Parlamentskorrespondenz Nr. 399 vom 08.05.2009

Koalition lädt Opposition zum Schulterschluss gegen die Krise ein

Budget: Teure Arbeitslosigkeit und fatalen Pessimismus vermeiden

Wien (PK) - Der Budgetausschuss setzte heute die am vergangenen Mittwoch mit dem Budgethearing begonnenen Beratungen über die neue mittelfristige Haushaltsplanung auf der Basis des Entwurfs für ein Finanzrahmengesetz (110 d.B.) und die Generaldebatte über das geplante Doppelbudget 2009/10 fort. Nach einer lebhaften Debatte wurden die Verhandlung bis 14.5.2009 vertagt. Die Abgeordneten knüpften an die Ausführungen der Experten beim Budgethearing an und stellten die Themen Krisenbewältigung, Validität der Prognosen und Budgetdaten sowie Fragen zur künftigen Budgetkonsolidierung in den Mittelpunkt. Die Sitzung leitete Obmannstellvertreter Kurt Gartlehner.

Abgeordnete Ruperta Lichtenecker (G) begrüßte die bessere mittelfristige Planbarkeit des Budgets, wie sie das neue Haushaltsrecht ermögliche, kritisierte aber den Strategiebericht der Bundesregierung. "Ob die Daten, auf denen er aufbaut, stimmen, steht in den Sternen." Klare Auskunft sollte die Regierung aber über den Weg geben, auf dem sie die hohen Budgetdefizite wieder zurückführen wolle. Die Rednerin ließ Zweifel an der Aussage erkennen, dass dies nur ausgabenseitig geschehen soll und vermisste daher Antworten auf die Frage nach einnahmenseitigen Konsolidierungsmaßnahmen.

Auch Abgeordneter Robert Lugar (B) sah die aktuelle Budgetpolitik von großer Unsicherheit bestimmt. Die Bundesregierung sei in ihrer Budgeterstellung von zu optimistischen Annahmen ausgegangen, lautete Lugars Vorwurf: "Das entspricht nicht der Vorgansweise eines verantwortungsvollen Kaufmanns". Überdies habe es die Regierung in guten Jahren versäumt, ihre budgetpolitischen Hausaufgaben zu machen, nun sei es unvermeidlich, Reformen anzugehen.

Abgeordneter Alois Gradauer (F) bezog sich auf Aussagen der Experten und sprach die Erwartung auf ein Defizit von 20 Mrd. € in den Jahren 2010 und 2011 aus. Die Staatsverschuldung werde bis 2013 auf 280 Mrd. € ansteigen. Die Staatsschuldenquote werde 80 % des BIP ausmachen und der Staat werde 11 Mrd. € pro Jahr für Zinsen ausgeben müssen. Dem Finanzminister fehle aber jedes Problembewusstsein, sagte Gradauer, obwohl die Verzinsung der Staatsschulden die Hälfte der Lohnsteuereinnahmen aufzufressen drohe. "Keine Firma könnte in einer solchen Situation verzichten, konkrete Pläne zu erstellen."

In seinen weiteren Ausführungen kritisierte Gradauer Spekulationsverluste bei den ÖBB und bei Gemeinden und einmal mehr den Tschadeinsatz des Bundesheeres, dessen Kosten man besser einsparen sollte. Als Kandidaten für Einsparungen nannte Gradauer auch die eine oder andere Position in den Fördertöpfen sowie die Sonderrechte der Nationalbank im Pensionsrecht. Die Budgetansätze für 2010 sollten neu fixiert werden, da die zugrunde liegenden Zahlen nicht stimmten, verlangte der Abgeordnete.

Abgeordneter Günter Stummvoll (V) reagierte mit dem Hinweis darauf, dass zwischen guter Politik und guter Unternehmensführung Unterschiede bestünden. Dass Wirtschaftsprognosen unsicher seien, sei bekannt, entbinde aber nicht von der Aufgabe, Budgets zu erstellen. Er halte nichts vom Gesundbeten, wisse aber, dass man die Wirtschaft sehr wohl krank jammern könne. Aktuell stehe die Krisenbewältigung im Vordergrund, zugleich werde aber schon intensiv an Strukturreformen zur Senkung der Ausgaben gearbeitet. Angesichts der größten wirtschaftspolitischen Herausforderung der letzten 100 Jahre appellierte Abgeordneter Stummvoll an die Opposition, konstruktive Vorschläge zu unterbreiten, statt zu versuchen, politisches Kleingeld zu wechseln.

