Parlamentskorrespondenz Nr. 327 vom 21.04.2009

Über Sicherheit, Unsicherheit und Verunsicherung

Nationalrat debattiert Sicherheitsbericht 2007

Wien (PK) – Zu einer umfassenden Debatte zum Thema Sicherheit nutzte der Nationalrat den nächsten Punkt der Tagesordnung, den Sicherheitsbericht 2007. Abgeordneter VILIMSKY (F) meinte, es gebe in Österreich zwei Wirklichkeiten, die der Ministerin, wonach Wien und Österreich sicher seien, und die, die die Österreicher Tag für Tag erleben, weil man der Einbrüche und der Banden aus dem Osten nicht mehr Herr werde. Der Abgeordnete erinnerte daran, dass, während im Ausschuss der Sicherheitsbericht 2007 debattiert wurde, die offizielle Aussendung des Ministeriums erfolgte, dass im ersten Quartal 2009 die Kriminalität explodiert sei. Auch setzte sich der Redner mit der Wortmeldung von Fekter im Ausschuss kritisch auseinander, selbst in der "Wiener Zeitung" hieß es, der Anstieg der Kriminalität sei auf den Wegfall der Ostgrenzen zurückzuführen. Die FPÖ sei für die Wiedererrichtung der Grenzen in Richtung Osten, für 3.500 Polizisten mehr in Österreich und für eine entschlossene Bekämpfung der Kriminalität, so der F-Abgeordnete.

Abgeordneter KÖSSL (V) räumte ein, dass es eine erhöhte Kriminalität gibt. Seiner Meinung nach sei es wichtig, nicht populistisch zu agieren, sondern der Realität ins Auge zu schauen. Bei Fekter sei die Sicherheit in sehr guten Händen, unterstrich Kößl und erklärte, es habe sich durch den Wegfall des Eisernen Vorhangs eine gesellschaftspolitische Veränderung in Österreich bzw. in Europa ergeben. Durch verschiedene Maßnahmen sei ihr auch Rechnung getragen worden. Fest stand für den Redner auch, dass sich generell die Kriminalität verändert hat. Die Aufklärungsquote sei nicht zufriedenstellend, aber die Bemühungen, eine höhere zu erreichen, seien gegeben. Die Sicherheitsexperten seien nun am Zug, um entsprechende Maßnahmen zu setzen.

Abgeordneter WESTENTHALER (B) meinte, es sei eine "Peinlichkeit", dass man im April 2009 den Sicherheitsbericht 2007 diskutieren müsse. De facto gibt es laut Westenthaler einen Sicherheitsnotstand, vor allem in den Ballungszentren, etwa in Wien. Im ersten Quartal 2009 habe es 3.600 Einbruchsdelikte gegeben, allein 2.812 in Wien. Aufgeklärt wurden in Wien lediglich 3 % der Einbrüche! Man brauche nur als Einbrecher nach Wien zu kommen, man werde nie erwischt, erklärte er pointiert. Vom Jänner bis März 2009 habe man 143.253 Verbrechen zu verzeichnen, das bedeute ein Plus von 4,68 %. Wenn man das hochrechne, würden wir am Ende dieses Jahres die 600.000-er Marke bei den Verbrechen überschreiten, rechnete Westenthaler vor.

Abgeordneter PENDL (S) wies darauf hin, dass die größten Einsparungen bei der Polizei blau/orange mit beschlossen habe; nun werde es zusätzlich 1.000 Planstellen geben. Aus seiner Sicht leistet die Regierung hervorragende Arbeit.

