Parlamentskorrespondenz Nr. 601 vom 30.06.2009

Finanzausschuss: 10 Mrd. ��� Staatsgarantien für große Unternehmen

Opposition kritisiert Ausschluss von KMU und fordert klare Kriterien

Wien (PK) - Nach der Aussprache mit Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny debattierte der Finanzausschuss große Gesetzesvorhaben und machte zunächst ein Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetz für große Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern plenumsreif. 10 Mrd. € an Haftungskapital werden angesichts der Krise in der Realwirtschaft aus dem Bankenpaket zur Überbrückung vorübergehender Liquiditätsengpässe in gesunden österreichischen Unternehmen umgeschichtet. Der Regierungsentwurf (229 d.B.) wurde in der Fassung eines S-V-Abänderungsantrags mit redaktionellen Korrekturen mit S-V-Mehrheit verabschiedet. Ein BZÖ-Antrag zum Thema (434/A(E)) gilt als miterledigt, ein BZÖ-Abänderungsantrag auf Berücksichtigung von KMU bei den vorgesehenen Staatshaftungen erzielte keine Mehrheit. - Danach verabschiedete der Finanzausschuss im Zusammenhang mit dem Fall des Bankgeheimnisses für ausländische Steuerhinterzieher ein Amtshilfe-Durchführungsgesetz, sprach sich für die Absetzbarkeit der Betreuung behinderter Kinder, für eine Gebührenhalbierung bei der Ausstellung von Kinder-Reisepässen und für eine EDV-unterstützte Einheitsbewertung bei Grundstücken aus.

In der Debatte drängte Abgeordnete Petra Bayr (S) auf eine transparente Umsetzung des Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetzes und verlangte bei der künftigen Information des Budgetausschusses Auskunft über die Kriterien, die für die Haftungsübernahme jeweils maßgeblich seien.

Abgeordnete Ruperta Lichtenecker (G) meldete Zweifel daran an, dass eine fünfjährige Haftung ausreichen werde, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Liquiditätsprobleme der Betriebe länger dauern. Problematisch sah die Abgeordnete, dass Kriterien für die Haftungsübernahme Betriebe dazu veranlassen könnten, Personal abzubauen. Die Grünen werden dem Gesetz im Plenum zustimmen, wenn die Frage der Kriterien für die Haftungsübernahme bis dahin geklärt werden könne.   

Abgeordneter Wolfgang Zanger (F) wollte wissen, was die Regierung unter einem "Schlüsselbetrieb" verstehe und merkte an, dass es die KMU seien, die als "Schlüsselbetriebe" für die Beschäftigung in Österreich anzusehen seien. Außerdem bestehe die Gefahr, dass die vorgesehenen Haftungen zur Besicherung bestehender fauler Kredite verwendet würden.

Abgeordneter Bernhard Themessl (F) kritisierte die Einschränkung der Haftungsübernahme auf Großbetriebe und wies die Erklärung zurück, dass für KMU in Form der Mittelstandsmilliarde bereits ein entsprechendes Instrument geschaffen worden wäre. Tatsächlich sei dieses Geld nur zum Teil bei den Betrieben angekommen. 70 % der Beschäftigten arbeiten in KMU, "die leer ausgehen". Für die restlichen 30 % werden 10 Mrd. € aufgewendet.

Abgeordneter Jakob Auer (V) drängte auf rasche Haftungsübernahmen, denn: "Wer schnell hilft, hilft doppelt!". Auers Fragen richteten sich auf die Voraussetzungen für die Haftungsübernahmen sowie darauf, ob 10 Mrd. € tatsächlich ausreichten.

Abgeordneter Robert Lugar (B) legte den - bei der Abstimmung abgelehnten - Abänderungsantrag gegen die Diskriminierung von KMU vor und wies auf Probleme der Betriebe hin, über das Austria Wirtschaftsservice zu Haftungen zu kommen.

Abgeordneter Konrad Steindl (V) sprach von einer richtigen Maßnahme für Leitbetriebe mit mangelnder Liquidität und machte darauf aufmerksam, dass eine Besicherung fauler Kredite durch die vorgesehenen Staatshaftungen ausgeschlossen sei. Den KMU komme die Mittelstandsmilliarde zugute.

