Parlamentskorrespondenz Nr. 437 vom 19.05.2009

Nationalrat: Grüne drängen in Aktueller Stunde auf Reichensteuer

ÖVP gegen Neiddebatte, SPÖ gegen Schnellschuss

Wien (PK) - Nationalratspräsidentin Barbara PRAMMER eröffnete die 21. Nationalratssitzung mit einer Aktuellen Stunde zum Thema "Einstieg in die Reichensteuer - weg mit den Stiftungsprivilegien", das von den Grünen vorgeschlagen wurde.

Abgeordnete Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G) begründete die Themenauswahl ihrer Fraktion mit dem Hinweis darauf, dass es nicht nur Vertreter der SPÖ, sondern auch Landespolitiker der ÖVP für vernünftig hielten, in Zeiten, wo es darum gehe, Arbeitsplätze zu sichern, in Bildung zu investieren und Alleinerzieherinnen finanziell abzusichern, über neue Steuern nachzudenken. Daher treten die Grünen für eine Reichensteuer ein. Das Argument, es sei schädlich, über neue Steuern zu diskutieren, wies die Rednerin entschieden zurück und warf der ÖVP Diskussionsverweigerung vor, obwohl renommierte Experten für neue Steuern eintreten.

Über neue staatliche Einnahmequellen nachzudenken, sei notwendig, weil Menschen mit geringen Einkommen von Gebührenerhöhungen betroffen seien und oft nicht genug Geld hätten, um notwendige Dinge des alltäglichen Lebens kaufen zu können. Vor diesem Hintergrund hielt es die G-Klubobfrau für unverständlich, wenn die Regierungsparteien gegen die Abschaffung der Stiftungssteuerprivilegien auftreten. "Warum sollen Menschen mit Sparbüchern mehr Steuern für ihre Erträge zahlen als Stifter und Stifterinnen?" fragte die Rednerin. Dass neue Steuern im Regierungsübereinkommen nicht vorgesehen seien, sei ebenfalls kein Argument, es stehe ja auch nicht im Regierungsprogramm, mehr Geld für die Industrie oder für Bildung aufzuwenden - und es geschehe dennoch, sagte die G-Klubobfrau.

Die Behauptung, eine Reichensteuer würde Arbeitsplätze kosten, wies die Rednerin zurück. Es sei nicht zu befürchten, dass Arbeitsplätze in das Ausland verlagert würden, nur weil Stifter 60 bis 70 Mio. € in Form von Unternehmensbeteiligungen geparkt haben.

Wohl aber sei das Motto "keine neuen Steuern" laut Glawischnig-Piesczek unfair gegenüber jenen, die sich noch weniger Einkommen nicht leisten könnten. Die Abgeordnete warnte vor den sozialen Auswirkungen "brutaler Sparpakete" ab 2011 sowie davor, künftig kein Geld für Schulen, Universitäten, Kindergärten oder die Mindestsicherung zur Verfügung zu haben. An die SPÖ richtete Glawischnig-Piesczek den Vorwurf, in dieser wichtigen Frage aus Ratlosigkeit wieder einmal einen Arbeitskreis eingerichtet zu haben. Auch sprach sie die Vermutung aus, die SPÖ benütze das Stiftungsrecht, etwa in der Steiermark oder in Oberösterreich dazu, ihre eigenen Vermögensverhältnisse zu verschleiern.

Finanzminister Josef PRÖLL warnte davor, eine Neiddebatte zu führen und mit dem Finger auf andere zu zeigen, statt gemeinsam an der Überwindung der Krise zu arbeiten. "Nicht die Steuerleistung Einzelner wird die Krise lösen, die Wirtschaftsleistung aller wird uns aus der Krise herausführen", sagte der Vizekanzler und forderte die Grünen auf, bei den Fakten zu bleiben und zu beachten, dass 2,7 Millionen Österreicher keine Lohn- und Einkommensteuern zahlen, dass Österreich ein Land mit sehr hoher Sozialquote sei und sich nicht den Vorwurf mangelnder Verteilungsgerechtigkeit machen lassen müsse. In einer Zeit, in der es darum gehe, durch die Umsetzung einer Steuerreform für mehr Konsum und wirtschaftliche Stabilität zu sorgen, sei es falsch, über Steuererhöhungen zu diskutieren, sagte der Finanzminister.

