Parlamentskorrespondenz Nr. 518 vom 09.06.2009

Abgeordnete drängen auf eine effiziente EU-Finanzmarktaufsicht

Finanzausschuss auch besorgt wegen Produktfälschungen

Wien (PK) - Auf der Tagesordnung des Finanzausschusses standen heute zunächst Ressortberichte, erstens über finanzpolitische Vorhaben der EU im Jahr 2009, was den Abgeordneten Gelegenheit gab, die Einrichtung einer effizienten europäischen Finanzmarktaufsicht einzufordern, um die Rückkehr zur "Zockermentalität auf den Finanzmärkten" zu verhindern, wie es hieß, über die EU-Konjunkturpolitik zu debattieren und bei Staatssekretär Reinhold Lopatka Informationen über die Zukunft des österreichischen Bankgeheimnisses einzuholen. Unisono besorgt zeigten sich die Ausschussmitglieder zweitens über den Vormarsch gefährlicher Produktfälschungen, vor allem auch bei Medikamenten. Der Staatssekretär sagte Bemühungen um eine Verschärfung der diesbezüglichen Strafbestimmungen zu.  

An das Plenum weitergeleitet wurden Gesetzentwürfe für ein EU-konformes Zahlungsdienstegesetz, eine jährliche Mindestförderung der Feuerwehren in der Höhe von 93 Mio. € für die Jahre 2009 bis 2011, zur Erhöhung des österreichischen Anteils am Internationalen Währungsfonds, für einen zusätzlichen Beitrag zum Internationalen Agrarentwicklungsfonds, ein Amtshilfeabkommen mit Israel sowie technische Änderungen im EU-Zollinformationssystem. Entschließungsanträge von FPÖ und BZÖ mit fiskalischen Erleichterungen für KMU in der Krise wurden ebenso vertagt wie ein BZÖ-Antrag, der beim Thema Stiftungen klarstellen will, dass "die Verfolgung politischer Zwecke keine Förderung gemeinnütziger Zwecke darstellt".

Abgeordneter Christoph Matznetter (S) konzentrierte sich in der von Ausschussobmann Günter Stummvoll geleiteten Debatte auf die Vorschläge, die der EU-Kommission zur Behebung der groben Mängel bei der Finanzmarktaufsicht vorliegen, und zeigte sich enttäuscht über die Kraftlosigkeit der EU bei diesem Vorhaben. Der Abgeordnete plädierte dafür, eine einheitliche Aufsichtsbehörde für alle Finanzprodukte zu schaffen, deren Aufgabe auch darin bestehen soll, jene Ratingagenturen zu beaufsichtigen, die Toxic Assets mit einem Triple-A versehen haben. Matznetter sah nationale Aufsichtsbehörden an natürliche Grenzen stoßen, wo Banken weltweit tätig seien, und verlangte sicherzustellen, dass alle Finanzprodukte in eine europäische Regelung einbezogen und die Rückkehr der "Zockermentalität" auf den Finanzmärkten verhindert werde.

Abgeordneter Bernhard Themessl (F) erinnerte an das Versprechen der EU für ein 200 Mrd. €-Konjunkturpaket. Tatsächlich seien die Konjunkturpakete von den Mitgliedstaaten geschnürt worden, der EU-Beitrag laute nur auf bescheidene 30 Mrd. €, kritisierte Themessl. Die dramatische Verschlechterung für die Realwirtschaft, die anhaltende Kreditklemme und die Kürzung von Kontokorrentrahmen erfordere eine tatkräftige Unterstützung der Realwirtschaft.

Abgeordneter Martin Bartenstein (V) bewertete den EU-Bericht zum Thema Finanzmarktaufsicht an die Kommission zumindest als einen ersten richtigen Schritt in die richtige Richtung.

Abgeordneter Günter Stummvoll (V) schloss sich dieser Beurteilung an und plädierte dafür, bei der Europäischen Finanzmarktaufsicht eine gute Kombination zwischen zentralen und dezentralen Maßnahmen zu finden, wobei der Grundsatz gelten sollte: so zentral als nötig und so dezentral als möglich. Marktaufsicht und Vorortprüfungen sollten jedenfalls dezentral wahrgenommen werden. Österreich verfüge über eine moderne Finanzmarktaufsicht, hielt der Ausschussobmann an dieser Stelle fest.

Abgeordneter Alois Gradauer (F) gab den Eindruck wieder, die Finanzwelt neige sich wieder jenen gewohnten Verhältnissen zu, die die Ursache der Krise waren. In der EU herrsche Ratlosigkeit, es sei daher zu befürchten, dass man rasch wieder in die alte Casinomentalität zurückfalle und die Zockerei wieder losgehe. Leerverkäufe seien weiterhin möglich klagte Gradauer, und beim Thema EU-Ratingagenturen vermisse er zielgerichtete Bemühungen. Schließlich drängte der Abgeordnete auch auf die Einführung des "Reverse-Charge-System" zur Verhinderung des Umsatzsteuerbetrugs in der EU.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (V) hielt das "Reverse-Charge-System" für eine gute Sache, sah aber auch die Möglichkeit, die vielen Meldungen, die Betriebe leisten müssen, zur Betrugsbekämpfung einzusetzen.

