Parlamentskorrespondenz Nr. 330 vom 21.04.2009

Gericht: Rechtspfleger könnten bald in Strafsachen tätig werden

FPÖ-Antrag betr. Religionsgemeinschaften fand keine Mehrheit

Wien (PK) – "Besonders ausgebildete nichtrichterliche Bundesbedienstete", so genannte Rechtspfleger, können künftig nicht nur in Zivilrechtsangelegenheiten, sondern auch in Strafsachen eingesetzt werden. Ein entsprechender Antrag der Koalitionsparteien wurde heute vom Nationalrat mit Mehrheit beschlossen. Ein FPÖ-Antrag, wonach Religionsgemeinschaften in Österreich sich zum Laizismus bekennen müssten, fand keine Mehrheit.

Abgeordneter Mag. STEFAN (F) wies darauf hin, dass durch die vorgeschlagene Änderung des Artikels 87a der Bundesverfassung die Bestimmungen über die Rechtspfleger angepasst werden sollen. Das Modell der Rechtspfleger, die z.B. in Firmenbuch-, Grundbuch- und Insolvenzangelegenheiten sowie im Außerstreitverfahren tätig sind, sei seiner Meinung nach eine Erfolgsgeschichte, zumal 81 % der Entscheidungen an Bezirksgerichten von ihnen getroffen werden. Nun soll es zu einer Ausweitung des Tätigkeitsbereiches auf Strafsachen kommen, was von der FPÖ grundsätzlich unterstützt werde, weil es sich dabei um eine alte Forderung seiner Fraktion handle. Man hätte jedoch die Einschränkung gesetzlich festschreiben sollen, wonach die Rechtspfleger in Strafsachen nur in untergeordneten Tätigkeiten eingesetzt werden können, nicht aber in der Rechtssprechung selbst.

Abgeordneter Mag. DONNERBAUER (V) erläuterte ebenso die Eckpunkte der neuen Bestimmungen bezüglich der Rechtspfleger. Die Bedenken seitens der FPÖ halte er im vorliegenden Fall für unberechtigt, da die Bundesverfassung ausreichend garantiere, dass "nichts passieren könne“. Es sei gewährleistet, dass immer ein übergeordneter Richter zuständig sei, die Kontrolle habe, die Sache an sich ziehen und auch Weisungen erteilen könne.

Die Wortmeldung des Abgeordneten Donnerbauer könne seine Skepsis nicht ausräumen, erklärte Abgeordneter Mag. STADLER (B). Durch den Wegfall des Begriffs "in Zivilrechtssachen" könne der Rechtspfleger nämlich im gesamten Bereich der Justiz eingesetzt werden, argumentierte er. Wer könne garantieren, dass als nächster Schritt dann einmal der Rechtspfleger, der nicht entsprechend ausgebildet ist, auf der Richterbank sitze?

Auch er lehne es ab, wenn rechtsprechende Entscheidungen durch nicht-richterliches Personal gefällt werden, bekräftigte Abgeordneter Dr. WITTMANN (S), und dies sei auch nicht die Intention des Gesetzentwurfs. Aus seiner Sicht sei es jedoch vernünftig, wenn der Einsatzbereich der Rechtspfleger auf Strafsachen ausgedehnt wird. Da es sich dabei um einen typischen Fall der Materiengesetzgebung handelt, soll diese Regelung nicht in der Verfassung festgeschrieben werden.

Die Rechtspfleger hätten sich in den letzten Jahren als verlässlicher Partner der Justiz erwiesen, meinte Abgeordneter Mag. STEINHAUSER (G). Einer Ausweitung des Einsatzbereiches könne er daher grundsätzlich zustimmen. Er hoffe aber, dass die Opposition dann - wie von den Regierungsfraktionen versprochen - in der einfachgesetzlichen Ausführung dieser Maßnahme einbezogen wird. Wer diese Regelung ernst nimmt, der müsse zudem garantieren, dass genügend Planstellen zur Verfügung gestellt werden.

