Parlamentskorrespondenz Nr. 335 vom 22.04.2009

Nationalrat unterzieht Bundesvoranschläge einer ersten Bewertung

Erste Lesung der Budgets für die Jahre 2009 und 2010

Wien (PK) – Nur zwei Punkte umfasste heute die Tagesordnung der Sitzung des Nationalrats: die Voranschläge des Bundeshaushalts für die Jahre 2009 und 2010. Die Abgeordneten unterzogen die Budgets einer ersten kritischen Bewertung. Zu Beginn der Sitzung teilte Präsidentin Mag. PRAMMER mit, dass von der Fraktion der Freiheitlichen und von der Fraktion der Grünen das Verlangen auf jeweils eine Kurzdebatte vorliege. Die FPÖ thematisiert die Antwort des Finanzministers auf ihre Anfrage 979/J, die Grünen wollen zusätzliche Informationen zur Antwort des Bundeskanzlers auf ihre Anfrage 818/J. Die erste Kurzdebatte beginnt um 15 Uhr, die zweite anschließend an die erste.

Cap: Entscheidend ist die Balance

Vor dem Hintergrund der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise seit 80 Jahren sei für das Budget die Balance entscheidend, eröffnete Klubobmann Dr. CAP (S) die Erste Lesung der beiden Budgets. Die Krise habe Auswirkungen auf die Standorte, und alle seien von der Krise und ihren drohenden Folgen – soziale Konflikte und Ansteigen der Armut – betroffen. Österreich habe sich den Herausforderungen früh gestellt, stellte Cap fest, und erinnerte an die Beschlüsse des Nationalrats vom 24. September 2008, an das Vorziehen der Steuerreform, an das Banken- und an die beiden Konjunkturpakete. Es gebe allerdings auch Interessen, die Krise für eigene Ziele zu nützen; Aufgabe des Staates sei es daher, strenge Kontrolle auszuüben. "Es geht um öffentliche Gelder, und wir haben nichts zu verschenken", sagte Cap. Mit der Ausweitung der Maßnahmen in der Arbeitsmarktpolitik und dem Kampf um "jeden Arbeitsplatz" signalisiere die Regierung: "Uns geht's um jeden einzelnen Österreicher!" Kein Bereich dürfe zu kurz kommen. Bei der bevorstehenden "strukturellen Steuerreform" würden auch Verteilungsfragen anzusprechen sein, sagte Cap, und betonte mit Blick auf die – laut "Kleiner Zeitung" – 78.000 Millionäre in Österreich: "Jeder muss einen Beitrag leisten – es geht um Gerechtigkeit."

Kopf: Nicht die Krise verwaltet, sondern in die Zukunft investiert

Mit den Voranschlägen 2009 und 2010 würde "nicht die Krise verwaltet, sondern in die Zukunft investiert", stellte ÖVP-Klubobmann KOPF fest. Auch er erinnerte an die bereits gesetzten Maßnahmen und sah in den Budgets "richtige Schwerpunktsetzungen" und eine "solide Grundlage". Es werde in Bildung, Forschung und Sicherheit investiert, und "Maßhalten" sei ein wichtiges Prinzip. Es seien "Budgets der Taten und nicht der Versprechungen", betonte Kopf, und sah in den Voranschlägen eine "christlichsoziale Handschrift". Man habe ausreichende Liquidität für den Kapitalmarkt bereit gestellt, Einlagen und Kredite gesichert und die Finanzierbarkeit der Arbeitsmarktpolitik sichergestellt. Mit der Steuerreform sei ein wichtiges psychologisches Signal gesetzt worden, von dem alle profitierten, die Steuern zahlen.

Kopf bekannte sich dazu, jene "besonders pfleglich" zu behandeln und zu entlasten, "die die Republik finanzieren": "Wir wollen nicht die Steuerleistung weniger, sondern die Leistungsbereitschaft aller stimulieren", formulierte er das Credo seiner Fraktion. Ausdrücklich wandte er sich gegen jede "eigentumsfeindliche Gesinnung" und stellte klar, dass es mit seiner Partei keine neuen Steuern geben werde, zumal die "Spreizung" zwischen höchsten und niedrigsten Einkommen in Österreich zur geringsten gehöre. Seine Fraktion tue sich bei der Erhöhung der Staatsquote und der Staatsverschuldung nicht leicht, doch eine außergewöhnliche Situation verlange auch außergewöhnliche Maßnahmen. Schließlich bekannte er sich für seine Fraktion zu einem Budgetausgleich "über den Konjunkturzyklus" und kündigte in diesem Zusammenhang "die eine oder andere Maßnahme" an.