Abgeordneter Dr. PILZ (G) erinnerte daran, dass ÖVP und FPÖ gemeinsam versprochen haben, wenn man Bürgerrechte abbaut und der Polizei sämtliche Vollmachten gibt, dann werde es gelingen, die Kriminalität in einer europaweit einzigartigen Weise zu bekämpfen. Der Zustand der Kriminalität in Österreich sei sehr wohl einmalig in Europa: In Wien sei die Chance erwischt zu werden auf 3 % gesunken. Das heißt, nur mehr 90 Wohnungseinbrüche werden aufgeklärt. Die Polizisten in Wien seien nicht schlechter als anderswo, aber ihre Arbeitsbedingungen seien katastrophal, strich Pilz heraus. In Wien habe man acht Jahre konzentrierte Parteibuchwirtschaft hinter sich, alle verantwortlichen Polizisten hätten ein schwarzes Parteibuch, und seit Ernst Strasser habe eine Überzentralisierung stattgefunden, die dazu geführt habe, dass die Wiener Kriminalpolizei nicht mehr dezentral arbeiten kann.

Der Vorsitz führende Präsident Dr. GRAF erteilte Abgeordnetem Pilz für seine Bemerkung in Richtung der Ressortleiterin, sie sei Schutzpatronin des organisierten Verbrechens, einen Ordnungsruf.

Bundesministerin Dr. FEKTER verwies darauf, dass der Sicherheitsbericht 2007 noch rückläufige Kriminalitätszahlen aufweise. Im Jahr 2007 wurden 594.240 strafbare Handlungen begangen, davon 133.546 Verbrechen und 460.694 Vergehen. Die Aufklärungsquote betrug 2007 39,4 %. 2008 wurden 572.695 strafbare Handlungen – 129.613 Verbrechen und 443.082 Vergehen – angezeigt. Das war – trotz der Schengenöffnung – ein Rückgang von 3,6 %, davon wurden 219.514 Fälle geklärt, die Aufklärungsquote liegt bei 38,3 %. Die neuesten Zahlen zeigen einen Anstieg der Kriminalität, bereits ab Spätherbst war erkennbar, dass es einen erheblichen Anstieg der Kriminalität gibt, insbesondere in Wien und da vor allem bei den Wohnungseinbrüchen. Bedauerlicherweise sei die Aufklärungsquote der Wohnungs- und Firmeneinbrüche sehr niedrig, daher würden in diesen Bereichen Schwerpunkte gesetzt.

Abgeordneter HORNEK (V) trat für eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit den Nachbarländern zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität ein. Weiters forderte er eine klare Trennung zwischen Zuwanderung und Asyl und ein entschlossenes Auftreten gegen das Schlepperunwesen.

Abgeordneter MAYERHOFER (F) sprach von einem Rückgang der öffentlichen Sicherheit und meinte pointiert, bevor die BürgerInnen angesichts der steigenden Einbruchszahlen ihre Haustüren auswechseln, sollten sie lieber über einen Austausch der verantwortlichen Politiker nachdenken.

Abgeordneter FAZEKAS (S) betonte, das Dichtmachen der Grenzen als Reaktion auf die gestiegene Kriminalität wäre "eine sehr einfache Rechnung". Er beklagte die große Belastung der Exekutive und forderte bessere Arbeitsbedingungen und eine bessere Bezahlung. Überdies sah Fazekas die Kriminalität auch im Zusammenhang mit der sozialen Situation.

Abgeordneter GROSZ (B) bezeichnete es als Faktum, dass Österreich seit Schengen zu einem Einbruchs-Eldorado geworden sei, und machte die Innenministerin für diese Entwicklung verantwortlich. Empört zeigte er sich über die Situation in Graz, wo, wie er vorrechnete, lediglich 50 Beamte im Nachtdienst tätig seien. Grosz warf Fekter darüber hinaus vor, die Kriminalitätsstatistiken zu frisieren und keinerlei Maßnahmen gegen das Verbrechen zu setzen. Er forderte den Rücktritt der Ministerin, die Aufstockung der Exekutivkräfte und die Einberufung eines Sicherheitsgipfels.

Abgeordneter KAPELLER (V) wies die Vorwürfe gegen Fekter scharf zurück und bezichtigte seinen Vorredner der "Präpotenz" und der  Verunsicherung der Bevölkerung. Die Ministerin müsse bleiben, "denn da geht was weiter", war Kapeller überzeugt. Die Einberufung eines Sicherheitsgipfels mit Experten a la Grosz hingegen wäre kein Gewinn für die Sicherheit, meinte er.

