Parlamentskorrespondenz Nr. 555 vom 22.06.2009

Der Vollzug der Umweltverträglichkeitsprüfung 2006 - 2009

Verfahrensdauer konnte auf die Hälfte reduziert werden

Wien (PK) – Dem Nationalrat wurde der nunmehr bereits 4. Bericht des BMLFUW über die Vollziehung der Umweltverträglichkeitsprüfung (III 77 d.B.) vorgelegt, wobei nicht nur die legistische Entwicklung auf nationaler Ebene, sondern auch auf EU- und internationaler Ebene im Zeitraum März 2006 bis März 2009 näher dargestellt werden. Erstmals wird zudem auf die zur UVP-Richtlinie laufenden Beschwerdeverfahren der Europäischen Kommission eingegangen sowie auf die in Vorbereitung befindliche UVP-G-Novelle 2009. Was den Vollzug angeht, werden dieses Mal auch speziell die UVP-Feststellungsverfahren näher beleuchtet. Weiters enthält der Bericht eine Gesamtauswertung der bislang zu 218 Vorhaben durchgeführten UVP-Verfahren (u.a. auch zu UVP-/vereinfachtes Verfahren), eine vertiefte Darstellung für den Berichtszeitraum 2006 bis 2009 sowie eine Darstellung der Verfahrensdauer anhand von ausgewählten Vorhabenstypen. Auch der Tätigkeit des Umweltsenates als Berufungsbehörde im UVP-Verfahren ist ein eigenes Kapitel gewidmet.

Die Umweltverträglichkeitsprüfung

Das UVP-G 2000 sieht eine Prüfung und Bewertung möglicher Auswirkungen eines Vorhabens auf die Umwelt unter Beteiligung der Öffentlichkeit vor Verwirklichung des Projektes vor. Gegenstand der Prüfung sind die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen auf Menschen, Tiere, Pflanzen und deren Lebensräume, Boden, Wasser, Luft und Klima, die Landschaft sowie Sach- und Kulturgüter unter Berücksichtigung möglicher Wechselwirkungen und kumulierender Auswirkungen. In Verfahren nach dem zweiten Abschnitt des UVP-G 2000 sind die für ein Vorhaben relevanten materiellen Genehmigungsbestimmungen aller Materiengesetze (Bundes- und Landesgesetze) von der Landesregierung als UVP-Behörde in einem konzentrierten Verfahren mit anzuwenden und in einem Bescheid über die Zulässigkeit eines Vorhabens zu entscheiden. Davon ausgenommen sind bestimmte Straßen- und Eisenbahnvorhaben nach dem 3. Abschnitt des UVP-G 2000, für die ein teilkonzentrierter Bescheid durch den/die BMVIT zu erlassen ist.

Seit Inkrafttreten des UVP-G 1993 bis zum Stichtag 1.3.2009 wurden für 218 Vorhaben UVP-Genehmigungen beantragt, davon waren 167 Anlagenvorhaben und 51 Bundesstraßen oder Eisenbahn-Hochleistungsstrecken. Nachdem die Anzahl der UVP-Vorhaben bis zum Jahr 2005 ständig zunahm (zwischen 2001 und 2002 kam es zu einer Verdoppelung der Vorhaben), war ab dem Jahr 2006 ein Rückgang bemerkbar. Dies resultierte einerseits aus der Ökostromgesetz-Novelle 2006, mit der u.a. die Förderbedingungen für Windenergieanlagen geändert wurden, und ist andererseits wahrscheinlich auf die generelle wirtschaftliche Entwicklung zurückzuführen. In den Berichtszeitraum fallen insgesamt 68 UVP-Vorhaben, wobei mehr als ein Drittel Infrastrukturprojekte betreffen. Einen zentralen Stellenwert nahmen auch die Bereiche Abfallwirtschaft, Energiewirtschaft und Bundesstraßen ein, die mit 12 % bis 13 % in etwa gleich verteilt waren. Betrachtet man die Infrastrukturprojekte im Detail so fällt auf, dass der Großteil dieser Vorhaben der Ziffer 17 des Anhanges 1 zum UVP-G 2000 (Freizeit- oder Vergnügungsparks, Sportstadien oder Golfplätze) zuzurechnen war. Ein beinahe ebenso großer Anteil fiel auf den Bereich Neubau von Landesstraßen.