Abgeordneter Robert Lugar (B) hielt die Weigerung der Bundesregierung, ein weiteres Konjunkturpaket, etwa zugunsten erneuerbarer Energieträger oder für die thermische Sanierung, zu schnüren für unverständlich und unverantwortlich. Angesichts von Plänen, die Kommunalkredit in eine gute und eine "Bad-Bank" zu teilen, warnte der Abgeordnete davor, den Steuerzahler auf dem Verlustinstitut sitzenbleiben zu lassen. Angesichts unbezahlbarer Haftungen im Falle von Bankkonkursen plädierte Lugar für die diesbezüglich flexibleren EU-Regelungen.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) verlangte, wichtige Berichte wie den vorliegenden, zeitnäher zu behandeln. Beim Thema Finanzmarktaufsicht bekannte sich der Abgeordnete dazu, Entscheidungen jeweils dort zu treffen, wo im Ernstfall auch gezahlt werden müsse, also in Österreich - "Wer zahlt schafft an". Wenn gelte, dass eine Bank zu groß sein könne, um in Konkurs zu gehen, müsse auch gelten, dass eine Bank zu groß sein könne, um im Falle einer Insolvenz von einem Land allein gerettet zu werden, führte Krainer weiter aus und verlangte demzufolge eine internationale Lösung bei der Sicherung weltweit tätiger Banken. Krainer wandte sich dagegen, eine Bad-Bank öffentlich zu führen, dieses schwierige Geschäft sollte man Privaten überlassen. Zur Verbesserung der Finanzmarktaufsicht seien Maßnahmen auch in Österreich notwendig, sagte der Redner, erinnerte an zahlreiche Vorschläge und drängte auf deren Behandlung im Finanzausschuss.

Abgeordneter Peter Westenthaler (B) erkundigte sich nach der Zukunft des österreichischen Bankgeheimnisses und erfuhr dazu von Staatsekretär Reinhold Lopatka, Österreicher hätten keine Änderungen zu erwarten, betroffen seien Ausländer, wenn der Verdacht der Steuerhinterziehung bestehe. Österreich sei bereit, entsprechende Doppelbesteuerungsabkommen abzuschließen. Zu einem automatischen Informationsaustausch in der EU sei Österreich nur unter der Voraussetzung bereit, dass auch Drittstaaten sowie Trusts und Stiftungen mit einbezogen würden.

Auf dem Weg zu einer Europäischen Finanzmarktaufsicht unterstütze Österreich alle Bemühungen, die zu einer effektiveren Kontrolle führen. Der Kommission liegen Vorschläge vor, die in die richtige Richtung weisen, sagte der Staatssekretär und gab das ehrgeizige Ziel der Kommissare bekannt, schon im kommenden Herbst legislative Maßnahmen zu setzen. Zudem werde über die Einrichtung eines "Rates für systemische Risken" diskutiert sowie über die Zusammenführung und Institutionalisierung der nationalen Finanzmarktaufsichten auf EU-Ebene. Bedenken dagegen kommen von Großbritannien, Österreich aber unterstütze die Kommission auf dem Weg zu einer EU-FMA.

Das Thema Finanztransaktionssteuer werde von Österreich regelmäßig im Rat und im ECOFIN angesprochen.

Die Konjunkturmaßnahmen der EU fallen im Vergleich zu den nationalen Maßnahmen bescheiden aus, räumte Lopatka ein, in Summe wurden europaweit aber 5 % des BIP zur Stärkung der Konjunktur mobilisiert. Dazu kommen das KMU-Programm und die Osteuropamaßnahmen der EU.

Verbesserungen im Bereich von Basel II, beim Großveranlagungsregime, bei den verbrieften Risken und bei der Aufsicht sollen Ende 2010 in Kraft treten, teilte der Staatssekretär mit.

Die Verhandlungen über die Einführung des "Revers-Charge-Systems" seien gestoppt worden, weil der Widerstand Großbritanniens die erforderliche Einstimmigkeit aussichtslos mache.

Abgeordneter Werner Kogler (G) stellte angesichts der Haltung Großbritanniens, das sich auch beim Thema FMA nicht bewege, die Frage, wie europäisch die EU-Wirtschaftspolitik eigentlich noch sei. Mit Nachdruck verlangte der Abgeordnete, die Umbruchszeit zu nützen und auf europäischer Ebene "Fenster aufzumachen", wozu es notwendig sei, entschieden, mit klaren Konzepten und mit einer deutlichen Sprache aufzutreten, auch beim Thema Finanztransaktionssteuer.

