Parlamentskorrespondenz Nr. 567 vom 23.06.2009

Sozialausschuss berät Regierungsberichte

FPÖ und BZÖ ziehen wegen kurzfristiger Änderung der Tagesordnung aus

Wien (PK) – In seiner heutigen Sitzung befasste sich der Ausschuss für Arbeit und Soziales des Nationalrats zunächst mit einer stattlichen Anzahl an Berichten. Vor Eingang in die Tagesordnung übten jedoch die Oppositionsvertreter massive Kritik an der Vorgangsweise der Regierungsparteien, die kurzfristig das 3. Sozialrechtsänderungsgesetz auf die Agenda setzten. FPÖ und BZÖ beklagten, dass diese Vorgangsweise gegen die Abmachungen verstoße, und zogen nach dem Beschluss, die Tagesordnung um das 3. SRÄG zu ergänzen, aus dem Ausschuss aus.

Abgeordneter Gerald Grosz (B) sprach von einer Missachtung des Parlaments, dass diese Vorlage überfallsartig auf die Tagesordnung gesetzt werde, sodass die Opposition nicht die Möglichkeit habe, diese eingehend zu studieren. Abgeordneter Karl Öllinger (G) übte gleichfalls Kritik an der Vorgangsweise von SPÖ und ÖVP, kündigte aber an, er werde im Interesse der Sache der Aufnahme des 3. SRÄG auf die Tagesordnung zustimmen. Abgeordneter Herbert Kickl (F) befand die Vorgangsweise indiskutabel und meinte, derlei sei ein Thema für die Präsidiale. Die Abgeordneten müssten sich die Frage stellen, ob sie mündige Parlamentarier oder aber Steigbügelhalter der Regierung seien und sprach insgesamt von einem beschämenden Schauspiel. Abgeordneter Werner Amon (V) hielt es zwar für kritikwürdig, dass heute gleich vier Ausschüsse gleichzeitig stattfänden, ersuchte aber um Verständnis für die Vorgangsweise, zumal es sich um eine wichtige Thematik handle. Mit den Stimmen von S, V und G wurde das dritte SRÄG auf die Tagesordnung gesetzt, ein Antrag der FPÖ, das zweite SRÄG von der Tagesordnung abzusetzen, wurde ebenfalls von den Stimmen mit S, V und G abgelehnt. FPÖ und BZÖ zogen daraufhin aus dem Ausschuss aus.

Einstimmig wurde Abgeordneter Werner Amon (V) zum neuen Obfraustellvertreter des Ausschusses gewählt.

Sozialbericht 2007/2008

90.000 Kinder leben in Österreich in Armut, rund 250.000 sind armutsgefährdet, etwa eine Million Menschen leben unter der Armutsgrenze. Das geht aus dem Sozialbericht für die Jahre 2007 und 2008 (III-27 d.B.) hervor. Weitere Ergebnisse: Frauen verdienen um ein Drittel weniger als Männer, bei Berücksichtigung der Unterschiede in der Arbeitszeit bleibt immer noch eine Differenz von 19 bis 22 Prozent. Der durchschnittliche österreichische Haushalt verfügt über ein Geldvermögen von rund 55.000 Euro, wobei allerdings das oberste Zehntel über 54 Prozent und das reichste Prozent der Bevölkerung über 27 Prozent des Geldvermögens verfügt. Ohne den Einsatz von Freiwilligen sähe das Land gänzlich anders aus: 44 Prozent der Bevölkerung (47 Prozent der Männer, 41 Prozent der Frauen) über 15 Jahren leisten in irgendeiner Form Freiwilligenarbeit.

Abgeordneter Albert Steinhauser (G) konstatierte eingangs der Debatte des Sozialberichts eine Fortschreibung der Umverteilung von unten nach oben. Die Lohnquote sinke, was alarmierend sei, eine Debatte um eine Vermögenssteuer sei daher wichtiger denn je, denn man brauche zusätzliche Sozialabgaben, wolle man den Sozialstaat mittelfristig sichern. Sein Fraktionskollege Karl Öllinger knüpfte an Steinhausers Aussagen an und verwies dabei insbesondere auf die Entwicklung der Vermögen. Er bemängelte, dass der Bericht nur alle zwei Jahre erstellt werde, da dadurch das Datenmaterial oftmals rettungslos veraltet sei. Schließlich thematisierte er das Pflegegeld und die Mindestsicherung und wollte vom Minister wissen, wann diese nun endlich eingeführt werde.

Abgeordneter Franz Riepl (S) zeigte sich dankbar für das konkrete Daten- und Zahlenmaterial hinsichtlich der Vermögens- und Einkommenssituation. Der Bericht zeige, dass man bei der Verteilungsgerechtigkeit noch einiges zu tun habe. Andererseits sei es im Lichte der ökonomischen Entwicklungen überaus positiv, dass man die Steuerreform vorgezogen habe. Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) setzte sich sodann mit der Armutsgefährdung auseinander.