Rechtliche Grundlagen und der Vollzug

Der Rechtssicherheit über eine allfällige UVP-Pflicht sowie zur Durchführung der Einzelfallprüfungen dient ein Feststellungsverfahren, das ebenfalls von der Landesregierung bzw. dem/der BMVIT als UVP-Behörde durchzuführen ist. Berufungsbehörde für Vorhaben nach dem zweiten Abschnitt des UVP-G 2000 ist der durch das Bundesgesetz für den Umweltsenat4 eingerichtete unabhängige Umweltsenat. Die Anzahl der UVP-Feststellungsverfahren nahm vom Jahr 2000 bis 2003 regelmäßig zu. Nach einer leichten Rückläufigkeit im Jahr 2004 folgte eine hohe Anzahl von Feststellungsverfahren in den Jahren 2005 bis 2007. In dieser Zeit kam es vermehrt zu Feststellungsverfahren in den Bereichen Landesstraßen, Schotterabbau und Tierhaltung. Die Entwicklung der Anzahl an UVP-Feststellungsverfahren im Jahr 2009 ist derzeit noch nicht abschätzbar. Im Zeitraum 1.1.2000 bis 1.3.2009 wurde in 81 % der Fälle festgestellt, dass UVP-Pflicht nicht gegeben war.

Die Verteilung der Feststellungsverfahren nach Sektoren ergab einen Schwerpunkt bei den Infrastrukturprojekten (ohne Bundesstraßen und Hochleistungsstrecken). Dieser Bereich betraf beinahe die Hälfte aller Feststellungsverfahren und umfasste vorwiegend die folgenden Vorhaben: Neubau von Landesstraßen, Neuerschließung und Änderung von Skigebieten, Freizeit- und Vergnügungsparks, Sportstadien, Golfplätze, Einkaufszentren, öffentlich zugängliche Parkplätze. Auf die Bereiche Bergbau und Land- und Forstwirtschaft entfiel insgesamt etwa ein Drittel der Feststellungsverfahren. Die Verteilung auf die Sektoren Abfallwirtschaft, Energiewirtschaft, Wasserwirtschaft und sonstige Anlagen war relativ regelmäßig. Der geringste Anteil der Feststellungsbescheide fiel auf die Bundesstraßen und Hochleistungsstrecken. Betrachtet man die Feststellungsbescheide im Hinblick auf die geografische Lage der jeweiligen Vorhaben, so lag der Schwerpunkt mit über einem Drittel aller Bescheide beim Bundesland Niederösterreich, gefolgt von den Bundesländern Oberösterreich und Steiermark. Die wenigsten Vorhaben gab es im Bundesland Vorarlberg.

Mehr als ein Drittel der erfassten Feststellungsbescheide im Zeitraum 1.1.2000 bis 1.3.2009 betrafen Einzelfallprüfungen für Änderungsvorhaben, mehr als ein Viertel waren Einzelfallprüfungen in schutzwürdigen Gebieten und der Rest verteilte sich je in etwa zur Hälfte auf Einzelfallprüfungen auf Grund von Kumulation sowie reine Feststellungsverfahren. Auffällig ist, dass beinahe zwei Drittel aller Feststellungsverfahren über Antrag des/der jeweiligen Projektwerbers/in eingeleitet wurden. Die zweithäufigste Anzahl der Anträge war bei den mitwirkenden Behörden zu verzeichnen. Auf die Umweltanwaltschaften entfielen ca. 12 % der Anträge. Eine amtswegige Einleitung eines Feststellungsverfahrens durch die UVP-Behörden erster Instanz erfolgte in 8 % der Fälle.

Die Verfahrensdauer

Gegenüber der Evaluierungsstudie 2000, welche für manche Detailauswertungen nur auf eine sehr dünne Datenbasis zurückgreifen konnte, konnte für die nunmehrige Auswertung vom 1.1.2005 bis zum Stichtag 1.3.2009 in den meisten Fällen eine statistisch repräsentative Gesamtgröße herangezogen werden. Die Auswertung zeigt, dass Anlagenvorhaben (ohne Bundesstraßen und Hochleistungsstrecken) mit durchschnittlich 452 Tagen in einem Zeitraum von ca. 15 Monaten ab Antragstellung erstinstanzlich genehmigt wurden. Betrachtet man den aussagekräftigeren Median, so ergab sich eine Verfahrensdauer von 380 Tagen, das sind etwas über 12 Monate. Trassenvorhaben (Bundesstraßen und Hochleistungsstrecken) nach dem 3. Abschnitt zum UVP-G 2000 wurden in durchschnittlich 355 Tagen und somit knapp 12 Monaten abgeschlossen, wobei auch hier die Extremwerte den arithmetischen Mittelwert beeinflussten. Der aussagekräftigere Median lag bei 322 Tagen also etwas über 10 Monaten. Verglichen mit den Medianwerten aus der Evaluierungsstudie 2006 kann somit festgestellt werden, dass die Länge der Verfahrensdauer bei Trassenvorhaben im Berichtszeitraum in etwa auf die Hälfte der Zeit gekürzt werden konnte. Die Verfahrensdauer bei Anlagenvorhaben ist gleich geblieben.

