Parlamentskorrespondenz Nr. 608 vom 01.07.2009

Von Österreich über den Iran nach Tibet

Aktuelle Aussprache im Menschenrechtsausschuss

Wien (PK) – Mit einer aktuellen Aussprache, in der Staatssekretär Josef Ostermayer den Bundeskanzler vertrat, begann heute unter dem Vorsitz von Obfrau Alev Korun (G) eine Sitzung des Ausschusses für Menschenrechte. Die beiden G-Anträge, die nach der Aussprache auf der Tagesordnung standen, wurden mit Mehrheit vertagt.

Staatssekretär Ostermayer gab einleitend einen Überblick über Aktivitäten und Vorhaben der Regierung im Zusammenhang mit dem Thema Menschenrechte. Der einmal ins Aug gefasste Aktionsplan gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit werde in ein größeres Projekt, den Aktionsplan für Integration, eingegliedert; federführend sei dabei das Innenministerium. Im Zusammenhang mit dem Zusatzprotokoll 14 a zur MR-Konvention beobachte man zunächst, ob beim EuGH eine Effizienzsteigerung und ein Abbau des Aktenrückstands erreicht werden könne. Erst danach wäre – auch im Hinblick auf die gute menschenrechtliche Situation in Österreich – die Ratifizierung des 12. Zusatzprotokolls – siehe TOP 3 – ein Thema.

In einer Fragerunde brachten Abgeordnete aller Fraktionen ein Fülle von Themen zur Sprache. Abgeordneter Werner Neubauer (F) informierte, unterstützt mit Fotos, über Berichte bezüglich menschenrechtswidrige Behandlung und Schikanierungen deutschsprachiger Jugendlicher in einem Gefängnis in Südtirol. – Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) bezog sich auf einen Medienbericht über die diskriminierende Behandlung einer österreichischen Ärztin mit schwarzer Hautfarbe in einem öffentlichen Verkehrsmittel und fragte, daran anknüpfend, nach MR-Institutionen in Österreich. – Abgeordnete Alev Korun (G) wollte u.a. Klarheit über die Absichten hinsichtlich internationaler Abkommen – z.B. zum Anti-Folter-Protokoll (OPCAT) - und über das Erledigungstempo beim Asylgerichtshof. – Abgeordneter Gerald Grosz (B) fragte nach den Möglichkeiten österreichischer Behörden, Österreicher betreffende Akten der Gauck-Behörde zu bekommen, sprach das Thema Menschen- und Kinderhandel an und vermisste klare Worte Österreichs zu fortgesetzten Menschenrechtsverletzungen in Tibet durch China. – Abgeordneter Franz Glaser (V) wollte Gründe für Verzögerungen bei Zahlungen im Bereich der Volksgruppenförderung erfahren und thematisierte die zweisprachigen Ortstafeln im Burgenland und in Kärnten. – Abgeordnete Andrea Gessl-Ranftl (S) kam auf den Bericht über die Volksgruppen zu sprechen.

Abgeordneter Wolfgang Zinggl (G) thematisierte die Übergriffe gegen Roma in mehreren europäischen Staaten und meinte, Österreich müsse hier Gegenmaßnahmen initiieren. – Abgeordneter Peter Sonnberger (V) fragte nach dem Fakultativprotokoll zum Anti-Folter-Abkommen und seiner Umsetzung. – Abgeordneter Christian Lausch (F) wollte wissen, woher Zahlen über eine angebliche Zunahme des Rassismus in Österreich stammten. – Abgeordneter Kurt List (B) kam auf alte Gräber mit tausenden Toten in Slowenien zu sprechen und sprach sich für eine österreichische Beteiligung an der Aufklärung der Hintergründe während des Kriegs aus. – Abgeordneter Albert Steinhauser (G) ging auf die aktuelle Situation im Iran ein, äußerte sich in diesem Zusammenhang kritisch über die teilweise Geltung und Vollziehung der Scharia und fragte nach österreichischen Initiativen in diesem Zusammenhang. Schließlich kritisierte er das Kappen des Instanzenzugs im Asylverfahren, was zu einem Anstieg der Beschwerden an den VfGH geführt habe, und fragte nach der Qualität der Entscheidungen im Asylverfahren.

