Parlamentskorrespondenz Nr. 383 vom 06.05.2009

Bundesrat: EU-Ausschuss begrüßt umweltorientiertes Beschaffungswesen

Kritik an derzeitigem Entwurf für Wegekostenrichtlinie

Wien (PK) – Der EU-Ausschuss des Bundesrats befasste sich heute abermals mit der Mitteilung der EU-Kommission betreffend ein umweltorientiertes öffentliches Beschaffungswesen. Die Kommission beabsichtigt damit, gemeinsame Kriterien und Konzepte für umweltorientierte Beschaffung (GPP – Green Public Procurement) zu entwickeln. Nachdem die Verhandlungen darüber am 24. März 2009 im Ausschuss vertagt worden waren (siehe PK-Meldung Nr. 242/2009), um Stellungnahmen einzuholen, wurde heute einstimmig eine Ausschussfeststellung beschlossen. Darin wird das Ziel der Mitteilung begrüßt, zumal Österreich in diesem Bereich laut einer aktuellen EU-Studie eine Vorreiterrolle einnimmt. GPP könne für mehr Innovation in Umwelttechnologien und in umweltgerechten Produkten und Dienstleistungen genutzt werden, heißt es in der Ausschussfeststellung. Die Bundesrätinnen und Bundesräte gehen jedoch davon aus, dass die Anwendung der Kriterien den Mitgliedstaaten überlassen bleibt und fordern ausdrücklich, dass die Leitlinien für die Mitgliedstaaten nicht rechtlich verbindlich sind und auch kein Interpretationsmaßstab für den EuGH sein können. 

Das zweite Thema des Ausschusses betraf die so genannte Wegekostenrichtlinie (Richtlinie für die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge), die in der Vergangenheit auch immer wieder Gegenstand öffentlicher Debatten war. Österreich ist daran interessiert, in sensiblen Gebieten bei den Mautgebühren auch externe Kosten, die durch die Umweltbelastung aufgrund des hohen LKW-Verkehrsaufkommens entstehen, berechnen zu können. In diesem Zusammenhang wurde ebenfalls einhellig eine Ausschussfeststellung angenommen, in der das Ziel des Richtlinienvorschlags – den Grundsatz der Mobilität mit jenem der ökologischen Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen - zwar begrüßt wird, jedoch dahingehend Bedenken geäußert werden, ob der vorliegende Entwurf auch geeignet ist, diese Ziele europäischer Verkehrspolitik sicherzustellen. Vor allem kritisieren die Bundesrätinnen und Bundesräte, dass zurzeit nicht daran gedacht ist, alle externen Kosten anzulasten. Der EU-Ausschuss hält es zwar angesichts der aktuellen Wirtschaftslage für vertretbar, dass es den Mitgliedstaaten offenstehen soll, den Umweltgedanken in Mautgebühren aufzunehmen, grundsätzlich wird aber die Auffassung vertreten, dass das System der Anlastung der externen Kosten für alle Mitgliedstaaten verbindlich sein müsste. Hinsichtlich der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit sah man im Ausschuss kein Problem.

Schließlich stand der Vorschlag für eine Richtlinie über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Asbest am Arbeitsplatz auf der Tagesordnung. Dazu beschloss der Ausschuss einhellig,  Stellungnahmen einzuholen.

Am Beginn der Sitzung wurde Bundesrat Franz Eduard Kühnel (V/W) einstimmig zum zweiten stellvertretenden Vorsitzenden des Ausschusses gewählt. Neben ihm übt Bundesrat Albrecht Konecny (S/W) das Amt des Stellvertreters von Vorsitzendem Bundesrat Gottfried Kneifel (V/O) aus.

Umweltorientierte Beschaffung – Österreich hat Vorreiterrolle

Wie den Ausschussunterlagen zu entnehmen ist, will die Kommission mit ihrer Initiative zu einem umweltorientierten Beschaffungswesen ein Signal setzen und der "grünen" Wirtschaftsbranche Chancen eröffnen. Gleichzeitig sollen aber auch Marktverzerrungen und Wettbewerbsbeschränkungen vermieden werden.

Die EU-Kommission sieht im öffentlichen Beschaffungswesen einen wesentlichen Motor für eine Verstärkung der Nachfrage an umweltfreundlichen Produkten. Dadurch würden Produktions- und Verbrauchstendenzen beeinflusst, wovon wiederum die Umwelt profitiere, heißt es. Eine derartige Umorientierung könnte aber auch die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie entscheidend fördern, weil im Zuge dessen Innovationen in Öko-Technologien stimuliert würden, zeigt man sich in Brüssel überzeugt.