Der Umweltsenat

Der Umweltsenat ist Berufungsbehörde und sachlich in Betracht kommende Oberbehörde in Angelegenheiten des ersten und zweiten Abschnittes des UVP-G 2000. Er ist befristet bis zum 31.12.2009 eingerichtet. Gleichzeitig mit der geplanten UVP-G-Novelle 2009 wurde im Februar 2009 auch die Änderung des B-VG und des Bundesgesetzes über den Umweltsenat (USG 2000) in Begutachtung geschickt. Die im USG 2000 verankerte Befristung des Umweltsenates soll aufgehoben und der Umweltsenat dadurch unbefristet eingerichtet werden. Der Senat besteht aus 42 Mitgliedern, die vom Bundespräsidenten/der Bundespräsidentin auf Vorschlag der Bundesregierung für sechs Jahre ernannt werden, wobei die Bundesregierung hinsichtlich von 24 Mitgliedern an Vorschläge der betroffenen Bundesministerien, hinsichtlich von 18 Mitgliedern an Vorschläge der Landesregierungen gebunden ist. Der Umweltsenat entscheidet in Kammern. Auf Grund der derzeit geltenden Geschäftsverteilung bestehen 18 Kammern.

In der Zeit zwischen 2.1.2006 und 1.3.2009 wurden beim Umweltsenat 75 Verfahren anhängig gemacht und davon 65 abgeschlossen. Unterteilt man die abgeschlossenen Verfahren in Genehmigungs- und Feststellungsverfahren, so zeigt sich, dass im Zeitraum zwischen 2.1.2006 und 1.3.2009 beim Umweltsenat 42 Feststellungsverfahren (einschließlich 2 Devolutionsanträge zu Feststellungsanträgen) mit einer durchschnittlichen Verfahrensdauer von 18 Wochen abgeschlossen wurden. Die Verfahrensdauer der 21 abgeschlossenen Genehmigungsverfahren des Umweltsenats liegt – obwohl hier zum Teil höchst komplexe Sach- und Rechtsfragen zu beurteilen sind – innerhalb der gesetzlichen Entscheidungsfrist von sechs Monaten. Die "Netto-Verfahrenszeit" (Einlangen der Berufung beim Umweltsenat bis Berufungsentscheidung) beträgt im statistischen Mittel lediglich vier Monate und 18 Tage.

Die UVP in Bezug auf EU- und internationales Recht 

Die europarechtliche Vorgabe für das UVP-G bildet die Richtlinie des Rates vom 27. Juni 1985 über die UVP bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, 85/337/EWG. In den Jahren 1997 und 2003 wurde eine Änderung der UVP-RL beschlossen. Mit der Änderung im Jahr 2003 wurde von der EU das ECE-Übereinkommen von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten auf Gemeinschaftsebene übernommen. Damit wurden die Mitgliedstaaten der EU zur Einräumung von Parteistellungen für bestimmte Umweltorganisationen verpflichtet, um so eine breite und effektive Beteiligung der Öffentlichkeit zu erreichen. Eine weitere gemeinschaftsrechtliche Vorgabe für das UVP-G 2000 stellt die Judikatur des EuGH zur UVP-RL dar.

Das UVP-G 2000 setzt weiter das Übereinkommen von Espoo über die UVP im grenzüberschreitenden Rahmen um. Es wurde von der UN-Wirtschaftskommission für Europa (UN-ECE) erarbeitet. Die Espoo-Konvention ist seit dem 10. September 1997 in Kraft. Österreich hat die Espoo-Konvention im Juli 1994 ratifiziert.

Das EU-Beschwerdeverfahren und die neue UVP-Novelle

Mit Mahnschreiben vom 28.6.2006 begann die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren wegen nicht korrekter Umsetzung der UVP-Richtlinie 85/337/EWG, insbesondere, weil Österreich in seinem UVP-G 2000 bei sehr hohen Schwellenwerten für die UVP-Pflicht in vielen Fällen des Anhang 1 keine Einzelfallprüfung bei niedrigeren Schwellenwerten in schutzwürdigen Gebieten vorsieht, bei den schutzwürdigen Gebieten nicht explizit historisch, kulturell oder archäologisch bedeutende Landschaften (insbesondere UNESCO-Welterbestätten) berücksichtigt. Kritisiert wurde zudem die Kumulationsbestimmung.

Im Hinblick auf diese Entwicklungen wurde eine neue UVP-Novelle ausgearbeitet, die im Februar 2009 ausgeschickt wurde. Die geplante Novellierung des UVP-G 2000 konzentriert sich auf die von der EK im Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich aufgegriffenen Punkte. Weiters soll der Klimaschutz verstärkt und Probleme, die beim Vollzug des derzeit geltenden UVP-G aufgetreten sind, bereinigt und Verfahrensvereinfachungen ermöglicht werden. (Schluss)