Abgeordneter Mag. STEINHAUSER (G) erinnerte an den starken Anstieg bei der Anzahl von Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund und sah die Innenministerin gefordert, auf diesen Trend adäquat zu reagieren. Der Rechtsstaat müsse bei der Bekämpfung der rechtsextremen Netzwerke Zähne zeigen und das "volle Programm" ausschöpfen. Steinhauser forderte in diesem Sinn die Überwachung der Burschenschaften durch die Staatspolizei und die Anwendung des Versammlungsrechtes zur Unterbindung von rechtsextremen Aufmärschen.

Abgeordnete LUEGER (S) wandte sich zunächst entschieden gegen die Behauptung des Abgeordneten Westenthaler, jeder zweite Asylwerber sei straffällig. An der aktuellen Kriminalitätsstatistik hob die Rednerin den Rückgang der Jugend- und Kinderkriminalität hervor, und lobte in diesem Zusammenhang die intensiven Präventionsbemühungen und die lokale Projektarbeit vieler Gemeinden. Die SPÖ wird dem Sicherheitsbericht 2007 gerne zustimmen.

Abgeordneter HERBERT (F) replizierte auf Abgeordneten Pendl und verwies auf Einsparungen an Exekutiv-Planstellen zur Zeit des sozialdemokratischen Bundeskanzlers Gusenbauer. Die Behauptung, die Zahl der Exekutivbeamten werde in den nächsten Jahren steigen, problematisierte der Redner mit dem Hinweis auf zunehmende Pensionierungen von Exekutivbeamten in den nächsten Jahren. Der Redner warnte die Innenministerin vor der Gefahr, dass Mitglieder der organisierten Kriminalität "das Haus Österreich ausräumen".

Abgeordneter GAHR (V) sah die Innenministerin mutig am Werk, Strukturen zu optimieren und die Sicherheitssituation zu verbessern. Abgeordneter Gahr unterstützte die Ministerin auch in der Absicht, die Aussagekraft des Sicherheitsberichts künftig zu erhöhen. Abgeordnetem Pilz, der moderne Arbeitsmethoden oft als Werkzeuge zur Bespitzelung kritisiere, habe heute versucht, Panik zu erzeugen, kritisierte Gahr.

Abgeordneter HAGEN (B) bedauerte, dass die im Jahr 2000 begonnene Polizeireform nicht zu Ende geführt worden sei und meinte, der Sicherheitsbericht 2007 gehöre längst schon in die Geschichtsbücher. Die aktuellen Kriminalitätsdaten in Vorarlberg zeigten eine Zunahme von mehr als 15 % im Jahr 2009. "Sicherheit sieht anders aus", sagte Hagen und machte auf heillos überlastete Exekutivbeamte aufmerksam. Um Einbrüche oder Raubüberfälle, insbesondere auch in Wien, besser bekämpfen zu können, bedürfe es mehr Personal bei der Exekutive. Die versprochenen Personalzuwächse würden aber nicht eintreten, weil mehr Beamte in Pension gehen als neue ausgebildet werden, klagte auch Abgeordneter Hagen.

Abgeordneter Mag. MAIER (S) bezweifelte, dass die von den Oppositionsparteien genannten Delikte tatsächlich die ganz große Gefahr darstellten. Der Abgeordnete machte auf den Zuwachs bei den Internetdelikten aufmerksam, die 2007 einen Höhepunkt erreicht haben. Diese Art der Kriminalität dürfe nicht unterschätzt werden, weil die Zahl der Menschen zunehme, die per Internet betrogen werden. "Wir sollten diesen Delikten verstärkt Aufmerksamkeit widmen", sagte der Redner, und warnte vor Gefahren für Menschen, Wirtschaft und Staat durch Kriminelle im Netz.