Der begonnene Prozess soll nun systematisch weiterverfolgt werden, indem man versucht, gemeinsame GPP-Kriterien festzulegen sowie eine gemeinsame Messmethode zu verbessern und zu verstärken. Die Mitgliedstaaten  werden im Zuge eines Konsultationsprozesses aufgefordert, umweltorientierte Kriterien zu formulieren und dann durch Einbindung dieser in die jeweiligen nationalen Aktionspläne und Leitlinien für das umweltorientierte Beschaffungswesen die Ziele umzusetzen. Mit der revidierten Strategie will die Kommission bis 2010 das Niveau der umweltorientierten Beschaffung im EU-Durchschnitt auf das höchste, 2006 in einem Mitgliedstaat erreichte Niveau bringen. 50 Prozent aller Ausschreibungsverfahren sollen bis 2010 umweltorientiert sein. Schwerpunktbereiche für umweltorientierte Beschaffung sind Bauwesen, Verpflegungs- und Cateringdienstleistungen, Verkehr- und Verkehrsdienstleistungen, Energie, Büromaschinen und Computer, Bekleidung, Uniformen und andere Textilwaren, Papier und Druckereileistungen, Möbel, Reinigungsprodukte und –dienstleistungen und Ausstattungen für das Gesundheitswesen.

Eine Mitteilung der Kommission, wie sie in diesem Fall vorliegt, enthält keine rechtsverbindliche Verpflichtung, sondern hat lediglich empfehlenden Charakter.

Die beschlossene Ausschussfeststellung unterstreicht, dass Österreich in Bezug auf eine umweltorientierte Beschaffung derzeit eine Vorreiterrolle einnimmt, was auch vom Ausschussvorsitzenden Bundesrat Gottfried Kneifel (V/O) unterstrichen wurde. Laut einer von der Kommission in Auftrag gegebenen aktuellen Studie steht Österreich an erster bzw. zweiter Stelle jener Mitgliedstaaten der EU, die am häufigsten umweltgerechte Kriterien bei ihren Beschaffungsvorgängen beachtet. Auch im geltenden Bundesvergabegesetz ist unter anderem die Berücksichtigung ökologischer Aspekte als ein Grundsatz des Vergabeverfahrens normiert.

Die Bundesrätinnen und Bundesräte halten in ihrer Ausschussfeststellung weiters fest, dass Maßnahmen, wie sie in der Mitteilung der Kommission in Aussicht genommen werden, derzeit auch in Österreich im Rahmen der Erstellung eines nationalen Aktionsplans vorbereitet werden. In diesem sollen auch – soweit sie in Österreich praktikabel und anwendbar sind – die gemeinsam formulierten Kriterien berücksichtigt werden. Ein EU-weit einheitliches Vorgehen bei öffentlichen Ausschreibungen sei zweifelsohne ein richtiger Weg und widerspreche daher nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Eine rechtliche Verbindlichkeit der erarbeiteten Kriterien lehnt der Bundesrat jedoch ab und merkt generell an, dass es politisch fragwürdig sei, wenn die EU außerhalb ihres Kompetenzrahmens agiert. Problematisch ist in den Augen der Länderkammer auch die in der Mitteilung angesprochene Verankerung von GPP in der privaten Beschaffung.

In der Diskussion standen den Ausschussmitgliedern Expertinnen und Experten als Auskunftspersonen zur Verfügung. Karin Hiller vom Umweltministerium teilte mit, dass im Prozess der Offenen Koordinierung unter den Mitgliedstaaten ein Kriterienkatalog erstellt worden sei, wobei Kernkriterien und Erweiterungskriterien definiert worden seien. Man sei nun dabei, einen nationalen Aktionsplan unter Einbeziehung möglichst vieler zu erstellen, damit soll für Österreich ein Mindestniveau geschaffen werden. Dieser Aktionsplan sei zwar nicht rechtlich verbindlich, aber er werde bewusstseinbildend wirken, zeigte sich Hiller überzeugt. Die Arbeit sei deshalb auch von großem Wert, weil man nun alle Akteure an den Tisch bekomme und man die unterschiedlichen Herangehensweisen sowie die Strukturen der Beschaffung in Österreich kennen lernen könne. Am 4. Mai seien die Kriterien mit ExpertInnen nochmals geprüft und diskutiert worden, informierte sie Bundesrat Friedrich Hensler (V/N), und sie unterstrich, dass man bis zum 30. Mai noch die Möglichkeit habe, Stellungnahmen abzugeben. Im Jahr 2010 werde es ein Monitoring der EU-Kommission geben, um den Stand der ökologischen Beschaffung in den 27 Mitgliedstaaten festzustellen.