Auch Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) zeigte sich verwundert wegen der Diskussion über unsichere Prognosedaten. Jeder wisse, dass sich die Realität nicht an Voraussagen halte, daher sehe das neue Haushaltsrecht die Möglichkeit einer variablen Budgetierung vor. Auf der anderen Seite gebe es viele große Ausgabenpositionen, die sehr genau voraussehbar seien. Man wisse etwa, wie viele Schüler 2009 und 2010 unterrichtet werden, weil alle diese Kinder schon auf der Welt sind.

In der Diskussion über steigende Defizite und wachsende Schulden wollte Abgeordneter Krainer das Thema Arbeitslosigkeit nicht ignoriert sehen. Denn Arbeitslosigkeit wirke sich besonders stark auf das Defizit und die Schuldenentwicklung aus. Krainer warnte vor falschen Sparmaßnahmen, die die Arbeitslosigkeit erhöhen könnten - "denn nichts ist teurer als Arbeitslosigkeit". Freiwillige Lohnverzichtsmodelle lehnte Krainer ab, sie wirkten sich katastrophal auf den Konsum aus und schwächten die Inlandsnachfrage, die im Moment die einzige Stütze der Konjunktur darstelle.

Abgeordneter Jakob Auer (V) bezeichnete es ebenfalls als wesentlich, die Beschäftigung in der aktuellen Wirtschaftskrise so hoch wie möglich und die Arbeitslosigkeit so gering wie möglich zu halten. In Übereinstimmung mit den Experten sehe er daher keine Alternative zur Steuerreform und zum Familienpaket, sagte Auer, der die Kritik der Opposition zurückwies und zu einem nationalen Schulterschluss im Kampf gegen die Krise aufrief. Da 50 % der Konjunktur stimmungsabhängig seien, helfe fataler Pessimismus nicht weiter.

Pauschalvorwürfe an die Gemeinden, sie hätten spekuliert, wies der langjährige Bürgermeister entschieden zurück, und erinnerte daran, dass oberösterreichischen Gemeinden Spekulationen untersagt seien. In der Diskussion über die Qualität von Wirtschaftsprognosen erinnerte der Abgeordnete an die negative Rolle von Ratingagenturen in der Vorgeschichte der Krise. Der Glaube an Ratingagenturen habe etwa in Deutschland dazu geführt, 10-prozentige Renditen von Sparkassen als zu gering abzuqualifizieren. "Gier frisst Hirn", lautete Auers Kommentar dazu. Sein Wunsch: Die Einrichtung einer europäischen Ratingagentur.

Abgeordneter Christoph Matznetter (S) hielt der Kritik der Opposition entgegen, Österreich liege in allen Prognosen besser als etwa das Nachbarland Deutschland, mit dem es auf vielen Exportmärkten konkurriere. Das vorliegende Doppelbudget sei ein Sparprogramm, weil es Arbeitslosigkeit vermeide - so werde nicht nur menschliches Leid vermieden, sondern auch hohe Budgetkosten, da jeder Arbeitslose mehr Kosten für den Haushalt bedeute. Österreich besitze mit den automatischen Stabilisatoren ein System zur Krisenmilderung, "um das uns viele Länder beneiden", sagte Matznetter, der nicht verstehen konnte, warum die Opposition mit dieser Budgetpolitik nicht mitgehen könne.

Eine scharfe Replik formulierte Matznetter auf die FPÖ-Kritik an der Entwicklungszusammenarbeit. Wer vermeiden wolle, dass Menschen in Schlauchbooten über das Mittelmeer nach Europa fahren wollen, wer vermeiden wolle, dass Menschen mangels anderer Perspektiven vor unseren Schulen Drogen verkaufen oder in Wohnungen einbrechen, müsse für Entwicklungshilfe eintreten. Wer Entwicklungshilfe in Frage stelle, reduziere überdies die Chancen österreichischer Firmen in der Dritten Welt, sagte Abgeordneter Matznetter in Richtung FPÖ.

Im Wunsch, die reale Wirtschaft künftig besser vor Spekulationskrisen zu schützen, stimmte Matznetter ausdrücklich mit Abgeordnetem Auer überein. Es gelte die Grundsätze Adam Smiths zur Geltung zur bringen und zu verhindern, dass Börsen die Mechanismen der realen Märkte außer Kraft setzen, verlangte Matznetter.

