Parlamentskorrespondenz Nr. 569 vom 23.06.2009

Sozialausschuss billigt Arbeitsmarktpaket 2009

Kurzarbeit wird verlängert und für Unternehmen verbilligt

Wien (PK) – Der Sozialausschuss des Nationalrats hat heute das Arbeitsmarktpaket 2009 gebilligt. Das zwischen Sozialminister Rudolf Hundstorfer, Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und den Sozialpartnern ausverhandelte Gesetzespaket sieht unter anderem eine Verlängerung der Kurzarbeit auf bis zu 24 Monate, eine attraktivere Gestaltung der Altersteilzeit und der Bildungskarenz sowie die Einrichtung einer speziellen Arbeitstiftung für jugendliche Arbeitslose vor. Damit sollen Arbeitsplätze erhalten, der weitere Anstieg der Arbeitslosenrate möglichst eingedämmt und sowohl ArbeitnehmerInnen als auch Arbeitsuchende beim Erwerb zusätzlicher Qualifikationen unterstützt werden. Der Beschluss fiel, bei Abwesenheit von FPÖ und BZÖ, einstimmig.

Den Sozialausschuss passierten außerdem ein Gesetzespaket zur weiteren Eindämmung von Sozialbetrug in der Baubranche, eine Novellierung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, mit der die Kontrolle von "Scheinselbständigkeit" EU-konform gestaltet werden soll, und eine zeitgemäßere Gestaltung des Heimarbeitsgesetzes.

Mit dem Arbeitsmarktpaket 2009 wird etwa der Zugang zur Altersteilzeit dadurch erleichtert, dass die Verpflichtung zur Einstellung einer Ersatzarbeitskraft wegfällt. Außerdem wird das Mindestzugangsalter zur Altersteilzeit noch ein weiteres Jahr mit 53 Jahren für Frauen und 58 Jahren für Männer festgeschrieben und der Spielraum bei der Wahl der Arbeitszeit deutlich vergrößert.

Kurzarbeitsbeihilfe wird künftig bis zu 24 Monate statt bisher 18 Monate gewährt. Außerdem übernimmt das AMS ab dem 7. Monat der Kurzarbeit die erhöhten Dienstgeberbeiträge zur Sozialversicherung.

Für Arbeitslose bringt das Gesetzespaket eine laufende Valorisierung der Beitragsgrundlage für die Bemessung des Arbeitslosengeldes. Außerdem wird für Personen, die aufgrund der Anrechnung des Partner-Einkommens keine Notstandshilfe bekommen und sich nicht beitragsfrei mitversichern können, der Aufwand für die Krankenversicherung übernommen. Ältere Arbeitslose, die kurz vor Erreichung des Pensionsalters stehen und deren Anspruch auf Arbeitslosengeld ausläuft, bekommen, anders als ursprünglich vorgesehen, noch bis Ende 2010 Übergangsgeld, ab 2011 gilt eine Einschleifregelung.

Finanziert werden soll das Paket in erster Linie durch budgetäre Umschichtungen im Sozialressort und beim AMS. Außerdem müssen Arbeitgeber künftig, befristet bis Ende 2013, auch für Beschäftigte zwischen dem 57. und dem 58. Lebensjahr Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zahlen. Das gemäß Erläuterungen negativ bilanzierende Bonus-Malus-Modell in der Arbeitslosenversicherung für die Neueinstellung bzw. Kündigung von älteren Beschäftigten über 50 wird gestrichen. Schließlich sieht das vorliegende Gesetzespaket auch Maßnahmen zur Stabilisierung der Lohnnebenkosten vor.

Mit dem Arbeitsmarktpaket 2009 mitbeschlossen wurde auch eine Novellierung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, die Bestimmungen über ein gesondertes Kontrollsystem für "Arbeitsgesellschafter" aus den neuen mittel- und osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten enthält. Die Abgeordneten reagieren damit auf ein Urteil des EuGH, der die geltenden Kontrollbestimmungen in Bezug auf so genannte Scheinselbständigkeit als überschießend gewertet hat. Die nunmehrige Kontrolle durch das AMS soll verhindern, dass die noch bis 2011 geltenden Zugangsbeschränkungen zum Arbeitsmarkt für Angehörige der betreffenden EU-Länder umgangen werden.

Gemeinsam mit dem Arbeitsmarktpaket 2009 zur Diskussion standen außerdem vier Anträge der Grünen (62/A[E], 11/A, 12/A, 441/A[E]) und ein Antrag der FPÖ. Die Grünen verlangen unter anderem strenge Auflagen für private Postdienste zum Schutz von ArbeitnehmerInnen inklusive eines gesetzlichen Mindestlohns und einer klaren Trennung zwischen selbständiger und unselbständiger Tätigkeit, eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes und die Berücksichtigung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur Anrechnung von Partner-Einkommen bei der Berechnung der Notstandshilfe. Auch die FPÖ spricht sich für eine Anhebung der Nettoersatzrate beim Bezug von Arbeitslosengeld und Änderungen bei der Anrechnung von Partner-Einkommen aus.

