Parlamentskorrespondenz Nr. 532 vom 17.06.2009

Sorge über die Situation im Iran

Außenminister Spindelegger in der Fragestunde des Nationalrats

Wien (PK) – Die Sitzung des Nationalrats begann heute mit einer Fragestunde mit Europa- und Außenminister Michael Spindelegger. Der Bogen der Fragen reichte vom israelisch-palästinensischen Konflikt über diverse EU-Themen bis zur aktuellen Situation im Iran.

Abgeordnete Elisabeth GROSSMANN (S): Welche Haltung vertritt Österreich angesichts der Ankündigung Israels, die Siedlungstätigkeit im Westjordanland fortzusetzen?

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Außenminister Michael SPINDELEGGER beurteilte die zitierte Ankündigung skeptisch und kritisch; wesentliche Voraussetzung für Fortschritte im Friedensprozess sei, dass beide Seiten sich bewegten. Der Minister erinnerte daran, dass die EU den Stopp der Siedlungspolitik gefordert habe. Als positiv vermerkte der Ressortleiter, dass der israelische Ministerpräsident Netanjahu erstmals von einem palästinensischen Staat gesprochen habe. Von Abgeordnetem Wolfgang SCHÜSSEL (V) auf die Rede des amerikanischen Präsidenten Obama in Kairo angesprochen, stellte Spindelegger mit Befriedigung fest, dass es keine Unterschiede mehr zwischen der amerikanischen und der europäischen sowie österreichischen Linie in Bezug auf den Nahen Osten gebe.

Abgeordnetem SCHEIBNER (B), der im Hinblick auf Österreichs gutes Standing in der arabischen Welt eine offensivere österreichische Politik erwartete und die Einbindung Syriens forderte, sagte der Außenminister, dass diese Fragen immer auf der europäischen Tagesordnung stünden. Das europäische Bemühen um Gesprächskontakte auf beiden Seiten entspreche ganz den Vorstellungen Österreichs. Die israelische Position sei allerdings "ziemlich festgefahren". Positiv wertete Minister Spindelegger, dass das Nahost-Quartett – USA, EU, UN und Russland – an einem Strang ziehe.

Abgeordnete Ursula PLASSNIK (V): Was sind die wichtigsten Herausforderungen bzw. Möglichkeiten für Österreich in der Funktion als Mitglied des Sicherheitsrats der UNO, insbesondere wenn Österreich im Herbst den Vorsitz übernimmt?

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Österreich habe bereits vielfache Herausforderungen zu bestehen gehabt, replizierte der AUßENMINISTER, und es habe daneben auch die Tagesarbeit zu bewältigen. Österreich sei aber auch mit Fragen konfrontiert, die über das bisherige Profil österreichischer Außenpolitik hinaus reichten, z.B. mit dem Thema Afrika. Bei seinem im November beginnenden Vorsitz im UN-Sicherheitsrat werde sich Österreich besonders der Thematik des "rule of law" und dem Schutz der Zivilbevölkerung in militärischen Konflikten widmen. Es gebe – im Blick auf die Ständigen Mitglieder Frankreich und Großbritannien – europäische Gemeinsamkeiten, stellte Spindelegger fest. Die Vorbereitungen für die Übernahme des Vorsitzes liefen bereits; man werde in Konfliktfällen bestrebt sein, auch die "österreichische Handschrift" sichtbar zu machen.