Abgeordneter Dr. JAROLIM (S) verwies darauf, dass das System der Rechtspflege im Artikel 87a der Bundesverfassung ausreichend geregelt wurde und dass es in der Vergangenheit im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit nie ein Problem gegeben hat. Es sei verfassungsrechtlich völlig klar, dass die Rechtssprechung als solche davon nicht berührt sei.

Es seien sich wohl alle einig, dass die Richter von den Verwaltungstätigkeiten frei gespielt werden sollen, meinte Abgeordneter PENDL (S). Da das System der Rechtspflege im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit seit vielen Jahren erfolgreich eingesetzt wird, sei für ihn eine Ausweitung auf Strafsachen nur vernünftig.

Staatssekretär Dr. OSTERMAYER dankte für die konstruktive Diskussion. Auch bei diesem Tagesordnungspunkt gehe es im Kern um die Frage, wie die Ressourcen des Staates möglichst sparsam und effizient eingesetzt werden können. Es sei wohl unbestritten, dass der bisherige Einsatz von Rechtspflegern sehr gut funktioniert habe. Jetzt gehe es darum, dass Richter und Staatsanwälte von weiteren Hilfstätigkeiten entlastet werden, wobei es natürlich nicht um die Rechtssprechung geht.

Der Gesetzesentwurf wurde – bei Feststellung der verfassungsmäßig erforderlichen Zweidrittelmehrheit – mehrheitlich angenommen.

F- Antrag : Religionsgemeinschaften müssen sich zum Laizismus bekennen

Abgeordneter Mag. STEFAN (F) legte einen Entschließungsantrag vor, der im Sinne des ursprünglichen, von den Koalitionsparteien im Verfassungsauschuss  abgeänderten Entschließungsantrages darauf gerichtet ist, in Österreich nur solche Religionsgemeinschaften anzuerkennen, die die österreichische Rechtsordnung und den Laizismus anerkennen. Beim Dialog mit dem Islam sei darauf zu achten, dass die österreichische Rechtsordnung nicht unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit ausgehöhlt werde, sagte Stefan, und wies auf die Zwangsverheiratung von Frauen und auf Tierquälerei unter dem Titel Schächtung hin.

Abgeordneter DONABAUER (V) bezeichnet den Antrag der FPÖ als überflüssig, weil die Religionsgemeinschaften in Österreich bereits seit 1867 an die Anerkennung der allgemeinen staatlichen Gesetze gebunden sind. Für die Anerkennung der Religionsgemeinschaften durch den Staat ist die Anerkennung der staatlichen Rechtsordnung eine Voraussetzung. Diesem Grundsatz entspreche der Entschließungsantrag, den der Verfassungsausschuss mit Mehrheit beschlossen hat, erläuterte Abgeordneter Donabauer.

Abgeordneter Mag. STADLER (B) wies darauf hin, dass sich die Religionsgemeinschaften nur an den Rahmen der Rechtsordnung halten müssen und nur der Staat, nicht aber die Religionsgemeinschaften, zur Trennung von Kirche und Staat verpflicht seien. Man könne Religionsgemeinschaften nicht zwingen, ein Bekenntnis zur staatlichen Ordnung in ihren Glaubensgrundsätzen festzuschreiben. Der freiheitliche Antrag enthalte peinliche Fehler. So seien das Schächten und Zwangsbeschneidungen nur im Judentum vorgesehen. Man sollte sich besser informieren, bevor man einen Antrag formuliert, meinte Abgeordneter Stadler.

Abgeordnete Mag. GROSSMANN (S) distanzierte sich von der Begründung des Antrags der Freiheitlichen, bezeichnete Religion als eine Privatsache und warnte vor einer Vermischung von Religion und Politik. Der Staat solle auf die Religionen keinen Einfluss nehmen, außer es werde seine Rechtsordnung verletzt, etwa durch Genitalverstümmelung oder religiös begründete Zwangsverheiratungen. Die Entschließung des Verfassungsausschusses fordere den Dialog mit den Religionsgemeinschaften, im Interesse einer Förderung der Werte der Demokratie und der Gleichstellung der Geschlechter. Es gelte die Religionsgemeinschaften als Partner des demokratischen Staates zu gewinnen.

