Parlamentskorrespondenz Nr. 317 vom 17.04.2009

Rechnungshofausschuss berät über Medizin-Uni Innsbruck

Gründung des Forschungsinstituts in Maria Gugging auf dem Prüfstand

Wien (PK) – Im weiteren Verlauf der Sitzung des Rechnungshofausschusses befassten sich die Abgeordneten mit der Gebarung des Departments für Hygiene, Mikrobiologie und Sozialmedizin an der Medizinischen Universität in Innsbruck sowie mit dem Bericht über die Beurteilung der Planung und Maßnahmen zur Gründung der Exzellenzuniversität in Maria Gugging (Institute of Science and Technology – Austria).

Moser: Die Universitäten sollten Nutznießer von Drittmitteln sein

Der Rechnungshof überprüfte von September bis November 2007 das Department für Hygiene, Mikrobiologie und Sozialmedizin an der Medizinischen Universität Innsbruck. Ziel der Überprüfung war die Beurteilung der Transparenz und Wirtschaftlichkeit der Gebarung dieser Institution unter besonderer Berücksichtigung der neben dem Lehr– und Forschungsbetrieb erbrachten medizinischen

Dienstleistungen, heißt es im Bericht.  

Der Leiter des Departments für Hygiene, Mikrobiologie und Sozialmedizin an der Medizinischen Universität Innsbruck war Auftraggeber (als Facharzt) und Auftragnehmer der Laborleistungen (als Projektleiter und Leiter des Departments) in einer Person. Ein schriftlicher Vertrag zwischen der Medizinischen Universität Innsbruck und dem Leiter, welcher das Auftragsverhältnis zwischen den beiden Vertragspartnern in rechtlicher, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht regelte, lag nicht vor, stellten die Prüfer des Rechnungshofs fest.

Der Leiter des Departments übte als Nebenbeschäftigung auch die Tätigkeit als Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie sowie Facharzt für Virologie aus. Im Rahmen dieser Tätigkeit nahm er von Krankenanstalten, niedergelassenen Ärzten und anderen Auftraggebern Aufträge zur Durchführung von Untersuchungen in den Bereichen Bakteriologie, Virologie, Serologie und Krankenhaushygiene entgegen. Aufträge zur Durchführung von umweltanalytischen Untersuchungen – insbesondere Wasseranalysen – nahm die ARGE Umwelt-Hygiene Ges.m.b.H. entgegen, bei welcher der Leiter und eine Mitarbeiterin des Departments Gesellschafter und Geschäftsführer waren. Damit war nach Auffassung des Rechnungshofs nicht sichergestellt, dass die Interessen der Medizinischen Universität Innsbruck gegenüber den unternehmerischen Interessen des Leiters des Departments gewahrt wurden.

Abgeordnete Schönpass (S) erkundigte sich nach der Forschungs- und Publikationstätigkeit des Instituts, die laut Rechnungshofbericht unterdurchschnittlich ausgefallen sein soll. Abgeordneter Hermann Gahr (V) wollte wissen, wer den Kaufpreis für die bakteriologisch-serologische Untersuchungsanstalt fixiert habe und welche Verpflichtungen mit dem Kauf übernommen wurden. Abgeordnete Martina Schenk (B) sprach die vom Rechnungshof festgestellten "In-sich-Geschäfte" des Leiters sowie die Nebenbeschäftigungen der Mitarbeiter an. Abgeordneter Martin Graf (F) stellte die grundsätzliche Frage, ob sich Universitätsinstitute, die über bessere Rahmenbedingungen verfügen, mit Unternehmen, die sich in der freien Wirtschaft bewähren müssen, konkurrenzieren sollen. Es könne auch nicht angehen, wenn die Drittmitteleinwerbungen die Haupttätigkeiten der an den Instituten beschäftigten Personen, die für Forschung und Lehre zuständig sind, darstellen.

Bundesminister Johannes Hahn ging auf eine Frage der G-Abgeordneten Gabriela Musiol ein und sprach sich gegen bundeseinheitliche Regelungen aus, da diese dem Geist der Universitätsautonomie widersprechen würden. Es gebe seiner Ansicht nach ausreichende Grundsatzprinzipien, die Aufsichtspflicht obliege aber den einzelnen Einrichtungen.

Der Leiter des Departments, Universitätsprofessor Manfred Dierich, bedankte sich für die Gelegenheit, im Ausschuss zu den im Bericht angesprochenen Kritikpunkten Stellung zu nehmen. Er erinnerte eingangs daran, dass Österreich im Jahr 2001 insgesamt 27 Untersuchungsanstalten – darunter sechs für Bakteriologie – hatte, was im internationalen Vergleich einfach nicht mehr haltbar war. Man war daher sehr froh darüber, als der damalige Minister Haupt eine Konzentration der Strukturen vornahm und alle Anstalten, bis auf eine Ausnahme, in die AGES eingebracht wurden. Ein glücklicher Umstand habe dann dazu geführt, dass die bakteriologisch–serologische Untersuchungsanstalt vom Institut für Hygiene und Sozialmedizin der Universität Innsbruck weitergeführt werden konnte.