Stiftungen seien ein Bestandteil der österreichischen Rechts- und Wirtschaftsordnung, erinnerte Pröll und machte auf den großen Input aufmerksam, den Stiftungen für den Wohlstand, für Innovation, Kunst, Kultur, Wissenschaft und für die Arbeitsplätze in Österreich leisteten. Stiftungen seien kein Privileg der Reichen, sondern ein Beitrag zur Sicherung des sozialen Friedens in unserem Land, sagte der Finanzminister und erinnerte daran, dass der Nationalrat im Jahr 1993 das Privatstiftungsgesetz auf Initiative eines sozialdemokratischen Finanzministers einstimmig beschlossen hat.

Abgeordneter Christoph MATZNETTER (S) erinnerte an die steuerrechtlichen Fortschritte der letzten 18 Monate, an die Entlastung von mehr als einer Million Menschen mit geringem Einkommen von Arbeitslosenversicherungsbeiträgen und an das rückwirkende Inkrafttreten der Steuerreform mit Beginn dieses Jahres. Die SPÖ sichere den Menschen, die die aktuelle Krise nicht verschuldet haben, zu, dass nicht sie es sein werden, die für die Krise zu zahlen haben. Die Frage laute, wie man das Budget durch mehr Effizienz in den öffentlichen Haushalten konsolidieren könne und wie man Finanzierungsfragen löse. Jetzt gehe es darum, Pensionisten und kleine Unternehmen zu entlasten und für die Zukunft sorgfältig zu prüfen, wie man die Steuerstruktur verändern könne. Matznetter schlug vor, "innerösterreichische Steueroasen" zu suchen und zeigte sich überzeugt, dass die Bundesregierung auch dafür vernünftige Lösungen finden werde, so wie bei der Steuerreform 2009.

Auch Abgeordneter Günter STUMMVOLL (V) wandte sich entschieden dagegen, Steuerdiskussionen als Neiddebatten zu führen. Österreich sei ein Hochsteuerland, in dem Eigentum nur auf der Grundlage hoch besteuerten Einkommens geschaffen werden könne, erinnerte Stummvoll und warnte die Grünen vor dem marxistischen Grundsatz "Eigentum ist Diebstahl".

Wer über den geringen Anteil von Vermögenssteuern in Österreich klage, müsse wissen, dass Länder mit höheren Vermögenssteuern in der Regel eine niedrigere Steuerquote als Österreich haben und zumeist Grund und Boden stark besteuerten. Ihm sei in Österreich aber niemand bekannt, der die Grundsteuern erhöhen und damit "Häuselbauer", Wohnungsbesitzer und Mieter belasten wolle.

Das Stiftungssteuerrecht sei ein wichtiger Bestandteil eines attraktiven Wirtschaftsstandortes, sagte Stummvoll und bezifferte die Zahl der Arbeitsplätze in Österreich, die unter dem Dach von Stiftungen stehen, mit 400.000. Zur Diskussion um die Verteilungsgerechtigkeit merkte der Abgeordnete an, 25 % der Lohn- und Einkommensteuerzahler leisteten 80 % des Aufkommens. Angesichts dieser Relation zeigte der Redner Sorge darüber, die Leistungswilligen in unserer Gesellschaft könnten ihre Freude an der Erbringung von Leistung verlieren.

