter aus; als Problem sah sie die illegal im Land befindlichen Menschen. Es gebe in der Schubhaft kein "Verbot der Rechtsberatung", hielt Fekter fest.

Bezüglich Abschiebungen gebe es intensive Kontakte, z.B. mit Marokko und Nigeria, schwieriger sei es mit westafrikanischen Ländern. Ausdrückliches Lob von der Ministerin gab es für das Bundesasylamt. Nicht zuletzt durch kontinuierliches Qualitätsmanagement gebe es einheitliche Standards, die Bescheide würden nur in sehr geringen Prozentsätzen aufgehoben. Von der UNHCR sei das als "flagship project" bezeichnet worden, es gelte als "best practise"-Modell, das bereits nachgefragt werden.

Menschenrechtsanliegen der Grünen  

Im Anschluss an die Aktuelle Aussprache nahm der Menschenrechtsausschuss drei Entschließungsanträge der Grünen in Verhandlung: Erstens für einen österreichischen Menschenrechts-Aktionsplan, zweitens für eine grundrechtskonforme Regelung des Familiennachzugs im Niederlassungsgesetz und drittens für eine Entschärfung der Strafdrohung gegen Angehörige von illegal im Land lebenden Menschen. Die Verhandlungen über die ersten beiden Anträge wurden vertagt, dem dritten Antrag schlossen sich die Koalitionsparteien an, nachdem sie sich mit den Antragstellern auf eine Formulierungsänderung verständigt hatten.   

Die Forderung der Grünen nach einem "umfassenden nationalen Aktionsplan zum Schutz und zur Förderung von Menschenrechten in Österreich" erläuterte Abgeordnete Alev Korun (375/A(E)). Die Antragstellerin drängte auf die Ratifizierung internationaler Menschenrechts-Übereinkommen, auf die Stärkung sozialer Rechte, die Verhinderung von Diskriminierungen und auf eine bessere Durchsetzung der Meinungsfreiheit. Korun untermauerte ihre Forderungen mit einem Bericht von Menschenrechtskommissar Thomas Hammarberg (Europarat).

Abgeordneter Wolfgang Großruck (V) wies auf den umfassenden Charakter des Antrages hin, der sich an die gesamte Bundesregierung richte und schlug vor, die Beratungen über diese Querschnittsmaterie zu vertagen, um sie in einer künftigen Ausschusssitzung mit dem Bundeskanzler fortzusetzen.

Dem gegenüber sahen die G-Abgeordneten Judith Schwentner und Alev Korun den Schwerpunkt ihres Entschließungsantrags auf den Themen Asyl, Schubhaft und Familienzusammenführung liegen, er betreffe also den Ressortbereich der Innenminsterin. Abgeordnete Korun warnte vor der Praxis, "missliebige" Oppositionsanträge auf die lange Bank zu schieben. - Die Vertagung erfolgte mit S-V-B-Mehrheit.

Mit einer Novelle des Aufenthalts- und Niederlassungsgesetzes sollte der Nationalrat dem Grundrecht auf Achtung des Familienlebens Rechnung tragen, sagte Abgeordnete Alev Korun (G) zur Begründung eines weiteren Entschließungsantrages ihrer Fraktion und wies auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hin, konkret auf ein Urteil im Verfahren eines türkischen Asylwerbers 469/A(E).

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) erinnerte an das Regierungsübereinkommen, das eine Neuregelung des humanitären Aufenthalts und die Einführung einer Rot-Weiß-Rot-Card vorsehe. Da an der Novellierung des Niederlassungsgesetzes bereits gearbeitet werde, plädierte Hagenhofer für eine Vertagung des Antrages. Antragstellerin Alev Korun wies darauf hin, dass es ihr um Konsequenzen aus einem konkreten EuGH-Urteil gehe, nicht um allgemeine Bestimmungen. - Der Entschließungsantrag wurde mit S-V-Mehrheit vertagt.  

Schließlich erläuterte Abgeordnete Alev Korun (G) ihr Anliegen, § 115 des Fremdenpolizeigesetzes zu entschärfen, um den Angehörigen von illegal im Land befindlichen Menschen gleiche Rechte zu geben wie den Angehörigen strafrechtlich verfolgter Personen (483/A(E)).

Abgeordneter Albert Steinhauser (G) erinnerte an gleichheitsrechtliche Bedenken, die bereits in der Debatte über die letzte Novellierung des Fremdenpolizeigesetzes wegen der differenzierten Behandlung von Angehörigen im Strafrecht und im Fremdenpolizeigesetz vorgebracht wurden. Steinhauser trat für eine Korrektur dieses Fehlers durch eine Gesetzesänderung ein.

Abgeordneter Norbert Kapeller (V) legte gemeinsam mit Abgeordneter Marianne Hagenhofer (S) einen Abänderungsantrag vor, der statt des Begriffs "Straffreiheit" eine "Privilegierung für Angehörige" vorsieht. Unter Berücksichtigung dieser Abänderung wurde der Entschließungsantrag mit der Mehrheit von SPÖ, ÖVP und Grünen an das Nationalratsplenum verabschiedet. (Schluss)