Strache: Das Budget ist ein Eingeständnis des Scheiterns

Als "Eingeständnis des Scheiterns des Finanzministers" wertete hingegen FPÖ-Klubchef STRACHE die beiden Bundesvoranschläge. Die Steuerreform qualifizierte er als "Minimunduspaket" und sah die Zahl der Arbeitslosen bis Ende 2009 auf 600.000 steigen. Im Blick auf den damit verbundenen Steuerausfall dürfe man nicht knausern, forderte Strache und erinnerte an die Forderung seiner Fraktion nach einer Steuerreform im Ausmaß von 6,5 Mrd. €. Strache forderte die Aufschnürung des Bankenpakets und wandte sich gegen die 15 Mrd. €, die den Banken als frisches Kapital zugeführt worden seien – 3 Mrd. davon sollten für die Familien und die Sicherheit umgewidmet werden, forderte er. Es sei zwar richtig, dass die Krise von den USA ihren Ausgang genommen habe; die EU sei aber für Österreich kein Schutzwall gewesen.

Kritisch setzte sich Strache sodann mit dem Raiffeisen-Konzern auseinander, der "schon über mehr Abgeordnete verfügt als die Grünen", wie Strache feststellt, und den er als "Giebelkreuz-Krake" titulierte. Raiffeisen Generalanwalt Konrad habe noch vor kurzem gesagt, nur "über seine Leiche" würde Raiffeisen Geld vom Staat nehmen, jetzt aber nehme er mehr als 1,5 Mrd. €. Auch die Bundes-Immobiliengesellschaft sei "fest in der Hand der Giebelkreuzkrake", stellte Strache fest, kam auf familiäre Verflechtungen zu sprechen und kritisierte zudem die Medienbeteiligungen. Wenn Raiffeisen Geld nehme, dann müssten zuerst die Beteiligungen im Medienbereich und bei den Casinos Austria veräußert werden, forderte Strache.

Bucher: Bruchlandung nach budgetpolitischem Blindflug

Einen "budgetpolitischen Blindflug" befürchtete BZÖ-Klubobmann BUCHER, der mit einer "enormen Bruchlandung" enden würde. Es sei ein Mangel, wenn Kanzler und Regierung nicht in der Wirtschaft tätig gewesen seien und sich nur auf die Prognosen von Wirtschaftsforschungsinstituten stützten. Bucher teilte zwar die vorgelegte Analyse, kritisierte aber, dass man mit konkreten Handlungen sich zu lange Zeit gelassen habe. Nach der im Bereich Bildung und Schule nicht zustande gekommenen Reform sah er die Gefahr, dass weiterhin jede Reformanstrengung durch Widerstand und Streich verhindert werden könne und mit "Umfallern" ende. Es sei ein Fehler gewesen, die Sozialpartner in die Regierung zu nehmen, kritisierte Bucher, und Österreich werde unsanierbar bleiben, solange "Rot und Schwarz" in der Regierung seien.

Die Budgetzahlen würden nicht stimmen, auch von der OECD würde ein höheres Defizit erwartet, sagte Bucher weiter. Die Arbeitslosenzahl würde schmerzhaft ansteigen, und die Regierung sei nicht mehr Krisenverwalter, sondern "Masseverwalter der Republik". Das Geld, das hingegeben werde, ohne Veränderungen einzufordern, sei aber das Geld der Steuerzahler, sagte Bucher, und sah bereits ein neues Belastungspaket auf die Bürger zukommen. Die Konjunkturpakete würden nicht greifen, das Bankenpaket zeige keine Wirkung – "beenden Sie die Kurzarbeit und schreiten Sie zur Tat", appellierte der Redner an die Regierung.

Glawischnig-Piesczek: Regierung kämpft nicht um jeden Arbeitsplatz

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G) meinte, wenn man die gestrige Budgetrede Prölls mit den tatsächlichen Zahlen des Doppelbudgets 2009/2010 vergleiche, zeige sich eine "unglaubliche Unredlichkeit". Es werde so viel manipuliert und verdreht, dass der von Pröll verwendete Ausdruck "ordentlicher Kaufmann" unangebracht sei.