Auch Hannes Hofer von der Bundesbeschaffung GmbH begrüßte die Initiative der Kommission. Für Ausschreibungen sei es außerordentlich hilfreich, objektive Kriterien zu haben, sagte er. Die Definition von Kriterien reiche noch nicht aus, es sei notwendig, diese weiter zu entwickeln und zu aktualisieren. Um die Bedeutung des Beschaffungswesens zu unterstreichen, informierte Hofer, dass die Beschaffungen insgesamt 16 % des BIP ausmachen. Er reagierte damit auch auf eine Frage von Bundesrat Franz Eduard Kühnel (V/W).

Karin Hiller stellte gegenüber Bundesrat Franz Perhab (V/St) ausdrücklich fest, dass es sich bei den Kriterien um keine Ausschlusskriterien handle, sondern dass der Katalog positiv formuliert sei und sich auf Produkte beziehe, die am Markt vorhanden sind. Laut Bundesvergabegesetz darf der Wettbewerb nicht eingeschränkt werden, ergänzte Hannes Hofer.

Auch seitens des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes wurde die Mitteilung der Kommission positiv bewertet, da einheitliche ökologische Kriterien positive Auswirkungen auf die Klein- und Mittelbetriebe haben. Diese könnten sich in Zukunft besser orientieren und hätten damit bei Ausschreibungen auch bessere Chancen, argumentierte Philipp Abbrederis gegenüber Bundesrat Stefan Schennach (G/W), der darauf aufmerksam gemacht hatte, man dürfe kleine regionale Anbieter nicht allzu sehr überfordern. Er wurde darin vom Vertreter des Gemeindebunds, Nikolaus Drimmel, unterstützt, der meinte, es sei wichtig, koordiniert vorzugehen. Man würde daraus nicht nur einen ökologischen Vorteil in den Regionen erzielen sondern auch einen ökonomischen Nutzen. Viele kleine Unternehmen böten hohe Qualität an und könnten sich auf Grund der Kriterien besser positionieren. Außerdem verursache die Beschaffung in der Region kürzere Transportwege. Gegenüber dem Vorsitzenden des Ausschusses Bundesrat Gottfried Kneifel (V/O) versicherte er, dass die Beschaffungsverbände, wie sie in einzelnen Bundesländern existieren, durch die Initiative der Kommission nicht konterkariert würden. Die KMU seien auch Kernthema der Bundesbeschaffung GmbH, erläuterte Hannes Hofer, und dort habe man dafür bereits eine eigene Strategie entwickelt, die auf der Homepage der Gesellschaft veröffentlicht sei. 

Wegekostenrichtlinie – vorliegender Entwurf verbesserungsbedürftig

Mit der Änderung der Wegekostenrichtlinie soll erstmals die Möglichkeit geschaffen werden, über Mautgebühren auch externe Kosten anzulasten, wobei die Kommission dafür zahlreiche Einschränkungen vorsieht. So sollen beispielsweise externe Kosten nur für Lärm- und Schadstoffemissionen sowie für Staukosten eingehoben werden dürfen, jedoch keine externen Unfallkosten, Klimakosten etc. Die externen Kosten sollen auch eine Höchstgrenze pro Fahrzeugkilometer nicht überschreiten dürfen und sind nach Auffassung der Kommission um den Querfinanzierungsbetrag zu reduzieren. Weiters sieht der Kommissionsvorschlag Differenzierungen nach Straßenkategorien und Schadstoffklassen vor, bei Lärmkosten die Unterscheidung zwischen Tag und Nacht, bei Staukosten nach Zeitperioden mit unterschiedlichen Verkehrsaufkommen.

Während der Vorschlag der EU-Kommission vom Juli des Vorjahres für Österreich unzureichend ist und sich auch das Europäische Parlament am 11. März 2009 für Änderungen ausgesprochen hat, geht dieser dem Rat zu weit. Besonders umstritten ist die vorgesehene Anlastung der Staukosten, die überwiegende Mehrheit der Mitgliedstaaten ist auch gegen die Zweckbindung von Einnahmen aus Mautgebühren.