Abgeordneter Lutz WEINZINGER (F) hielt die Ausgangsfrage der Grünen in der heutigen Debatte für falsch gestellt. Zu fragen sei, was brauche Österreich, um seinen sozialen Auftrag und seinen Sicherheitsauftrag erfüllen zu können. Und dann sei zu entscheiden, wie die dafür notwendige Summe aufgebracht werden könne. Neid- und Rachegefühle haben für Weinzinger in dieser Diskussion keinen Platz. Er verstehe zwar den Unmut der Menschen angesichts von Bonifikationen für Manager, die ihre Betriebe an die Wand gefahren haben, warnte aber vor Pauschalurteilen. Das Stiftungsrecht sei von der Regierung Vranitzky III geschaffen worden, um Kulturbeiträge zu schützen und bestehende Familienvermögen zusammenzuhalten. Der SPÖ Oberösterreich warf der Redner aber vor, das Stiftungsrecht auszunützen, um Wahlkämpfe zu finanzieren, in denen sie gegen Stiftungen polemisiere - das sei unglaubwürdig.

Auch Abgeordneter Gerald GROSZ (B) ortete Unglaubwürdigkeit bei der SPÖ, deren steirischer Landeshauptmann Franz Voves als "Kernöl-Karl Marx" eine Reichensteuer gefordert habe, sich jetzt aber vorwerfen lassen müsse, "in einer millionenschweren Villa seine Abfertigung zu zählen" und das Stiftungsrecht zur Finanzierung seiner Landespartei einzusetzen. Das BZÖ werde Voves nachweisen, kündigte Grosz an, dass er im SPÖ-Firmengeflecht auch den Abbau von Arbeitsplätzen und deren Abwanderung in das Ausland zu verantworten habe, und warf Voves weiter vor, die Verwendung von SPÖ-Parteigelder mit Hilfe des Stiftungsrechts der Rechnungshofkontrolle zu entziehen. "Wir wollen keine Reichensteuer, sondern eine Spekulationssteuer gegen jene, die für die Krise verantwortlich sind", schloss Gerald Grosz.

Abgeordneter Peter PILZ (G) warf den anderen Parteien vor, Milliardäre wie Meinl und Haselsteiner zu schützen und trat der Behauptung entgegen, 2,7 Millionen Österreicher, die so wenig verdienen, dass sie keine Lohn- und Einkommensteuer zahlen, würden gar keine Steuern zahlen - diese Menschen zahlen Mehrwertsteuer und 25 % Kapitalertragsteuer für ihre Sparbucherträge, sagte der Abgeordnete. Stiftungen hingegen zahlen für die Erträge von 10 Mio. € 4,5 %, für 100 Mio. € 1,5 % und für 1 Mrd. € 0,3 % Steuern. Er nehme es gerne in Kauf, wenn Julius Meinl ein wenig Freude verliere, die Mehrheit der Menschen dafür aber deutlich mehr Freude habe, sagte Pilz zu Abgeordnetem Stummvoll und kündigte einen Antrag seiner Fraktion für eine Reichensteuer an, die 400 Mio. € für das Budget bringen soll.

Es sei richtig, in einer Krise Geld für die Beschäftigung auszugeben, man müsse aber auch die Frage beantworten, wer diese Ausgaben finanzieren soll. Dass es nicht nur die Reichen allein sein sollen, sei klar, es wäre aber unverständlich, wenn diese als einzige keinen Beitrag leisten sollten. "Es geht um Gerechtigkeit und Fairness", schloss Peter Pilz.

Abgeordnete Laura RUDAS (S) hielt den Reichtum in Österreich für ungerecht verteilt und wies darauf hin, dass 0,1 % der Österreicher 10 % des gesamten Vermögens besitzen, 40 % der Österreicher sich aber ebenfalls 10 % des Gesamtvermögens teilen müssen. In einem der reichsten Länder der Welt sei es nicht in Ordnung, wenn auch nur ein Mensch arm sei, sagte Rudas, die aber gleichzeitig vor einem Schnellschuss in dieser Frage warnte, weil zu vermeiden sei, dass Arbeitsplätze gefährdet werden. Daher habe die SPÖ eine Strategiegruppe eingesetzt, die Maßnahmen für eine bessere Verteilungsgerechtigkeit in Österreich ausarbeite. Entscheidend dafür sei auch die Wahl zum europäischen Parlament am 7. Juni, weil der Sozialdemokrat Hannes Swoboda der einzige Vertreter Österreichs im Europäischen Parlament sei, der dort für mehr Gerechtigkeit und für die Einführung einer Transaktionssteuer eintrete.