Abgeordneter DDr. KÖNIGSHOFER (F) sah Innsbruck "in der Geiselhaft aggressiver Gruppen von Nordafrikanern". Diese Kriminellen seien hauptsächlich im Drogenhandel beschäftigt und missbrauchten das Asylrecht, wenn ihnen die Abschiebung drohe. Anhand dreier Beispiele wies der Redner auf Fälle von Raub, Vergewaltigung und Schändung hin und drängte auf Maßnahmen der Bundesregierung zur Unterstützung der Stadt Innsbruck. In einem Entschließungsantrag forderte Königshofer präventive und personelle Maßnahmen, damit kriminelle Drittstaatsangehörige kriminalpolizeilich behandelt und abgeschoben werden können.

Abgeordnete FÜRNTRATH-MORETTI (V) würdigte das Engagement der Innenministerin im Kampf gegen die Jugendkriminalität. Sachbeschädigungen seien zu einem neuen Massendelikt geworden, sagte die Rednerin und sah auch Eltern, Lehrer und die gesamte Gesellschaft gefordert, um den Vandalismus von Jugendlichen, insbesondere auch in der Stadt Graz, einzudämmen.

Abgeordnete KÖNIGSBERGER-LUDWIG (S) nannte die Sicherheit als eines der höchsten Güter der Menschen, daher müsse die Politik den Menschen das Gefühl geben, ihr Leben sowie ihr Hab und Gut werden geschützt. Daher begrüßte die Rednerin die Absicht, zusätzliche Polizisten einzustellen. Die Sorgen der Menschen um ihre Sicherheit werden von dieser Bundesregierung ernst genommen, lobte die Abgeordnete, und sprach die Hoffnung auf Verbesserung der angespannten Personalsituation bei der Polizei aus. 

Abgeordneter PRINZ (V) hielt fest, dass die Gesamtkriminalität 2007 um 0,8 % leicht zugenommen und die Aufklärungsquote um 0,5 % verbessert werden konnte. Österreich sei nach wie vor eines der sichersten Länder der Welt: Das sei die Hauptaussage des Sicherheitsberichts, der hervorragend Daten für die Sicherheitspolitik dokumentiere, lobte Abgeordneter Prinz.

Abgeordneter PLESSL (S) beklagte die späte Vorlage des Sicherheitsberichts 2007 und sprach die Hoffnung auf eine raschere Vorlage des Berichts über das Jahr 2008 aus. Nachdrücklich sprach sich der Redner dafür aus, den Sicherheitsbericht hinsichtlich seiner statistischen Aussagekraft zu überarbeiten. Der Kriminalitätsanstieg 2009 sei bedauerlich, die Bundesregierung reagiere aber sowohl mit lang- sowie auch mit kurzfristigen Maßnahmen gegen die Zunahme der Kriminalität: durch Aufnahme zusätzlichen Personals und durch die Verbesserung der Ausrüstung der Beamten.

Abgeordneter KLIKOVITS (V) wies Angriffe der Opposition auf die Innenministerin zurück und erinnerte die Abgeordneten Strache und Westenthaler daran, dass Österreich von seinen Gästen als eines der sichersten Länder der Welt geschätzt werde. Gut ausgebildete Polizisten sorgten täglich dafür, dass Österreich nicht so aussehe, wie es von manchen Oppositionsabgeordneten dargestellt werde. "Sie wollen Grenzen aufrichten, wir wollen Grenzen abbauen", sagte Abgeordneter Klikovits in Richtung der Opposition.

Abgeordneter SCHMUCKENSCHLAGER (V) befasste sich mit der Suchtgiftkriminalität, wobei er feststellte, die Drogenkriminalität finde nicht mehr nur in der Anonymität der Großstadt statt, sondern auch im ländlichen Raum, "am Küchentisch und unter dem Herrgottswinkel". Aufmerksamkeit sei der Gruppe der 20- bis 24-Jährigen zu widmen, die die größte Zahl an Drogentoten verzeichne, sagte Schmuckenschlager, der auf die Erfolge der Innenministerin im Kampf gegen die organisierte Kriminalität hinwies.

Bei der Abstimmung wurde der Sicherheitsbericht 2007 mit Mehrheit zur Kenntnis genommen. 

Der Entschließungsantrag der FPÖ zur prekären Sicherheitssituation in Innsbruck fand keine Mehrheit und wurde abgelehnt.

(Schluss Sicherheitsbericht/Forts. NR)