Staatssekretär Ostermayer ersuchte Abgeordneten Neubauer um Unterlagen zu dem von ihm angesprochenen Fall. – Zu dem von Abgeordneter Hagenhofer geschilderten Vorfall erinnerte Ostermayer an die Verantwortung der gesamten Gesellschaft, auf die bereits die Schule vorbereiten müsse. – Die Umsetzung von OPCAT stellte der Staatssekretär für Anfang nächsten Jahres in Aussicht; es gäbe Gespräche mit der Volksanwaltschaft, die entsprechende Stelle dort einzurichten. Durch die Errichtung des Asylgerichtshofs sei der Rückstau um ein Drittel verringert worden; beim VfGH habe man zusätzliche Sessionen eingeführt, um eine Entspannung zu erreichen. – Bezüglich der Gauck-Behörde schiene es ratsam, bei bestehenden Verfahren anzuknüpfen, erfuhr Abgeordneter Grosz; bezüglich Kinderhandel berichtete Ostermayer von einer eigens dafür eingerichteten Task-Force. Der Staatssekretär wertete es als politisches Zeichen, dass der Dalai Lama nach Österreich eingeladen und vom Bundeskanzler empfangen worden sei. – Bei der Volksgruppenförderung würde nach einer definierten Vorgangsweise operiert; allfällige Verzögerungen würde er sich aber anschauen, erfuhr Abgeordneter Glaser vom Staatssekretär. – Die Frage der Kärntner Ortstafeln sei "nur im breiten Konsens" lösbar, betonte Ostermayer. Die Übergriffe gegen Roma sei ein Thema, das auf europäischer Ebene – etwa im Rat - behandelt werden solle, stimmte Staatssekretär Ostermayer Abgeordnetem Zinggl zu. Mit Slowenien gebe es regelmäßig Gespräche, erfuhr Abgeordneter List. – Der Asylgerichtshof habe zur Verkürzung der Verfahren beigetragen, sagte Ostermayer in Richtung des Abgeordneten Steinhauser. Die Position gegenüber dem Iran werde auf europäischer Ebene abgestimmt, sie sei insgesamt sehr klar. Die jeweilige Vorgangsweise sei nicht zuletzt mit Rücksicht auf ihre Wirkung zu wählen.

Zwei Anträge der Grünen vertagt

In einem Entschließungsantrag fordern die Grünen die Regierung auf, innerhalb eines Jahres "einen umfassenden nationalen Aktionsplan zum Schutz und der Förderung von Menschenrechten in Österreich" vorzulegen. Unter anderem treten die AntragstellerInnen für die vollständige Ratifizierung wesentlicher Menschenrechts-Übereinkünfte, die Stärkung sozialer Rechte, die Verhinderung von Diskriminierung und Verbesserungen bei der Umsetzung der Meinungsfreiheit ein.

Abgeordneter Franz Glaser (V) meinte, Österreich könne selbstbewusst von seiner Menschenrechtspolitik sprechen, die Menschenrechtssituation in Österreich sei positiv, Regierung und Gebietskörperschaften trügen dazu viel bei. Er stellte einen Antrag auf Vertagung.

Abgeordnete Alev Korun (G) bezog sich auf den Hammarberg-Bericht; es gehe darum, die darin ausgesprochenen Empfehlungen auch umzusetzen und "den schönen Worten Taten folgen" zu lassen. Auch Koruns Fraktionskollege Albert Steinhauser sprach sich gegen eine Vertagung aus; es gelte, Entwicklungspotenzial zu nützen und so neue Standards zu erreichen, denn "wer rastet, der rostet".

Abgeordneter Robert Lugar (B) wandte sich gegen eine Vertagung und plädierte dafür, den Antrag abzulehnen.

Der Antrag wurde mit Mehrheit vertagt.

Mit einem weiteren Entschließungsantrag fordern die Grünen die Regierung auf, dem Nationalrat "unverzüglich" die notwendigen Vorlagen zur Ratifizierung des 12. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention vorzulegen.

Abgeordnete Alev Korun (G) plädierte für die Ratifizierung des Protokolls, zumal Österreich das Protokoll bereits im Jahr 2000 unterzeichnet habe. Mit der Übung, Protokolle zu unterzeichnen, sie aber dann nicht zu ratifizieren, würde der Ruf Österreichs beschädigt. Ihr Fraktionskollege Albert Steinhauser meinte, ein entsprechender Beschluss würde die Regierung unterstützen und sei Ausdruck eines selbstbewussten Parlaments; wenn sich durch die Ratifizierung ohnedies nichts ändere, dann könne man ja umso leichter zustimmen.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) stellte, unter Berufung auf die Argumente des Staatssekretärs in der aktuellen Aussprache, einen Vertagungsantrag. – Abgeordneter Gerald Grosz (B) forderte die Koalition auf, Farbe zu bekennen; seine Fraktion habe nichts gegen eine Ratifizierung des Protokolls einzuwenden, auch wenn wichtige Länder der EU wie Frankreich und Polen es noch nicht einmal unterzeichnet hätten. – Abgeordnete der FPÖ (Christian Lausch, Anneliese Kitzmüller) sprachen sich gegen die Vertagung und für eine Ablehnung des Antrags und gegen die Ratifizierung des Protokolls aus, was Abgeordneten Grosz zu der Feststellung veranlasste, die FPÖ beklage sich ständig über Diskriminierung, sei aber gegen ein umfassendes Diskriminierungsverbot, wie es das Protokoll enthalte.

Staatssekretär Josef Ostermayer wies den Ausschuss darauf hin, dass Österreich das einzige Land sei, in dem die Menschenrechtskonvention Teil der Verfassung sei und plädierte erneut dafür, einen Schritt nach dem anderen zu setzen; es gebe für die Ratifizierung keinen Bedarf.

Der Antrag wurde mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen vertagt. (Schluss)