Abgeordneter Ernest Windholz (B) fragte nach den konkreten Plänen für die geplanten Personaleinsparungen im öffentlichen Dienst, verlangte, die Opposition in die Verwaltungsreform einzubinden und warnte die Regierung davor, im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit auf eine Klientelpolitik zu verfallen. Die Einsparung von Verwaltungspersonal im Innenressort löste bei Windholz die Befürchtung aus, Polizisten könnten künftig mit noch mehr Verwaltungsaufgaben belastet werden.

Abgeordneter Lutz Weinzinger (F) kritisierte zunächst, die Regierung habe die Mehreinnahmen von 13,7 Mrd. € im guten Konjunkturjahr 2007 nicht für die Budgetkonsolidierung genützt. Er könne einer Politik nicht zustimmen, die dazu führe, dass der Mittelstand 80 % der Einkommensteuerlast zu tragen habe. Es sei an der Zeit, eine echte Ausgabenreform umzusetzen und die Fördertöpfe zu durchforsten.

In seiner Antwort auf Abgeordneten Matznetter bekannte sich Weinzinger zu einer wirkungsvollen Entwicklungshilfepolitik. Er lehne es aber ab, Geld der Steuerzahler aufzuwenden, um Schäden zu reparieren, die die Europäische Union in der Dritten Welt verursache. Die EU-Agrarpolitik zerstöre die Landwirtschaft in Afrika durch Milchpulverexporte, klagte Weinzinger.

In seinen weiteren Ausführungen drängte Weinzinger auf eine Politik zugunsten der KMU und unterstrich die Bedeutung des Exportsmarktes Deutschland für Österreich. Die Kritik an spekulierenden Gemeinden hielt der Redner aufrecht. Große öffentliche Unternehmen seien beim Cross Border-Leasing vorangegangen, die FPÖ habe solche Tricks zulasten anderer Volkswirtschaften immer abgelehnt, schloss der Redner.

Abgeordnete Ruperta Lichtenecker (G) schlug als Kernelemente einer Krisenstrategie Investitionen in Bildung, Forschung, thermische Sanierung und öffentliche Verkehrsnetze vor und trat für Korrekturen im Steuersystem ein. Entlastung des Faktors Arbeit, Ökosteuern und eine Diskussion über eine Vermögensbesteuerung ohne Neiddebatte lauteten Lichteneckers Stichworte.

Abgeordneter Maximilian Linder (B) nannte die Kärntner Gemeinden als Vorbilder einer erfolgreichen Budgetpolitik, verwahrte sich gegen den Vorwurf, Bürgermeister hätten spekuliert, und kritisierte die Bundesregierung, sie würde wider besseres Wissen an falschen Budgetzahlen festhalten.

Staatssekretär Reinhold Lopatka betonte die Entschlossenheit der Bundesregierung, gegen die Krise anzukämpfen, sah zu dieser Politik keine Alternative und erklärte höhere Defizite als eine unvermeidbare Folge antizyklischer Budgetpolitik.

Beim  Thema Verwaltungsreform erinnerte der Staatssekretär an die umfangreichen Reformen der letzten Jahre - Stichwort FinanzOnline - die es möglich machten, die Zahl der Planstellen durch Effizienzsteigerungen zu reduzieren. Im Innenressort seien nicht nur 1.000 Polizisten zusätzlich vorgesehen, sondern es werde auch alles getan, um Verwaltungsabläufe effizienter zu gestalten und solcherart administratives Personal einzusparen. Die Bundesregierung steuere erfolgreich gegen die Krise und erlange mit dieser Politik internationale Anerkennung und vorzeigbare Ergebnisse: Die Wiener Börse liege seit Jänner als einzige in Europa im Plus, so Lopatka.

Staatssekretär Andreas Schieder sah einen der Vorteile des neuen Haushaltsrechts in der wesentlich präziseren öffentlichen Debatte, die das neugestaltete Zahlenwerk des Haushaltsentwurfs zulasse und anrege. Sorgen der Abgeordneten, im öffentlichen Dienst würden Personaleinsparungen zu Kündigungen führen, zerstreute der Staatssekretär. Es sei lediglich beabsichtigt, bei jeder zweiten Pensionierung nicht nachzubesetzen. Die Bundesregierung konzentriere sich gegenwärtig auf den Kampf gegen die Krise und achte dabei darauf, die Defizite so klein wie möglich zu halten, schloss Staatssekretär Schieder. (Schluss)