Zustimmend zum Gesetzespaket äußerten sich unter anderem die Abgeordneten Martin Bartenstein (V), Franz Riepl (S), Dietmar Keck (S) und Ulrike Königsberger-Ludwig (S). So zeigte sich Abgeordneter Bartenstein etwa über die "Altersteilzeit neu" erfreut und begrüßte die Forcierung der kontinuierlichen Arbeitszeitreduktion. Als "mehr als einen Wermutstropfen" bezeichnete er allerdings, dass das Paket auch durch eine befristete Erhöhung der Lohnnebenkosten gegenfinanziert werde und sprach damit den Arbeitslosenversicherungsbeitrag für 57-Jährige an. Sollte es wieder zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage kommen, wird es Bartenstein zufolge Incentives für Unternehmen brauchen, um von der Kurzarbeit wieder abzugehen.

Abgeordneter Franz Riepl bekräftigte, mit dem Arbeitsmarktpaket seien neue Chancen am Arbeitsplatz verbunden. Er hofft, dass Unternehmen verstärkt versuchen, die Krise mit Kurzarbeit "durchzutauchen", ohne Beschäftigte zu kündigen. Auch sein Fraktionskollege Dietmar Keck nannte die Absicherung von Arbeitsplätzen als Hauptzielpunkt des Gesetzes. Seiner Meinung nach ist die Verlängerung von Kurzarbeit auf 24 Monate unerlässlich, um Beschäftigte so lange wie möglich in Arbeit zu halten und massive Probleme am Arbeitsmarkt zu verhindern. Einzelne "schwarze Schafe" müssen seiner Meinung nach in Kauf genommen werden.

Was die Anhebung des Arbeitslosengelds betrifft, hielt Riepl fest, dass das vorliegende Gesetzespaket zumindest einen kleinen Schritt in diese Richtung enthalte. Viele hätten sich zwar mehr gewünscht, räumte er ein, ihm zufolge ist "momentan aber nicht mehr möglich gewesen". Den Antrag der FPÖ zu dieser Frage wird die SPÖ laut Riepl ablehnen, da eine Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld von 70 % seiner Meinung nach unrealistisch ist.

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig führte aus, das vorliegende Gesetzespaket zeige, dass die Politik Menschen in der Krise nicht allein lasse. Besonders begrüßte sie die vorgesehene Einrichtung einer Jugendstiftung.

Seitens der Grünen stimmten Abgeordneter Karl Öllinger und Abgeordnete Birgit Schatz dem Gesetzespaket zwar im Gesamten zu, übten an einigen Einzelmaßnahmen aber durchaus Kritik. So bemängelte Abgeordneter Öllinger, dass bei der Valorisierung der Bemessungsgrundlage des Arbeitslosengeldes eine "absolute Minimalvariante" umgesetzt werde, die, wie seine Fraktionskollegin Schatz meinte, kaum jemandem ein höheres Arbeitslosengeld bringen werde. Öllinger zeigte außerdem kein Verständnis dafür, dass bereits arbeitslos gemeldete Personen in keiner Weise von der Valorisierung profitieren und urgierte gezielte Beschäftigungsprojekte für 19- bis 24-Jährige. Er kann sich etwa ähnliche Projekte wie die seiner Ansicht nach erfolgreich gewesene "Aktion 8.000" vorstellen.

Abgeordnete Birgit Schatz drängte unter anderem auf einen adäquaten Schutz von ArbeitnehmerInnen im liberalisierten Postmarkt. Es müsse verhindert werden, dass bei der Postmarktliberalisierung im Briefsektor Ähnliches passiere wie bei der Paketzustellung, warnte sie. Bei privaten Paketdiensten sind ihr zufolge 90 % Scheinselbstständige im Einsatz, die zum Teil selbst die Kosten für Fahrzeuge übernehmen müssten. Unverständlich ist für Schatz, wie sie sagte, auch die Einberechnung des Partnereinkommens bei der Berechnung von Notstandshilfe. Frauen könnten gegenüber Lebensgefährten keine Ansprüche geltend machen und blieben in der Realität vielfach ohne Unterstützung, klagte sie. Die 2.000 Plätze in der Jugendstiftung wertete Schatz als "eindeutig zu wenig".