Glawischnig ortet unter anderem eine Kapitulation der Regierung vor der Arbeitslosigkeit. Die Aussage Prölls, wonach niemand im Regen stehen gelassen werde, ist für sie eindeutig falsch. Es werde nicht um jeden Arbeitsplatz gekämpft, sagte Glawischnig, vielmehr werde hohe Arbeitslosigkeit in Kauf genommen und durch Personaleinsparungen im öffentlichen Dienst und durch die Kürzung von Ermessensausgaben sogar produziert. Gleichzeitig leiste die Regierung Armut und sozialem Elend Vorschub, da keine Erhöhung der Arbeitslosenunterstützung und der Notstandshilfe in Aussicht genommen sei.

Glawischnig warf der Regierung überdies vor, zu wenig und in falsche Bereiche zu investieren. Klimaschutz, erneuerbare Energie und die Ausweitung des Pflegeangebots seien "kein Thema mehr". Überdies ist ihr zufolge die Hälfte des Volumens der Steuerreform "vollkommen verbranntes Geld", weil die Entlastung von Besserverdienern nicht konjunkturwirksam sei. Glawischnig forderte mehr Steuergerechtigkeit und eine stärkere Besteuerung von Vermögen im Verhältnis zur Besteuerung von Arbeit.

Faymann: Krise bekämpfen und Arbeitsplätze sichern

Bundeskanzler FAYMANN bekräftigte, die Regierung habe mit der Erstellung des vorliegenden Doppelbudgets eine große Kraftanstrengung unternommen. Derart hohe Budgetausgaben wie in den kommenden Jahren seien nicht "auf alle Ewigkeit" machbar, betonte er, in der nunmehrigen krisenhaften Situation müssten aber zusätzliche Investitionen in Beschäftigung und Konjunktur getätigt werden. Nur so könne man die Krise bekämpfen und Arbeitsplätze sichern. Faymann wies beispielsweise auf die geplanten Maßnahmen zur Reduzierung der Jugendarbeitslosigkeit hin.

Kritik übte Faymann an den von der FPÖ gemachten Vorschlägen und meinte, da seien ihm die Wirtschaftskonzepte seiner Regierung weitaus lieber. Für die Zukunft stellte er eine strukturelle Steuerreform und ein Reduzierung der Staatsausgaben durch Verwaltungsreformen in Aussicht.

In Richtung Abgeordneter Glawischnig merkte Faymann an, Einsparungen in Teilbereichen des öffentlichen Dienstes seien notwendig, um in anderen Bereichen, etwa für Bildung und Gesundheit, mehr Geld zu Verfügung zu haben. Bildungsinvestitionen seien, so der Kanzler, ein Schlüssel zur Bewältigung der Krise.

Pröll: Nach Krisenbewältigung wieder maßvolles Haushalten

Vizekanzler DI PRÖLL machte geltend, die Regierung habe seit ihrem Amtsantritt in Rekordzeit eine vierjährige Finanzplanung, ein Doppelbudget, eine Steuerreform und mehrere Konjunkturpakete beschlossen. Als Schwerpunkte des Doppelbudgets 2009/2010 nannte er die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sowie zusätzliche Investitionen in Bildung, Wissenschaft und Forschung. So verwies Pröll etwa auf die Bereitstellung von 1 Mrd. € für aktive Arbeitsmarktpolitik, innovative Ansätze bei Kurzarbeitsmodellen und die Aufstockung des Bildungsbudgets um insgesamt 1 Mrd. € bis zum Jahr 2013. Ein Plus von 40 % im Bereich Wissenschaft und Forschung soll ihm zufolge dazu beitragen, dass Österreich durch einen Technologie- und Entwicklungsschub nach der Wirtschaftskrise konkurrenzfähiger ist als je zuvor.

Ausdrücklich bekannte sich Pröll zur Ausweitung des Budgetdefizits in den kommenden Jahren. Eine außergewöhnliche Situation brauche außergewöhnliche Antworten, meinte er. Gleichzeitig versicherte er jedoch, dass die Regierung nach Beendigung der Krise wieder zu einem "maßvollen Haushalten" zurückkehren werde. (Forts.)