Produktpiraterie - Gefahr für Wirtschaft, Sicherheit und Gesundheit

Abgeordneter Johann Maier (S) plädierte dafür, nicht nur den wichtigen EU-Vorhabensbericht künftig im Plenum zu diskutieren, wie dies Ausschussobmann Günter Stummvoll anregte, sondern auch Berichte von so enormer ökonomischer und sicherheitspolitischer Bedeutung wie den Produktpirateriebericht. Die Fälschung von Produkten kosteten seriöse Unternehmen 500 Mrd. € jährlich, sagte der Redner und wies darauf hin, dass Produktfälschungen bereits 7 % bis 10 % des Welthandelsvolumens ausmachten. Der Kampf gegen Produktfälschungen könne nur international geführt werden, zeigte sich der Konsumentenschützer überzeugt. Die Rechtslage sei ebenso eindeutig wie die Vollzugsdefizite unübersehbar, insbesondere in großen Häfen wie Koper und Rotterdam. Hier mahnte der Abgeordnete entsprechende Kontrollmaßnahmen und die Einrichtung von Beobachtungsstellen der EU ein. Nicht in Österreich, aber weltweit entwickle sich der Handel mit gefälschten Lebens- und Arzneimitteln zu einer eminenten Gefahr für die Gesundheit, sagte Maier und wies auf 10 Tote nach dem Genuss gepanschter Spirituosen in der Türkei und auf hunderte Tote durch giftigen Hustensirup in Panama hin. Deutschland verschärfe derzeit sein Arzneimittelgesetz, um strafrechtlich gegen Medikamentenfälschungen vorgehen zu können, berichtete Maier, der nachdrücklich dazu aufrief, klare strafrechtliche Bestimmungen auch in Österreich zu schaffen und den Kampf gegen illegale Vertriebskanäle aufzunehmen, sie seien bei gefälschten Arzneimitteln oft identisch mit jenen für Dopingmittel.

Abgeordneter Ernest Windholz (B) sah eine Schwachstelle beim Kampf gegen Produktpiraterie darin, dass es sich dabei nicht um ein Offizialdelikt handle. Das Finanzministerium sei im Kampf gegen die Produktpiraterie bislang gescheitert, kritisierte Windholz und verlangte eine intensivere Kooperation mit dem Gesundheitsministerium sowie die Schaffung einer eigenen Einheit zur Bekämpfung dieses Deliktes.

Abgeordneter Martin Bartenstein (V) machte auf die strengen Sanktionen gegen Geldfälscher aufmerksam und zeigte sich erstaunt darüber, dass die Produktfälschung mancherorts immer noch als Kavaliersdelikt gelte. Notwendig seien Aufklärung und Bewusstseinsbildung sowie Maßnahmen gegen den Missbrauch des Internets beim Vertrieb gefälschter Medikamente.

Abgeordneter Roman Haider (F) machte darauf aufmerksam, dass China, Türkei und Hongkong die Hauptherkunftsländer von Produktfälschungen seien, verlangte schärfere Strafen und die Kooperation Chinas beim Kampf gegen die Produktpiraterie.

Abgeordneter Werner Kogler (G) sah beim Thema Produktpiraterie den Staat gefordert, aufzurüsten und mit energischen Maßnahmen den Kampf gegen die "Ökonomie des Verbrechens" aufzunehmen. Auf dem Spiel stehe nämlich - wie bei der Finanzmarktaufsicht - die Glaubwürdigkeit des Staates und der Politik allgemein. Angesichts der Verhältnisse in Italien, an dessen Küsten gefälschte Produkte containerweise ausgeladen werden, stelle sich die Frage, was die EU dagegen unternehme, wurde Kogler deutlich, und wies darauf hin, dass hinter der Produktpiraterie mafiöse Strukturen stehen und Verbindungen zu anderen Formen des internationalen Verbrechens sowie zur Geldwäsche erkennbar seien. Für ihn sei es unverständlich, dass die EU bei diesem Thema nicht stärker auftrete, sagte Werner Kogler.

Staatssekretär Reinhold Lopatka räumte gegenüber Abgeordnetem Kogler ein, man sollte darüber nachdenken, beschlagnahmte Fälschungen sinnvoll wiederzuverwerten, statt sie zu vernichten. Auch der Staatssekretär hielt es für notwendig, auf der EU-Ebene abgestimmt gegen die Produktpiraterie vorzugehen und machte auf die großen Erfolge der österreichischen Zöllner bei der Aufdeckung von Lieferungen gefälschter Produkte aufmerksam. Schwierig sei der Kampf gegen den illegalen Internethandel, die damit beschäftigte Einheit im Finanzressort gewinne aber an Expertise und werde immer erfolgreicher. Mit dem Justiz- und dem Gesundheitsministerium werde er Kontakt wegen notwendiger strafrechtlicher Maßnahmen aufnehmen, sagte Staatssekretär Lopatka den Abgeordneten zu.

Die beiden Berichte wurden zur Kenntnis genommen und im Ausschuss enderledigt, III-42 d.B. über EU-Vorhaben 2009 mit S-V-Mehrheit, III-51 d.B. zur Produktpiraterie einstimmig. (Fortsetzung)