In einer Zusatzfrage sprach G-Abgeordneter Alexander VAN DER BELLEN die Vision Obamas von einer atomwaffenfreien Welt an. Österreich werde diese Idee im Vorsitz des Sicherheitsrats aufgreifen und mit Leben zu erfüllen suchen, sagte Spindelegger. Er habe im Kontakt mit US-Außenministerin Hillary Clinton einen möglichen Beitritt der USA zum Atomwaffenteststopp angesprochen. Abgeordneter Harald VILIMSKY (F) erfuhr auf eine Frage nach den Kosten der österreichischen Mitgliedschaft im Sicherheitsrat, dass dieselben minimal gehalten würden; die erforderliche personelle Vorsorge habe man durch Umschichtungen erreicht. Man dürfe aber nicht vergessen, dass die Mitgliedschaft im Sicherheitsrat die Möglichkeit biete, Österreich als "Drehscheibe des Friedens" zu positionieren. Spindelegger sicherte zu, das Parlament im Wege des Außenpolitischen Ausschusses einzubeziehen; außerdem seien regelmäßige Informationen für die Klubvorsitzenden beabsichtigt.

Abgeordneter Johannes HÜBNER (F): Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Beitrittsverhandlungen der Türkei zur Europäischen Union endgültig beendet werden, zumal der Spitzenkandidat der ÖVP, Dr. Ernst Strasser, im Zuge des EU-Wahlkampfs äußerte, dass die Beitrittsverhandlungen der Europäischen Union mit der Republik Türkei zu beenden seien, weil diesen die Geschäftsgrundlage fehle?

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Außenminister SPINDELEGGER erinnerte zunächst an das Regierungsprogramm, in dem von einer maßgeschneiderten Partnerschaft die Rede sei. Man dürfe nicht vergessen, dass die Türkei eine "Energiedrehscheibe, ein Sicherheitspolster und ein Zukunftsmarkt" sei. In acht Kapiteln, in denen es um Freizügigkeit gehe, gebe es keinen Fortschritt; gleichwohl sprach sich der Minister dagegen aus, "mit dem Prügel in der Hand" zu agieren und die Verhandlungen abzubrechen. Die Frage des Beitritts der Türkei zur EU stehe in seinen Kontakten mit der Bevölkerung allerdings nicht an erster Stelle. Im übrigen sei, trotz diverser Aussagen deutscher und französischer Spitzenrepräsentanten, nicht mit Initiativen für einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen zu rechnen; zudem wäre die erforderliche Einstimmigkeit nicht zu erreichen. Generell wandte sich der Minister gegen einseitige Schritte.

Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B): Welche personellen und infrastrukturellen Einsparungspotentiale sehen Sie bei den österreichischen Vertretungen in den EU-Mitgliedsländern?

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Die von Scheibner bedauerte Schließung der Botschaft im Oman erklärte SPINDELEGGER mit der Notwendigkeit des Sparens, die auch das Außenministerium treffe. So habe man bei den Botschaften in den Staaten der EU das Personal reduziert; man versuche auch, bei Räumlichkeiten zu sparen. Nicht aufgebbar sei die Betreuung von ÖsterreicherInnen im Ausland. Der Minister erinnerte in diesem Zusammenhang auch an das erfolgreiche österreichische Lobbying gegen genmanipulierten Mais.

Auf eine Zusatzfrage des Abgeordneten Johannes HÜBNER (F), ob das System der Diplomatie mit Aufwand und Zeremoniell heutigen Anforderungen noch genüge, betonte der Außenminister die Aufgabe, österreichische Interessen im Ausland zu vertreten. Ausdrückliches Lob zollte der Ressortchef dem diplomatischen Personal im Zuge der Anstrengungen zur Bewältigung der Krise. Zu einer von Abgeordneter Petra BAYR (S) zitierten Kritik aus der OECD an der Entwicklungszusammenarbeit betonte Spindelegger, es handle sich dabei um eine einzelne Stimme und nicht um die Meinung der OECD. Langfristig und nach einem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon sah der Außenminister auch die Möglichkeit europäischer Botschaften, an denen in Österreich ausgebildete Diplomaten zum Einsatz kommen.

Abgeordneter Alexander VAN DER BELLEN (G): Wie werden Sie sich im Rahmen der EU und innerhalb der Regierung für eine möglichst rasche Gewährung der Visafreiheit für die Staaten Südosteuropas einsetzen?