Abgeordneter Martin Bartenstein (V) hielt fest, man lebe in einem der sozial entwickeltsten Länder der Welt, auch bei der Verteilungsgerechtigkeit stehe man gut da. Der Bericht zeige Punkte auf, wo weitere Maßnahmen zu setzen seien, wobei es bei einigen Themen wie der Mindestsicherung oder dem Papa-Monat noch Diskussionsbedarf gebe. Sein Fraktionskollege Werner Amon meinte, man strebe nicht einen gefilterten Sozialbericht an, sondern man wolle die Situation darstellen, woraus man dann Vorschläge für die weitere Entwicklung ableiten könne.

Weitere Aspekte des Berichts berührten die Abgeordneten Johann Maier und Josef Muchitsch (beide S) und Birgit Schatz (G).

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ging auf das Sinken der Lohnquote ein und erklärte, dieses basiere auf mehreren Faktoren. Die Diskussion über die Zukunft des Sozialsystems sei zu führen, entsprechende Maßnahmen seien zu setzen, etwa hinsichtlich der Anhebung des Anteils der Erwerbsarbeit. Auch in der Pflege bestehe Handlungsbedarf, weshalb er über den Pflegefonds intensive Diskussionen führe. Die bedarfsorientierte Mindestsicherung werde in der zweiten Jahreshälfte 2010 kommen, kündigte der Minister an, der auch auf konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut verwies, neben der Schaffung von Beschäftigung auch weitere Familienförderung und vermehrte Kinderbetreuung. Die Vermögensentwicklung werde im nächsten Bericht prominent berücksichtigt, stellte der Minister in Aussicht, der sich sodann mit den Themenbereichen Privatinsolvenzen und Schuldnerberatung auseinandersetzte. Schließlich verwies er darauf, dass 80 % der Kollektivverträge über 1.200 € lägen, sodass die alte Forderung nach 1.000 € Mindestlohn überdacht werden müsse. Insgesamt zog der Minister eine positive Bilanz des ersten Halbjahres 2009, meinte aber, das nächste Halbjahr werde schwierig, und noch schwieriger werde das erste Halbjahr 2010. Generell, schloss das Regierungsmitglied, bleibe die Einkommensschere ein wichtiges Thema.

Der Bericht wurde einstimmig zur Kenntnis genommen.

Behindertenbericht 2008

Um aktuelle Daten sowohl über die Anzahl von Menschen mit Behinderungen als auch über deren Probleme im Alltag zu erhalten, beauftragte das Sozialministerium die Statistik Austria mit der Durchführung einer Befragung zum Thema "Menschen mit Beeinträchtigungen", deren Ergebnisse in den Behindertenbericht 2008 (III-23 d.B.) eingeflossen sind.

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) sprach von einer ausgezeichneten Datensammlung, welche die Thematik gut aufzeige. Der Bericht illustriere, was sich auf diesem Gebiet in den letzten Jahren getan habe. Ein Problem sei freilich weiterhin die soziale Lage, meinte die Abgeordnete, die sich überdies auch mit dem Thema der Pflege auseinandersetzte. Abgeordneter Karl Öllinger (G) meinte, der Bericht lasse viele Fragen offen, zeige aber auch, dass die Regierung in vielen Bereichen säumig sei. So könne man dem Bericht entnehmen, dass nach wie vor viele Schulen nicht barrierefrei seien. Ein weiterer wichtiger Punkt sei die soziale Lage der Behinderten und der Vollzug des Bundesbehinderteneinstellungsgesetzes. Abgeordneter Josef Muchitsch (S) wollte wissen, ob die Öffentliche Hand die Maßgaben des Behinderteneinstellungsgesetzes erfülle. Abgeordnete Anna Höllerer (V) würdigte den Bericht als gute Datensammlung, in der das Leistungsspektrum übersichtlich dargelegt werde. Sodann befasste sie sich mit dem Aspekt behinderter Kinder und Jugendlicher.

Bundesminister Rudolf Hundstorfer verwies auf die seitens seines Hauses gesetzten Aktivitäten zur Integration behinderter Menschen in den Arbeitsmarkt, gab aber zu, dass dies ob der aktuellen Wirtschaftskrise schwieriger geworden sei. Dennoch bemühe er sich, die Bundesstellen von der Notwendigkeit der Einhaltung der Kriterien des Behinderteneinstellungsgesetzes zu überzeugen, wobei gerade sein Haus wie das Finanzministerium mit leuchtendem Beispiel vorangehe.