Demgegenüber tritt die Mehrheit der EU-Abgeordneten für die Möglichkeit der Mitgliedstaaten ein, Staugebühren einnehmen und deren Berechnung nach eigenen Methoden der Mitgliedstaaten vornehmen zu dürfen. Auch sollten nach Meinung der EU-VolksvertreterInnen die Einnahmen aus den Gebühren für externe Kosten zweckgebunden, insbesondere für die Beseitigung der verursachten Schäden, verwendet werden. Außerdem möchte das EU-Parlament, dass Querfinanzierungsvorschläge nicht nur in Bergregionen, sondern auch in Ballungsräumen zusätzlich zu den Infrastrukturgebühren verlangt werden können, und die externen Kosten zusätzlich zu Querfinanzierungszuschlägen eingehoben werden dürfen.

Damit unterstützt das EU-Parlament teilweise auch die Meinung der Bundesregierung zum Kommissionsvorschlag, denn aus österreichischer Sicht darf es keine Gegenrechnung von Querfinanzierungszuschlag und Gebühren für die Anlastung externen Kosten im Alpenbogen geben. Um den gewünschten Lenkungseffekt zu erzielen, ist es nach heimischer Auffassung vielmehr geboten, die Möglichkeit zu schaffen, Gebühren für die Anlastung externer Kosten zusätzlich zu den Querfinanzierungszuschlägen einzuheben. Österreich plädiert im Hinblick auf die notwendige Ökologisierung des Verkehrs auch dafür, alle externen Kosten des Verkehrs, die im Rahmen des Handbuchs wissenschaftlich untersucht und mit entsprechenden Bandbreiten belegt wurden - also nicht nur die externen Lärm-, Luftschadstoff- und Staukosten -, anzurechnen. Dies gilt insbesondere für die Klimakosten, die auf eine CO2-Reduktion des Verkehrs abzielen, sowie für die Unfallfolgekosten. Darüber hinaus lehnt Österreich festgeschriebene Höchstgrenzen bei der Anlastung externer Kosten ab.

Michael Raffler vom Amt der Wiener Landesregierung und Vertreter der Bundesländer ging kurz auf den Inhalt der geplanten Änderung der Wegekostenrichtlinie ein und übte im Namen der Bundesländer Kritik daran, dass der Entwurf keine gemeinsame Strategie der Mitgliedsstaaten vorsieht. Sie würden nach derzeitigem Stand der Dinge nicht angehalten, die eingehobenen Beiträge zweckgebunden für ökologische Verkehrsträger und Alternativen zur Straße einzusetzen. Weiters stoßen sich die Bundesländer daran, dass nicht alle externen Kosten internalisiert werden und eine kumulative Einhebung von Zuschlägen nicht zulässig sein soll. Mit dem vorliegendem Entwurf würden Maßnahmen zwar auf kurzen Strecken greifen, es käme jedoch zu keiner Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene. Er trat für ein einheitliches Vorgehen aller Mitgliedstaaten ein.

Bundesrat Georg Keuschnigg (V/T) meinte, die Richtlinie setze zwar richtige Schritte, sie stelle aber nur eine sehr vorsichtige und zögerliche Weiterentwicklung dar. Auch er sprach sich dafür aus, die Verbindlichkeit für alle Mitgliedstaaten zu normieren, damit das System zu greifen beginne und keine Wettbewerbsverzerrungen entstehen. Ähnlich lautete die Stellungnahme vom Vertreter der Wirtschaftskammer Michael Grubmann. Ein uneinheitliches Vorgehen würde zu Wettbewerbsverzerrungen führen, meinte er und wies auf die derzeit weit auseinander liegenden Meinungen unter den Mitgliedsstaaten hin.

Franz Greil von der Arbeiterkammer machte darauf aufmerksam, dass es vor allem die Finanzminister sein werden, die sich gegen eine zweckgebundene Verwendung der Einnahmen sträuben werden. Bei der Harmonisierung sah er das Problem, dass in den einzelnen Mitgliedstaaten die Umweltkosten unterschiedlich eingehoben werden und zwar nicht nur über Mautgebühren sondern auch über Steuern. Dennoch sei hervorzuheben, dass mit dem Richtlinienentwurf zum ersten Mal das Prinzip der Folgekosten anerkannt werde. Im Hinblick auf die artikulierte Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen unterstrich Greil die Wichtigkeit der Kostenwahrheit im Verkehr. Die Schweiz hebe doppelt so hohe LKW-Mautgebühren ein und sei trotzdem wettbewerbsfähig geblieben.

In der angenommenen Ausschussfeststellung schlossen sich die Bundesrätinnen und Bundesräte der vorgebrachten Bedenken an und sprachen sich für verbindliche Regeln aus, die dann auch von allen Mitgliedstaaten eingehalten werden müssen.  Außerdem traten sie für die Anlastung aller externen Kosten ein.  (Schluss) 


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