Abgeordneter Christoph Matznetter (S) erinnerte daran, dass Österreich zu den ersten Ländern zählte, die die Unterstützung für KMU nach dem Einsetzen der Wirtschaftskrise ausgeweitet haben. Das Austria Wirtschaftsservice übernehme Haftungen für KMU, betonte Matznetter, appellierte aber zugleich an die Banken, diese Möglichkeit für ihre gewerblichen Kunden stärker zu nutzen. Vor den prozyklischen Wirkungen von Basel II warnte Matznetter, da strenge Bonitätsbewertungen gerade jene belasteten, die Hilfe am dringendsten brauchten.

Abgeordneter Günter Stummvoll (V) konnte den harten Gegensatz, den manche Oppositionsredner zwischen KMU und Großbetrieben sehen, nicht nachvollziehen. Liquidität bei der VOEST etwa nütze vielen österreichischen KMU, sagte der Abgeordnete.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) warnte, Betriebe könnten sich von ArbeitnehmerInnen trennen, um die Kriterien von Haftungen zu erfüllen, und plädierte dafür, "soziale Aspekte" in die Kriterien für Haftungsübernahmen zu übernehmen.

Abgeordneter Alois Gradauer (F) wies die "Schönfärberei" bei der Darstellung der wirtschaftlichen Lage durch die Regierung zurück, schilderte die zunehmende Arbeitslosigkeit, die Kurzarbeit, die Insolvenzen und das explodierende Budgetdefizit. "Die Talsohle ist noch nicht erreicht, die Finanzierung der Wirtschaft nicht in Ordnung", konstatierte Gradauer.

Staatssekretär Reinhold Lopatka bezeichnete die Stärkung des Wirtschaftsstandorts als generelles Ziel bei den vorgesehenen Haftungsübernahmen und machte darauf aufmerksam, die geforderten sozialen Aspekte zählten zu den volkswirtschaftlichen Kriterien, die bei der Prüfung der Haftungsanträge zur Anwendung kommen werden. KMU seien von den vorgeschlagenen Haftungen ausgeschlossen, weil für diese schon viel auf den Weg gebracht wurde, sagte der Staatssekretär, wies auf das Konjunkturpaket I, die Ausweitung des ERP-Rahmens, auf Mikrokredite und die Ausweitung des Haftungsrahmens des Austria Wirtschaftsservice auf 5,2 Mrd. € hin. Für KMU gelte eine Haftungsquote von bis zu 80 %, fügte der Staatssekretär hinzu. Die Besicherung fauler Kredite sei auszuschließen, teilte Lopatka mit und begründete die zeitliche Einschränkung auf fünf Jahre mit Rücksicht auf EU-Recht.

Abgeordnetem Matznetter gab Lopatka hinsichtlich der prozyklischen Wirkung von Basel II recht und teilte mit, darüber werde im nächsten ECOFIN zu beraten sein.

In einer zweiten Verhandlungsrunde sprach Abgeordneter Werner Kogler (G) von einem "gescheiten Gesetz", vermisste aber präziser formulierte Auflagen für Betriebe, die Haftungen in Anspruch nehmen. Kogler schlug vor, den Verzicht der Manager auf Bonifikationen vorzuschreiben und stärker auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen zu achten. Außerdem sollte man Förderungskumulation ausschließen und gegen Lohndruck in Form "freiwilligen" Lohnverzichts vorgehen. Dieser Forderung schlossen sich auch die Abgeordneten Kai Jan Krainer und Christoph Matznetter (beide S) an.

Staatssekretär Reinhold Lopatka schlug vor, das Kriterium einer "angemessenen Entlohnung" ähnlich wie bei den Verträgen mit Banken auch in die Haftungsverträge nach dem vorliegenden Gesetz aufzunehmen.

Der Kritik des Abgeordneten Lutz Weinzinger (F), der das Gesetz ablehnte, weil es nicht den Unternehmen diene, sondern den Banken das Kreditrisiko abnehme, trat Abgeordneter Matznetter mit dem Hinweis darauf entgegen, dass Staatsgarantien den Kreditrahmen für Unternehmen erweitern sollen, nachdem Basel II mit seinen verschärften Bonitätsvorschriften die Kreditvergabemöglichkeiten einschränke. Auch Staatssekretär Lopatka bekräftigte gegenüber den Abgeordneten Lutz Weinzinger und Werner Königshofer (beide F), dass die Haftung für Großbetriebe notwendig sei, um Arbeitsplätze zu sichern. (Fortsetzung)