Der Bericht wurde einstimmig zur Kenntnis genommen.

Information und Prävention wichtige Faktoren beim Arbeitnehmerschutz

In weiterer Folge standen die Berichte über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion sowie über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion auf dem Gebiet des Bundesbedienstetenschutzes im Jahr 2007 auf der Tagesordnung. Beide wurden mit S-V-Mehrheit zur Kenntnis genommen und im Ausschuss enderledigt, das heißt, sie werden nicht mehr im Nationalratsplenum diskutiert.

Gemäß dem Bericht über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion im Jahr 2007 führten die 308 ArbeitsinspektorInnen bei insgesamt 68.000 Arbeitsstätten und Baustellen Kontrollen durch. Bei knapp einem Drittel der Inspektionen kam es zu Beanstandungen. Die Zahl der Arbeitsunfälle nahm in den letzten Jahren merkbar ab.

Dem Bericht über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion auf dem Gebiet des Bundesbedienstetenschutzes zufolge hat sich die Situation insgesamt weiter verbessert, 2007 ereigneten sich in den Bundesdienststellen 2.599 Arbeitsunfälle.

Abgeordneter Franz Riepl (S) lobte den Bericht der Arbeitsinspektion, denn er gebe wertvolle Hinweise für die politische Arbeit. Riepl hob hervor, dass der Aufwand für die Beratungstätigkeit gestiegen ist und sah vor allem in Bezug auf die Baustellen Handlungsbedarf, zumal hier bei einem Drittel Übertretungen zu beanstanden waren. Abgeordneter Martin Bartenstein (V) zog den Schluss, die geringere Zahl an Unfällen und Erkrankungen bewiesen, dass das Arbeitsinspektorat in die richtige Richtung gehe und viel an Beratung und Assistenz leiste.

Die Bedeutung und positive Wirkung von Gefahrenberatung, Prävention und Bewusststeinsbildung wurde auch von Bundesminister Rudolf Hundstorfer unterstrichen. Man sei mit der Wirtschaftskammer in permanentem Dialog wegen festgestellter Übertretungen bei der Beschäftigung Jugendlicher, vor allem im Gastgewerbe und in der Hotellerie, antwortete Hundstorfer Abgeordneter Birgit Schatz (G). Ebenso würde es permanente Informationen zum Tragen von Gehörschutz geben. Abgeordnete Schatz hatte das Problem des mangelnden Gehörschutzes, vor allem auf Baustellen, angesprochen, und mit Sorge festgestellt, dass auch der Umgang mit gefährlichen Stoffen zunimmt.

Sie sprach sich weiters für die Anerkennung psychosozialer Erkrankungen aus und vermisste dazu eine aussagekräftige Datenlage.

Abgeordnetem Karl Öllinger (G) gegenüber bekräftigte der Sozialminister, Aufgabe der eingerichteten Strukturarbeitsgruppe sei es, quantifizierbare Ziele hinsichtlich der Senkung der Arbeitsunfälle und Berufserkrankungen auszuarbeiten.

Sowohl Abgeordneter Franz Riepl als auch Abgeordneter Johann Maier (beide S) thematisierten den personellen Engpass bei der Arbeitsinspektion. Bei schweren Unfällen müssten die Untersuchungen von der Polizei durchgeführt werden, diese sei jedoch für derartige Fälle nicht speziell ausgebildet, klagte Maier. Dazu meinte Bundesminister Rudolf Hundstorfer, im Rahmen der Budgetverhandlungen sei es gelungen, beim Arbeitsinspektorat nicht in gleichem Ausmaß personelle Einsparungen vornehmen zu müssen wie in anderen Bereichen. Er wolle in nächster Zeit Schwerpunkte setzen, sagte er. Was den Bundesbedienstetenschutz betrifft, so zeigte sich Abgeordneter Erwin Spindelberger (S) zufrieden, dass die Mängelliste um 30 % reduziert werden konnte.

EU-Arbeitszeitrichtlinie: Zurück zum Start

Im Rahmen der Beratungen über den Bericht des Sozialministers über aktuelle EU-Vorhaben im Sozialbereich informierte Bundesminister Rudolf Hundstorfer nach einer Frage des Abgeordneten Martin Bartenstein (V), derzeit liege kein einziger gültiger Vorschlag zur Änderung der Arbeitszeitrichtlinie vor. Es gebe zwar eine Initiative des zuständigen Kommissars Vladimir Spidla, er, Hundstorfer, gehe aber davon aus, dass erst die neue Kommission einen Vorschlag Ende des Jahres 2009 vorlegen werde. Man müsse auch die Haltung des neu gewählten Parlaments abwarten, ergänzte der Sozialminister. (Forts.)


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