Abgeordnete Gabriele TAMANDL (V) vertrat die Meinung, neue Steuern brächten den Menschen kein höheres Einkommen, auch die Zahl der Armen werde nicht reduziert. Vielmehr sollte man über eine Hebung der Steuermoral debattieren, denn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bekämen monatlich die Lohnsteuer abgezogen, die an die Finanz überwiesen wird. Die Frage sei, wie man erreichen könne, dass jemand, der während eines Jahres Aktien und Wertpapiere mit Gewinn verkauft, dies der Finanz bekanntgibt. Im Zusammenhang mit den Stiftungen fragte Tamandl, wieso man es auf die Stiftungen abgesehen habe, wo doch so viele Stifter aus den Stiftungen wieder heraus wollen, denn die Stiftungen seien nicht mehr so attraktiv wie 1994.

Abgeordneter Gerhard KURZMANN (F) sprach die Stiftungen der SPÖ Landesgruppe Steiermark an, die auch in den eigenen Reihen für Unruhe sorgten. Die SPÖ Steiermark sende zur Beruhigung der Mitglieder Briefe aus und versuche, die Situation zu erklären. "Ärgerlich" findet Kurzmann, dass, während die SPÖ in der Steiermark steuerschonend ihre Millionen in den Stiftungen hortet, in der Steiermark mehr als 37 % gegenüber dem Vorjahr arbeitslos sind. Sei es die neue Politik der Bundesregierung, die Reichen zu fördern und die Bedürftigen weiterhin links liegen zu lassen? Was ist mit dem Versprechen, nach der Nationalratswahl eine neue Politik einzuleiten?, fragte er. – Daher dürfe man sich nicht wundern, dass sich immer mehr Menschen von der SPÖ abwenden, selbst bei der AK-Wahl habe die SPÖ einen "ordentlichen Denkzettel verpasst bekommen".

Für Abgeordneten Herbert SCHEIBNER (B) stellte sich die Frage, ob eine politische Partei, die einen Kreuzzug gegen Stiftungen führt und eine Neiddiskussion in der größten wirtschaftlichen Krise nach Ende des Zweiten Weltkrieges entfacht, moralisch gesehen Millionen am Steuerzahler vorbei in Stiftungen parken darf. Es stimme schon, was Matznetter sage, dass eine Partei keinen Vorteil aus einer Stiftungskonstruktion habe, aber die 36 Firmen, die in den Stiftungen geparkt sind, profitierten von einem Steuersatz von 2,5 %, hob Scheibner hervor. Stiftungszweck sei die Verfolgung und Verwirklichung sozialdemokratischer Ideale; laut einer Richtlinie sind politische Ziele kein Gemeinnutz, es sei denn, so der Redner, man glaubt "Parteinutz sei Gemeinnutz". Wir brauchen eine Politik, die die Wirtschaft fördert, die die Bevölkerung entlastet, und nicht einen Klassenkampf auf dem Rücken der Leistungsträger, sagte er.

Abgeordnete Ulrike LUNACEK (G) wies darauf hin, es gehe um soziale Gerechtigkeit und gerechte Verteilung im Land. Weil man wolle, dass die Millionen, die in Stiftungen geparkt sind, besteuert werden, könne wahrlich nicht von Neid-Schüren gesprochen werden; 400 Mio. € wollten die Grünen für Schulen, Kindergärten und für den Sozialbereich haben. Wolle man aus der Krise kommen, dann würden alle, auch die Reichsten, dazu beitragen müssen. Ungerecht sei, dass für die meisten Stiftungen, die "Familienvermögensbewahrungsstätten" sind, keine Steuern bezahlt werden müssten. "Geben Sie sich eine Ruck und verlangen auch Sie eine faire Besteuerung", forderte Lunacek die ÖVP auf. (Schluss Aktuelle Stunde/Forts. NR)