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Die Visaliberalisierung sei für den Westbalkan sehr wichtig, betonte der AUSSENMINISTER. In der Erfüllung der Voraussetzungen seien nach dem Bericht der Kommission Mazedonien, Serbien und Montenegro bereits sehr weit. Zu von VAN DER BELLEN (G) in einer Zusatzfrage angesprochenen Gebühren für Anfragen an die Botschaft in Belgrad stellte Spindelegger klar, dass Gebühren nur dann anfielen, wenn fixe Vorsprachetermine zur Vermeidung des Anstellens vereinbart würden. Es gebe beim Thema Visaerteilung enge Kooperation mit dem Innenressort, und zwar unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Rückstellung. Die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit mit Serbien sei Thema jeder Ratssitzung, sagte Spindelegger auf eine Zusatzfrage des Abgeordneten Anton HEINZL (S) und bewertete den Fortschritt bei diesem Thema als "gewaltig". Generell bekannte sich der Minister zur Unterstützung der Pro-EU-Kräfte. Zum Thema Visahandel stellte Spindelegger fest, dass man streng nach dem Vier-Augen-Prinzip vorgehe und schon dem geringsten Hinweis durch das Generalinspektorat des Ministeriums nachgegangen werde.

Abgeordnete Gisela WURM (S): Wie bewerten Sie die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen im Iran?

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"In Österreich und in Europa" gebe es große Besorgnis in Bezug auf den Iran, erklärte Außenminister SPINDELEGGER und nannte den Vorwurf der Wahlmanipulation und 7 bis 20 Tote im Zuge der Demonstrationen der letzten Tage. Die österreichische Botschaft in Teheran würde mehrmals täglich berichten; für im Iran lebende Österreicher sah der Minister keine unmittelbare Bedrohung. Die Nicht-Verlängerung von Visa für Berichterstatter sei bereits beim Rat am Montag in Luxemburg Thema gewesen, erst gestern habe er die Sache auch gegenüber dem iranischen Botschafter in Österreich angesprochen. Auf eine Zusatzfrage des Abgeordneten Wolfgang SCHÜSSEL (V) betonte Spindelegger, die Vorwürfe des Wahlbetrugs müssten geklärt werden; sie wären auch Thema beim morgigen Rat. Mögliche Maßnahmen nach der Sitzung des Rats seien nicht auszuschließen.

Spindelegger lobte die Arbeit der Botschaft im Zusammenhang mit der Ausreise für eine amerikanische Journalistin. Der Warnung des Abgeordneten Werner KÖNIGSHOFER (F), durch "voreilige Vorwürfe" Wirtschaftschancen zu gefährden, begegnete Minister Spindelegger mit der Feststellung, den massiven Vorwürfen müsse nachgegangen werden.

Abgeordneter Wolfgang GROSSRUCK (V): Was kann Österreich unternehmen, um die Länder der Donau-Achse, diesen europäischen Zukunfts- und Wachstumsraum, und die Schwarzmeer-Region zu einem Schwerpunkt nicht nur für Österreich, sondern auch für die europäische Nachbarschaftspolitik zu machen?

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Minister SPINDELEGGER kündigte für Juli eine Gesprächsrunde mit interessierten Unternehmen und Institutionen an, um die Möglichkeiten für Schwerpunktsetzungen auszuloten. Während der Minister für die Balkanländer die EU-Perspektive gegeben sah, sei für die Ukraine und Weißrussland eine spezielle Partnerschaft der richtige Weg. Die Initiative in Richtung Donau- und Schwarzmeer-Raum sei eine Weiterentwicklung bereits bestehender Initiativen im Blick auf längerfristige Ziele. Es handle sich dabei nicht um eine allein österreichische, sondern um eine europäische Perspektive. Auf die EU-mediterrane Partnerschaft angesprochen, meinte Spindelegger, Österreich unterstütze alle Beschlüsse der EU; die zitierte Partnerschaft sei ein europäischer, aber kein spezifisch österreichischer Schwerpunkt. (Schluss Fragestunde)