Abgeordnete Mag. MUSIOL (G) begründete die Ablehnung der beiden F-Anträge mit mangelndem Handlungsbedarf. Auch die Entschließung des Verfassungsausschusses sei überflüssig, weil davon auszugehen sei, dass der Staat ohnehin mit allen Religionsgemeinschaften im Dialog stehe. Es stelle sich auch die Frage, warum nur der Islam gemeint sein solle, immerhin habe ein designierter oberösterreichischer Weihbischof Aussagen getätigt, die für Musiol hart an der Grenze der Rechtsordnung angesiedelt waren, etwa wenn er von einer Heilung der Homosexuellen gesprochen habe.

Abgeordneter Dr. SONNBERGER (V) hielt den Freiheitlichen entgegen, die Einhaltung der staatlichen Rechtsordnung durch die Religionsgemeinschaften sei in Österreich ebenso ausreichend klar geregelt wie die Religionsfreiheit. Der nicht ausreichend präzise Begriff Laizismus, den die FPÖ in ihrem Antrag verwende, komme in der österreichischen Rechtsordnung nicht vor, klärte Sonnberger auf.

Abgeordneter WEINZINGER (F) warf BZÖ und ÖVP Themenverfehlung vor. Sie würden übersehen, dass die Bevölkerung eine islamische Massenzuwanderung nach Österreich ablehne. Die Position der Freiheitlichen bringe die Meinung von 90 % der MitbürgerInnen zum Ausdruck, die wissen, dass die schleichende Islamisierung Österreichs der falsche Weg sei und daher verlangen, "dass sich die Moslems an unsere Rechtsordnung halten müssen". Es gelte zu verhindern, dass Österreich nach und nach ein islamischer Staat werde, schloss Weinzinger. 

Abgeordnete LUEGER (S) bekannte sich dazu, dass der Staat auf Einflussnahme im Bereich der persönlichen Sinnstiftung verzichtet. Die Anerkennung von Religionsgemeinschaften sehe aber deren Bindung an die staatliche Rechtsordnung vor. Der unscharfe Begriff Laizismus sei heute nicht mehr aktuell, weil er dem Ziel der Zurückdrängung der Religion in den privaten Bereich entspreche. Österreich verwirkliche im Verhältnis zu den Religionsgemeinschaften aber ein Kooperationsmodell. 

Abgeordneter PETZNER (B) warf der FPÖ vor, ihr Anliegen in völlig falscher Form in einen Antrag gegossen zu haben; daher sei dieser Antrag abzulehnen, würde er realisiert, würde er vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden. Im weiteren Verlauf seiner Rede berichtete der Abgeordnete vom Beispiel eines Kärntner Hasspredigers, dem sein Bundesland niemals die österreichische Staatsbürgerschaft verleihen werde.

Abgeordnete Mag. BECHER (S) wandte sich gegen jeden Versuch, die Trennung von Staat und Kirche zu verändern und wandte sich auch gegen archaische Praktiken unter dem Deckmantel der Religion und gegen religiös motivierte Verletzungen geltenden Rechts. Es sei notwendig, im Dialog mit den Religionsgemeinschaften für die österreichische Rechtsordnung einzutreten.

Abgeordneter Dr. WALSER (G) bezeichnete sowohl den Entschließungsantrag der Freiheitlichen als auch den Abänderungsantrag der Regierungsparteien als peinlich. Es könne nicht als Staatsaufgabe definiert werden, in einen Dialog mit den Religionsgemeinschaften zu treten. Erstaunt zeigte sich der Redner über die Zustimmung der Sozialdemokratie zu diesem Antrag. Der Staat müsse seinen Primat durchsetzen, wo Probleme auftreten, etwa beim Schwimmunterricht muslimischer Mädchen.

Bei der Abstimmung wurde die Ausschussentschließung zum Dialog mit den Religionsgemeinschaften mit Mehrheit angenommen. Der FPÖ-Entschließungsantrag fand keine Mehrheit und wurde abgelehnt.

(Schluss Justiz und Religion/Forts NR)