Da es sonst keine andere Möglichkeit gab, habe er das große Risiko übernommen, den an das Ministerium zu leistenden Kaufpreis in Höhe von 1.998.000 Euro zu entrichten; die letzte Rate konnte 2007 abbezahlt werden. Es war auch nie geplant, dass die Medizinische Universität Innsbruck einen Betrag von rund 665.000 Euro an ihn zurück erstattet, erklärte er. Das Institut sei nun schuldenfrei und stelle seiner Ansicht nach einen großen Gewinn für die medizinische Fakultät dar, weil damit die wissenschaftliche Förderung und eine Qualitätssicherung gewährleistet wurden und weil immer ein voller Kostenersatz an die Uni entrichtet wurde.

Sein Department sei in zwei Sektionen eingeteilt, führte Dierich weiter aus, und zwar in eines für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie und in eines für Sozialmedizin. Von insgesamt 68 Instituten liege die Hygienesektion hinsichtlich der Forschungsleistung an 11. bzw. 12. Stelle, bei der Lehre nehme es sogar den 3. Platz ein. Die Sozialmedizin habe keine so gute Performance, räumte Dierich ein, es werde jedoch an einer Weiterentwicklung in Richtung "Public Health" gearbeitet. Er trete jedoch jeden Leistungsbeweis mit vergleichbaren Einrichtungen in Wien und Graz gerne an. Generell vertrat Dierich die Ansicht, dass ein Universitätsinstitut natürlich keine geschützte Werkstatt darstellen dürfe und sich auf dem Markt behaupten müsse. Andererseits sei es aber im Rahmen der Facharztausbildung unverzichtbar, dass Labordiagnostik in der Praxis gelernt werden könne. Derzeit befasse man sich damit, ob das Department in ein Ambulatorium oder ein klinisches Institut umgewandelt werden könne, wobei in beiden Fällen aber einige Schwierigkeiten zu meistern wären.

Rechnungshofpräsident Josef Moser verwies eindrücklich auf die Problematik, dass die Medizinische Universität Innsbruck an den Gewinnen, die der Leiter des Departments und die ARGE Umwelt–Hygiene GesmbH aus den Untersuchungen erzielten, bis zum Jahr 2007 nicht beteiligt war. Auch die Möglichkeit, die erbrachten Laborleistungen mit Gewinn abzurechnen, nutzte die Medizinische Universität Innsbruck nicht. Da der Leiter als Auftraggeber im eigenen wirtschaftlichen Interesse gelegene Rechtsgeschäfte mit sich als Projektleiter selbst abschloss, könne man auch von "In-sich-Geschäften" reden. Man habe sich auch entsprechende Institute in Wien und Graz angeschaut und festgestellt, dass dort vergleichbare Untersuchungen für Ärzte, Krankenanstalten und andere Auftraggeber im Namen und für Rechnung der jeweiligen Medizinischen Universität durchgeführt wurden. Dadurch habe man die Voraussetzungen geschaffen, Untersuchungsleistungen jeweils unter transparenten Rahmenbedingungen und zur Gänze durch die Medizinische Universität durchzuführen. 2006 konnte etwa in Graz ein Gewinn von 1,1 Millionen Euro erwirtschaftet werden. Was in Wien und Graz funktioniert, sollte auch in Innsbruck möglich sein, resümierte Moser.

Am Beginn des Jahres 2008 – nach Überprüfung durch den Rechnungshof im Herbst 2007 – vereinbarte die Medizinische Universität Innsbruck mit dem Leiter des Departments, dass dieser künftig seine fachärztliche Tätigkeit bis zu seiner Emeritierung im September 2009 im universitären Rahmen durchführen wird. Der Vertrag, der bis September befristet ist, sei ein Schritt in die richtige Richtung, allerdings müssten in Hinkunft die Gewinnbeteiligung ausgewogener und die Basisabgeltung angemessener gestaltet werden. Derzeit wäre erst ab einem Gewinn von mehr als 320.000 Euro der Anteil der Universität höher als die dem Leiter des Departments zugesicherte Abgeltung. Es sollte auch von der derzeitigen Praxis abgegangen werden, wonach Mitarbeiter der Sektion für Hygiene und medizinische Mikrobiologie Nebenbeschäftigungen beim Leiter des Departments ausüben.

Universitätsprofessor Manfred Dierich zeigte sich gern bereit, den Vertrag zu modifizieren, auch wenn es dadurch schwieriger werde, kompetente Nachfolger für ihn zu finden.