Sozialminister Rudolf Hundstorfer machte geltend, dass künftige Arbeitslose sehr wohl von der Valorisierung der Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Arbeitslosengelds profitierten. Darüber hinaus verteidigte er das bestehende Kurzarbeitsmodell und wies darauf hin, dass Kurzarbeit bislang nur abgebrochen worden sei, weil sich die Auftragslage verbessert habe. In keinem Fall sei ein Kurzarbeitsmodell wegen einer Verschlechterung der Situation eines Unternehmens beendet worden. Es gebe außerdem ein genaues Procedere zur Vereinbarung von Kurzarbeit, bekräftigte der Sozialminister, damit könne Missbrauch verhindert werden. Diese Position vertrat auch Abgeordneter Josef Lettenbichler (V), der darauf hinwies, dass Anträge auf Kurzarbeit eingehend geprüft würden.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) hatte zuvor moniert, dass für den Betrieb von Alfons Mensdorff-Pouilly trotz offenbar nicht erfüllter Kriterien Kurzarbeitsbeihilfe gezahlt würde. Er mahnte eine öffentlich geführte Liste aller betroffenen Unternehmen ein, um Missbrauch zu verhindern.

Zur Frage der Arbeitslosigkeit von Jugendlichen und jungen Menschen merkte Sozialminister Rudolf Hundstorfer an, in den ersten Monaten dieses Jahres hätten 86.000 unter 25-Jährige eine Beihilfe erhalten, davon 77.000 für den Erwerb einer Qualifikation.

Bei der Abstimmung wurden das Arbeitsmarktpaket 2009 und die Novellierung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes einstimmig angenommen. Die Anträge 62/A(E), 11/A und 12/A wurden mit S-V-Mehrheit vertagt, die Anträge 617/A(E) und 441/A(E) gegen die Stimmen der Grünen abgelehnt.

"Sozialbetrug" in der Baubranche soll weiter eingedämmt werden

Gleichfalls einstimmig beschloss der Ausschuss eine Änderung des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes, die vor allem die weitere Eindämmung von "sozialbetrügerischem Verhalten" in der Baubranche zum Ziel hat. Unter anderem sollen die Kontrollrechte der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) ausgedehnt, die Strafen erhöht und eine bessere Korrelation zwischen Auszahlungen aus der Kasse und Einzahlungen in die BUAK erreicht werden. Die Gesetzesnovelle wurde unter Berücksichtigung eines S-V-Abänderungsantrags beschlossen, der die Bestimmungen über den Datenaustausch der BUAK mit anderen Behörden betrifft.

Heimarbeitsgesetz wird novelliert

Schließlich passierte auch ein Gesetzentwurf zur Modernisierung des Heimarbeitsgesetzes den Sozialausschuss. Mit diesem Entwurf strebt die Regierung eine Reduktion des Verwaltungsaufwands sowohl der öffentlichen Hand als auch für Unternehmen an. Unter anderem geht es im Sinne einer Organisations- und Aufgabenreform darum, nicht mehr benötigte behördliche Stellen abzuschaffen und Informationspflichten für Unternehmen zu reduzieren. Für die HeimarbeiterInnen selbst, deren Zahl in den letzten Jahren laut Erläuterungen stark zurückgegangen ist, soll sich nichts ändern.

Neben den Koalitionsparteien stimmten auch die Grünen der laut Abgeordnetem Karl Öllinger (G) "überfälligen" Gesetzesvorlage zu. FPÖ und BZÖ nahmen, wie bei den vorherigen Punkten, nicht an den Beratungen teil.

Oppositionsanträge abgelehnt bzw. vertagt

Gegen die Stimmen der Grünen abgelehnt wurden vom Sozialausschuss zwei Initiativen der Opposition im Bereich der Behindertenpolitik. Zum einen will die FPÖ mit einem Antrag auf Änderung des Behindertengleichgestellungsgesetzes Behindertenvertrauenspersonen das Recht einräumen, mit Sitz und Stimme an den Sitzungen des Betriebsrates teilzunehmen. Zum anderen spricht sich das BZÖ in einem Entschließungsantrag dafür aus, einen Fonds einzurichten, der Menschen mit Behinderungen für den Fall der Rechtsdurchsetzung bei Diskriminierung finanziell unterstützen soll.

Vertagt wurde ein Entschließungsantrag des BZÖ, der auf das Schnüren eines ganzes Maßnahmenbündels für freiwillige HelferInnen abzielt. Geht es nach dem BZÖ, muss Freiwilligenarbeit einen höheren Stellenwert bekommen, wobei etwa ein weitergehender Versicherungsschutz für Freiwillige in Hilfsorganisationen und die bevorzugte Behandlung bei der Aufnahme in den öffentlichen Dienst angeregt werden. Abgeordneter Werner Amon (V) hielt fest, der Antrag enthalte einige "nicht uninteressante" Aspekte und solle weiter diskutiert werden. (Schluss)


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