Gründung der Exzellenzuni in Maria Gugging (IST Austria) geprüft

Der Rechnungshof überprüfte von März bis Mai 2007 die Planungen und Maßnahmen des Bundes und des Landes Niederösterreich zur Gründung des Institute of Science and Technology – Austria (IST Austria). Österreich entschloss sich als erster Staat in der EU dazu, eine Exzellenzuniversität als Spitzenforschungseinrichtung aufzubauen. Ob die sehr ambitioniert gesetzten Ziele erreicht werden können, werde maßgeblich von der Auswahl zukunftsträchtiger Forschungsthemen und der Rekrutierung geeigneter Wissenschafter abhängen, heißt es in der Einleitung des Rechnungshofberichts. Die Standortentscheidung (Maria Gugging in Niederösterreich) erfolgte — entgegen den ursprünglichen Bewertungsergebnissen — insbesondere nach finanziellen Kriterien, urteilten die Rechnungshofprüfer. Während des Bewertungsverfahrens wurden die höchstmöglich zu erreichenden Punktewerte reduziert und deren Gewichtung verändert. Nur das Finanzierungsangebot mit den geringsten zu erreichenden Punkten blieb unverändert. Für die ersten zehn Betriebsjahre sei zudem die Finanzierung des künftigen Betriebs der Universität im Ausmaß von 135,85 Mill. Euro nicht gesichert.

Abgeordneter Ewald Sacher (S) interessierte sich in seinem Redebeitrag für die Vorgänge rund um Standortentscheidung, die finanzielle Ausstattung des Instituts sowie die zukünftigen Forschungsschwerpunkte. Abgeordneter Ernest Windholz (B) lobte den aufschlussreichen Bericht und wies – ebenso wie die G-Mandatarin  Gabriela Musiol - darauf hin, dass im Laufe des Bewertungsverfahrens die einzelnen Kriterien anders gewichtet wurden. Für die Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (V) war der Rechnungshofbericht ein Beleg dafür, dass die Gründung des IST Austria eine richtige Entscheidung war und mit Maria Gugging auch der richtige Standort gefunden wurde.

Abgeordneter Martin Graf (F) konnte sich dieser Meinung absolut nicht anschließen. Der Bericht bestätige vielmehr, dass bei der Standortwahl manipuliert wurde. Er frage sich auch, wo die von der Industrie versprochenen Mittel sind. Außerdem kenne er keinen einzigen Wissenschafter - außer jenen, die in das Projekt involviert sind -, der die Gründung des Instituts positiv beurteilt. Legitim sei auch die Frage, ob die angepeilten Erfolge nicht ebenso oder besser durch Investitionen in bestehende Institutionen erreicht werden könnten.

Bundesminister Johannes Hahn gab zu bedenken, dass man frühestens nach fünf bis sieben Jahren beurteilen könne, ob das IST Austria eine Erfolgsstory ist; er persönlich sei davon jedenfalls zu 100 % überzeugt. Er räumte ein, dass man mit den Planungen ein wenig in Verzug sei, aber es wurden bereits zwei Wissenschaftler bestellt und weitere werden in den nächsten Wochen folgen. Bis Ende 2009 soll es vier bis fünf Forschungsgruppen geben, wobei die Schwerpunkte auf die computerunterstützte Hirnforschung, die quantitative Biologie und die Oberflächenforschung gelegt werden. Ab 2010 könne man mit den ersten Publikationstätigkeiten rechnen, Ende 2010 werden etwa 120 Personen am Campus forschen.

Er sei auch nicht geneigt, von einer Finanzlücke zu sprechen, führte Minister Hahn weiter aus. Da nach Maria Gugging Topleute aus der Wissenschaft und Forschung berufen werden, könne man davon ausgehen, dass ausreichend Drittmittel zur Verfügung stehen werden. Bis zu einer Höhe von 95 Millionen Euro ist der Bund auch bereit, diese Summe zu verdoppeln. Hahn wertete es als Erfolg, dass sich erstmals die Industrie bereit erklärt hat, sich an der Grundlagenforschung zu beteiligen. Ein hoher einstelliger Millionenbetrag sei bereits in eine Stiftung (Privatstiftung zur Unterstützung von Spitzenforschung) eingebracht worden. Da von einem Finanzierungszeitraum von zehn Jahren ausgegangen wurde, war klar, dass der Gesamtbetrag nicht gleich bereits zu Beginn des Projekts bereit gestellt wird.

Rechungshofpräsident Josef Moser machte einleitend darauf aufmerksam, dass im vorliegenden Fall fast alle Empfehlungen bereits umgesetzt wurden. Der einzige offene Punkt betraf den Vorschlag,  festgelegte Bewertungen im Verfahren über die Standortentscheidung im Nachhinein nicht mehr zu ändern; diese Empfehlung könne aber nur zur Kenntnis genommen werden.

Positiv sei, dass das BMWA bei Vorlage der Jahresvoranschläge des IST Austria betreffend Drittmitteleinwerbungen nun verstärkt auf die Plausibilität und Realisierbarkeit achtet und dass der Jahresvoranschlag und der Rechnungsabschluss nach betriebswirtschaftlichen Kriterien gegliedert wird. Auch die Zahlungsverpflichtungen für das IST Austria werden nun – wie vom Rechnungshof empfohlen - im Bundeshaushalt dargestellt. Weiters wurde eine Organisationseinheit des BMWF mit der Projektbegleitung und Projektkoordination betraut.

Beide Berichte wurden schließlich einstimmig vertagt.

(Schluss Uni Innsbruck, IST/Forts. Brenner Basistunnel)